Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Aserbaidschan, Ilham Alijew

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Ilham Alijew

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der aserbaidschanische Staatspräsident Ilham Alijew heute wieder einmal in Berlin ist. Der letzte Besuch war vor fünf Jahren.

Wir können sagen, dass Aserbaidschan ein Partner von wachsender Bedeutung ist, unter anderem aufgrund der sehr dynamischen Wirtschaftsentwicklung, dies natürlich auch aus zwei Gründen, nämlich zum einen wegen seiner Gas- und Erdölvorkommen, aber zum anderen auch, weil Aserbaidschan mit Hilfe deutscher und anderer europäischer Unternehmen ein Partner bei der Diversifizierung der eigenen Wirtschaft sein kann. Die Bundesregierung unterstützt nachdrücklich das Projekt des südlichen Gaskorridors; darüber haben wir natürlich auch gesprochen.

Wir haben natürlich auch über die bilateralen Themen gesprochen, die uns wichtig sind. Hierbei hat insbesondere auch die Situation der Menschenrechte in Aserbaidschan eine Rolle gespielt.

Wir haben uns dann aber natürlich auch um die Umgebung und die geopolitische Lage, wenn ich das so sagen darf, von Aserbaidschan gekümmert und darüber gesprochen, zum einen über den Konflikt um Nagorny Karabach. Deutschland möchte bei der Lösung dieses Problems hilfreich sein. Wir haben darüber gesprochen, ob gegebenenfalls auch die Europäische Union hier noch einmal eine Initiative ergreifen könnte. Ich glaube, dass Aserbaidschan darüber auch mit der Europäischen Kommission sprechen wird.

Wir haben natürlich auch über den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland gesprochen, über die sonstige Situation sowie auch über die Einbindung Aserbaidschans in die Östliche Partnerschaft. Aserbaidschan möchte, so habe ich es verstanden, eine gute Kooperation mit der Europäischen Union haben, natürlich ohne eine Mitgliedschaft anzustreben. Das - das will ich noch einmal hervorheben - ist eigentlich auch der Ausgangspunkt der Östlichen Partnerschaft gewesen. Wir werden ja in diesem ersten Halbjahr unter der lettischen Präsidentschaft auch einen weiteren Gipfel zu dieser Östlichen Partnerschaft durchführen.

Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass Konflikte - seien es Konflikte um Nagorny Karabach oder seien es Konflikte mit anderen Ländern dieser Region - friedlich gelöst werden müssen und dass wir die Verhandlungslösung voranbringen müssen. Insofern, glaube ich, dient dieser Besuch dem vertieften Austausch und, hoffe ich, auch noch intensiveren Wirtschaftsbeziehungen, dem Voranbringen der Diversifizierung der europäischen Energieversorgung durch den südlichen Korridor sowie natürlich auch dem Austausch über die innere Lage in den jeweiligen Ländern. Insofern bedanke ich mich für diesen Besuch und denke, dass unsere Beziehungen nach diesem Besuch noch enger sein werden.

Präs. Alijew: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin. Zunächst möchte ich mich bei Ihnen für die Einladung bedanken. Ich bin froh, dass ich Ihr Land besuchen kann. Sie haben zurecht betont, dass unsere bilateralen Beziehungen eine große Bandbreite umfassen, und wir haben uns über verschiedene Fragen ausgetauscht.

Die politischen Beziehungen entwickeln sich erfolgreich. Ich bin zuversichtlich: Auch diese Reise wird einen weiteren Beitrag zum Ausbau der Beziehungen leisten. Das würde auch positive Auswirkungen auf die anderen Gebiete haben.

Natürlich steht unsere Beziehung im wirtschaftlichen Bereich im Vordergrund. Zahlreiche deutsche Unternehmen sind bei uns tätig, und wir unterstützen die Aktivitäten der deutschen Unternehmen bei uns in Aserbaidschan. Natürlich können auch Subkontrakt-Unternehmen aus Deutschland bei uns tätig sein. Die können auch Investitionen bei uns tätigen, weil sich die aserbaidschanische Wirtschaft dynamisch entwickelt. Zahlreiche Infrastrukturprojekte werden bei uns realisiert. Die erfolgreiche Tätigkeit der deutschen Unternehmen wird selbstverständlich weiter fortgesetzt.

Wie die Frau Bundeskanzlerin betont hat, haben wir uns auch über die Sicherheitslage in der Region ausgetauscht. Zunächst haben wir uns über die Lösungsmöglichkeiten des Bergkarabach-Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan ausgetauscht. Die Lösung dieses Konflikts ist sehr wichtig, sowohl für Aserbaidschan als für die gesamte Region. Das ist Ihnen auch seit Jahren bekannt. Das international anerkannte Territorium Aserbaidschans wurde von Armenien okkupiert. 20 Prozent unseres Territoriums befindet sich unter Okkupation. 1 Million Aserbaidschaner leiden unter dieser Okkupation. Die leben als Flüchtlinge und Binnenvertriebene. Internationale Organisationen und vor allem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben Resolutionen verabschiedet. Vier Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen wurden verabschiedet. Diese Resolutionen fordern den Rückzug der bewaffneten armenischen Truppen aus diesen okkupierten Territorien. Ich muss bedauernd sagen, dass Armenien diese Resolutionen aber bis jetzt missachtet, und (akustisch unverständlich) wird aufrechterhalten. Dieser Konflikt muss entsprechend der internationalen Normen und völkerrechtlichen Normen auf der Grundlage der territorialen Integrität Aserbaidschans gelöst werden. Es sollte auch eine einheitliche Herangehensweise an die Lösung dieses Konflikts geben.

Natürlich ist Energiesicherheit ein wichtiges Thema, das Aserbaidschan und Europa verbindet. Das wird eine wichtige Säule in unserem Dialog. Von Aserbaidschan initiierte Projekte werden die Energiecharta Europas verändern, und die Energiesicherheit Europas wird auch mithilfe Aserbaidschans gewährleistet. Wir haben das TANAP-Projekt initiiert, und TAP ist als wichtige Exportroute ausgesucht worden. Letztes Jahr wurde auch der südliche Gaskorridor, dieser Meilenstein, angelegt. Initiator all dieser Projekte ist Aserbaidschan. Aber Aserbaidschan hat natürlich auch den Großteil der Last dieser Finanzierung übernommen. Ich bin zuversichtlich, dass diese Arbeiten rechtzeitig durchgeführt werden. 2018 wird das TANAP-Projekt in Betrieb gehen, und 2019 wird das TAP-Projekt im Betrieb gehen. Um das erzielen zu können, sollten zwischen Europa und Aserbaidschan natürlich enge, partnerschaftliche Beziehungen gepflegt werden; ich muss das auch betonen. Auf unsere Initiative hin wird in Baku die erste Beratungssitzung bezüglich der Realisierung des südlichen Gaskorridors stattfinden.

Ich möchte noch einmal sagen: Ich lege großen Wert auf diese Reise nach Deutschland. Die deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen haben ein großes Potenzial. Die bis jetzt geführten Diskussionen und auch die verabschiedeten Beschlüsse werden einen eigenen Beitrag zum Ausbau dieser Beziehungen leisten. Vielen Dank!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, der Bergkarabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan dauert mehr als 20 Jahre. Wie der Staatspräsident betont hat, wurden seitens der Sicherheitsrat der Uno bis jetzt vier Resolutionen verabschiedet, die den bedingungslosen Rückzug der armenischen Truppen aus diesen Gebieten fordern. Diesbezüglich haben auch andere internationale Organisationen Resolutionen verabschiedet. Aber Armenien hat diese Resolutionen bis jetzt missachtet. Armenien stellt aserbaidschanische Territorien unter seine Okkupation. In solchen Fällen werden weltweit Aktionen verhängt, aber leider wurden bis jetzt keine Sanktionen gegen Armenien verhängt. Ist das nach Ihrer Ansicht kein Anzeichen für doppelte Standards?

BK’in Merkel: Wir haben, wie ich schon sagte, auch über das Thema Bergkarabach gesprochen. Wir sind Mitglied der OSZE-Minsk-Gruppe, deren Kovorsitzende ja Frankreich, Russland und die USA sind. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang auch die Verhandlungslösung. Wir sehen auch, dass sich Staatspräsident Alijew mehrfach mit seinem armenischen Kollegen getroffen hat, also auch Bereitschaft zu Verhandlungen gezeigt hat. Wir sind uns einig, dass es eigentlich nur eine friedliche Lösung dieses Konflikts geben kann. Wir sind wegen zunehmender Waffenstillstandsverletzungen besorgt und werden das natürlich sehr genau beobachten.

Ich denke, dass - wenn ich das ganz vorsichtig sage - Russland in diesem Zusammenhang keine unentscheidende Rolle spielt und dass Russland und Armenien in diesem Zusammenhang vielleicht auch manche Dinge gemeinsam machen. Insofern können Sie davon ausgehen, dass wir auch keine unterschiedlichen Standards haben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mit Präsident Alijew auch über den Ukraine-Konflikt gesprochen. Heute gibt es ein Treffen der Außenminister in der Villa Borsig. Welche Erwartungen haben Sie an das Treffen? Wovon hängt es ab, dass Sie sich mit Herrn Putin, Präsident Poroschenko und Herrn Hollande treffen werden?

Herr Präsident Alijew, für wie realistisch halten Sie es, dass die territoriale Unversehrtheit der Ukraine wiederhergestellt werden kann?

Zweite Frage: Was werden Sie tun, damit Ihr Land nicht auf dem letzten Platz, was die Pressefreiheit angeht - Platz 160 -, bleibt?

BK’in Merkel: Ja, es wird heute das Außenministertreffe geben. Obwohl die Lage sehr schwierig ist, finde ich es richtig, dass sich die vier Außenminister treffen. Das Ziel ist natürlich, zu überlegen, ob es auch Fortschritte bei der Vorbereitung eines eventuellen Vierer-Gipfels in Astana gibt. Wir wollen nicht wieder ein Treffen auf der Ebene der Präsidenten durchführen, das zum Schluss keine Ergebnisse erbringt. Deshalb hoffe ich natürlich, dass heute doch vielleicht einige Strukturen entstehen können, aber sicher bin ich nicht. Ich will jetzt keine übergroßen Hoffnungen erzeugen.

Es hat sich herausgestellt, dass der Waffenstillstand brüchiger und brüchiger wird und dass wir uns im Augenblick eher von dem Minsker Abkommen entfernen als dass wir uns auf das Minsker Abkommen zubewegen. Für uns ist das Minsker Abkommen natürlich nach wie vor die Grundlage der Gespräche. Bislang haben sich auch alle Partner - sowohl die Ukraine als auch Russland - immer zu diesem Minsker Abkommen bekannt, und ich hoffe, dass das auch so bleibt.

Präs. Alijew: Wurde die Frage auch an mich gerichtet? Können Sie die Frage wiederholen? Ich bin davon ausgegangen, dass die Fragen an die Bundeskanzlerin gerichtet gewesen waren.

Zusatzfrage: Für wie realistisch halten Sie es, dass die territoriale Unversehrtheit der Ukraine wiederhergestellt werden kann?

Was gedenken Sie zu tun, damit die Pressefreiheit in Ihrem Land gewährleistet ist? Sie stehen auf einem der letzten Plätze in einem Ranking, was die Pressefreiheit angeht, nämlich auf Platz 160. Wie wollen Sie das ändern?

Präs. Alijew: Aserbaidschan hat kein Problem mit dem Ranking hinsichtlich der Pressefreiheit. Es gibt auch keine Probleme mit meinem persönlichen Rating. In den letzten Umfragen wurde unter Beweis gestellt: Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung unterstützen mich. In den letzten Jahren hat sich Aserbaidschan weiterentwickelt und zählt auch zu den führenden Wirtschaften der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich verdreifacht. Sowohl die Armutsquote als auch die Arbeitslosenquote liegen bei 5 Prozent. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos rangiert die aserbaidschanische Wirtschaft wegen ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 38; das ist ein gutes Zeichen. Deswegen gibt es dieses Problem in Aserbaidschan nicht.

Was die Freiheiten angeht, muss ich sagen: Alle Freiheiten werden in Aserbaidschan gewährleistet. Es gibt Redefreiheit. In Aserbaidschan erscheinen zahlreiche Presseorgane. Es gibt einen uneingeschränkten Zugang zum Internet. Das Internet ist frei, und es gibt keine Zensur. Die Benutzer des Internets in Aserbaidschan machen ungefähr 75 Prozent (der Bevölkerung) aus. Es gibt kein Problem in Aserbaidschan. Die Pressefreiheit wird in Aserbaidschan vollständig gewährleistet. Das Gleiche gilt auch für die friedliche Versammlungsfreiheit. In Aserbaidschan finden Meetings und Demonstrationen zahlreicher politischer Gruppen statt. Es gibt dabei keine Einschränkungen.

Im Allgemeinen wurden große Arbeiten im Rahmen des Ausbaus der Demokratie durchgeführt. Das ist sehr wichtig für uns. Ich bin zuversichtlich, dass die politischen Reformen parallel zu den wirtschaftlichen Reformen durchgeführt werden müssen. Nur so können wir einen anhaltenden Erfolg erzielen.

Was die territoriale Unversehrtheit der Ukraine und die Lösung des Ukraine-Konflikts angeht: Wir erkennen die territoriale Integrität aller Staaten an. Sie wissen, dass alle Staaten der Weltgemeinschaft auch unsere territoriale Integrität anerkennen. Seit 20 Jahren wird die territoriale Integrität Aserbaidschans von Armenien verletzt. Wir haben bei der Stimmabgabe vor den Vereinten Nationen für die territoriale Integrität der Ukraine gestimmt. Wir haben das unterstützt. Ich bin der Ansicht, dass das ein wichtiges Prinzip des Völkerrechts ist. Die territoriale Integrität der Staaten kann ohne deren Einwilligung nicht geändert werden. Wenn das verletzt wird, muss das natürlich gewährleistet werden.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die bilateralen Beziehungen haben eine reiche Geschichte. Die bilateralen Beziehungen umfassen verschiedene Bereiche. Ich möchte Sie bitten, meine Frage in Hinsicht auf zwei Faktoren zu beantworten; zum einen geht es mir um die global führende Rolle Deutschlands in der Weltwirtschaft und zum anderen um die wirtschaftliche Stärke Aserbaidschans im Südkaukasus. Wenn Sie diese beiden Faktoren berücksichtigen, wie würden Sie dann die Ausbaumöglichkeiten unserer Beziehungen einschätzen?

BK’in Merkel: Ich glaube, es ist so, dass wir noch Potenzial haben, unsere wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen. Es gibt Einfuhren aus Aserbaidschan in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, aber Exporte nach Aserbaidschan nur in deutlich geringerem Ausmaß. Das spricht dafür, dass wir gerade beim Ausbau der Infrastruktur in Aserbaidschan sowie in anderen Fragen der Diversifizierung der aserbaidschanischen Wirtschaft mit deutschen Unternehmen sehr unterstützend tätig sein können. Deutsche Unternehmen schauen immer sehr auf die Rechtssicherheit, auf die Berechenbarkeit der Investitionsbedingungen. Deshalb war es gut, dass Präsident Alijew auch mit den Vertretern des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft gesprochen hat, um sich alle Möglichkeiten dafür anzuschauen, dass auch noch mehr private Investitionen nach Aserbaidschan fließen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben angesprochen, dass die Menschenrechtsfrage eine Rolle in den bilateralen Beziehungen spielt. Herr Präsident, Sie haben deutlich gemacht, aus Ihrer Sicht gebe es da in Ihrem Land überhaupt kein Problem. Die Bundesregierung hatte kürzlich auch kritisiert, dass eine regierungskritische Journalistin inhaftiert wurde. Jetzt würde mich interessieren, wie die Frage der Menschenrechte die bilateralen Beziehungen belastet oder begleitet.

Ich habe noch eine Frage an Sie, Frau Bundeskanzlerin: Welche Risiken sehen Sie, falls der EZB-Rat morgen beschließen wird, Staatsanleihen im Umfang von mehreren hundert Milliarden Euro zu kaufen?

BK’in Merkel: Für uns sind bilaterale Beziehungen, wenn sie mit Ländern geknüpft werden, und sie sind mit Aserbaidschan geknüpft, umfassend. Sie umfassen politische Beziehungen, sie umfassen wirtschaftliche Beziehungen, und sie umfassen natürlich auch die Fragen der Beziehungen der Zivilgesellschaften. Aber Aserbaidschan ist Mitglied des Europarates und hat sich damit ja auch dem Schutz der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Wir glauben, dass es Fälle gibt, und über die haben wir auch gesprochen, in denen wir Kritik an der Umsetzung dieser Menschenrechte üben. Ich denke, dass wir darüber weiter im Gespräch mit dem aserbaidschanischen Präsidenten bleiben müssen.

Wir haben auch ein hohes Interesse daran, dass unsere Stiftungen und auch andere Organisationen wie zum Beispiel der Deutsche Akademische Austauschdienst oder die GIZ und die KfW auf sicherem rechtlichen Grund in Aserbaidschan arbeiten können. Auch darüber, wie wir das vielleicht noch klarstellen können, haben wir gesprochen. Es gibt hier also durchaus auch Meinungsverschiedenheiten, aber das gehört zu einem solch umfassenden Gespräch dazu.

Zum Zweiten: Frau Dunz, Sie werden verstehen, dass die EZB bis jetzt gar keine Beschlüsse gefasst hat, auch wenn viel spekuliert wird. Zweitens ist die Tätigkeit der Europäischen Zentralbank eine unabhängige. Ich kann das wiederholen, was ich am Montagabend bereits beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse in Frankfurt gesagt habe: Für mich als Politikerin ist wichtig, dass alle Signale vermieden werden, die darauf hindeuten könnten, dass die Notwendigkeiten - was Reformen, strukturelle Veränderungen und engere wirtschaftspolitische Kooperationen der Eurostaaten anbelangt - politisch sozusagen geschwächt werden könnten. Dem muss auf jeden Fall entgegengewirkt werden. Alles andere müssen wir abwarten.

Herr Alijew war noch etwas gefragt worden. Frau Dunz, vielleicht wiederholen Sie das noch einmal.

Zusatzfrage: Herr Präsident, ich würde gerne auch von Ihnen wissen, was die Thematisierung der Menschenrechtslage durch die Bundeskanzlerin für Sie bedeutet, ob Sie möglicherweise doch Defizite in Ihrem Land einräumen, ob Sie zur Annäherung an die EU und Deutschland bereit wären und ob Sie auch bereit wären, sich offener oder freier auch gegenüber regierungskritischen Journalisten und Oppositionellen zu verhalten.

Präs. Alijew: Seit 2001 ist Aserbaidschan Mitglied des Europarates. Wir haben auch Verpflichtungen gegenüber dem Europarat übernommen. Wir halten diese Verpflichtungen ein. Europäische Standards werden bei unserer Gesetzgebung angewandt, der Annäherungsprozess geht weiter, und in der Praxis erleben wir das. Ich möchte noch einmal sagen: Alle Rechte des Menschen wurden gewährleistet. Auch im Rahmen der internationalen Organisationen werden diese Fragen diskutiert.

Ich habe der Frau Bundeskanzlerin gesagt: Beim Schutz der Menschenrechte gibt es kein beispielhaftes Land. Jedes Land hat Defizite. Wichtig ist, wie diese Fragen gelöst werden. Was ist die Absicht der Regierung bei der Lösung dieser Frage? In Aserbaidschan wird keiner wegen seiner kritischen Meinungsäußerung verfolgt. Keiner wird verhaftet.

Ich will noch einmal betonen: Die Redefreiheit wurde in Aserbaidschan gewährleistet. Es gibt in Aserbaidschan hunderte Presseorgane. Es gibt auch einen freien Internetzugang. In diesem Land kann die Redefreiheit nicht eingeschränkt werden. Unsere größte Errungenschaft besteht darin, dass in Aserbaidschan auch die religiöse Freiheit gewährleistet wurde. Bei uns werden die Werte des Multikulturalismus hoch geschätzt und aufrechterhalten. In dieser Hinsicht werden die Erfahrungen Aserbaidschans auch in anderen Ländern untersucht und gelehrt beziehungsweise studiert. Bei uns leben die Vertreter verschiedener ethnischer Minderheiten gemeinsam und friedlich zusammen. Es gibt keine Missverständnisse zwischen denen.

Wir haben uns diesen Weg mit Absicht ausgesucht, und wir sind den international anerkannten Normen treu. Falls wir die reale Situation Aserbaidschans analysieren würden, würden Sie sehen, dass meine Worte wahr sind. Natürlich wird die Diskussion dieser Fragen in der Zukunft einen weiteren Schub beim Ausbau der Reformen in diesem Bereich ermöglichen.

Ich will noch einmal unterstreichen: Politische Reformen und wirtschaftliche Reformen ergänzen einander. In Aserbaidschan wird ein moderner Staat ausgebaut. Wir erleben den 24. Jahrestag. In den letzten Jahren konnte sich Aserbaidschan als ein verlässlicher Partner in der internationalen Arena unter Beweis stellen.