"Ich habe mich hier immer wie zu Hause gefühlt"

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Portrait-Serie Gastarbeiter "Ich habe mich hier immer wie zu Hause gefühlt"

Teodoro Calvo Lopez kam vor 40 Jahren als 23-Jähriger aus Spanien. Längst ist Deutschland für ihn zur zweiten Heimat geworden. Der engagierte Rentner arbeitet in einem Verein für spanische Immigranten und findet: Nur mit Toleranz kann man gemeinsam friedlich und harmonisch leben.

4 Min. Lesedauer

Portrait Teodoro Calvo Lopez

Teodoro Calvo Lopez

Foto: RegierungOnline

Portrait Teodoro Calvo Lopez

Teodoro Calvo Lopez

Foto: RegierungOnline

Eigentlich wollte Teodoro nur ein paar Jahre in Deutschland arbeiten und Geld für ein Haus in Spanien verdienen. Dass er vier Jahrzehnte bleiben und Deutschland einmal seine "zweite Heimat“ nennen würde, dachte der Spanier damals nicht im Traum.

Er ist 23 Jahre alt und voller Abenteuerlust, als er 1969 aus einem Dorf in Kastilien nach Hannover aufbricht: "Zwei Tage und zwei Nächte im Zug. Ich war jung, das war eine Reise ins Ungewisse. Ich komme vom Land, verstehen Sie?" Teodoro schmunzelt, als er sich selbst als jungen, unerfahrenen Auswanderer vor sich sieht.

Harte D-Mark für harte Arbeit

Eines immerhin ist dem Spanier schon sicher, als er die Reise antritt: Er wird im fernen Deutschland gutes Geld verdienen: "Ich hatte meinen Arbeitsvertrag schon in Spanien bekommen - harte D-Mark für harte Arbeit." In den ersten zwei Jahren ist Teodoro Hilfsarbeiter in einer Fabrik in Wunstorf bei Hannover, steht am Fließband, wo Gemüse und Fleisch verpackt wird.

Mit Deutschen hat Teodoro anfangs kaum Kontakt: "Um mich herum waren 80 bis 90 Prozent spanische Landsleute. Das ist doch nicht Deutschland, dachte ich. Ich fühlte mich wie in Spanien." Nur das Wetter stimmte nicht, aber: "Daran habe ich mich nach fast 40 Jahren gewöhnt", sagt der 63-Jährige mit einem Lächeln.

"Das Schwierigste war die Sprache", erinnert sich Teodoro. Richtig Deutsch lernt er erst nach einem Wechsel ins VW-Werk Hannover. Und nachdem er seine Verlobte Julia – "Sprechen Sie den Namen bitte mit ch" – in Spanien geheiratet und 1973 nach Deutschland geholt hat. Auch Julia erhält einen Arbeitsvertrag für Hannover.

Als 1974 Sohn Andres geboren wird, machen sich die fehlenden Deutschkenntnisse für die junge Auswandererfamilie erst recht bemerkbar. "Für Julia war der Anfang härter als für mich", bekennt Teodoro heute. "Sie konnte die Sprache ja auch nicht, das war vor allem bei Arztbesuchen mit dem Kind schwierig." Deswegen drücken beide nach der Arbeit die Schulbank, lernen Deutsch und holen außerdem ihre Schulabschlüsse nach.

"Deutsche" Geburtsdaten

Vater und Sohn haben quasi von Geburt an eine besondere Verbindung zur deutschen Geschichte. "Andres hat am Tag der deutschen Einheit Geburtstag, ich am 9. November. Sagt Ihnen das was?", fragt Teodoro. Trotz seines "deutschen" Geburtstages ist Andres spanischer Staatsbürger, erzählt der Vater und fügt stolz hinzu: "Er spricht beide Sprachen, kennt beide Kulturen und ist vollkommen integriert. Das ist ein großer Vorteil. Ich habe ihn immer zum Lernen motiviert und zu Toleranz erzogen."

Toleranz ist überhaupt ein sehr wichtiger Wert in Teodoros Leben. "Wenn man in einem multikulturellen Land lebt, kann das nur mit Toleranz funktionieren", erläutert er. "Tolerant sein bedeutet nicht, auf seine Prinzipien zu verzichten. Es heißt, Menschen zu respektieren, egal welcher Nationalität, Religion oder Kultur sie sind. Nur so kann man gemeinsam friedlich und harmonisch leben."

Engagierter Vater und Katholik

Portrait Teodoro Calvo Lopez

Teodoro Calvo Lopez

Auch der katholische Glaube spielt eine wichtige Rolle für den Spanier, und so ist die spanische katholische Mission seine wichtigste Anlaufstelle während der ersten Jahre in Deutschland. Dort engagiert er sich früh als Kommunionshelfer und Lektor, leitet später Kommunionsgruppen.

Als Andres zur Schule kommt, wird der Vater im spanischen Elternverein aktiv. Er setzt sich dafür ein, spanische Kinder vollständig in deutsche Schulen zu integrieren und gleichzeitig die spanische Kultur für sie zu bewahren. "Wir wollten unsere Kinder auf die Zukunft vorbereiten", sagt Teodoro. 20 Jahre, bis zum Ende des Studiums seines Sohnes, ist er im Verein aktiv. "Ich wusste, dass das eine Arbeit ist, die sich für alle spanischen Kinder in Hannover und Umgebung lohnte."

Rentner im "Unruhestand"

Im Jahr 2000 geht Teodoro aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente. Doch "Ruhe" stand bedeutet das für ihn nicht. Er sucht sich eine neue Aufgabe und findet sie 2001 im Verein "Centro de Dia". Hier trifft er sich regelmäßig mit anderen spanischen Immigranten. Alle sind wie er selbst Rentner, die in Deutschland ihren Lebensabend verbringen. "Viele ihrer Kinder haben ihre Wurzeln in Deutschland. Das ist wahrscheinlich ein wichtiger Grund, dass sie Deutschland nicht verlassen möchten", erklärt Teodoro.

Im "Centro de Dia" tauschen sich die Spanier aus, bilden sich weiter, kochen gemeinsam und lernen auch, Theater zu spielen. Der Verein gehört zum Caritasverband und wird vom spanischen Außenministerium unterstützt. Für Teodoro gibt es hier viel zu tun: "Ich versuche immer, mit einem offenen Ohr und einer helfenden Hand für die anderen da zu sein", sagt Teodoro und fügt mit einem schelmischen Lächeln hinzu: "Als Rentner habe ich also auch Stress."

Zwei Heimaten

Manchmal denkt Teodoro darüber nach, wie es wäre, nach Spanien zurückzugehen. "Ich konnte dort in Ruhe meinen Lebensabend genießen. Aber so lange ich eine Aufgabe habe, die mir so sinnvoll erscheint und die mich so erfüllt, werde ich hierbleiben", sagt er mit fester Stimme. "Ich liebe meine Heimat Spanien, aber ich habe mich auch hier immer wie zu Hause gefühlt."

Nach einer kurzen Pause fügt Teodoro hinzu: "Natürlich vermisse ich Spanien, wenn ich hier bin. Wenn ich dort bin, vermisse ich bald auch Deutschland. Aber man kann eben nicht alles haben. Verstehen Sie?"