"Ein Patriot und überzeugter Europäer"

Staatsakt für Hans-Dietrich Genscher "Ein Patriot und überzeugter Europäer"

"Traurig, mit tiefem Respekt und in großer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von Hans-Dietrich Genscher", sagte Bundespräsident Gauck beim Staatsakt zu Ehren des Verstorbenen. Bundeskanzlerin Merkel hatte Genscher zuvor als Patrioten und überzeugten Europäer gewürdigt.

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Staatsakt zu Ehren Hans-Dietrich Genschers

Abschied von Hans-Dietrich Genscher

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Bundespräsident Joachim Gauck hob in seiner Ansprache Hans-Dietrich Genschers außergewöhnliche politische Begabung hervor. Er habe die Disziplin, die Tatkraft und die Demut gehabt, all das, was in ihm angelegt war, zu verwirklichen. Er habe sein Leben lang nicht aufgehört, für die Freiheit zu wirken, sagte der Bundespräsident beim Staatsakt.

Architekt eines neuen Europas

Genscher sei "einer der Architekten eines neuen, kooperativen Europas geworden", betonte der Bundespräsident. Er habe unermüdlich das nationale Interesse vertreten, das gleichzeitig die Deutsche Einheit wie den Frieden in ganz Europa umfasst. Hans-Dietrich Genscher sei ein Politiker gewesen, "der buchstäblich bis zum letzten Atemzug dafür warb, das in Europa so glücklich und so friedlich Erreichte nicht aufs Spiel zu setzen."

Gauck mahnte: In Genschers Sinne wäre es, niemals für selbstverständlich zu halten, was eben nicht selbstverständlich sei. Es ginge darum, "leidenschaftlich und geduldig, mit klarem Kompass und rücksichtsvoll zu sichern, zu bewahren und zu stärken, was uns allen Schutz und Wohlergehen schenkt: Frieden, Freiheit und Einheit unseres Vaterlandes, Frieden, Freiheit und Einheit Europas."

Im Beisein der Bundeskanzlerin fand im Bonner Plenarsaal des Deutschen Bundestages der Staatsakt zu Ehren Hans-Dietrich Genschers statt. Ansprachen hielten Bundespräsident Joachim Gauck, Bundesminister a.D. Klaus Kinkel, Außenminister a.D. James Baker und der Theologe Friedrich Schorlemmer.

Merkel würdigt Lebenswerk

Hans-Dietrich Genscher hat Deutschland 23 Jahre lang als Minister gedient. Davon 18 Jahre lang als Minister des Auswärtigen. Er habe dieses Amt geprägt wie kein anderer, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. April in einer Laudatio betont.

Das Lebenswerk Genschers habe zwei Zielen gegolten: dem europäischen Entspannungsprozess und der deutschen Wiedervereinigung, so Merkel weiter. "Dafür wirkte er maßgeblich an der Erarbeitung der KSZE-Schlussakte von Helsinki mit, die den Rufen nach Menschenrechten und Freizügigkeit damals eine unüberhörbare Stimme gab und mir, wie Millionen von Menschen in der DDR und in Osteuropa, Hoffnung auf Veränderung."

Verdienste um die Deutsche Einheit

Als gebürtiger Hallenser habe Hans-Dietrich Genscher das Unrecht der deutschen Teilung nie hingenommen. Er sei seiner Heimatstadt immer verbunden gewesen, betonte die Kanzlerin. Als die historische Stunde schlug, habe er wahrhaft Großes zur Überwindung von Mauer und Unfreiheit beigetragen.

Merkel erinnerte an den entscheidenden Moment, als Genscher als Außenminister 1989 den in der Prager Botschaft ausharrenden DDR-Flüchtlingen die Nachricht von ihrer Ausreisemöglichkeit in die Bundesrepublik überbrachte - und er seinen Satz unter dem Jubel der Menschen nicht vollenden konnte. "Dieser einzigartige Höhepunkt seiner politischen Laufbahn wird für immer mit der gelungenen Wiedervereinigung Deutschlands verbunden sein", sagte sie.

"Großer liberaler Patriot und Europäer"

Nach dem Fall der Mauer sei Hans-Dietrich Genscher eine Schlüsselrolle dabei zugekommen, die Wiedervereinigung in Freiheit und in Einklang mit allen Partnern und Verbündeten international zu verankern. "Der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der die äußeren Aspekte der Deutschen Einheit besiegelte, ist sein bleibendes Werk und die Krönung seiner politischen Laufbahn", erklärte Merkel.

"Ich verneige mich in Hochachtung vor der Lebensleistung dieses großen liberalen Patrioten und Europäers. Persönlich bin ich dankbar für all die Gespräche und Begegnungen, bei denen ich bis in die letzten Jahre von seiner Welterfahrung und Lebensweisheit schöpfen durfte."

Geboren wurde Hans-Dietrich Genscher am 21. März 1927 in Reideburg bei Halle/Saale. Außenminister war er von 1974 bis 1992. In dieser Funktion war er maßgeblich an den Verhandlungen zur Deutschen Einheit beteiligt. Weltberühmt wurde der FDP-Politiker am 30. September 1989, als er den in die Prager Botschaft geflüchteten DDR-Bürgern die Möglichkeit ihrer Ausreise mitteilte.
Sein erstes Ministeramt übernahm Genscher 1969: Damals wurde er Bundesminister des Innern. In seine Zeit als Innenminister fiel im September 1972 die Geiselnahme und Ermordung israelischer Sportler durch arabische Terroristen während der Olympischen Spiele. Genscher gründete später die Antiterroreinheit GSG 9.