Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Premierminister von Malaysia, Najib

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich über den ersten Besuch von Premierminister Najib in Deutschland. Wir haben uns schon des Öfteren auf internationalem Grund getroffen, aber heute ist Premierminister Najib zum ersten Mal in Deutschland.

Wir haben uns darüber ausgetauscht, wie die Situation in Malaysia ist. Malaysia ist ein Land mit 31 Millionen Einwohnern, die eine aufstrebende Volkswirtschaft sind und zu den entwickelten Industrieländern aufschließen möchten. Man kann sagen, dass sich die Entwicklung Malaysias seit der Unabhängigkeit als eine Erfolgsgeschichte darstellt, auch was die wirtschaftliche Situation anbelangt. Wir haben uns natürlich darüber ausgetauscht, wie die wirtschaftliche, aber auch die gesellschaftspolitische Lage im Lande ist. Der Premierminister wird morgen nach Mecklenburg-Vorpommern weiterreisen, wo die Werften in Stralsund, Wismar und Rostock liegen, die von einem malaysischen Unternehmen übernommen wurden. Wir hoffen, dass sich diese Kooperation sehr gut entwickeln wird.

Wir haben über die innere Situation gesprochen, über Rechtsstaatlichkeit, über Fragen der Bekämpfung der Korruption, über die Wiederaufnahme der Freihandelsverhandlungen zwischen Malaysia und der Europäischen Union sowie über die Situation der religiösen Minderheiten und die Situation der Muslime im Lande.

Darüber hinaus haben wir uns über die Situation im ASEAN-Bereich insgesamt und auch über das Verhältnis zu China ausgetauscht. Wir sind uns einig, dass wir eine Reihe gemeinsamer Herausforderungen haben, was insgesamt die Sicherheitsfragen betrifft. Der Kampf gegen den Terrorismus und für innere Sicherheit ist ein Thema, das uns in beiden Ländern beschäftigt.

Wir haben über die klassischen, guten Kooperationen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia gesprochen, zum einen im Bereich der Umweltprojekte, hier der zertifizierten Palmölproduktion, der Klimaschutzverpflichtungen, die Malaysia eingegangen ist. Von malaysischer Seite ist versichert worden, dass die Waldrodungen oder das Abbrennen von Regenwald nicht mehr stattfinden. Hierzu ist angeboten worden, dass zum Beispiel Vertreter des Deutschen Bundestages Besuche abhalten könnten, um sich von den Fortschritten zu überzeugen. Wir haben auch über die gemeinsamen Projekte zum Beispiel in Borneo gesprochen, die Deutschland und Malaysia, hier aber auch in Kombination mit Indonesien, durchführen.

Ein zweiter Punkt, in dem es eine enge Zusammenarbeit gibt, die auch weiter ausgebaut werden kann, ist die Frage der Berufsausbildung. Hier gibt es ein Institut, in dem die duale Berufsausbildung erprobt wird, was in Malaysia sehr hoch geschätzt ist.

Wir wünschen Malaysia eine weitere gute Entwicklung, bei der sich auch die Zivilgesellschaft gut entwickeln kann und die Menschenrechte akzeptiert werden. Wir wünschen vor allen Dingen eine gute Kooperation im Bereich der ASEAN-Staaten und natürlich auch eine friedliche Entwicklung im Südchinesischen Meer. Auch über die Spannungen, die es zum Teil gibt, und die Notwendigkeit, Konflikte auf friedlichem Wege, auf dem Gesprächswege beizulegen, haben wir natürlich gesprochen.

Noch einmal willkommen hier in Deutschland! Ihr Besuch kann dazu beitragen, dass unsere Kooperation noch enger wird.

PM Najib: Herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich der Bundeskanzlerin sehr dankbar für ihre warmherzige Gastfreundschaft bin, die sie mir und den Mitgliedern meiner Delegation im Zusammenhang mit meinem offiziellen Besuch hier in der Bundesrepublik Deutschland bereitet hat.

Wir haben Deutschland immer als einen wichtigen strategischen Partner für unser Land, für Malaysia gesehen, schon seit langer Zeit. Wir haben eine Beziehung, die sich über viele Jahre aufgebaut und entwickelt hat. Der Sinn und Zweck meines Besuches ist es, diese Beziehung noch zu verstärken und weiter zu verbessern.

Wir wissen natürlich vor allen Dingen auch um die Stärke deutscher Unternehmen, um ihre Fähigkeiten im Bereich der Hochtechnologie. Das ist, denke ich, sehr klar erkennbar. Diese Unternehmen sind sehr erfolgreich. Sie haben in Malaysia investiert. Die gesamten Investitionen deutscher Unternehmen in Malaysia betragen 7,5 Milliarden Euro. Viele Ihrer besten Unternehmen sind in Malaysia vertreten. Der gesamte Handel zwischen unseren beiden Ländern beläuft sich auf etwa 11,83 Milliarden für das Jahr 2015. Das sind etwa 8,12 Prozent Wachstum im Vergleich zu den Zahlen des Vorjahres. Das bedeutet eben auch, dass es Teil meines Besuchs sein wird, diese wirtschaftlichen Beziehungen zu stärken sowie auch dafür zu sorgen, dass es noch mehr Investitionen seitens deutscher Unternehmen bei uns gibt und dass wir den Handel zwischen unseren Ländern noch weiter ausbauen.

Gleichzeitig möchten wir Ihnen natürlich auch zeigen, dass Malaysia für Sie, für mögliche deutsche Investoren, nicht unbedeutend ist. Die Gesamtinvestitionen Malaysias in Deutschland betragen 1,4 Milliarden Euro einschließlich der drei Werften, die die Bundeskanzlerin ja schon erwähnt hat; diese werde ich morgen besuchen. Auch das zeigt ja, dass es eine wachsende globale Präsenz malaysischer Unternehmen gibt, nicht nur hier bei Ihnen in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern.

Wir haben während unseres Gesprächs noch weitere Themen berührt, vor allen Dingen die Frage des Palmöls. Darüber haben wir uns ziemlich lange unterhalten, denn wir wissen, dass es hier gewisse Bedenken gibt, was die umweltpolitischen Auswirkungen angeht. Ich kann nur sagen, und das habe ich auch der Bundeskanzlerin versichert, dass wir für nachhaltige Entwicklung sind. Es gibt bei uns keine Brandrodung. Unsere Palmölindustrie hat sich insgesamt auf sehr nachhaltige Weise weiterentwickelt. Das ist wichtig für uns; denn 500 000 kleine Farmer hängen von der Palmölindustrie ab. Es ist uns gelungen, Millionen aus der Armut zu bringen, weil sie eben im Palmölsektor arbeiten, aber natürlich möchten wir das auf verantwortliche Weise tun, auf nachhaltige Weise, und das tun wir auch. Ich habe der Bundeskanzlerin gesagt, dass, wie wir wissen - wir wollen auch gerne in der Realität den Beweis dafür antreten -, wir auf jeden Fall Bundestagsabgeordnete sehr gerne bei uns willkommen heißen wollen, damit sie sich selbst vor Ort davon überzeugen können, wie wir die Palmölindustrie nachhaltig bewirtschaften.

Ich habe auch gesagt: Wir in Malaysia fühlen uns dem verpflichtet, was wir damals in Kopenhagen bei COP 15 unterschrieben haben, nämlich dass wir unsere CO2-Emmissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent reduzieren wollen. Jetzt liegen wir bei 32 Prozent.

Wir haben auch über Themen des weltweiten Terrorismus, der gewaltsamen Auseinandersetzungen und des Extremismus sowie die Frage gesprochen, wie wir es schaffen, in Malaysia ein friedliches Gesellschaftsmodell zu fahren, in dem viele verschiedene Ethnien und viele verschiedene Religionen in verschiedenen Gemeinschaften friedlich nebeneinander leben. Wir fühlen uns natürlich auch der Rechtsstaatlichkeit und der guten Regierungsführung verpflichtet.

Wir haben auch Themen wie zum Beispiel das Thema der Rohingya besprochen - illegale Arbeitskräfte, die bei uns im Lande leben -, aber auch die Entwicklung im Südchinesischen Meer.

Das war also ein sehr produktives Treffen, denke ich. Ich bin sehr optimistisch, dass die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern stärker werden, dass sie sich weiter vertiefen lassen und dass wir auch noch weiteren Austausch zwischen unseren beiden Ländern pflegen können. Natürlich werden wir die Bundeskanzlerin hoffentlich auch bald bei uns als unseren Gast in Malaysia sehen.

Frage: Meine Frage richtet sich an den Premierminister von Malaysia: Haben Sie auch über die syrische Flüchtlingsfrage gesprochen? Ich glaube, Deutschland hätte es gerne, wenn Malaysia dabei eine wichtige Rolle spielen könnte - Malaysia ist nämlich ein einflussreiches Mitglied in der OIC - und dass man dort eben auch versucht, eine Lösung für die Krise der syrischen Flüchtlinge zu finden.

PM Najib: Wir haben ganz allgemein über die Frage der Flüchtlinge gesprochen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit der Bundeskanzlerin ein Kompliment für die Rolle aussprechen, die Deutschland bei der Aufnahme der Flüchtlinge gespielt hat. Wir wissen, dass das ein sehr komplexes und kompliziertes Problem ist. Aber ich denke, das sollte nicht sozusagen nur als Last für andere Länder aufgefasst werden, sondern es sollte an der Quelle bekämpft werden. Nur eine Lösung des syrischen Konflikts kann der Schlüssel zur Klärung dieser Frage sein.

Natürlich sind wir in der Konferenz der islamischen Staaten ein wichtiges Mitglied. Wir werden auch alles tun, was wir können, um dieses Problem einer Lösung zuzuführen. Wir haben, wie Sie vielleicht wissen, 3000 Plätze für 3000 syrische Migranten zur Verfügung gestellt, und dies für den Zeitraum der nächsten drei Jahre.

Frage: Herr Premierminister, niederländische Staatsanwälte werden morgen einen Bericht zum Abschuss der MH17 vorlegen. Russland versucht im Vorfeld, Schuldzuweisungen abzuwehren. Was ist Ihre Erwartung an diesen Bericht?

Frau Bundeskanzlerin, noch einmal zum Syrien-Krieg: Die Verzweiflung ist groß. Den UN wird Versagen vorgeworfen, Europa sei eine Schande, und eine Gefahr für die Weltordnung bestehe. Was ist jetzt noch Ihre Hoffnung, wie sich das lösen lassen kann? Was halten Sie von dem Vorschlag, Kriegsparteien Milliardenhilfen für den Wiederaufbau in Aussicht zu stellen, wenn sie dafür die Waffenruhe einhalten?

Zum Thema Flugverbotszone: Inwieweit wären Sie bereit, deutsche Militärhilfe zu leisten, damit so eine Zone auch durchgesetzt werden könnte?

PM Najib: Wie Sie wissen, ist es so, dass wir Teil des internationalen Untersuchungsausschusses sind. Wir haben uns dazu verpflichtet, dass diejenigen, die für den Abschuss von MH17 verantwortlich sind, ihrer Verantwortung auch zugeführt werden. Wir werden warten, bis der Untersuchungsbericht vorliegt, und wir fühlen uns dem, was wir zugesagt haben, verpflichtet.

Wir werden dann die nächsten Maßnahmen erörtern. Es gibt eine Reihe von Optionen, die uns zur Verfügung stehen, aber vor dem Hintergrund des Berichts und auch dem, was in dem Bericht dann schließlich als Erkenntnis steht, werden wir uns entscheiden, wie wir handeln. Wir fühlen uns auch weiterhin der Suche nach Gerechtigkeit verpflichtet. Wir wollen diejenigen, die verantwortlich sind, auch zur Verantwortung ziehen.

BK’in Merkel: Was die Vorgänge insbesondere in Aleppo anbelangt, so ist das brutale Gewalt gegen die Menschen dort, gegen die Zivilbevölkerung in einem absolut nicht akzeptablen Ausmaß. Deshalb ist es alle Mühe wert, immer wieder zu versuchen, einen Waffenstillstand wieder hinzubekommen.

Ich selber bin skeptisch, dass man im Augenblick, in der Situation, wie sie jetzt ist, sofort eine Flugverbotszone durchsetzen kann. Es ist ganz eindeutig an dem Regime von Assad und auch an Russland, einen Schritt zu gehen, damit die Chancen für einen Waffenstillstand und eine humanitäre Versorgung wieder besser werden. Aber das, was wir da erleben, ist in der Tat sehr, sehr brutal und eindeutig gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Nur Gespräche scheinen mir im Augenblick voranzuhelfen, aber wir haben hier in den letzten Tagen einen sehr großen Rückschlag gesehen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie wurden zitiert als jemand, der sagt: Die Tatsache, dass sich einige EU-Mitgliedstaaten geweigert haben, muslimische Flüchtlinge aufzunehmen, ist inakzeptabel. Bedauern Sie Ihre Politik in dieser Hinsicht?

Vielleicht darf ich auch noch eine Frage an den Ministerpräsidenten stellen: Wie können muslimische Staaten innerhalb des Rates der muslimischen Staaten etwas tun, um den Extremismus und den Terrorismus zu bekämpfen?

BK’in Merkel: Ich glaube, dass wir gerade mit Blick auf die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und auch auf die Flüchtlinge, die vor dem IS im Irak geflohen sind, humanitäre Verpflichtungen in Europa haben. Unser Wertesystem sagt, dass wir Religionsfreiheit kennen, das heißt, wir unterscheiden nicht Menschen christlichen Glaubens und Menschen muslimischen Glaubens und sagen: Die einen bekommen bei uns Schutz und die anderen bekommen bei uns keinen Schutz. Ich finde, das muss sich in der Politik jedes europäischen Staates widerspiegeln. Das ist meine Meinung, genauso wie es vorher meine Meinung war.

PM Najib: Ich möchte Ihnen nur noch einmal sagen, dass das eine moralisch sehr hochstehende und ethisch sehr verantwortungsbewusste Haltung ist.

Frage: Herr Ministerpräsident, internationale Justizbehörden ermitteln mittlerweile auch in den Korruptionsvorwürfen des malaysischen Investmentfonds 1MDB. Ich wüsste gerne: Lassen Sie eine unabhängige Untersuchung zu, weil mittlerweile auch andere Staaten involviert sind? Wollen Sie wegen dieser Affäre möglicherweise auch vorgezogene Neuwahlen ausrufen?

Frau Bundeskanzlerin, erlauben Sie eine Frage zur Deutschen Bank: Sind Sie angesichts der Entwicklung gestern und in den letzten Tagen mittlerweile so besorgt, dass Sie glauben, dass die Bundesregierung helfend eingreifen sollte?

PM Najib: Zunächst einmal: Wir machen uns natürlich große Sorgen über gute Regierungsführung; das ist auch etwas, was wir tun wollen, was wir durchführen wollen, auch was Rechtsstaatlichkeit angeht. Wir fühlen uns dem verpflichtet, Malaysia wird da also sein Bestes tun, um mit den internationalen Justizbehörden zusammenzuarbeiten.

Zweitens zur Frage einer Neuwahl: Das ist auf keinen Fall etwas, was nur einem einzigen Faktor zuzuordnen ist. Wir machen gute Politik, wir debattieren, was das Richtige ist, was das Beste für unsere Bevölkerung ist und was das Beste ist, um Malaysia in eine gute Zukunft zu führen. Wir haben da, denke ich, Gutes geleistet, wir haben etwas vorzuweisen. Ich denke, wir können dem malaysischen Volk auch deutlich machen, dass unsere Regierung immer noch die beste Wahl ist, die sie hätten.

BK’in Merkel: Zur Deutschen Bank möchte ich nur so viel sagen, dass die Deutsche Bank ein Teil des deutschen Banken- und Finanzwesens ist und wir uns natürlich wünschen, dass alle Unternehmen - auch dann, wenn es temporäre Schwierigkeiten gibt - eine gute Entwicklung nehmen. Darüber hinaus möchte ich das nicht kommentieren.