Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Premierminister von Neuseeland, English

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute der neuseeländische Premierminister Bill English bei uns zu Gast ist. Er ist noch nicht viele Wochen im Amt. Umso mehr freut es uns, dass wir ihn gleich begrüßen und an die sehr gute Zusammenarbeit mit Premierminister Key, den ich noch einmal grüßen möchte - denn in seine Amtszeit fiel mein Besuch in Neuseeland im Jahre 2014 -, anknüpfen können.

Wir haben die Chance gehabt, sehr schnell nach der Ernennung die deutsch-neuseeländischen Verbindungen zu pflegen und neu zu beleben. Wir können sagen, dass wir eine sehr freundschaftliche und enge Beziehung zwischen unseren beiden Ländern haben, die nur dadurch erschwert ist, dass die geografische Distanz relativ groß ist und wir uns nicht ganz so oft besuchen können, wie wir es mit anderen Ländern tun.

Wir haben sehr intensiv darüber gesprochen, dass unsere Politik auf gemeinsamen Werten fußt und dass wir neben unserer politischen Zusammenarbeit auch den Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern unserer Länder haben. Neuseeland ist ein beliebtes Reiseziel. Das Programm Working Holiday hat 2016 immerhin 16 000 junge Deutsche nach Neuseeland gebracht. Das ist schon ein Faktor des intensiven gemeinsamen Austauschs.

Wir haben über die bilateralen Beziehungen gesprochen. Das schließt auch die Beziehungen mit der Europäischen Union ein. Hier haben wir, ich und die deutsche Bundesregierung, uns immer wieder dafür eingesetzt, dass wir das Freihandelsabkommen mit Neuseeland verhandeln können. Wir denken, dass wir die Verhandlungen jetzt sehr schnell aufnehmen können und dass die Verhandlungen auch sehr zügig geführt werden können. Das ist die Einschätzung in Brüssel. Deutschland wird hierfür Druck in die richtige Richtung machen.

Wir stehen vor ähnlichen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Wir freuen uns, dass Neuseeland zum Teil auch an Aktivitäten der Nato teilnimmt. Ich will von meiner Seite aus ausdrücklich sagen, dass wir dafür sehr dankbar sind und diese Beziehungen weiterhin pflegen wollen.

Wir haben natürlich über die weltweite Situation insgesamt gesprochen, auch ganz besonders noch einmal über die Situation in der Europäischen Union. Der Premierminister wollte meine Einschätzung mit Blick auf die Frage des Austritts Großbritanniens, aber genauso auch die Frage der Situation der Flüchtlinge, des Migrationsdrucks und der Beziehungen zu Afrika erfahren.

Wir haben uns natürlich auch über die Situation im transatlantischen Verhältnis und über das Verhältnis zu Russland ausgetauscht. Ich habe mich sehr für die chinesisch-neuseeländischen Beziehungen interessiert. Neuseeland ist ja Teil des Freihandelsabkommens TPP und hat auch ein Freihandelsabkommen mit China. Insofern haben wir uns auch über die pazifischen Realitäten ausgetauscht.

Insgesamt möchte ich mich für ein sehr konstruktives Gespräch bedanken. Ich denke, es wird dazu beitragen, die bilateralen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu stärken. Ich freue mich darüber; denn als ich in Neuseeland war, war das für mich ein sehr schönes Erlebnis - ein so sympathisches Land, in das ich in meinem Leben gern auch noch einmal zurückkehren möchte.

Herr Premierminister, danke für Ihren Besuch! Sie haben das Wort.

PM English: Herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin, für Ihr freundliches Willkommen. Sie sind in Neuseeland natürlich jederzeit willkommen. Aber ich weiß, dass Sie hier noch sehr viel und sehr hart zu arbeiten haben.

Ich möchte hier in aller Öffentlichkeit Deutschland mein Mitgefühl angesichts dessen, was am 19. Dezember hier geschehen ist, ausdrücken, vor allem auch den Angehörigen derjenigen, die diesem terroristischen Gewaltakt zum Opfer gefallen sind, und sagen, als wie schlimm natürlich auch wir es empfinden, dass so viele Menschen heutzutage in Angst vor solchen terroristischen Gewaltakten leben müssen.

Ich fand es wichtig, so kurz nach meinem Amtsantritt hierher nach Deutschland zu kommen und auch die Rolle zu unterstreichen, die die Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union spielt - eine sehr wichtige Rolle. Aber diese Rolle geht auch über die Europäische Union hinaus.

Ich wollte auch unterstreichen, welch enge Beziehungen unsere beiden Länder haben. Das Verhältnis, das uns verbindet, ist hervorragend. Es gründet auf gemeinsamen Werten und wird durch einen sehr lebhaften Austausch auf der politischen, der wirtschaftlichen und der kulturellen Ebene unterstützt. Wir haben auch eine hervorragende Wissenschaftsbeziehung. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Bereiche wie zum Beispiel landwirtschaftliche wissenschaftliche Untersuchungen, Medizintechnik oder Robotik - alle diese verschiedenen Bereiche.

Unsere beiden Regierungen treffen einander immer häufiger. Den Neuseeländern ist auch klar geworden, dass die Entscheidungen, die hier getroffen worden sind, durchaus Konsequenzen für das haben können, was sich bei uns vollzieht, auch wenn wir so weit voneinander entfernt sind.

Die Tatsache, dass so viele junge Deutsche nach Neuseeland kommen, ist etwas, worauf wir stolz sind. Ich war stolz, dass ich der Bundeskanzlerin sagen konnte, dass zwei meiner Kinder sehr gut deutsch sprechen, eines sogar hervorragend. Meine Nichte, die hier lebt, werde ich ebenfalls besuchen. Sie ist inzwischen hier in Berlin ansässig und hat sozusagen zwei deutsche Kinder. Im Laufe der Jahre habe ich zehn junge Deutsche aus allen Teilen Deutschlands bei uns zu Hause aufgenommen. Wir haben von ihnen viel über die Geschichte, die komplexen Fragen, die sie hier betreffen, und auch darüber, was die Menschen in Deutschland bewegt, lernen und erfahren können. Natürlich haben wir auch über die Bundeskanzlerin gesprochen. All dies hat uns sehr interessiert. Aber wir haben natürlich vor allen Dingen auch einmal hier vor Ort sehen wollen, welche verschiedenen Themen hier virulent sind, was zum Beispiel Migrationsfragen und Ähnliches angeht.

Wir haben uns auch darüber unterhalten, was wir als Neuseeländer gemeinsam mit der Europäischen Union in dem Prozess des Brexits tun und wie wir das begleiten können.

Wir stehen im Moment in Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Partnerschaftsabkommen. Das heißt, wir haben also ein gemeinsames Interesse. Das Nächste wäre ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, um die wirtschaftlichen Beziehungen weiter zu unterstreichen und zu stärken. Wir hoffen sehr auf weitere Unterstützung seitens der Bundesrepublik Deutschland in diesem Verhandlungsprozess. Die Verhandlung eines solchen Handelsabkommens von hoher Qualität ist für uns von hoher Priorität. Wir hoffen, dass diese Gespräche so bald wie möglich in diesem Jahr beginnen können. Ich denke, das könnte auch eine Gelegenheit sowohl für die EU als auch für Neuseeland sein, um den eigenen und gemeinsamen Werten mehr Geltung in dieser globalisierten Welt zu verschaffen.

Die Bundeskanzlerin hat mir außerdem auch erklärt, wie sie die Konflikte im Nahen Osten sieht, die Herausforderungen in Nordafrika, aber auch die Situation in der Ukraine und natürlich auch die Beziehungen zu Russland. Wir konnten uns auch über den asiatisch-pazifischen Raum austauschen, vor allen Dingen darüber, wie wir in Neuseeland China und seine Rolle bei uns im Raum, aber auch die langfristige wirtschaftliche Ausrichtung im Pazifikraum, in dem ja China und die Vereinigten Staaten dominieren, sehen.

Frau Bundeskanzlerin, vielleicht darf ich meine Bemerkungen damit schließen, dass ich Ihnen noch einmal für Ihre Gastfreundschaft und dafür danke, dass Sie uns so viel Zeit gewidmet haben. Sie haben so viele Themen auf der Tagesordnung. Wir hoffen, dass dies eine weitere Partnerschaft sein wird, auf die wir aufbauen können - wir haben gemeinsame Werte, wie Sie sehr richtig gesagt haben -, und dass wir gemeinsam auch in der Zukunft zusammenarbeiten können. Herzlichen Dank!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wäre es angesichts der Größe und Dimension der Flüchtlingskrise möglich, dass eine der Bedingungen für ein Freihandelsabkommen wäre, dass Neuseeland Flüchtlinge aufnimmt?

Zur Frage des Terrorismus: Könnte ein Mehr an Flüchtlingen bedeuten, dass es dann auch eine größere Gefahr in Bezug auf terroristische Gewaltakte gibt?

BK’in Merkel: Der Gedanke, die Flüchtlingsfrage mit der Frage des Freihandels mit Neuseeland zu verbinden, war mir, ehrlich gesagt, noch nicht gekommen. Wir müssen innerhalb der Europäischen Union zu einer fairen Lastenverteilung kommen. Aber Neuseeland wollten wir mit dieser Aufgabe nicht in Verbindung setzen.

Wir haben allerdings nichtsdestoweniger über die Herausforderung Afrika und über die langfristigen Herausforderungen gesprochen. Ich habe mit Freude gehört, dass gerade die Entwicklungspolitik Neuseelands auch sehr dahin geht, ökonomisch effiziente Landwirtschaftspolitik als Entwicklungsprojekte auch in afrikanischen Ländern anzubieten. Ich glaube, in solchen Bereichen können wir ganz gut miteinander zusammenarbeiten; denn unser europäischer Ansatz - Afrika ist unser Nachbarkontinent - ist natürlich, dass wir die Probleme vor Ort lösen müssen. In Syrien und im Irak betrifft das Bürgerkriegsflüchtlinge. Das betrifft auch die terroristische Bedrohung. Da sind wir im gleichen Boot und wollen natürlich gemeinsam gegen den islamistischen Terrorismus kämpfen. Aber in der langfristigen Perspektive müssen wir vor allen Dingen dafür Sorge tragen - ich glaube, das ist eine globale Aufgabe, nicht nur eine europäische Aufgabe -, dass Afrika wirtschaftlich prosperiert und die Menschen dort vor Ort eine Chance haben, ihr Leben gut zu gestalten.

Frage: Ich habe eine Frage an Sie beide zum Brexit. Frau Bundeskanzlerin, Großbritannien steuert ja auf einen eher harten Brexit zu. Ist das aus Ihrer Sicht nicht besorgniserregend, gerade angesichts der protektionistischen Tendenzen, die es in den USA gibt?

Herr Premierminister, Sie haben sich sowohl für ein Freihandelsabkommen mit der EU als auch für ein möglichst schnelles Freihandelsabkommen mit Großbritannien ausgesprochen. Was ist denn da Ihre Priorität, was die beiden Freihandelsabkommen angeht? Glauben Sie eigentlich, dass Sie mit der neuen US-Administration noch das TPP-Abkommen abschließen können?

BK’in Merkel: Was den Brexit anbelangt, so hat sich jetzt nichts an meiner Haltung verändert, dass wir erst einmal die Antragstellung Großbritanniens abwarten. Es wird gesagt, dass die Premierministerin morgen vielleicht Grundzüge verkünden wird. Das werden wir uns natürlich aufmerksam anhören. Aber zählen tut dann das, was in Europa wirklich eingereicht wird. Wir gehen mit der Art von Entscheidung um, die Großbritannien für sich und sein Land fällt. Wenn das also wie auch immer geartete Wünsche sind, dann werden wir darauf reagieren. Ich will jetzt nicht bewerten, was schwieriger und was weniger schwierig ist, sondern wir warten ab, werden uns das dann anschauen, werden darauf reagieren und auf dieser Grundlage dann unsere Leitlinien für unsere Verhandlungspositionen entwerfen.

PM English: Zu Ihrer Frage, was die Freihandelsabkommen oder Handelsabkommen angeht, und welche Priorität sie haben: Das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union ist natürlich ein Prozess, der bereits im Moment im Gange ist. Da gibt es eine klare Verpflichtung, das so schnell wie möglich durchzubringen, und auch einen klaren Verhandlungspfad. Wir würden ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich dann verhandeln, wenn es nicht in der Europäischen Union ist und wenn es bereit ist, auch darüber zu verhandeln. Wir würden es jetzt nicht als unsere Rolle ansehen, den Ereignissen vorzugreifen.

Was TPP angeht: In den nächsten Wochen werden wir ja sehen, welche Maßnahmen die amerikanische Regierung dann ergreifen wird. Gemeinsam mit anderen Ländern - also Australien, Singapur und anderen bei uns im pazifischen Raum - werden wir dann sehen, welche Haltung die Amerikaner im Asien-Pazifik-Raum einnehmen werden.

Es gab ja Gründe für diesen ursprünglichen Vorschlag von TPP; der ist ja damals von Neuseeland, Singapur und Chile gemacht wurde. Deswegen: Wenn es diesbezüglich eine Veränderung in der amerikanischen Politik geben sollte und die Amerikaner sich entschließen, sich dem nicht anzuschließen, dann müssen wir uns überlegen, wie wir das vielleicht in anderer Form weiter vorantreiben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie, denken Sie, wird die Trump-Administration die globale Wirtschaft beeinflussen?

Donald Trump hat ja Ihre Migrationspolitik einen katastrophalen Fehler genannt. Glauben Sie, dass es eine Verbindung zwischen mehr Flüchtlingen und mehr Terrorismus gibt?

BK’in Merkel: Ich persönlich warte jetzt erst einmal auf die Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten - das gehört sich so -, und dann werden wir natürlich auf allen Ebenen mit ihm zusammenarbeiten. Er hat jüngst noch einmal seine Positionen dargelegt; die sind aber auch schon eine Weile lang bekannt. Meine Positionen sind auch bekannt.

Der Kampf gegen den Terrorismus ist eine große Herausforderung für alle Länder - wir wissen das von Frankreich, von Belgien, vom Vereinigten Königreich, von Spanien, und auch Deutschland ist jetzt betroffen gewesen. Wir fassen das als eine gesamteuropäische Aufgabe auf, aber ich glaube, der Kampf gegen den Terrorismus ist eine globale Herausforderung.

Ich würde das von der Frage der Flüchtlinge und der Existenz der Flüchtlinge im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg noch einmal deutlich trennen. Der syrische Bürgerkrieg ist viel länger, die Mehrzahl der Syrer hat ihr Land wegen des Bürgerkriegs, wegen des Kampfes gegen Assad oder der Unterdrückung durch Assad verlassen. Hinzugekommen ist der islamistische Terrorismus, und er beschäftigt uns alle; aber der Bürgerkrieg als solcher war in Syrien zuerst da.

Frage: Ich habe doch noch einmal zwei Fragen zu den Äußerungen des zukünftigen amerikanischen Präsidenten.

Zum einen hat Trump ja keinen Zweifel daran gelassen, dass er seinem Stil - auch seinem Kommunikationsstil - auch als Präsident treu bleiben wird. Lassen sich solche Äußerungen, die sich persönlich gegen Sie, aber auch gegen andere richten, tatsächlich ignorieren?

Noch einmal konkreter gefragt: Vor einigen Wochen war der scheidende amerikanische Präsident hier zu Besuch, der sehr für den Zusammenhalt Europas geworben hat. Jetzt haben wir den zukünftigen Präsidenten, der den Brexit in höchsten Tönen lobt und ihn fast schon als Modell für andere EU-Staaten preist. Erodiert hier nicht von Washington aus auch der westliche Zusammenhalt?

BK’in Merkel: Ich denke, wir Europäer haben unser Schicksal selber in der Hand. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass die 27 Mitgliedstaaten intensiv und vor allen Dingen auch zukunftsgerichtet zusammenarbeiten. Wirtschaftliche Stärke und effiziente Entscheidungsstrukturen, Einhaltung der Ziele, Reaktion auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts - das ist einmal der Kampf gegen den Terrorismus, das ist die Sicherung der Außengrenzen, das ist die innere Sicherheit und das ist der digitale Binnenmarkt -, Arbeitsplätze: Das sind unsere Herausforderungen, und mit denen werden wir uns sehr entschieden weiter auseinandersetzen.

Ansonsten sage ich noch einmal: Meine Positionen zu den transatlantischen Fragen sind bekannt, der Präsident hat seine Positionen noch einmal dargelegt, und wenn er im Amt ist - das ist im Augenblick noch nicht der Fall -, werden wir natürlich mit der neuen amerikanischen Regierung zusammenarbeiten und schauen, welche Art von Übereinkommen wir erzielen können.

Danke schön!