Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Rutte am 09. Juli 2020

(Die Ausschriftung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, nach den Corona-Beschränkungen heute hier in Berlin als ersten Gast den Premierminister der Niederlande begrüßen zu können. Ich begrüße ihn auch als ersten ausländischen Gast, seitdem Deutschland die rotierende Ratspräsidentschaft übernommen hat, was man an der veränderten Rückwand hinter uns sieht, die das Möbiusband zeigt.

Wir haben, obwohl wir uns hier nicht getroffen haben, trotzdem sehr eng zusammengearbeitet. Wir haben oft telefoniert oder waren per Videokonferenzen miteinander verbunden. Es gab ja auch die Videokonferenzen des Europäischen Rates.

Jetzt liegt am 17. und 18. Juli ein physisches Treffen vor uns. Das will gut vorbereitet sein, weil wir alle der Überzeugung sind, dass die Coronakrise uns in eine ungewöhnliche und auch einzigartig schwierige Lage gebracht hat. Wir sind alle der Meinung, dass wir darauf besondere Antworten finden müssen. Wie genau die ausgestaltet sind, darüber werden wir noch intensiv reden.

Alle 27 Mitgliedstaaten müssen unter einen Hut gebracht werden, und wir müssen einstimmig entscheiden. Ich glaube, dass deshalb dieses Treffen heute Abend sehr wichtig ist. Wir stehen alle in einem engen Kontakt mit Charles Michel, dem Ratspräsidenten. Ich habe gestern angesichts meines Besuchs im Europäischen Parlament ausführlich mit ihm gesprochen. Ich glaube, wir haben eines gemeinsam: Wir wollen Europa wieder stark machen. Insofern spiegelt das auch das deutsche Motto der Ratspräsidentschaft wider: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“

Die Niederlande und Deutschland arbeiten sehr eng in Bezug auf die Ausrichtung auf eine wirkliche Zukunftsfähigkeit und auf die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zusammen. Trotz aller wirtschaftlichen Einbrüche helfen Hilfen, die letztendlich nicht mit Reformen, Veränderungen und eine Ausrichtung auf die Zukunft verbunden sind, nichts. Wir sind in Deutschland der Meinung ‑ das ist auch unsere gemeinsame Meinung ‑, dass der Klimaschutz eine große Rolle spielt. Die Niederlande gehen hier einen sehr engagierten Weg, wie sie überhaupt viele Reformen angestoßen haben. Das finde ich auch besonders beeindruckend. Ich denke etwa an die Jahre eurer Diskussion über die Rentenreform, die dann doch zu einer großen gesellschaftlichen Akzeptanz bei den Veränderungen geführt haben.

All das müssen wir überall in Europa machen. Denn die Welt schläft nicht. Nach dieser Krise werden die Karten mit Sicherheit neu gemischt, und es wird geschaut, wer den Menschen in seinen Ländern wirklich Wohlstand garantieren kann. Das geht nur mit einer wettbewerbsfähigen und zukunftsfähigen Wirtschaft.

Deshalb freue ich mich auf den heutigen Abend. Ich begrüße dich noch einmal ganz herzlich, Mark, und übergebe dir das Wort.


MP Rutte Vielen Dank. Es ist mir immer ein großes Vergnügen, meine Kollegin Angela Merkel hier in Berlin zu besuchen, vor allem jetzt, da die EU-Präsidentschaft begonnen hat. Die nächsten Monate werden natürlich sehr wichtig. „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“, das ist das Motto der Präsidentschaft. Ich kann dem nur beipflichten.

Die Coronapandemie, aber auch die wirtschaftliche Krise haben Europa natürlich sehr stark getroffen. Sehr viele Personen haben zum Beispiel auch Geliebte verloren. Aber sie haben auch andere Folgen gespürt wie zum Beispiel die, dass sie ihren Job verloren haben oder dass ihr Einkommen stark geschrumpft ist. Wir sehen, dass diese Pandemie in ganz Europa viel Schaden angerichtet hat.

Jetzt ist es ganz wichtig, dass wir diesen Schlag, den Europa erlitten hat, gemeinsam meistern. Für alle Mitgliedsstaaten wäre es das Beste, wenn wir die wirtschaftlichen Folgen nun milden könnten. Deutschland macht das selbst; die Niederlande machen das selbst. Aber Deutschland und die Niederlande können nur dann gut weitermachen, wenn es auch der ganzen Europäischen Union gut geht. Denn in Europa sind all unsere Wirtschaftssysteme, nicht nur die europäischen Wirtschaftssysteme, sondern alle Wirtschaftssysteme, ganz eng miteinander verbunden.

Deswegen sprechen wir nächste Woche beim Europäischen Rat auch über den Wiederaufbaufonds. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass so etwas kommt. Aber es ist auch wichtig, dass ein solcher Fonds zusammen mit Reformen durchgeführt wird, damit alle EU-Mitgliedsstaaten auch stark sind, sodass bei einem folgenden Schlag ein solcher Fonds gar nicht notwendig ist. Das ist meine Hoffnung.

Für das nächstes Jahr steht auch der mehrjährige Finanzrahmen auf dem Programm. Er ist auch sehr wichtig für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung der Europäischen Union. Darin werden natürlich auch die Linien für die Zukunft vorgezeichnet. Wir können auf jeden Fall betonen, dass die EU mit Geld sparsam umgehen muss. Wir wollen nicht, dass der Nettobeitrag infolge des Brexits und der Coronakrise nun steigt. Deswegen müssen wir Entscheidungen treffen. Wir entscheiden uns für ein grünes und für ein digitales Europa, aber auch für ein Europa, das fest hinter unseren Werten steht, als Rechtsstaat mit bestimmten Regelungen und Spielregeln, die überall respektiert werden. Nur so können wir auch unser Wachstumspotenzial wiederaufbauen.

Ich wünsche dir, Angela, viel Erfolg bei der Präsidentschaft im nächsten halben Jahr. Wir haben sehr viel Vertrauen in deine Person. Das höre ich auch von Charles Michel, und auch Ursula von der Leyen sagt das. Natürlich gibt es ganz viel Arbeit für uns. Auch heute Abend werden wir schon die ersten Schritte machen. Aber auch in den nächsten Wochen wird das wichtig.