Statement von Bundeskanzlerin Merkel vor deutschen Soldatinnen und Soldaten der NATO Enhanced Forward Presence Battle Group Litauen

BK'in Merkel: Sehr geehrter Herr Braun und liebe Soldatinnen und Soldaten, ich freue mich, heute hier bei Ihnen in Rukla zu sein. Ich habe mich gerade von den litauischen Verantwortlichen und denen der anderen Nationen zusammen mit der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaitė über das, was hier passiert, informieren lassen und möchte Sie natürlich ganz herzlich grüßen.

Wir sind stolz darauf, dass Sie hier sind. Die Präsidentin hat mir auch gesagt, dass Sie sehr, sehr gut integriert sind, sowohl gemeinsam mit den litauischen Truppen als auch in der internationalen Verantwortung zu arbeiten, dass Sie aber vor allen Dingen auch von der lokalen Bevölkerung geschätzt werden. Ich denke, das ist sehr wichtig.

Wenn man einmal an die Geschichte denkt, dann weiß man, dass Deutsche hier in ganz anderer Mission waren. Dass wir heute freundlich begrüßt werden und akzeptiert und anerkannt sind, zeigt, dass wir glücklicherweise in besseren Zeiten leben. Viele Besucher waren in diesem Jahr hier, weil die drei baltischen Länder auf den 100. Jahrestag der Erklärung der Unabhängigkeit zurückblicken. Aber sie waren dann viele Jahre dieser Zeit nicht unabhängig und haben sich ihre Unabhängigkeit 1991 schwer erkämpft. Wir waren damals sehr mit der deutschen Einheit beschäftigt, sodass mir immer auffällt, dass ich gar nicht mehr so in Erinnerung habe, dass Menschen hier gestorben sind, dass dann die große Menschenkette gebildet wurde das alles auch unter einem russischen Präsidenten Gorbatschow. Aber das war schon eine sehr, sehr harte Situation für die Nationen hier.

Wir sind jetzt hier aufgrund einer Entscheidung der NATO von 2016 nach einem doch sehr schockartigen Erlebnis, nämlich der Okkupation der Krim und der Besetzung eines Teils der Ostukraine. Sie wissen, dass wir gemeinsam mit Frankreich immer noch an der Überwindung dieser Krise arbeiten, leider nicht mit sehr viel Erfolg. Trotzdem ist es das wert und ist das sehr wichtig.

Wir sehen im Grunde auch, dass fast alle früheren Sowjetrepubliken, die nicht zum Bereich der Europäischen Union und der NATO gehören, solche inneren Konflikte in sich tragen, die durch Russland hervorgerufen wurden. Ich war jüngst in Georgien. Dort wird mit Südossetien und Abchasien ein Stück des Landes einfach abgetrennt. Wir haben in Moldawien Transnistrien. Wir haben jetzt in der Ukraine die Ostukraine. Wir haben in Armenien und Aserbaidschan den Konflikt um Nagorny Karabach, sodass alle diese Länder im Innern damit beschäftigt sind, einen Teil ihrer territorialen Integrität wiederzuerlangen.

Sie sind hier auch mit einer Situation konfrontiert, die einem anderen Aspekt der russischen Militärdoktrin entspricht, nämlich der hybriden Kriegsführung. Das haben wir uns nicht ausgedacht, sondern es ist einfach Teil der russischen Doktrin. Diese hybride Kriegsführung ist uns noch nicht sehr vertraut. Sie erleben das hier in ganz speziellen Formen. Nicht umsonst haben wir in Deutschland jetzt eine Cybereinheit innerhalb der Bundeswehr gebildet, um Fähigkeiten zu erlangen. Das gehört heute einfach dazu.

Sie sind hier in Litauen deshalb hoch willkommen, weil damit den Menschen der Beweis erbracht wird, dass uns die Bündnisverteidigung sehr viel wichtiger ist, als es eine ganze Zeit lang der Fall war, als wir uns in Afghanistan und jetzt auch in Mali einfach mehr auf die Verteidigung unserer Sicherheit fernab der Heimat gegen terroristische Bedrohungen konzentriert haben. Jetzt also wieder die klassische Bündnisverteidigung mit all den Folgen, die das hat, was eine viel flächendeckendere Ausstattung anbelangt. Die Bundeswehr ist dabei auf einem Weg, der natürlich noch längst nicht zu Ende beschritten ist. Sie kennen das im Guten und auch in den Mangelerscheinungen, die Ihnen manchmal begegnen. Ich darf Ihnen berichten, dass wir in den letzten Jahren den Verteidigungsetat jeweils sehr stark angehoben haben. Wir blicken jetzt auf zehn Jahre Finanzkrise zurück, Stichwort „Lehman Brothers“. Damals haben wir schon Einschnitte vornehmen müssen, die sich bis heute auswirken. Aber Sie werden erleben, dass sich das, was wir heute an Geld zur Verfügung stellen, in ein paar Jahren positiv auf Ihre Einsatzbereitschaft auswirken wird.

Ich freue mich, dass ich von anderen Nationen höre, dass die deutschen Soldaten akzeptiert und anerkannt sind und möchte Sie einfach nur ermutigen, diesen Dienst weiter mit Freude zu tun. Ich weiß, dass selbst unter den besten Bedingungen die Abwesenheit von der Heimat und von der Familie über Monate immer eine Belastung ist. Deshalb danke ich Ihnen und bitte Sie, diesen Dank auch Ihren Angehörigen zu sagen. Immer um die Weihnachtszeit herum lade ich Familien von Soldatinnen und Soldaten, die im Ausland eingesetzt sind, ein und lasse mir aus deren Perspektive berichten, was der Beruf des Soldaten für die Familie bedeutet. Insofern schätzen wir Ihre Arbeit sehr.

Ich möchte Ihnen ganz herzlich danken und Ihnen ansonsten alles Gute hier wünschen.