Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Kasachstan, Kassim-Schomart Tokajew

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute den kasachischen Staatspräsidenten, Herrn Kassim-Schomart Tokajew, ganz herzlich zu seinem ersten Besuch in Deutschland begrüßen darf. Wir haben ja unter seinem Vorgänger, Präsident Nasarbajew, doch sehr gute, stabile, intensive und auch offene Beziehungen mit Kasachstan aufgebaut. Jetzt wollen wir das fortsetzen, und der Besuch hier hat gezeigt, dass dieser Wunsch auch auf kasachischer Seite besteht; denn es ist der erste Besuch in Europa, und das spricht ja auch für sich.

Wir haben eine Brücke von Kontakten zwischen Kasachstan und Deutschland, und das schon allein dadurch, dass wir sehr viele Menschen mit deutschen Wurzeln, die in Kasachstan gelebt haben, in Deutschland aufgenommen haben, aber auch, weil 80 000 kasachische Deutsche in Kasachstan leben. Wir haben eben auch über die Deutsch-Kasachische Universität und über die Kontakte, die sich allein daraus ergeben, gesprochen.


Wir begrüßen auch das große Interesse junger Menschen aus Kasachstan an einem Studium in Deutschland. Im Augenblick haben wir mehr als 1000 kasachische Studierende in Deutschland, und wir möchten, dass sie hier auch eine sehr gute Ausbildung bekommen. Gerade vielleicht auch angesichts der reichen Bodenschätze in Kasachstan sollte das bei Studienrichtungen wie Bergbau, in denen Deutschland eine sehr gute Tradition hat, vielleicht sogar noch intensiviert werden.


Wir haben über die Politik des Präsidenten gesprochen, der in Kasachstan eine Reformpolitik auch in Richtung der gesellschaftlichen Verhältnisse betreibt, und wir haben natürlich auch über unsere Wirtschaftsbeziehungen gesprochen.

Wir haben als Bundesrepublik Deutschland mit Kasachstan ein Handelsvolumen von über 5 Milliarden Euro, allerdings ist Deutschland hier mit einem Handelsbilanzdefizit vertreten und Kasachstan liefert mehr nach Deutschland. Das hängt vor allen Dingen auch mit den Rohstoffen zusammen; denn gerade bei Gas und Öl haben wir einen beträchtlichen kasachischen Anteil, der auch ein Zeichen für die Diversifizierung ist.

Wir können bei diesem Besuch feststellen, dass wir ein sehr altes Kreditproblem mit einer Bank lösen konnten. Das hat dazu geführt, dass wir jetzt doch wieder Hermesbürgschaften vergeben können, und das hat auch dazu geführt, dass am Rande dieses Besuchs des Präsidenten eine ganze Zahl von Abkommen unterzeichnet werden können. Das sind zum einen Abkommen politischer Art. Ich denke da zum Beispiel an das Abkommen im Bereich der Green Economy, in dem sich Kasachstan langfristig zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft entwickeln will. Kasachstan beginnt damit, die erneuerbaren Energien auszubauen. Natürlich können wir auch im Wassermanagement und beim Tourismus durchaus helfen. Zum anderen haben wir aber auch wirtschaftliche Punkte, die gerade auch mit nachhaltigem Wirtschaften verbunden sind. Der Präsident wird beim Osteuropa-Verein der Deutschen Wirtschaft auch noch zu Gast sein und vortragen, und er hat sein Interesse daran bekundet, dass in Kasachstan noch mehr deutsche Unternehmen investieren. Wir werden das dadurch begleiten, dass unser Wirtschaftsminister sicherlich nächstes Jahr am Rande einer WTO-Konferenz bilaterale Wirtschaftsgespräche führen kann. Wir haben auch grenzübergreifend mit unserer Zentralasien-Strategie ein hohes Interesse daran, zum Beispiel gerade im Bereich des Wassermanagements - Wasser ist in der Region eine knappe Ressource - hilfreich zu sein, und versuchen, die Dinge voranzubringen.

Wir haben natürlich auch über die Beziehungen zu Russland und zu China gesprochen. China und Russland sind große Nachbarn von Kasachstan. Wir kennen das Projekt der Seidenstraße - „One Belt, One Road“ -, und wir haben deshalb als Europäer und auch als Deutsche durchaus guten Grund, Zentralasien auch als eine nahe Nachbarregion zu sehen und uns an der Entwicklung dieser Region intensiv zu beteiligen.

Wir haben auch offen über die Fragen von Demonstrationen und von Menschenrechten gesprochen, und ich freue mich, dass der Präsident an dieser Stelle die Absicht hat, das Versammlungsrecht zu liberalisieren.

Insofern haben unsere Gespräche die gesamte Breite der deutsch-kasachischen Beziehungen umfasst. Ich freue mich darauf, diesen Austausch fortzusetzen, und begrüße Sie noch einmal ganz herzlich hier in Berlin.

P Tokajew: Vielen Dank, Frau Merkel, vor allem für den sehr herzlichen Empfang heute!

Was unsere Verhandlungen betrifft, so hat die Frau Bundeskanzlerin bereits eine vollständige Beschreibung darüber gegeben; insofern besteht, glaube ich, kein Bedarf, dass ich noch einmal auf den Inhalt der Verhandlungen eingehe. Ich möchte sagen, dass ich mit dem stattgefundenen Gespräch über die prioritären Schwerpunkte der Zusammenarbeit sehr zufrieden bin.

Das Ziel meines Besuches besteht darin, dass er der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, aber auch der politischen Kooperation zwischen unseren beiden Ländern zusätzlichen Schwung geben wird. Deutschland als die viertstärkte Volkswirtschaft der Welt hat vorläufig nur Platz zwölf, was die Investitionspräsenz in Kasachstan betrifft. Ich habe daher die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass diese Lage in der nächsten Zukunft zugunsten von Deutschland geändert wird.

Was die Regierung Kasachstans betrifft, so werden wir uns bemühen, die deutschen Investitionen in die kasachische Wirtschaft anzukurbeln. Es werden extra Spielregeln für die deutschen Investoren verabschiedet. Wir sind sehr interessiert an der Präsenz des deutschen Kapitals in den strategischen Wirtschaftsbranchen Kasachstans. Sie wissen, dass in der nächsten Zukunft der Privatisierungsprozess von 700 großen und mittleren Unternehmen der kasachischen Wirtschaft stattfinden wird. Wir würden die Arbeit der deutschen Unternehmen in unserem Land begrüßen.

In der Tat haben wir über die gesamte Breite der Fragen diskutiert. Es gibt ein Verständnis dafür, dass wir die Arbeit fortsetzen werden, um die Zusammenarbeit auszubauen. Deutschland ist das erste Land der Europäischen Union, dem ich einen Staatsbesuch abstatte. Das sagt viel aus. Ich bin der Meinung, dass es einen guten Anfang gibt.

Heute haben wir auch darüber diskutiert, dass sich Frau Bundeskanzlerin Merkel genauso wie unser erster Staatspräsident Nursultan Nasarbajew sehr um den Ausbau der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern bemüht hat. Wir benötigen aber zusätzlichen Schwung. Das ist die Aufgabe meines Besuches.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Frage: Sehr geehrter Herr Staatspräsident, sehr geehrter Herr Tokajew, in den vergangenen Jahren und in der letzten Zeit haben sich die Exporte aus Kasachstan nach Deutschland um bis zu 21,5 Prozent reduziert. Hauptsächlich geht es dabei um Rohstoffe, die exportiert werden. Könnten Sie diese Situation kommentieren?

P Tokajew: Bedauerlicherweise beobachten wir in der Tat einen solchen Trend. Von daher ist die Stärkung der bilateralen Zusammenarbeit im Bereich der Investitionen das Hauptziel meines Besuches in Deutschland. Daher habe ich während des Gesprächs mit der Frau Bundeskanzlerin mehrere konkrete Vorschläge unterbreitet und über mehrere konkrete Projekte gesprochen. Was die Investitionen betrifft, möchte ich die Lage verbessern. Ich hoffe darauf, dass es uns gelingt, die Investitionsprojekte umzusetzen.

BK’in Merkel: Ich glaube, dass es auch einen Grund gab, nämlich eben diesen einen ungelösten Fall. Jetzt gibt es wieder bessere Hermesabsicherungen, also Kreditabsicherungen. Das führt dann dazu, dass wir auch die Bedingungen haben werden, um wieder einen neuen Anfang zu machen, so möchte ich es einmal sagen. Angesichts dessen, was der Präsident bezüglich der verbesserten Ansprechpartner für Investitionen gesagt hat, hoffe ich, dass die deutsche Wirtschaft wieder Vertrauen zu Kasachstan fasst.


Frage : Frau Bundeskanzlerin, falls sich in dem Berliner Mordfall an einem Georgier der Verdacht weiter erhärtet, dass Russland hinter dem Auftrag steckt, würden Sie sich dafür einsetzen, ähnlich wie im Fall Skripal eine europäische Reaktion zu erreichen?

An den Präsidenten: Wie beurteilen Sie auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen mit Russland die Chancen im Zusammenhang mit dem Ukraineprozess? Sie haben sich als Vermittler ins Gespräch gebracht. Wird man kommenden Montag sehr viel weiterkommen?


Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie erlauben, stelle ich ganz kurz noch eine innenpolitische Frage. Was erwarten Sie von dem SPD-Parteitag? Könnte ein Rücktritt Ihres Vizekanzlers diese Koalition erschüttern?

BK’in Merkel: Ich gehöre zu den Menschen, die sich einfach anschauen, was auf den Parteitagen passiert, sowohl bei den eigenen Parteitagen als auch bei den Parteitagen der anderen Parteien. Sie finden ja statt, damit sich die Delegierten dort entfalten können. Deshalb werde ich natürlich überhaupt keine Erwartungen formulieren, sondern freue mich, dass die SPD einen Parteitag hat, wie auch die CDU einen Parteitag hatte.

Zu Ihrer zweiten Frage: Sie haben ja gehört, dass der Generalbundesanwalt einen Anfangsverdacht hat. Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, dass wir jetzt irgendwelche spekulativen Fragen beantworten, sondern wir sollten das Ergebnis der Arbeit des Generalbundesanwaltes abwarten.

Die dritte Frage, die Sie gestellt haben, richtete sich an den Präsidenten Kasachstans. Ihm gebe ich jetzt das Wort. Ich betone: die dritte Frage!

P Tokajew: Was die Ukraine betrifft, so hat unser erster Staatspräsident seinen guten Willen zum Ausdruck gebracht und eine Vermittlung auf dem Territorium Kasachstans angeboten. Wir sind der Meinung, dass die Ukraineproblematik vor allem im Normandie-Format gelöst werden soll. Wir wissen, dass für den 9. Dezember eine Sitzung im Normandie-Format in Paris vorgesehen ist. Wir wünschen viel Erfolg. Denn mit der Ukraine verbinden uns traditionell freundschaftliche Beziehungen. Wir empfinden große Sympathie für das ukrainische Volk und glauben, dass es dieses Volk verdient, ruhig und in Wohlergehen zu leben.

Frage: In Deutschland wird die duale Ausbildung erfolgreich umgesetzt. Allmählich und Schritt für Schritt beginnt das auch in Kasachstan. Sehr geehrter Herr Staatspräsident, könnten Sie bitte sagen, ob es Pläne gibt, die Zusammenarbeit im Bildungsbereich in Zukunft auszubauen? Vielleicht wäre es möglich, neue Programme für die kasachischen Studierenden in die Wege zu leiten nach dem System der deutschen Hochschulbildung.

P Tokajew: Die duale Ausbildung spielt eine sehr große Rolle für die Entwicklung der kasachischen Wirtschaft. Ich möchte keinen Hehl daraus machen, dass wir die deutschen Erfahrungen genutzt haben. Wir arbeiten mit Deutschland in diesem Bereich zusammen und werden auch in der Zukunft zusammenarbeiten.

BK’in Merkel: Man kann dazu noch sagen: Je mehr deutsche Investitionen es in Kasachstan gibt, desto mehr Unternehmen, die nach Kasachstan kommen, werden mit dem Prinzip der dualen Berufsausbildung vertraut machen. Dann hat man auch mehr Erfahrung damit. Auch das ist ein Grund, warum es gut wäre, wenn es wieder mehr Investitionen deutscher Unternehmen in Kasachstan gäbe.

Frage: Frau Merkel, noch einmal zu dem Mordfall an dem Georgier: Gibt es nach der Ausweisung der beiden russischen Diplomaten schon eine Reaktion aus Moskau? Glauben Sie, dass der Vorfall das Treffen am Montag in Paris überschatten könnte?

BK’in Merkel: Über das hinaus, was ich gestern gesagt habe, habe ich, ehrlich gesagt, nichts mitzuteilen.

Danke schön!