Pressestatements der Bundeskanzlerin und Professor Harhoffs zum Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation am 25. Februar 2015

Prof. Harhoff: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, wir freuen uns, Ihnen heute das Jahresgutachten 2015 der Expertenkommission Forschung und Innovation übergeben zu können. Wie in den Vorjahren analysiert die Expertenkommission aktuelle Entwicklungen und leitet zu einer Reihe von Schwerpunktthemen Empfehlungen für die Forschungs- und Innovationspolitik ab.

Im letzten Jahr wurde in der Wissenschaftspolitik ein wichtiger Erfolg erzielt: Die Neufassung des Artikels 91 b Grundgesetz schafft im Bereich der Hochschulen wichtige Gestaltungsspielräume. Diese gilt es nun klug zu nutzen, um das deutsche Wissenschafts- und Forschungssystem weiter zu stärken.

Deutschlands Forschungsaufwendungen sind relativ zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2013 erstmals seit längerer Zeit nicht mehr gestiegen. Das Drei-Prozent-Ziel für 2015 ist nach Ansicht der Kommission nicht gefährdet, aber die Entwicklung zeigt, dass es weiterhin nachhaltiger Anstrengungen bedarf, um an den erfolgreichen Pfad der Vorjahre anzuknüpfen. Damit Deutschland mit den führenden Innovationsnationen mithalten kann, sollte mittelfristig aus Sicht der Kommission ein ehrgeizigeres Ziel verankert werden. 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung wären nach Ansicht der Expertenkommission als Zielmarke auf längere Sicht angemessen und sinnvoll.

Die Bedeutung von Digitalisierung und Vernetzung nimmt weiter zu. Hieraus entstehen Chancen, aber auch Herausforderungen für Deutschland. Die Bundesregierung hat zu Anfang der Legislaturperiode auf diese Entwicklung mit der Digitalen Agenda reagiert. Die Expertenkommission begrüßt ausdrücklich die dort angekündigten Maßnahmen und Prioritäten, insbesondere auch für Datensicherheit und Datenschutz sowie für den Breitbandausbau. Insgesamt weist die Digitale Agenda in die richtige Richtung, sie muss allerdings nun zügig umgesetzt werden.

Das gilt auch für das Konzept Industrie 4.0, bei dessen Umsetzung die Akteure in der Wirtschaft natürlich besonders wichtige Beiträge zu leisten haben. Die Expertenkommission weist in ihren Analysen auch auf die Potenziale der additiven Fertigung auch als 3D-Druck bezeichnet hin. Additive Fertigung kann die industrielle Produktion in Deutschland stärken und noch wettbewerbsfähiger machen. Die Kommission empfiehlt, Fördermaßnahmen für additive Fertigung in einen stringenten Gesamtrahmen einzubetten.

Weitere Chancen der Digitalisierung sieht die Kommission im Bereich von MOOCs, den offenen Kursangeboten von Hochschulen im Internet. In der aktuellen deutschen Diskussion werden die Risiken von MOOCs häufig überbetont und die Möglichkeiten unterschätzt. Wir raten zu einer ausgewogenen Bewertung und zeigen Handlungsoptionen für die Politik auf.

Die Expertenkommission konstatiert auch großen Handlungsbedarf im Bereich des deutschen und europäischen Urheberrechts. Es muss dringend an die neuen digitalen Möglichkeiten angepasst werden. Das Urheberrecht sollte nicht darauf ausgerichtet sein, Bestandsschutz für alte Geschäftsmodelle zu gewähren, sondern es sollte Kreativität und Zugang zu Wissen erleichtern.

Um neue Möglichkeiten der digitalen, vernetzten Wirtschaft zu nutzen, sind Startups als Quelle neuer Technologien und neuer Geschäftskonzepte unverzichtbar. Deutschland vergibt in diesem Bereich derzeit noch Wachstumspotenziale. Die im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Startups und für Wagniskapital bleiben daher aus unserer Sicht ganz oben auf der Agenda.

Internationale Vergleiche zeigen, dass Deutschland derzeit wirtschaftlich und als Innovationsstandort gut dasteht. Damit es so bleibt, muss die Forschungs- und Innovationspolitik weiterhin hohe Beachtung genießen.

Wir hoffen, dass unsere Überlegungen und unsere Empfehlungen im Jahresgutachten 2015 hilfreiche Impulse für Ihre Beratungen geben.

BK'in Merkel: Sehr geehrter Herr Professor Harhoff, liebe Mitglieder der Expertenkommission Forschung und Innovation, liebe Frau Bundesministerin Wanka, meine Damen und Herren! Ich möchte mich herzlich für das aktuelle Jahresgutachten bedanken. Wir sind ja von der Bewertung dessen her, was Forschung und Innovation für unser Land bedeuten, einer Meinung. Wir erschließen uns damit Zukunft. Deshalb darf ich Ihnen schon gleich sagen, und das hat mir die Ministerin vor diesem Termin auch gesagt, dass Ihre Bewertungen, Ihre Vorschläge, Ihre Ideen natürlich in die Arbeit des Ministeriums eingehen werden und diese Arbeit im positiven Sinne befruchten werden.

Wir freuen uns, dass Sie durchaus anerkannt haben, was wir in den letzten zwölf Monaten auf den Weg gebracht haben: Die Hightech-Strategie ist überarbeitet worden. Die Fragen der Forschungsinvestitionen sind sozusagen auch positiv bewertet worden, was die Haushaltsmittel anbelangt, wenngleich natürlich gilt: Je besser die wirtschaftliche Entwicklung, umso schwieriger ist es mit dem Prozentziel! Ich glaube, wir haben trotzdem lieber erträgliche Wachstumsraten und versuchen, mitzuhalten.

Ich verstehe gut, dass Sie sagen: Mittelfristig darf das 3-Prozent-Ziel nicht das Ende aller Übungen des Denkens sein. Wir wissen, dass die Forschungsziele zum Beispiel in Südkorea höher gesetzt sind. Als Bundeskanzlerin muss ich allerdings sagen: Ich bin dafür dankbar, dass Sie das „mittelfristig“ festgelegt haben; denn im Augenblick haben wir noch eine Vielzahl anderer Herausforderungen vor uns, und es gibt vor allen Dingen eine neue Berechnungsgrundlage für das Bruttosozialprodukt, was dazu führt, dass der Forschungsanteil jetzt erstmals als Investition gedacht wird. Aber das Ganze führt auch zu anspruchsvollen Zielsetzungen, um das 3-Prozent-Ziel zu halten.

Wir haben zwischen Bund und Ländern wichtige Übereinkünfte gezielt. Ich glaube, da hat sich die Große Koalition bewährt. Wir haben den Artikel 91b des Grundgesetzes verändern können, und wir haben das BAföG als Bund übernommen und damit auch mehr Klarheit geschaffen. Wir freuen uns, dass auch Sie der Meinung sind, dass die Mittel bei den Ländern dann auch adäquat eingesetzt werden sollten.

Wir haben jetzt mehr Spielräume, um Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen besser miteinander zu vernetzen. Ich glaube, es ist im internationalen Vergleich unumgänglich, dass wir das tun. Wir haben als Bundesregierung, obwohl wir nicht zuständig sind, auch gezeigt, dass wir ein sehr hohes Interesse daran haben, dass die Qualität der außeruniversitären Forschung und die Qualität der universitären Forschung nicht zu sehr auseinanderfallen. Dafür ist diese Cluster-Bildung neben der Frage, wie viel Geld in die Hochschule kommt, natürlich von allergrößter Bedeutung.

Deshalb freue ich mich über Ihre Anregungen gerade auch im Hinblick auf die Digitalisierung. Ich denke, hier wird sich vieles entscheiden. Ich stimme mit Ihnen überein: Wir brauchen ein modernes Urheberrecht. Hierzu wird es europäische Vorschläge geben, die wir dann natürlich auch bewerten müssen. Ich glaube, es ist richtig, dass wir uns im digitalen Umfeld jetzt sehr darauf konzentrieren, europäische Regelungen zu haben, sowohl, was die Telekommunikationsrahmenbedingungen angeht, als auch, was das Big-Data-Management anbelangt, aber eben auch, was das Urheberrecht anbelangt. Denn je größer der Raum ist, in dem wir eine einheitliche Rechtsgrundlage haben, umso intensiver kann sich das Feld der Digitalisierung auch in Europa entwickeln. Dass hier Arbeitsplätze der Zukunft entstehen, ist ja unbestritten, und deshalb ist gerade ein Kontinent wie Europa, der unter so hoher Arbeitslosigkeit und gerade unter Jugendarbeitslosigkeit leidet, darauf angewiesen, die Digitale Agenda auch zielstrebig fortzuentwickeln. Wir wollen das durch unsere nationalen Maßnahmen befördern, aber uns dafür genauso in Europa einbringen.

Danke für das Gutachten! Es wird eine wichtige Arbeitsgrundlage für die Bundesregierung sein. Ich danke für Ihre Arbeit und danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dabei mitgeholfen haben. Es ist ja immer viel Zeit, die da von den Mitgliedern und den Mitarbeitern aufgewendet wird. Deshalb alles Gute für Ihre weitere Arbeit; denn 2016 wollen wir ja wieder ein Gutachten!