Rede des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier,

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Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wenn man die letzten sechs Monate Revue passieren lässt, dann kann man ohne Übertreibung sagen, dass die Themen der Umwelt- und Energiepolitik auf der politischen Agenda endlich wieder dort angekommen sind, wo sie seit vielen Jahren hingehören. Wir haben schon lange nicht mehr so intensiv und so konstruktiv darüber diskutiert. Sie sollten sich freuen, dass es so ist; denn hier geht es um unser gemeinsames Anliegen. Machen Sie es nicht mies, machen Sie es nicht schlecht, sondern freuen Sie sich darüber, dass überall in Deutschland über die Energiewende und ihre Erfolgsvoraussetzungen diskutiert wird.

Ein Zweites ist klar geworden, trotz oder vielleicht gerade wegen der aufgeregten Debatte über den Anstieg der EEG-Umlage: Wir nehmen die Probleme sehr ernst – ich komme darauf noch zurück –, und wir wollen sie lösen. Es ist so, dass die Energiewende von allen wichtigen politischen Kräften dieses Landes gewollt wird. Sie wird gewollt von vielen Aktivisten und Idealisten vor Ort, die dafür eintreten, dass die Energiewende stattfindet, sie wird gewollt von den Fraktionen des Deutschen Bundestages, und sie wird gewollt von der Bundesregierung und den beiden zuständigen Ministern. Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Energiewende gelingt; denn wir haben dadurch die Klarheit, in welche Richtung die Reise geht.

Seit meiner Amtsübernahme habe ich immer wieder, orchestriert von vielen Ihrer Kolleginnen und Kollegen, gehört – ich unterstelle Ihnen keine bösen Absichten; Sie wollen halt irgendwie erreichen, dass man nicht nur über Ihren Kanzlerkandidaten diskutiert –: Das ist falsch, da hat Altmaier einen Fehler gemacht, das hätte er nicht sagen sollen, so kann man nicht vorgehen.

Ich habe Anfang Oktober einen Verfahrensvorschlag vorgelegt, in dem ich darauf hingewiesen habe: Wir brauchen einen nationalen Konsens, wir brauchen eine nationale Ausbaukonzeption, wir brauchen eine grundlegende Reform des EEG, wir brauchen eine Abstimmung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Ausbau der Netze sowie der konventionellen Energien und der erneuerbaren Energien untereinander, und zwar in geografischer und regionaler Hinsicht. All diese Punkte haben Sie kritisiert. Als vier Wochen später die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer bei der Bundeskanzlerin waren, bestand in all den genannten Punkten einstimmiger Konsens darüber, dass wir eine nationale Ausbaukonzeption und eine grundlegende Reform des EEG brauchen. Ihre Ministerpräsidenten zeigen mehr Einsicht als Sie. Nehmen Sie sich ein Beispiel. Fragen Sie Herrn Albig, fragen Sie Frau Kraft, fragen Sie Herrn Kretschmann in Baden-Württemberg.

Wenn Sie ehrlich sind – das meine ich nicht kontrovers; das ist etwas, auf das wir gemeinsam schauen können –, dann müssen Sie zugeben: Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland war noch nie so dynamisch und so stark wie in den letzten zwölf Monaten. Wir werden in diesem Jahr 25 Prozent unseres Stroms mit erneuerbaren Energien produzieren. Die Leistung der Photovoltaikanlagen in Deutschland wird der Leistung von etwa 20 Kernkraftwerken entsprechen. Wir sind das Land in der Welt, in dem der Ausbau der erneuerbaren Energien am dynamischsten vorangeht. Wer versucht, das schlechtzureden und infrage zu stellen, der tut der Energiewende keinen Gefallen, der leistet ihr einen Tort.

Ich bitte Sie: Konzentrieren Sie sich in Ihrer Rhetorik darauf, dass eine Energiewende mehr ist als nur der volumenmäßige Ausbau. Es ist nun einmal so, dass man eine Photovoltaikanlage schneller auf dem Dach installiert hat als die Stromleitung, die nötig ist, um gewonnenen Strom abzutransportieren. Es ist leichter, ein Windrad zu bauen, als eine 900 Kilometer lange Gleichstromleitung quer durch Deutschland zu verlegen.

Wir müssen die Probleme und die Chancen der Energiewende gemeinsam in den Griff bekommen. Die Energiewende ist nicht dann ein Erfolg, wenn wir bestimmte Ausbauziele erreicht haben, sondern dann, wenn wir am Ende mindestens 80 Prozent unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gewinnen und die Stromversorgung in Deutschland trotzdem bezahlbar und das Land wettbewerbsfähig bleibt. Unser Ziel ist es, die erneuerbaren Energien auszubauen. Gleichzeitig sollten wir dafür sorgen, dass Strom bezahlbar bleibt und wettbewerbsfähige Preise während der ganzen Dauer der Energiewende gewährleistet werden können.

Wir haben in diesem Hause noch etwas erreicht – Sie sollten den gefundenen Konsens nicht kleinreden –: Wir haben im Sommer gemeinsam – die 16 Bundesländer und alle Fraktionen im Deutschen Bundestag – eine Reform der Photovoltaikförderung beschlossen. Diese Reform beginnt zu greifen. Die Zahlen für Juli, August, Oktober und auch November – September war ein Ausnahmefall wegen großer Freiflächenanlagen in Ostdeutschland – belegen: Wir haben uns auf einen vernünftigen Ausbaukorridor für erneuerbare Energien im Bereich der Photovoltaik geeinigt. Auf ein Jahr hochgerechnet soll er künftig nicht bei 7.500 oder 8.000 Megawatt liegen, sondern im nächsten Jahr aller Voraussicht nach bei 3.500 oder 4.000 Megawatt. Das heißt, wir sind immer noch Weltmeister im Bereich der Photovoltaik. Wir verhindern aber eine Blasenbildung, die am Ende zu einer harten Landung und zu negativen Folgen für alle Beteiligten führen würde.

Genauso engagiert werden wir in den nächsten Wochen dafür sorgen, dass die Offshoreproblematik einer Lösung nähergeführt wird.

Wir haben hierzu ein Gesetz im Deutschen Bundestag vorgelegt, das auch von den Politikern in Norddeutschland aus Ihrer Partei unterstützt wird und zu dem alle Beteiligten sagen: Das ist notwendig. – Deshalb würde ich mir wünschen, dass Sie das auch einmal öffentlich sagen; denn es gehört dazu, dass man gemeinsam Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen übernimmt.

Es haben sich viele hinsichtlich der Herausforderungen des Offshoreausbaus getäuscht; aber es ist richtig, dass wir die technischen und finanziellen Probleme lösen. Auch deshalb haben alle 16 Ministerpräsidenten – einschließlich Herrn Kretschmanns – gesagt, dass sie wollen, dass der Offshoreausbau weitergeht und genau diese Probleme gelöst werden.

Wir machen – es ist noch gar nicht so lange her, dass Sie den Umweltminister gestellt haben –, mit dem Thema „Strom- und Energieeffizienz“ zum ersten Mal ernst. Wir haben mit dem DIHK und mit dem ZDH eine Mittelstandsinitiative verabredet. Im Zusammenhang mit dem Spitzenausgleich haben wir die Einführung von Energiemanagementsystemen in der Wirtschaft vorgesehen. Wir werden morgen die zweite Tagung des Runden Tisches für Stromeffizienz durchführen. Das heißt, wir haben zum ersten Mal auf allen Ebenen – vom kleinen Einkommen über die mittelständische Wirtschaft bis hin zu den großen Betrieben – das Bewusstsein, dass es möglich ist, Kosten auch dadurch zu senken, dass man mit Strom und Energie verantwortlich umgeht. Wir werden sehen, dass man damit auch für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit sehr viel erreichen kann.

Ferner machen wir mit dem Thema „Bürgerbeteiligung und Netzausbau“ ernst. In den nächsten Jahren werden wir sehr viele Leitungen verlegen müssen. Es ist doch kein Ruhmesblatt, dass wir von den Leitungen nach dem EnLAG, die vorgesehen waren, gerade einmal 200 Kilometer gebaut haben; aber es ist eben auch so, dass Sie zu Ihrer Regierungszeit dafür weder die planerischen noch die Beteiligungsinstrumente geschaffen haben, die notwendig sind. Wir schaffen mit diesem Haushalt zum ersten Mal Stellen im Bundesumweltministerium, damit wir Bürgerbeteiligung bei umweltrelevanten Großprojekten ernst nehmen können. Denn wir wollen mit den Leuten reden, und wir wollen, dass sich die Leute eingebunden fühlen.

Wir werden auch die Belange des Naturschutzes ernst nehmen. Am Ende werden wir aber dafür sorgen, dass die notwendigen Netzanschlüsse hergestellt werden. Wir lassen nicht zu, dass dezentraler gegen zentralen oder zentraler gegen dezentralen Ausbau ausgespielt wird, weil wir in Deutschland beides brauchen: Wir brauchen große Stromtrassen, um die Windenergie aus dem Norden dorthin zu transportieren, wo sie gebraucht wird. Umgekehrt brauchen wir gute regionale Verteilnetze, um Photovoltaik- und dezentrale Erneuerbare-Energie-Anlagen abzufedern.

Wir werden dafür sorgen, dass wir uns international gut aufstellen. In Doha haben wir eine ganz schwierige Klimakonferenz vor uns. Wir haben auf der internationalen Ebene zwar einen Erkenntnisfortschritt dahin, dass Klimaschutz notwendig ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen, wächst; auch das muss man sagen. Aber es wäre falsch, aufzugeben. Deshalb wünsche ich mir, dass wir in Doha – wir sehen uns in dieser Woche zum gemeinsamen Frühstück – die Kraft haben, eine gemeinsame deutsche Position zu formulieren und zu vertreten, eine Position, die auch den Druck erzeugt, dass sich andere Länder dem anschließen. Ich wünsche mir, dass wir einen Konsens über eine zweite Verpflichtungsperiode nach dem Kioto-Protokoll erreichen. Weiter wünsche ich mir, dass die übrigen Länder bei ihren nationalen Kraftanstrengungen endlich vorankommen und wir ein klares Verhandlungsmandat für das allgemeine Klimaschutzabkommen bekommen werden.

Ich möchte mich bei den Fraktionen des Deutschen Bundestages bedanken, die durch ihre Berichterstatter quer über alle Parteien hinweg dazu beigetragen haben, dass wir einer Lösung für die „Lex Asse“ in den letzten Wochen und Monaten einen großen Schritt näher gekommen sind. Das ist eine Frage der Vertrauensbildung vor Ort. Ich habe von Anfang an Wert darauf gelegt, dass wir dies überparteilich tun.

Ich werde in dieser Woche erneut zu den Menschen an der Asse fahren und dort mit den Mitgliedern der Begleitgruppe diskutieren, weil ich zugesagt habe, dass wir diesen Dialog auf oberster politischer Ebene führen.

Ich komme zum Schluss. Es gibt ein Problem – Sie können noch so viel filibustern –, das gelöst werden muss: Das ist die gemeinsame Endlagersuche. Wir haben vor einem Jahr die Kraft gefunden, gemeinsam einen Endpunkt der friedlichen Nutzung der Kernenergie festzulegen. Wir haben uns gemeinsam zur Energiewende verpflichtet. Ich meine, dazu gehört auch, dass wir die Kraft zu einem überparteilichen Konsens bei der Endlagersuche finden. Nur, wir haben auch in dieser Frage schon sehr viel Zeit verloren.

Wissen Sie, ich habe ja den Grünen-Parteitag vom letzten Wochenende gelobt. Ich habe das ja öffentlich anerkannt. Nur, wir diskutieren ein ganzes Jahr darüber. Bereits im Frühsommer haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir haben informelle und formelle Verhandlungen geführt. Ich habe im Herbst einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt. Und erst jetzt diskutieren Sie als Bündnis 90/Die Grünen über Ihre Position. Bis heute habe ich auch noch nichts von einer gemeinsamen Position der A-Länder im Bundesrat gehört. Ich meine, wir können dieses Thema nicht auf die lange Bank schieben. Deshalb appelliere ich an Sie: Schielen Sie nicht auf Wahlkämpfe, sondern tragen Sie dazu bei, dass wir eine überparteiliche Regelung finden, die in diesem Bereich Frieden und Rechtsfrieden schafft!

Ich bedanke mich bei Ihnen allen für die Unterstützung, die es bei wichtigen und schwierigen Themen gegeben hat. Der Haushalt des Bundesumweltministeriums ist nicht der größte von allen Bundeshaushalten. Lieber Norbert Barthle, wir werden das im Laufe der nächsten Jahre gemeinsam sicherlich schrittweise ändern und den Haushalt in die richtige Richtung fortentwickeln. Die Wichtigkeit dieses Politikbereichs hängt aber nicht an der einen oder anderen Haushaltszahl; sie hängt daran, was wir aus den Herausforderungen machen. Da sind wir in den letzten Monaten einen guten Schritt vorangekommen.