Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Ministerpräsidenten der Republik Kroatien, Andrej Plenković

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


MP Plenković: Ich möchte Sie alle ganz herzlich begrüßen. Noch einmal möchte ich die Bundeskanzlerin bei diesem Besuch in Kroatien nach acht Jahren ganz herzlich begrüßen. Es freut uns ganz besonders, dass sie heute bei uns ist. Dieser Besuch in Kroatien ist ein weiteres Signal der Freundschaft und der Zusammenarbeit zwischen Kroatien und Deutschland. Das betrifft nicht nur die bilateralen Beziehungen unserer Länder, sondern es betrifft auch unsere Zusammenarbeit auf der Ebene der Europäischen Union und des NATO-Paktes sowie unsere gemeinsamen Anstrengungen in Richtung der Stabilität der Länder Südosteuropas.

Wir haben heute Gespräche über unsere bilateralen Beziehungen führen können. Wir haben auch unsere Zufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht, dass 2018 der Waren- und Handelsaustausches zwischen Kroatien und Deutschland 5,5 Milliarden Euro betrug. Ich möchte die kroatische Öffentlichkeit daran erinnern, dass Deutschland der viertgrößte Direktinvestor in Kroatien in den vergangenen 26 Jahren ist. 2,5 Millionen deutscher Gäste besuchen Kroatien und verbringen ihren Urlaub hier in Kroatien. Damit sind wir natürlich äußerst zufrieden.

Natürlich haben wir auch die wichtigsten Ziele in unseren Beziehungen angesprochen. Wir haben auf der Außenministerebene den Aktionsplan über die intensivere Zusammenarbeit noch einmal erneuert. Wir haben auch einen intensiven politischen Dialog durch verschiedene Ressorts rekapitulieren können. Es gab auch mehrere Besuche auf Ministerebene in Deutschland und Kroatien.

Ein weiteres Thema war natürlich wichtig, dass wir nämlich gemeinsam zu erklären versuchen, dass es für Kroatien sehr wichtig ist, die nächsten beiden Schritte in der Positionierung in der EU zu verwirklichen. Für unsere Schengen-Mitgliedschaft ist es natürlich sehr wichtig, die nächsten Kriterien zu erfüllen. Dabei geht es um die Kontrolle der Außengrenze und das Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit. Wir erwarten dabei auch die Unterstützung Deutschlands, um dieses Ziel zu erfüllen. Wir haben das der Bundeskanzlerin auch neulich in Berlin erklären können. Auch Minister Marić war dabei.

Wir haben natürlich das Ziel, der Eurozone beizutreten. Dieses Ziel werden wir in der nächsten Amtsperiode verwirklichen können. Wir werden natürlich die wirtschaftlichen Ziele erfüllen müssen. Wir haben auch die öffentliche Schuld verringern können. 2022 werden wir das Kriterium von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erfüllen können. Das ist ein wichtiges Ziel, das wir verfolgen.

Natürlich haben wir auch mehr Möglichkeiten während des gemeinsamen Mittagessens und werden auch Gespräche über die Nachbarschaft führen können. Dann werden wir auch über das Programm der EU für die Jahre 2019 bis 2024 sprechen können sowie über den mehrjährigen Finanzrahmen.

Wie wir alle wissen, hat im nächsten Jahr zunächst Kroatien den EU-Vorsitz und dann Deutschland. Dann werden wir versuchen, diese Prioritäten gemeinsam zu gestalten und zu verwirklichen. In einem Monat feiern wir das sechsjährige Jubiläum unserer Mitgliedschaft in der EU.

Wir wollen auch den Wohlstand in Kroatien, die Wirtschaft und die soziale Kohäsion anheben. Durch die regionale Entwicklung wollen wir Ungleichheiten abbauen und die Probleme lösen. Wir werden auch versuchen, die demografischen Probleme zu lösen. Ich denke, diese EU-Mitgliedschaft ist für uns in Kroatien ein Mehrwert, auch für unsere Anstrengungen auf der nationalen Ebene.

Diesen Besuch der Bundeskanzlerin erleben und bezeichnen wir als äußerst positiv. Wir schätzen es sehr, dass sie die Zeit dafür gefunden hat.   Noch einmal vielen Dank, Angela!

BK’in Merkel: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Andrej, ich freue mich, hier zu sein, und war selbst überrascht, dass es schon acht Jahre her ist, dass ich meinen letzten bilateralen Besuch hier abgehalten habe. Inzwischen ist Kroatien seit nunmehr fast sechs Jahren Mitglied der Europäischen Union. Die Tatsache, dass wir Sitznachbarn im Europäischen Rat sind, spricht dafür, dass ihr vor uns die Präsidentschaft haben werdet. Natürlich werden wir auch in diesem Rahmen sehr eng zusammenarbeiten.

Der Grund dafür ist der, dass unsere bilateralen Beziehungen wirklich sehr, sehr gut sind. Wir sind Partner und Freunde. Die Brücke sind im Grunde die 370 000 kroatischen Staatsangehörigen, die in Deutschland leben, aber auch die 2,5 Millionen Touristen, die jedes Jahr aus Deutschland nach Kroatien kommen.

Wir haben über unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen. Der deutsche Wirtschaftsminister ist von seinem kroatischen Kollegen eingeladen worden und wird spätestens im Herbst hierherkommen. Wir haben überlegt, wie wir hier noch besser Investitionen aufbauen können, und zwar vor allen Dingen deshalb, weil durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union auf der einen Seite natürlich die Freizügigkeit da ist. Jüngere Menschen und Menschen im arbeitsfähigen Alter können also überall in Europa eine Beschäftigung finden. Aber wir wollen auf der anderen Seite natürlich auch die Konvergenz. Wir wollen, dass die Mitgliedschaft in der Europäischen Union auch dadurch zum Tragen kommt, dass hier in Kroatien der Wohlstand wächst, dass die Menschen hier Arbeits- und Lebensumstände finden, in denen sie sich wohlfühlen.

Das müssen wir auch bei der mittelfristigen finanziellen Vorausschau berücksichtigen. Denn wir wissen, dass die Versprechen Europas   Frieden, Sicherheit und Wohlstand   eingehalten werden müssen, wenn wir weiter ein entscheidendes Signal   und das wollen wir   gegen jede Form von Populismus senden wollen. Kroatien und Deutschland, wir beide sind genau diesem Kurs verpflichtet, nicht populistisch zu argumentieren, sondern wirklichen Fortschritt zu schaffen.

Die Kerndaten der Wirtschaft in Kroatien weisen in diese Richtung. Deshalb halte ich auch die beiden Ziele, die Kroatien hat und die wir heute auch diskutiert haben, nämlich den Eurobeitritt in der nächsten Periode und die Vollmitgliedschaft in Schengen, für sehr realistisch. Das wird natürlich noch Arbeit erfordern. Aber ich finde, Kroatien ist auf einem guten Weg. Insofern möchte Deutschland auch in Zukunft ein guter Partner sein.

Wir arbeiten auch sehr eng in der Agenda des westlichen Balkans insgesamt miteinander zusammen. Deutschland hatte ja den Berliner Prozess angestoßen, der von Kroatien immer unterstützt worden ist. Wir werden beim Mittagessen genau diese Themen noch etwas stärker vertiefen.

Ich möchte jedenfalls Danke für den freundschaftlichen Empfang sagen. Auf gute weitere Zusammenarbeit!

Frage: Meine Frage richtet sich sowohl an die Bundeskanzlerin als auch an Ministerpräsident Plenković. Konkret haben Sie gesagt, man erwarte eine Zusammenarbeit über den EU-Ratsvorsitz. Wird es in dem nächsten Jahr dann zur Erweiterung in Richtung Südosteuropa kommen? Die beiden Länder setzen sich ja dafür ein.

Sie haben Deutschland auch als einen der ersten Handelspartner Kroatiens erwähnt. Können wir eine weitere Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit erwarten und, wenn ja, in welchen konkreten Bereichen?

BK’in Merkel: Deutschland ist der wichtigste Handelspartner. Wir haben zwischen unseren beiden Ländern ein Handelsvolumen von insgesamt 5,3 Milliarden Euro. Aber was natürlich noch verstärkt werden kann, sind Investitionen. Wir haben konkret darüber gesprochen, dass gerade der digitale Infrastrukturausbau vorangebracht werden sollte   da ist auch der kroatische Partner der Deutschen Telekom mit dabei   und wie wir das möglichst schnell machen können. Denn über die Arbeitsplätze der Zukunft werden in besonderer Weise gerade die Fragen der digitalen Infrastruktur entscheiden. Darüber werden wir, wie gesagt, beim Besuch des Wirtschaftsministers noch konkret sprechen.

Kroatien hat auch auf die Frage hingewiesen   das müssten wir über unsere Außenhandelskammern noch vertiefen  , wie wir noch neue Investoren gewinnen können. Es gibt einen Stamm von Investoren, die schon hier sind. Aber wir müssen jetzt noch einmal eine zweite Welle machen und sagen: „Schaut euch an, wie sich die Dinge in Kroatien entwickelt haben“, damit wir auch neue Investoren hierherbekommen.

Was die Präsidentschaft anbelangt, so ist es vor allem wichtig, dass wir eine strategische Agenda haben, die uns allen nützt. Wir haben jetzt begonnen, darüber zu diskutieren. Die Umsetzung wird dann natürlich auch in der kroatischen Präsidentschaft eine Rolle spielen.

Was die Erweiterungsperspektive anbelangt, so haben wir eine klare deutsche Haltung dazu. Wir wollen diese europäische Perspektive der Staaten des westlichen Balkans. Wir haben jetzt ja auch Riesenfortschritte durch die Lösung des Namensstreits im Blick auf Nordmazedonien gesehen. Wir sehen das aber natürlich immer kriterienbasiert. Das heißt, es müssen bestimmte Dinge eingehalten werden, damit wir die nächsten Schritte gehen können. Auf dieser Basis werden wir uns im Sommer bzw. Herbst auf jeden Fall auch noch einmal mit dieser Frage befassen.

MP Plenković: Wenn Sie mir erlauben, möchte ich, was die wirtschaftliche Zusammenarbeit betrifft, noch Folgendes sagen: Was die Erweiterung nach Südosteuropa und die wirtschaftliche Zusammenarbeit anbelangt, gibt es die Strategie der Republik Kroatien. Man möchte wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht nur auf der Bundesebene stärken. Wir intensivieren parallel die Zusammenarbeit auf der Ebene der einzelnen Bundesländer.

Das hat auch eine lange Tradition. 46 Jahre gibt es die kroatisch-bayerische Kommission. Das wurde dieses Jahr als Jubiläum gefeiert. Der bayerische Ministerpräsident war hier. Es gibt auch eine Kommission Kroatien-Baden-Württemberg. Auch da gibt es Beziehungen, die lange Jahre gepflegt werden. Das hilft auch unseren Mitbürgern, die seit Jahren in Deutschland leben. Das ist, wie es die Bundeskanzlerin gesagt hat, nicht nur eine patriotische Brücke, sondern auch eine wirtschaftliche Brücke. Auch dank der Mitbürger, die in Deutschland leben, und dank des Engagements unserer diplomatischen Vertretungen kann diese Zusammenarbeit gestärkt werden.

Vor ein paar Wochen waren wir auch in Nordrhein-Westfalen und konnten mit dem dortigen Ministerpräsidenten Gespräche führen. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu stärken, war auch auf unserer Agenda.

Das ganze Europa beschäftigt sich auch mit den Arbeitsplätzen in der zukünftigen digitalen Ökonomie. Aber die Industriepolitik soll natürlich nicht vergessen werden. Für die Investitionen ist es wichtig, dass auch in Kroatien investiert wird. Darüber wurde heute auch gesprochen. Aber wir werden erst die konkreten Resultate abwarten, und dann darüber berichten können.

Was Südosteuropa anbelangt, so haben wir vergangenes Jahr in Sofia angekündigt, dass Kroatien Gastgeber der Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Südosteuropas sein wird. 20 Jahre ist es her, dass dieser Gipfel auch Kroatien die Tür für die Mitgliedschaft geöffnet hat. Das ist komplementär mit den Aktivitäten, die die Kanzlerin mit dem Berliner Prozess eröffnet hat. Diese politische, diese sektorale finanzielle Initiative hat eigentlich dazu geführt, dass der Dialog gestärkt wurde. Vergangenes Jahr gab es das wichtige Treffen in Sofia.

Nach den Wahlen gibt uns die Kommission den Bericht über den Fortschritt der einzelnen Länder. Wir hoffen, dass wir konkrete Punkte erreichen, dass man eine gute, hochwertige Vorbereitung mit Hilfe innerhalb der Union hat, dass man realistische Ziele setzt. Wir kennen ja die Erwartungen unserer Nachbarn. Wir kennen auch die Kriterien. Das Element der Konvergenz ist auch sehr wichtig. Für uns ist es auch wichtig, dass wir dieses Element auch in die Entwicklung unserer Nachbarn einführen. Wir sind bereit, uns zu engagieren.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie werden im Anschluss an diese Gespräche eine gemeinsame Veranstaltung mit Manfred Weber und dem Ministerpräsidenten Kroatiens und HDZ-Vorsitzenden machen. Es ist auch ein Kampf gegen Rechtspopulismus. Sie haben es angesprochen.

In den letzten Tagen des Wahlkampfes wird das von der Regierungskrise in Österreich überschattet. Es ist ganz offenkundig, dass auch vielfach der Versuch gestartet worden ist, aber jetzt, nach 15 Monaten, ist man in eine tiefe Krise geraten. Ich wäre Ihnen für eine Bewertung dankbar. Ich weiß, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geklärt ist, ob es zu einer Fortsetzung kommt oder nicht. Den Vorbehalt muss man sicherlich machen. Aber es geht darüber hinaus um die nächsten Tage. Es gab ja auch ein Treffen der Rechtspopulisten in Mailand. Das ist die Frage an Sie.

Wenn ich darf, dann auch an Sie, Herr Ministerpräsident, eine Frage: Sie sprachen die beiden Ziele an: Euroraum und Schengen.   Bei Schengen ist es der Schutz der Außengrenze. Wir selbst als Korrespondenten in dem Berichtsgebiet, aber zum Teil auch andere haben öfters glaubwürdige Berichte, die wir zum Teil auch selbst überprüfen, von Überschreitungen, wonach der Schengen-Raum, dem Sie beitreten wollen, gegenwärtig auch mit sehr, sehr harten Mitteln verteidigt wird. Menschenrechtsorganisationen und zum Teil auch unsere Berichte sprechen da eine andere Sprache. Ich wäre Ihnen dankbar für eine Stellungnahme dazu.

BK’in Merkel: Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich mich natürlich nur allgemein äußern. Denn Bundeskanzler Kurz wird zu den Vorgängen Stellung nehmen.

Europa ist eine Vereinigung von Ländern, die sich entschieden haben, auf einer gemeinsamen Wertebasis zusammenzuarbeiten. Wir haben es mit populistischen Strömungen zu tun, die diese Werte in vielen Bereichen verachten und die das Europa unserer Werte zerstören wollen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Dazu gehört, dass Minderheiten nicht geschützt werden, dass elementare Menschenrechte infrage gestellt werden und dass Käuflichkeit von Politik eine Rolle spielt. Gegen all das müssen wir entschieden vorgehen, und werden das auch tun. Das sage ich für unsere beiden Länder, aber ich sage es auch für die Parteienfamilie, der ich angehöre, die EVP.

Das ist der Geist, in dem wir arbeiten. Wir werden die weiteren Entwicklungen in Österreich abwarten.

MP Plenković: Vielen Dank für das Interesse bezüglich der kroatischen Ambition, Schengen beizutreten. Für uns ist es wichtig, dass wir diese Vereinbarung auf der Ebene der EU treffen, damit der Schengen-Raum funktioniert. Unser Ziel ist es natürlich auch, die Freizügigkeit innerhalb der EU zu schützen.

Kroatien engagiert sich detailliert. Wir haben 120 Millionen aus dem Paket nach dem Ende unserer Verhandlungen absorbieren können. Aufgrund des Engagements des Innenministeriums konnten wir noch weitere 150 Millionen bekommen. Wir haben 6500 Polizisten, die die kroatische Außengrenze kontrollieren. Dabei wahren wir die nationale Legislatur, aber auch die europäische. All das, was Kroatien unternimmt, steht mit den Gesetzen im Einklang.

Für uns ist es wichtig, dass die zuständigen Beamten die Kontrolle darüber haben und dass nicht diejenigen Geld verdienen, die die Menschen über unsere Grenzen schmuggeln wollen. Diese Prozesse haben wir früher in diversen Staaten verfolgen können.