Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem König des Haschemitischen Königreichs Jordanien, Abdullah II. Ibn Al-Hussein

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, König Abdullah II. Ibn Al-Hussein

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der jordanische König heute zu Gast bei uns in Berlin ist. Wir haben ihn sehr gerne hier zu Gast, weil Jordanien auch eine zentrale Rolle bei einer Vielzahl von Konflikten spielt, und deshalb haben wir auch ein sehr intensives, ein sehr freundschaftliches und kameradschaftliches Gespräch miteinander geführt.

Jordanien ist ein Land, das als Auswirkung des syrischen Bürgerkriegs eine hohe Last trägt. Deutschland versucht, humanitär zu helfen, aber nichtsdestotrotz möchte ich meinen herzlichen Dank für die Aufnahme von so vielen Flüchtlingen in einer Situation sagen, die ja für Sie alles andere als einfach ist. Deutschland wird auch weiterhin Hilfe leisten. Die Hilfe, die wir geleistet haben, beläuft sich insgesamt auf 840 Millionen Euro. Davon sind 230 Millionen Euro auch gerade zur Unterstützung Jordaniens geleistet worden.

Wir alle - das war unsere gemeinsame Überzeugung - streben nach einer politischen Lösung des syrischen Bürgerkriegs, und diese Lösung kann es mit Sicherheit nur im Rahmen der internationalen Gemeinschaft geben. Aus meiner Sicht müssen - ähnlich wie es ja beim Iran gelungen ist - möglichst die verschiedenen Mächte und gerade auch die Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat sehr eng zusammenarbeiten, um hier voranzukommen. Auch Russland - das habe ich auch bei meinem Besuch in Moskau besprochen - hat hierbei sicherlich eine wichtige Rolle zu spielen, natürlich neben den Vereinigten Staaten. Ich habe es als ein sehr hoffnungsvolles Signal angesehen, dass Außenminister Kerry jetzt in Sotschi war und mit dem russischen Präsidenten gerade auch über dieses Thema gesprochen hat.

Es geht im Kern darum, die Terrororganisation ISIS in Syrien und im Irak zu bekämpfen. Jordanien ist hierbei sehr stark engagiert. Aber auch Deutschland hat sich im kurdischen Bereich sehr stark engagiert, und zwar in Absprache mit der irakischen Zentralregierung. Die Frage der Inklusion, also der Einbeziehung aller religiösen Gruppen im Irak, ist auch ein zentrales Problem. Wir wünschen Premierminister Al-Abadi hierfür sehr guten Erfolg.

Wir wollen dann vor allen Dingen auch helfen, die von ISIS befreiten Gebiete humanitär zu unterstützen. Hierbei ist es wichtig, dass wir diese Hilfe sowohl im Irak als aber gegebenenfalls auch in Absprache mit Jordanien leisten.

Wir haben über den Konflikt im Jemen gesprochen und können auch hier nur hoffen, dass die politischen Bemühungen gemacht werden; denn auch hier ist es sehr schwer, einen solchen Konflikt allein militärisch zu gewinnen.

Last, but not least ist natürlich auch der Nahost-Konflikt von zentraler Bedeutung. Ich habe gestern auch in meinem Gespräch mit dem israelischen Präsidenten deutlich gemacht: Deutschland setzt nach wie vor auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Wir werden alles tun, um dabei hilfreich zu sein, auch wenn das Brett, das wir da bohren müssen, ein sehr, sehr dickes Brett ist. Aber auch hier führt an einer politischen Lösung kein Weg vorbei.

Noch einmal ganz herzlich willkommen und Danke für Ihren Besuch!

König Abdullah II.: Wie immer, Frau Bundeskanzlerin, ist es mir eine große Ehre, Sie heute hier treffen zu können und wieder in Deutschland sein zu können. Ich darf Ihnen und dem deutschen Volk im Namen meiner ganzen Delegation und auch im Namen aller Jordanier sehr herzlich für die stete Unterstützung danken, die sie Jordanien in all diesen Jahren gegeben haben, und auch für die Investitionen, die sie in Jordanien getätigt haben und die ja alle Früchte bei uns im Land tragen, in einem ganzen großen Feld kultureller und wirtschaftlicher Art. Ich sage: Das hier ist eine ganz großartige Gelegenheit, unsere strategische Partnerschaft weiter ausbauen zu können.

Dies ist ein ganz wichtiger Zeitpunkt für uns alle, an dem wir versuchen, unsere Partnerschaft mit der EU weiter auszubauen, um all diese verschiedenen Herausforderungen bestehen zu können, die sich bei uns in der Region, aber auch überall sonst zeigen.

Wir haben, wie die Bundeskanzlerin schon gesagt hat, eine ganze Reihe von Themen erörtert, die sich bei uns in der Region abzeichnen. Natürlich ist es so, dass Deutschland hierbei eine ganz besonders wichtige Rolle spielt, nicht nur in unserem Teil der Welt und in ihrem Teil der Welt, sondern, wie gesagt, auch in unserer Region.

Wir haben über sehr viele Themen gesprochen, hinsichtlich derer wir ganz spezifisch natürlich auch vor allem die terroristische Gefahr sehen, die eine weltweite Gefahr ist. Hierbei arbeiten wir sehr eng mit den Deutschen zusammen. Die Koordinierung zwischen Deutschland und Jordanien ist etwas, das für uns beide, denke ich, sehr wichtig ist. Wir versuchen gemeinsam, den Terroristen Einhalt zu gebieten, die ja die gesamte Welt bedrohen. Ich denke, wir haben eine solche Bedrohung wohl noch nie als so schwerwiegend wie jetzt erlebt. Dabei geht es nicht nur um ISIS oder Daesh, es geht auch um Boko Haram und um Al-Shabaab in Afrika. All diese verschiedenen Gefahren können nicht getrennt voneinander gesehen werden, und die können wir auch nicht getrennt voneinander angehen. Wir müssen eine realistische Einschätzung zeigen – im Nahen Osten, in Afrika und überall sonst, wo sich dieses Phänomen zeigt.

Die Bundeskanzlerin hat es ja schon gesagt: Wir haben auch über die Herausforderungen des israelisch-palästinensischen Konflikts gesprochen. Das ist auch ein sehr wichtiges Thema, das unsere Region schon lange heimsucht. Natürlich werden auch da Extremisten hervorgebracht. Überall in der Welt werden Extremisten rekrutiert. Wir sehen eben, dass der einzige Ausweg ist, dass man versucht, beide Parteien dazu zu bringen, dass sie eben eine Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren.

Wir, denke ich, Jordanien und die Bundesrepublik, sehen zuversichtlich in die Zukunft. Wir können in Zukunft eng zusammenarbeiten. Ich kann nur noch einmal im Namen meines Volkes sagen: Ich bin Deutschland sehr, sehr dankbar. Sie haben eine führende Rolle bei der Unterstützung Jordaniens gespielt, gerade was die Frage der Flüchtlinge angeht. 20 Prozent unserer Bevölkerung bestehen ja aus syrischen Flüchtlingen, und gerade Deutschland hat uns bei diesem Problem ganz besonders unterstützt, einem Problem, das natürlich nicht nur etwas mit Flüchtlingen insgesamt zu tun hat, sondern gerade auch mit diesen Schwierigkeiten mit den syrischen Flüchtlingen. Wir wissen auch, dass Sie innerhalb sehr kurzer Zeit sehr viele syrische Flüchtlinge aufgenommen haben, und auch dazu kann ich nur sagen: Hut ab vor der Bevölkerung und der Regierung dafür, dass Sie das getan haben. Herzlichen Dank, dass Sie auch uns unterstützt haben!

Frage: Wie beurteilen Sie die Beziehungen zwischen Jordanien und der Bundesrepublik Deutschland sowie zwischen Jordanien und der EU, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der verschiedenen Herausforderungen, denen sich der Nahe Osten insgesamt und die gesamte Region gegenübersehen?

König Abdullah II.: Ich habe es sehr deutlich gemacht: Die Beziehung zwischen unseren beiden Ländern ist eine ganz einzigartige. Sie ist stark. Politisch haben wir immer sehr eng zusammengearbeitet. Wir, die Bundeskanzlerin und ich, haben uns eigentlich immer und bei allen politischen Herausforderungen einig gezeigt. Wir finden, dass die Rolle Deutschlands nicht hoch genug zu bewerten ist, wenn es darum geht, unserer Region Stabilität und Frieden zu bringen und uns auch dabei zu helfen, Frieden und Stabilität in Bezug auf viele Themen, die auch wir angegangen sind, zu bringen.

Natürlich ist es auch die Rolle der EU, Frieden und Stabilität zu bringen, und hierbei spielt Deutschland als Teil der Europäischen Union ja eine ganz wichtige Rolle. Wir sind für diese Position und Rolle sehr dankbar, die Sie nicht nur in unserer Region, sondern auch international in der internationalen Gemeinschaft gespielt haben.

BK’in Merkel: Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, und darüber haben wir auch gesprochen, dass wir diese Länder gerade bei Aktivitäten europäischer Länder - zum Beispiel beim Training von militärischen Kräften - nicht mit zu vielen Standards überfordern, sondern dass wir versuchen, auch einheitliche Standards aufseiten der europäischen Länder zu haben. Das heißt, nicht jeder muss alleine gute Beziehungen haben, sondern es gibt auch eine europäische Notwendigkeit, möglichst kohärent aufzutreten, weil wir ansonsten Länder, die Hilfe und Unterstützung brauchen, nur in sehr komplizierte Abstimmungsprozesse stürzen. Der Sinn einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird also anhand der vielen Beispiele - ob es nun um Somalia, um Libyen, um Mali oder um andere Fälle geht - sehr offensichtlich.

Frage: Ich habe eine Frage an den jordanischen König: Ist Jordanien bereit, sich an einer militärischen Offensive gegen IS in Mossul und an einer Bodenoffensive im Jemen zu beteiligen?

Frau Bundeskanzlerin, erlauben Sie eine Frage zu BND und Terrorbekämpfung? Halten Sie es aufgrund der WikiLeaks-Veröffentlichungen überhaupt noch für denkbar, dem Bundestag die NSA-Suchbegriffe zur Verfügung zu stellen? Ist eine Entscheidung darüber, ob sie dem Bundestag zur Verfügung gestellt werden oder nicht, schon gefallen?

König Abdullah II.: Im Irak, muss man sagen, ist das ja die einzige arabische Armee, die im Moment mit der Koalition innerhalb des Irak zusammenarbeitet. Die Luftwaffe wird dort ebenfalls eingesetzt. Mossul ist oben an der kurdischen Grenze. Das ist ziemlich weit von Jordanien entfernt. Unsere Verantwortung aus jordanischer Perspektive ist es, vor allen Dingen im westlichen Teil des Irak aktiv zu werden, also an der östlichen Grenze Jordaniens, wo ISIS eben anwesend und präsent ist. Die ersten hunderte Kilometer – das sehen wir als unsere Verantwortung an.

Es hängt jetzt also einfach davon ab, was die Ziele der Koalition und der Iraker im Sommer sein werden und welche Auswirkungen das auf ISIS in unserem Verantwortungsbereich haben wird. Davon wird dann abhängen, welche Rolle die jordanischen Streitkräfte hierbei spielen werden.

Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, so ist es so, dass wir Teil der Koalition für die Verteidigung Saudi-Arabiens sind. Im Moment ist es einfach so, dass die Priorität darin besteht, unsere Verbündeten zu verteidigen, nämlich das Königreich Saudi-Arabien. Im Moment muss man einfach sagen: Es gibt eigentlich keine Prozedur seitens der jordanischen Streitkräfte, an einer Bodenoffensive im Jemen teilzunehmen.

BK’in Merkel: Das Konsultationsverfahren mit der amerikanischen Regierung dauert an, und demzufolge ist auch noch keine Entscheidung darüber gefallen, inwieweit wir diese Informationen oder Informationen an den Bundestag weitergeben werden.