Türkei muss Nato-Partner bleiben

Im Wortlaut: Steinmeier Türkei muss Nato-Partner bleiben

Es sei gut, dass sich nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges durch die Türkei beide Länder wieder annäherten, so Außenminister Steinmeier in einem Interview. Er glaube aber nicht, dass Russland der Türkei eine Alternative zur Sicherheitspartnerschaft der Nato bieten könne.

  • Interview mit Frank Walter Steinmeier
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Bundesminister des Auswärtigen Frank-Walter Steinmeier

Steinmeier: "Die Türkei ist ein wichtiger Nato-Partner - und das muss so bleiben."

Foto: Bundesregierung/Güngör

Das Interview im Wortlaut:

BILD: Können Sie im Urlaub überhaupt abschalten?

Frank-Walter Steinmeier: Bei dem Wüten der Welt funktioniert das Abschalten auf Knopfdruck nicht. Trotzdem lohnt der Versuch rauszukommen! Auch dieses Jahr werde ich bergsteigen. Das hilft, um Abstand zu gewinnen und ein wenig Kraft zu tanken. Denn hier ist im Kopf einige Stunden lang für nichts anderes Platz als für die nächsten zehn Schritte, die nächsten Griffe...

BILD: Wie in der Politik - vorsichtig vorwärts, immer am Abgrund...?

Steinmeier: Am Berg geht man immerhin gesichert...

BILD: Politiker reden und verhandeln - und in Syrien sterben Menschen in einem grauenhaften Krieg. Ist Politik wirklich so machtlos?

Steinmeier: Nicht machtlos, aber wir können nicht das Ende der Kämpfe anordnen! Wäre es so, wäre der Bürgerkrieg nicht schon im fünften Jahr. Das, was in Syrien passiert, ist eine Tragödie. Die Bilder aus Aleppo sind an Grausamkeit kaum zu überbieten. Seit nunmehr fünf Jahren wird auf dem Rücken der Menschen ein brutales Spiel um Macht in der Region gespielt. Und einige der Akteure haben derzeit keinerlei Interesse, den Konflikt zu beenden.

BILD: Sie meinen Diktator Assad, Russland und den Iran?

Steinmeier: Und andere. Das gilt leider aber auch für viele andere Seiten dieses Konflikts...

BILD: Also schaut die Welt wieder tatenlos zu?

Steinmeier: Da kennen Sie meinen Kalender schlecht und auch den von US-Außenminister Kerry und anderer Kollegen! Was machen wir denn Tag und Nacht? Wir suchen ununterbrochen nach Wegen, die Kriegsparteien zu Verhandlungen zu bewegen. Das ist unendlich mühselig, aber eine andere Lösung ist nicht in Sicht. Schauen Sie sich die Lage von ISIS im Irak heute an und vergleichen sie mit dem Sommer 2014: Damals sah es so aus, als würden die Terrorbanden in nur wenigen Tagen das ganze Land beherrschen und alles Nicht-ISIS-Leben auslöschen. Aber heute gibt es auch Fortschritte: Die Hälfte des vor einem Jahr noch besetzten Gebietes hat ISIS verloren. Städte wie Ramadi und Tikrit sind befreit und Menschen kehren zurück.

BILD: ... und am Ende ist Diktator Assad dann der große Sieger in Syrien?

Steinmeier: Das halte ich für ausgeschlossen. Für eine Übergangszeit werden Assad-Parteigänger noch eine Rolle in Syrien spielen. Aber die politische Zukunft des Landes wird und muss ohne Assad stattfinden.

BILD: Warum macht der Westen nicht mehr Druck auf Moskau, seine Unterstützung des Assad-Regimes einzustellen?

Steinmeier: Wir machen uns keine Illusion über Russlands Rolle in Syrien. Eine Lösung des Bürgerkriegs in Syrien wird es ohne Moskau aber nicht geben, genauso wenig wie ohne Iran, Saudi-Arabien oder die Türkei...

BILD: Wie groß ist die Gefahr, dass die Türkei mit Russland eine neue militärische Achse bildet?

Steinmeier: Es ist gut, dass es nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei im vergangenen Jahr wieder eine Annäherung gibt. Gleichzeitig glaube ich nicht, dass das Verhältnis zwischen beiden Ländern so eng wird, dass Russland der Türkei eine Alternative zur Sicherheitspartnerschaft der Nato bieten kann. Die Türkei ist ein wichtiger Nato-Partner - und das muss so bleiben.

BILD: ... und die Visum-Freiheit für Türken, die in die EU einreisen wollen?

Steinmeier: Die Visa-Befreiung gibt es dann, wenn die damit verknüpften Bedingungen erfüllt sind. Das ist derzeit noch nicht der Fall.

Das Interview führten Rolf Kleine und Hans-Jörg Vehlewald für die

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