Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Mali, Keïta

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


Bundeskanzlerin Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Präsident Keïta heute wieder zu uns nach Berlin gekommen ist. Lieber Ibrahim Keïta, wir sind jetzt schon gut bekannt und haben schon sehr viel zusammengearbeitet. Deutschland und Mali haben schon seit der Unabhängigkeit Malis, seit 1960, sehr enge Beziehungen. Aber diese Beziehungen sind in den letzten Jahren noch sehr viel enger geworden, weil wir die Zusammenarbeit verstärkt haben.

Die Sicherheitssituation in Mali ist kompliziert; das wissen wir. Deutschland unterstützt sowohl die Operation MINUSMA als auch die europäische Ausbildungsmission. Wir haben uns in unserem Gespräch natürlich darüber ausgetauscht, und ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Präsident mit der Arbeit der deutschen Soldaten zufrieden ist.

Wir wissen aber, dass die Sicherheit nur dann wiederhergestellt werden kann, wenn auch die entsprechenden politischen Prozesse vorangehen. Dabei ist das Projekt der Verfassungsreform ein sehr wichtiges. Darüber haben wir uns ausgetauscht. Darüber wird es in den nächsten Monaten eine Abstimmung in Mali geben, und ich denke, dass sie sehr, sehr wichtig sein wird, um ein politisches System zu installieren, dass die Akzeptanz aller Bewohnerinnen und Bewohner von Mali findet.

Wir wissen, dass Mali als Land vor einer großen wirtschaftlichen Herausforderung steht. Deutschland hat eine Entwicklungszusammenarbeit mit Mali. Wir engagieren uns vor allen Dingen auch im Bereich der Landwirtschaft. Der Präsident hat auch noch einmal hervorgehoben, dass es sehr wichtig sein wird, für die Wertschöpfungskette mehr zu tun. Am Beispiel Baumwolle bedeutet das, nicht nur anzubauen und zu verkaufen, sondern eben auch eine Wertschöpfung anzuschließen.

Wir haben natürlich auch über die Fragen der Energieversorgung gesprochen. Es ist ein gutes Zeichen, dass der Internationale Währungsfonds Mali ein sehr positives Zeugnis ausgestellt hat. Das Wirtschaftswachstum ist gut. Aber gleichzeitig wächst auch die Bevölkerung. Deshalb wissen wir natürlich, dass das auch ein Wettlauf mit der Zeit ist.

Wir haben von Anfang an die G5-Sahel-Truppe unterstützt. Auch darüber haben wir gesprochen. Denn die Herausforderung des Terrorismus ist groß, nicht nur in Mali, sondern auch in den Nachbarländern. Wir haben vereinbart, dass wir auch auf der Ebene der Verteidigungsminister noch einmal miteinander reden werden, um die Effizienz dieser Truppe zu stärken. Deutschland kann auch als nicht permanentes Mitglied im Sicherheitsrat gemeinsam mit Frankreich die Arbeit bei den Vereinten Nationen für diese Mission fortsetzen.

Alles in allem möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie, lieber Ibrahim, zu uns nach Deutschland gekommen sind, um unsere intensive Zusammenarbeit fortzusetzen. Demnächst wird es weitere Kontakte auf Ministerebene in Mali geben. Wir wünschen Ihnen und der ganzen Regierung   Sie werden ja von vielen Ministern begleitet   sehr viel Erfolg. Wir werden die Entwicklung weiterhin freundschaftlich begleiten und, wo immer wir können, auch versuchen, hilfreich zu sein.

Noch einmal herzlich willkommen!

Präsident Keïta: Herzlichen Dank, Angela, für diese Einladung zu einem Austausch mit Ihnen über unsere sehr schöne Kooperation. Diese besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mali seit den ersten Tagen. Das betonen wir. Es ist einfach eine Tatsache: Deutschland war das erste Land, das das unabhängige Land Mali anerkannt hat. Seit diesem Tag waren Sie ständig an unserer Seite. Egal ob es schneit - in Mali schneit es nicht - oder ob es Gewitter gibt, Deutschland war immer da. Es gibt eine besondere Art der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Ich möchte über niemanden schlecht reden, aber es ist das einzige Land, das mit Mali auf bilateraler Ebene zusammenarbeitet und gleichzeitig auch im dezentralen Bereich kooperiert, mit den Gebietskörperschaften, mit der Zivilgesellschaft. Das bedeutet, dass Deutschland Wert darauf legt, dass auch der gesellschaftliche Zusammenhalt besteht, dass sich jeder Mensch mit dieser bilateralen Kooperation identifizieren kann und auch Früchte erntet.

Sicherheitsprobleme haben Mali gekennzeichnet. Man weiß, dass der Terrorismus im Sahel ein großes Problem darstellt. Die fünf Länder des Sahels haben beschlossen, sich zusammenzutun und gemeinsame Anstrengungen an den Tag zu legen, Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Mali. Wir sind froh, dass sie sich in diesem Bereich engagieren. Ich komme aus Ouagadougou von der Sitzung von G5 Sahel mit Herrn Kaboré als Vorsitzendem. Frau Merkel, diesen Kampf führen wir im Namen unserer Staaten, aber auch für die ganze Welt. Die Anti-Da’esh-Koalition, die Koalition gegen den „Islamischen Staat“ im Osten kann als Erfolg bezeichnet werden. Wir wissen, in welchem Zustand sich Libyen jetzt befindet. Libyen hat eine Auswirkung auf die Situation unserer Länder.

Die Anstrengungen, die auf globaler Ebene an den Tag gelegt werden, und die Finanzierung haben ein wirklich sehr hohes Maß angenommen. Aber wir haben Schwierigkeiten, 423 Millionen Euro zu mobilisieren. Warum ist das so? Es sind befreundete Staaten, die den Worten haben Taten folgen lassen. Wir brauchen sichere und nachhaltige Ressourcen. Wie ist das möglich, wenn das nicht passiert? Wir haben einen festen Willen. Wir setzen unsere Politiken um. Wir haben ein gemeinsames Vorgehen mit diesen fünf Ländern, damit wir eine gemeinsame Position, eine gemeinsame Vision für das, was wir bekämpfen wollen - Wir haben die Mittel, die wir ansetzen, um das zu tun. Denken Sie darüber nach. Ein Land, wie Mali, das keine außerordentlichen Ressourcen hat - Wir haben kein Erdöl, bis zum heutigen Tag, keine sonstigen Ressourcen, die auch unser Budget ankurbeln könnten. Jedes Jahr müssen wir 22 Prozent unseres Haushalts in Verteidigung und Sicherheit investieren. Das ist unsere Aufgabe. Aber wir machen das nicht nur für uns, sondern für alle Menschen auf dieser Erde.

In diesem Zusammenhang können wir nur großen Wert auf Ihre Unterstützung legen. Deswegen haben wir sehr gern Ihre Einladung angenommen, damit wir wirklich gemeinsam Revue passieren lassen und sehen können, wie wir unsere Zusammenarbeit noch effektiver gestalten zu können, um zu sehen, welche Faktoren für den Fortschritt noch berücksichtigt werden könnten.

Herzlichen Dank, Frau Merkel, und bis bald! Wenn ich es richtig verstanden habe, werden der Außenminister und die Verteidigungsministerin bald bei uns sein. Sie sind herzlich willkommen.

Frage: Frau Kanzlerin, Sie haben von der Entwicklungszusammenarbeit gesprochen. Deutschland macht vieles. Aber was haben Sie jetzt beschlossen, jetzt sofort, im Rahmen dieser Entwicklungszusammenarbeit?

Sie haben den Staatspräsidenten Ibrahim genannt. Gibt es Gründe dafür?

Merkel: Es ist Ausdruck unserer engen Zusammenarbeit, dass wir uns so nennen.

Wir haben den Stand unserer Zusammenarbeit noch einmal angeschaut. Die Entwicklungszusammenarbeit wird ja immer sehr langfristig festgelegt und verhandelt. Aber der Staatspräsident hat mir einfach noch einmal gesagt, was in der landwirtschaftlichen Zusammenarbeit besonders wichtig ist. Wir wissen, dass es besonders wichtig ist, dass auch junge Menschen eine Chance bekommen. Das werde ich auch noch einmal mit unserem Entwicklungsminister besprechen. Wir werden auch schauen, ob wir noch etwas für die Gesundheitsversorgung im Norden Malis tun können, weil die Transportwege für verletzte Menschen sehr lang sind. Wir werden uns überlegen, ob Deutschland oder die Europäische Union an dieser Stelle noch eine Hilfe auf die Beine stellen kann. Das wird natürlich nicht von einem Tag auf den anderen gelingen, aber das muss man ins Auge fassen und miteinander voranbringen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, in Brüssel hat es gerade eben einen Kompromiss im Streit um Nord Stream gegeben. Können Sie etwas dazu sagen, wie dieser Kompromiss aussieht?

Trügt das Gefühl, dass auch angesichts der Absage von Präsident Macron, nach München zur Sicherheitskonferenz zu kommen, die deutsch-französische Achse zwei Wochen nach dem neuen Freundschaftsvertrag schon in Unwucht gekommen ist?

Eine Frage an den Präsidenten: Herr Präsident, wie schätzen Sie die Sicherheitslage in Mali ein? Haben Sie eine Vorstellung, wann die Gesellschaft in Mali selbst vielleicht ohne die UN-Truppen für die Sicherheit sorgen und wann man auf die Antiterrortruppen aus Frankreich verzichten kann?

Merkel: Bezüglich der Gasrichtlinie hat es in der Tat eine Einigung gegeben. Es hat sie nur gegeben, weil Deutschland und Frankreich sehr eng miteinander zusammengearbeitet haben, natürlich auch mit der rumänischen Präsidentschaft und anderen Mitgliedsstaaten. Sie werden wissen, wie oft ich mich mit Präsident Macron treffe und wie oft wir Dinge besprechen. Wir haben eine tägliche Zusammenarbeit über alle wichtigen europäischen Dossiers.

Auch wenn der Präsident vor einigen Tagen gesagt hat, dass er nicht in München dabei sein wird, wird es viele Zusammentreffen geben, bei denen Sie sich davon überzeugen können, dass der Geist des Aachener Vertrages lebt.

Keïta: Herzlichen Dank für diese Frage. Das bedeutet, dass Sie großes Interesse für Mali haben. Die Situation in Mali ändert sich. Gemeinsame Anstrengungen befreundeter Streitkräfte und der Streitkräfte von Mali haben dafür gesorgt, dass wir feindliche Kräfte aus Mali oder in den Norden vertrieben haben.

Aber der Terrorismus hat seine eigene Logik. Sie haben mitten im Herzen des Landes Wege gefunden, um sich einzubringen. Im Gegensatz zu dem, was man sagt, gibt es keine brüderlichen Kriege, keine Kriege zwischen den Communities. Alles wird genährt von denselben Kräften, die auch Mali destabilisieren wollten. Communities, die jahrhundertelang zusammengelebt haben, die eine Methode gefunden hatten, um zusammenzuleben und Konflikte gemeinsam zu lösen, insbesondere Menschen, die normale Landwirte sind - Und an die nomadische Bevölkerung - Es gab eine Möglichkeit, die Rinder weiden zu lassen. Es gab Regeln. Es gab (akustisch unverständlich) die dafür geschaffen wurden, und es gab eine gemeinschaftliche Praxis. Menschen, die Brüder waren, können nicht über Nacht zu Feinden werden. Deswegen wollen wir alles tun, damit der Zusammenhalt, damit die Verständigung zurückkehrt.

Neulich ist es zu schwerwiegenden Ereignissen im Dorf Koulongo gekommen. Wir haben dafür gesorgt, und ich habe (akustisch unverständlich) gebeten, dass alle Parteien zusammenkommen, damit wir auch in Mopti und anderswo voranschreiten.

Wir sind uns dessen bewusst, dass sich ohne Frieden keine Möglichkeiten ergeben werden. Mali muss qualifiziert sein. Mali muss in dem Zeitalter leben, in dem wir heute leben. Wir sind im Jahr 2019, 2020. Dies und die Entwicklung voranschreiten lassen können wir nur unter der Bedingung, dass Frieden herrscht. Das haben wir verstanden. Damit wir das machen können, müssen die politischen Institutionen tief verankert werden. Wir wissen, dass in einem organisierten Staat, in jedem Staat, der diesen Namen verdient, die entscheidungsbringenden Institutionen eine sehr wesentliche Rolle zu spielen haben. Wir wissen, dass die Bundesrepublik Deutschland auch einen großen Beitrag leistet, damit die malischen Streitkräfte und Institutionen aufgebaut werden.

Ich weiß, dass wir für vieles an Fortschritten Ihrem Land dankbar sein müssen. Es geht nicht nur um die Effektivität der Benutzung dieser Fortschritte. Es geht einfach darum, zu wissen, wie man mit Terrorismus umgehen kann. Die Terroristen sind nicht außerhalb, sie sind mitten in der Gesellschaft. Also müssen Menschen ausgebildet werden, Menschen, die Wert auf das menschliche Leben legen. Eine Person, die einem gegenübersteht, ist erst mal ein Mensch. Darauf muss man Wert legen. Es müssen Normen und Prinzipien beachtet werden. Sonst werden sie agieren, als würden sie einen Genozid initiieren.

Man muss daran denken: Mali mit seinen 1240 Quadratkilometern und dieser langen Staatsgrenze hat keine richtigen Luftstreitkräfte. Jetzt haben wir Flugzeuge - es war keine einfache Aufgabe, diese Mittel zu erwerben -, damit wir beachtet werden, damit wir respektiert werden. Man kann sich nur auf die Freunde verlassen, gerade wenn sie so effizient sind wie Sie. Auf der Ebene der G5-Sahel-Truppen müssen wir uns wirklich auf uns selber verlassen. Alle Bataillone müssen auch einsatzfähig sein. Diese kollektive Vorgehensweise ist der Weg. Deswegen müssen wir wirklich vieles für die Ausbildung unserer Streitkräfte tun.

Am 20. Januar, als wir eine militärische Parade hatten und als wir diese Fahrzeuge gesehen haben, waren wir sehr stolz, und wir waren Ihnen auch sehr dankbar. Es gab auch Casspir-Fahrzeuge; das sind gepanzerte Fahrzeuge, die in uns eine Hoffnung erweckt haben. Morgen werden wir nicht einfach getötet werden, sondern wir werden auch die Mittel haben, um uns zu verteidigen. Deswegen sind wir Ihnen sehr dankbar.

Frage: Eine Frage an Frau Merkel: Frau Kanzlerin, es geht um Migration. Das ist eine sehr heikle Frage. Sie persönlich sind in Deutschland mit Problemen konfrontiert, aber auch mit der Unterentwicklung, mit Krieg und Armut in verschiedenen Regionen der Welt, zum Beispiel in Afrika. Muss man dieses Thema nicht richtig angehen? Muss man nicht eine Lösung finden? Was kann Europa machen? Was kann Deutschland machen?

Merkel: Natürlich muss man eine Lösung finden. Unser gemeinsames Verständnis ist ja, dass wir das zwischen unseren Staaten besprechen und nicht den Schleusern und Schleppern überlassen. Denn wir wissen ja, wie viele Menschen auch leiden, wenn sie zum Beispiel unter schrecklichen Bedingungen in Libyen sind, wenn sie im Mittelmeer ertrinken.

Deshalb ist auf der einen Seite unser Ansatz, Mali zu helfen, und auf der anderen Seite ist der Ansatz, dass wir keine illegale Migration haben, dass die, die kein Aufenthaltsrecht haben, dann auch zurückkehren, aber dass wir eben auch Wege finden, wie Menschen Berufsausbildung machen können und anderes. Das besprechen wir zwischen dem Staatspräsidenten und mir. Das überlassen wir nicht den Schleppern.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, noch eine Frage zu Nord Stream: Glauben Sie denn, dass jetzt alle Bedenken, alle Hindernisse für die Pipeline aus dem Weg geräumt sind?

Die USA drohen Firmen, die an Nord Stream beteiligt sind, mit Sanktionen. Es gab jetzt auch Berichte, dass sie auf Frankreich Druck ausgeübt haben. Wie beurteilen Sie aktuell die Rolle der USA mit Blick auf Nord Stream in Europa?

Merkel: Es gibt darüber durchaus unterschiedliche Einschätzungen; das ist Ihnen ja auch bekannt. Das ist auch nicht erst seit heute so.

Deutschland hat den Anspruch, seine Energieversorgung divers sicherzustellen. Dazu gehört auch russisches Erdgas, aber nicht ausschließlich russisches Erdgas. Wir haben ja deutlich gemacht, dass wir in Zukunft auch Flüssiggas in Deutschland anlanden werden.

Ich glaube, dass heute ein wichtiger Schritt gelungen ist, dass es offensichtlich eine sehr große und breite Mehrheit im Rat oder im COREPER gab, was einen weiteren Schritt bei der Verabschiedung einer solchen Richtlinie markiert. Aber Sie kennen auch die europäischen Verfahren: Damit sind wir noch nicht am Ende des Weges.

Aber diesen Tag finde ich gut, und er wäre ohne die deutsch-französische Zusammenarbeit so nicht erfolgt, wie im Übrigen die ganze Frage des Leistungsschutz- und Urheberrechts ohne deutsch-französische Zusammenarbeit nicht so hätte gestaltet werden können. Auf genau diesem Weg werden wir auch weitergehen. Herzlichen Dank.