Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident der Republik Irak, Al-Kadhimi am 20. Oktober 2020

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK’in Merkel: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich möchte den irakischen Premierminister, Herrn Mustafa Al-Kadhimi, ganz herzlich hier bei uns in Berlin begrüßen. Er war gestern in Paris, ist heute in Berlin, und wir freuen uns. Leider können wir den Premierminister wegen der pandemischen Lage nicht mit militärischen Ehren begrüßen. Das machen wir normalerweise. Das werden wir bei einem anderen Besuch gern nachholen. Es ist sein Antrittsbesuch.

Ich möchte deutlich machen, dass Deutschland eng an der Seite des Iraks steht. Wir wollen unterstützend sein, wenn es um einen Weg der Stabilität, der Sicherheit und des ökonomischen Wachstums geht. Dass das ein schwieriges Umfeld ist, liegt auf der Hand, nun auch noch ganz besonders erschwert durch die Pandemie. Aber wir versuchen, mit der Beschaffung von Schutzausrüstung, Beatmungsgeräten, mit der Fortbildung medizinischen Personals auch dabei zu helfen. Aber auch mit dem Bau und der Ausstattung von Behelfskliniken haben wir bereits geholfen und versucht, einen Beitrag dazu zu leisten, die Pandemie einzudämmen.

Wir werden heute miteinander über die aktuellen Entwicklungen sprechen, über wirtschaftspolitische und regionale Fragen, aber natürlich auch über Sicherheitsfragen. Wir wissen, dass in der Region, in der der Irak liegt, die Spannungen durchaus sehr massiv sind. Wir begrüßen es deshalb sehr, Herr Premierminister, dass Sie versuchen, mit einer Nachbarschaftspolitik zum Abbau solcher Spannungen beizutragen.

Wir wissen auch, dass der Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ oder Daesh nicht beendet ist. Der IS bleibt eine Bedrohung für die Region und natürlich darüber hinaus. Deutschland wird den Irak im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition und auch der Nato-Mission im Irak weiterhin im Kampf gegen den IS und bei der Stabilisierung des Landes unterstützen. Der Deutsche Bundestag wird Ende Oktober über die Verlängerung des Bundeswehrmandates entscheiden.

Ich begrüße ausdrücklich den Reformwillen der irakischen Regierung. Korruptionsbekämpfung, Rechtsstaatlichkeit, Stärkung staatlicher Institutionen und Gewaltmonopol des Staates, das sind Schlagworte, die auf der Agenda stehen. Das ist eine sehr ambitionierte Agenda. Dazu gehört sicherlich auch die Ankündigung vorgezogener Neuwahlen für Juni 2021. Denn dadurch kann das Vertrauen der Menschen im Irak in die staatlichen Institutionen gestärkt werden.

Wir wissen, dass Sie eine sehr ambitionierte Agenda auch der Wirtschaftsreformen verfolgen. Deutschland kann bei der Diversifizierung der Wirtschaft, bei der Stärkung des Privatsektors einen Beitrag leisten. Auch darüber werden wir sprechen. Ich freue mich, dass wir das direkt tun können. Deshalb noch einmal ein ganz herzliches Willkommen, Herr Premierminister!

MP Al-Kadhimi: Herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin, für diesen herzlichen Empfang, obwohl wir unter außerordentlichen Bedingungen leben.

Ich bin heute nach Berlin gekommen, um noch einmal zu bekräftigen, dass der Irak sehr viel Wert auf die Beziehungen zu anderen Ländern, zu seinen Nachbarn und insbesondere natürlich zu Deutschland legt. Die irakische Regierung und das irakische Volk schätzen die deutschen Bemühungen insbesondere im Hinblick auf den Kampf gegen den IS sehr. Wir schätzen sehr die deutschen Bemühungen, was die Stabilisierung der Region, aber auch von Europa und der gesamten Welt angeht.

Natürlich schätzen wir auch sehr die Unterstützung, die wir von Deutschland bei der Aus- und Fortbildung der Streitkräfte im Irak bekommen.

Darüber hinaus schätzen wir sehr die humanitäre Hilfe, die wir von Deutschland insbesondere im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bekommen. Das hat noch einmal die Zusammenarbeit zwischen uns auf dem Gebiet der Gesundheit, aber auch auf anderen Gebieten gestärkt. Herzlichen Dank für diese tolle Zusammenarbeit und für die humanitäre Hilfe, die Sie uns anbieten!

Deutschland steht uns beim Wiederaufbau und beim Kampf gegen den IS bei. Es gibt weitere Themen, bei denen wir eine weitere Zusammenarbeit anstreben, insbesondere was Binnenvertriebene und Flüchtlinge betrifft.

Wir haben uns eine Reformagenda vorgenommen, die insbesondere die Wirtschaft und die Finanzen betrifft. Diese nennen wir „white paper“, also das weiße Blatt. Diese Reformagenda ist eine ambitionierte Agenda, die viele Aspekte enthält, die insbesondere die Wirtschaft betreffen.

Wir sind für jegliche Form der Zusammenarbeit mit Deutschland dankbar, die die wirtschaftliche Ebene, aber auch die Gebiete Wissenstransfer und Ausbildung von Fachkräften betrifft. Wir streben an, diese Zusammenarbeit weiter aufrechtzuerhalten.

Es gibt mehrere Unternehmen und Investoren aus Deutschland, die im Irak investieren. Wir freuen uns auf die zweite Phase der Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen, die im Irak insbesondere auf dem Energiesektor investieren wollen. Wir streben an, mit der zweiten Phase der Zusammenarbeit mit Siemens Energy beginnen zu können. Wir brauchen diese Unterstützung von Siemens Energy für die Energieinfrastruktur. Deswegen freuen wir uns sehr auf diese Zusammenarbeit auf den Gebieten der Energieinfrastruktur und der kritischen Infrastruktur, aber auch auf die Zusammenarbeit mit mehreren deutschen Unternehmen.

Darüber hinaus freuen wir uns über die finanzielle Unterstützung in Bezug auf die Förderung der demokratischen Institutionen im Irak und die vorgezogenen Neuwahlen, die wir bereits angekündigt haben. Was die Vorbereitungen auf die Wahlen angeht, ist es uns wichtig, dass diese Wahlen transparent sind.

Noch einmal herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin, für alles, was Sie für unser Land tun. Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit. Herzlichen Dank!