Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und des Staatspräsidenten der Republik Polen, Andrzej Duda, vor dem gemeinsamen Gespräch am 17. Juni 2016

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, heute den polnischen Staatspräsidenten, Andrzej Duda, begrüßen zu können. Er ist schon zum zweiten Mal in Berlin und dieses Mal auch ganz besonders aufgrund der Unterzeichnung des Nachbarschaftsvertrages genau heute vor 25 Jahren. Damals haben Helmut Kohl und Jan Krzysztof Bielecki gemeinsam mit den Außenministern den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet. Parallel wurde auch ein Abkommen über den Jugendaustausch unterzeichnet, was damals schon gezeigt hat, dass wir unsere Partnerschaft, unsere Freundschaft, in Richtung Zukunft entwickeln wollen.

Ich glaube, wir können sagen, dass die Entwicklung unserer Beziehungen eine wirkliche Erfolgsgeschichte ist. Das ist alles andere als selbstverständlich und deshalb ein großes Glück, das dankbar und angesichts unserer Geschichte auch demütig macht und das ich mit der Verpflichtung verbinden möchte, dass wir uns immerwährend für gute Beziehungen mit unserem Nachbarn Polen einsetzen müssen. Es ist wunderbar, dass sich die Beziehungen nicht nur auf der Ebene der Politiker entwickeln, sondern dass es auch so zahlreiche und unterschiedliche Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern unserer beiden Länder gibt. Auch das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Deshalb dürfen wir auch nicht aufhören, daran zu arbeiten, sondern müssen immer wieder die Herausforderungen, vor denen wir insgesamt stehen, in den Blick nehmen. Weil wir gute Nachbarn und sogar Freunde sind, besteht auch die Möglichkeit, wenn man einmal unterschiedlicher Meinung ist, Wege zu finden, sich darüber auszutauschen.

Wir sind gemeinsam Mitglied der Europäischen Union und der Nato. Daraus ergeben sich vielfältige gemeinsame Aufgaben. Ich freue mich auch heute schon auf die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen mit der Ministerpräsidentin Beata Szydło in der nächsten Woche, wo die gesamte Breite unserer Beziehungen noch einmal sichtbar wird.

Darüber hinaus freuen wir uns, dass Polen Gastgeber des Nato-Gipfels in wenigen Wochen ist, den wir jetzt schon gemeinsam vorbereiten und der sicherlich in unseren Gesprächen auch eine Rolle spielen wird. Denn das Thema Sicherheit vor den Bedrohungen der heutigen Welt ist ein zentrales, das Polen und Deutschland gleichermaßen umtreibt.

Herr Präsident, herzlich willkommen hier in Berlin!

P Duda: Exzellenz, Frau Bundeskanzlerin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor allem möchte ich einen lieben herzlichen Dank dafür aussprechen, Frau Bundeskanzlerin, dass wir uns an diesem sehr feierlichen Tag hier in Berlin treffen können. Es ist heute auf den Tag der 25. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit - eines deutsch-polnischen Vertrages, der für die Bevölkerung in unseren beiden Staaten, für die Deutschen und die Polen, eine sehr symbolträchtige und praktische Bedeutung hat.

Ich habe bereits gestern bei den Gesprächen und der Konferenz gesagt, auf der wir beide dabei waren, Herr Bundespräsident Gauck und ich: Das ist ein Vorbild, das es in der ganzen Welt gilt nachzuahmen. Zwei Länder, die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg zunächst sehr schlechte Beziehungen hatten - eine tragische Beziehung, in der es so viel Schreckliches bei den Bevölkerungen gegeben hat -, haben sich gegenseitig vergeben. Die Polen haben den Deutschen vergeben. Ich bin auch sehr stolz darauf, was die polnischen katholischen Bischöfe und die evangelischen Bischöfe in ihren Hirtenbriefen und Denkschriften getan haben.

Dann kam die große Hilfe von deutscher Seite für Polen - auch in Zeiten des Kriegsrechtes, in Zeiten, in denen Polen kein freies Land war, in denen viele Menschen gelitten haben und emigrieren mussten. Die Möglichkeiten, die hier die Solidarność geschaffen hat, werden wir stets in Erinnerung behalten. Die Polen wollten ja freie Menschen sein. Sie wollten auch politisch Anschluss an die Gemeinschaft des Westens bekommen. Das, was die Solidarność geleistet hat - mit dem Fall der Berliner Mauer als Konsequenz der Öffnung der Länder Mittel- und Osteuropas -, hat alles den Weg hin zur Unterzeichnung dieses Vertrages geebnet.

Natürlich gibt es da auch einige Defizite. Das heißt, bis heute wurden noch nicht alle Punkte voll umgesetzt. Aber unsere Beziehungen sind sehr gute Beziehungen. Das sind gut-nachbarschaftliche Beziehungen, die auf guten zwischenmenschlichen Kontakten beruhen. Es gibt ein Jugendwerk. Der Austausch von Jugendlichen läuft sehr rege ab. Das ist auch unsere Zukunft. Darauf wollen wir aufbauen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt - das möchte ich hier in Berlin ganz besonders hervorheben -, dass auch die nächsten 25 Jahre dem Aufbau dieser Beziehungen gelten, dass wir diese Beziehungen enger gestalten wollen, obwohl sie sehr gut sind.

Es gibt - wie Sie gesagt haben - auch einige Bereiche, in denen es Unterschiede gibt. Ich sage: Es ist wie in einer guten alten Ehe. Da gibt es auch immer strittige Fragen. Aber wenn es gegenseitig auch Sympathie und eine wohlwollende Haltung gibt und man zusammenbleiben will, dann gelingt es auch, all diese strittigen Fragen zu lösen oder zumindest Lösungen zu finden, die beiderseits akzeptiert werden können. Ich bin fest entschlossen, dass wir dies gemeinsam bewerkstelligen können.

Wir haben natürlich einige wichtige Sachen, die es zu lösen gilt. Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Polen ist ein wichtiges Fundament auch für die Europäische Union. Wenn wir Einheit zeigen, dann sind wir auch in der Lage dafür zu kämpfen, dass seitens der europäischen Bevölkerung wieder Vertrauen da ist, um auch weiter Einfluss auf das Schicksal der Europäischen Union nehmen zu können, die ja von Krisen geplagt ist. Das weiß jeder. Aber wichtig ist, dass wir diese Krisen gemeinsam bewerkstelligen, dass wir nach Lösungen suchen, die für alle akzeptabel sind. Wir werden mit Sicherheit auch diese wichtigen Fragen besprechen.

Heute in unseren Gesprächen wird auch die Sicherheit eine wichtige Rolle spielen. In drei Wochen ist der Nato-Gipfel in Warschau, wo wir Gastgeber sind. Wir möchten, dass im Osten unseres Kontinents die Sicherheit gestärkt werden kann, dass alle drängenden Probleme hier berücksichtigt werden.

Frau Bundeskanzlerin, vielen Dank, dass deutsche Truppen auch bei den „Anakonda“-Übungen dabei waren. Ich konnte selbst beobachten, wie deutsche und britische Soldaten eine Behelfsbrücke über die Weichsel gebaut haben. Innerhalb einer halben Stunde konnte die Brücke aufgestellt werden und war dann für Fahrzeuge befahrbar. Diese militärische Zusammenarbeit ist also sehr gut. Sie zeigt uns - diese Präsenz auch jetzt -, dass die Nato sehr aktiv ist. Ich hoffe, der Gipfel wird zeigen, dass es diese rotierende, aber permanente Präsenz der Nato geben wird und dass somit nicht nur die Sicherheit Mittel- und Osteuropas und des Südens gestärkt werden kann, sondern die Sicherheit von ganz Europa.

Wir werden uns auch, meine Damen und Herren, über andere Fragen unterhalten. Wir werden auf die Flüchtlingskrise eingehen und besprechen, was hier die besten Lösungen sein können, wie wir zusammenarbeiten können. Ich möchte auch mit Ihnen ein künftiges Treffen des Weimarer Dreiecks besprechen. Hoffentlich können wir auch auf dieses Thema eingehen. Wir werden uns auch über andere Fragen der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern unterhalten. Ich freue mich sehr auf unsere Gespräche.

Vielen herzlichen Dank, dass ich hier in Berlin sein darf.