Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

MP Netanyahu: Guten Tag! Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, es ist eine große Ehre, Sie hier mit Ihrer Delegation zu begrüßen. Wieder einmal treffen wir uns in Jerusalem. Sie sind eigentlich ja die Pionierin dieser Regierungskonsultationen. Es ist eine wirkliche Möglichkeit, unserer Freundschaft zum Wohle beider unserer Länder weiter auszubreiten. Das gilt im allgemeinen Sinne, aber auch in sehr praktischer Hinsicht. Vor zehn Jahren haben Sie in einer sehr berühmten Rede vor der Knesset gesprochen. Sie haben erklärt, dass Deutschland und Israel durch eine ganz besondere Freundschaft verbunden sind. Sie haben diese Freundschaft als eine ewige Verantwortung für die Vergangenheit durch geteilte Werte, gemeinsame Herausforderungen und gemeinsame Interessen erklärt. Sie haben gesagt, Deutschland werde Israel nie vergessen und ein echter Freund Israels bleiben, und Israels Sicherheit werde nie zur Diskussion stehen. Ich muss sagen, Frau Bundeskanzlerin, Sie haben Wort gehalten. Sie haben das immer wieder unter Beweis gestellt. Ich danke Ihnen, und das ganze Volk Israel dankt Ihnen für Ihren unermüdlichen Stand neben Israel für die Unterstützung unseres Landes. Sie haben eine starke Haltung gegen den Antisemitismus. Sie unternehmen ständige Anstrengungen, die Geschichte weiter zu lehren, den Kampf gegen den Antisemitismus fortzusetzen und in ganz Europa durchzuführen.

Unter Ihrer Führung sind die Beziehungen zwischen unseren Ländern und unseren Völkern weiter gewachsen. Wir haben Regierungskonsultationen, die tatsächlich klare Ergebnisse hervorbringen - im Handel, bei der Cybersicherheit. Wir sprechen auch davon, unsere Zusammenarbeit im Rahmen der Cybersecurity weiter auszudehnen. Wir haben in einem unserer Gespräche gemeinsam Pläne in Afrika entworfen. Wir werden diese Arbeit, die schon besteht, weiter ausdehnen.

Was diesen Besuch allerdings ganz klar kennzeichnet, ist unsere Zusammenarbeit in einem Bereich, nämlich im Bereich der Technologie und der Innovation. Das ist der Titel dieses Besuches. Die Zukunft gehört denjenigen, die im Innovationsbereich arbeiten. Wir haben zwei sehr starke Wirtschaften. Deutschland ist eine der größten Wirtschaften der Welt, eine der stärksten Wirtschaften der Welt mit ganz besonderen Fähigkeiten in der Wissenschaft, in der Industrie, in der Technologie. Israel gehört zu den führenden Innovationsstaaten der Welt. Wir befinden uns ganz oben auf der Liste der innovativen Staaten.

Wir haben heute Morgen eine Ausstellung der Innovationen von deutschen und israelischen Firmen besucht. Wir beide sind, denke ich, mit einem ganz besonderen Eindruck der Talente aus dieser Ausstellung gegangen. Wir sehen unsere Firmen, die zusammenarbeiten. Das gilt für den Verkehrsbereich, das gilt für digitale Gesundheit, Telekommunikation, Agrotechnologie und viele andere Bereiche.

In ganz vielen anderen Bereichen arbeiten wir zusammen. Eigentlich gibt es ein unbegrenztes Potenzial. Deutschland ist zum Beispiel ein in der Welt führendes Land in der Automobilindustrie. Israel ist eine führende Nation - es hat nur wenige Jahre gedauert - im Bereich des autonomen Fahrens. Diese beiden Dinge fügen sich jetzt zusammen. Wir haben Hightechexpertise, und wir haben die deutschen Fähigkeiten in der Automobilindustrie. Wir haben hier jetzt also autonomes Fahren. Das ist ein Beispiel. Ich könnte noch eine ganze Reihe anderer Beispiele anführen. Israelische und deutsche Firmen haben verstärkt Zugang zum Trinkwasserangebot. Es gibt neue Techniken für Operationen und für die Möglichkeit, unsere Umwelt besser zu schützen. Die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern ist nicht nur zum Wohle unserer beiden Staaten schon seit langem eingeführt, sondern Millionen von Menschen kommen in den Genuss unserer Entwicklungen. Es ist sehr gut für diese Menschen, und es ist überhaupt gut für uns und für die gesamte Welt.

In unserem Gespräch heute haben wir bestimmte Bereiche besprochen, um unsere Zusammenarbeit zu verstärken: Handel, Umweltschutz, Energie, Transport und Wohnungsbau. Ich glaube, das ist etwas ganz Einmaliges. Es gibt ganz wenige Wirtschaften in der ganzen Welt, die über die Möglichkeiten verfügen, die wir hier haben.

Ich muss jetzt vorsichtig sein; denn ich bin ja auch Außenminister und darf jetzt hier keine Namen nennen oder Zahlen anführen. Aber der Austausch zwischen Deutschland und Israel ist in der Lage, die Welt zu verändern. Wir gehen gemeinsam in die Zukunft.

Wir müssen aber auch gegen die Kräfte kämpfen, die uns in die Vergangenheit zurückziehen wollen. Ich denke, unsere Hoffnungen für die Zukunft werden heute durch die Kräfte des radikalen Islams infrage gestellt, insbesondere durch ISIS einerseits und durch den Iran und seine Handlanger andererseits. Es ist kein Geheimnis und ganz bestimmt kein Staatsgeheimnis, dass ich mit dem JCPoA nicht einverstanden bin. Aber Milliarden von Dollar sind auf diese Art und Weise an die Förderer des Terrors im Nahen Osten gelangt, nämlich an den Iran. Diese Gelder sind leider nicht zum Wohle der Bevölkerung des Irans eingesetzt worden, sondern ganz im Gegenteil zur Finanzierung der Kriegsmaschinerie des Irans.

Ich muss sagen, dass sich die aggressive Aktivität des Irans ja auch auf Europa ausbreitet. Ich habe zum Beispiel über die Tatsache gesprochen, dass israelische Nachrichtendienste europäischen Nachrichtendiensten Informationen gegeben haben, und zwar darüber, dass iranische Diplomaten in Europa Terroranschläge auf europäischem Boden planen. Ich war sehr glücklich zu sehen, dass aus diesem Grunde vor Kurzem ein iranischer Diplomat in Deutschland verhaftet wurde. Ich war sehr glücklich zu sehen, dass die französische Regierung vor zwei Tagen beschlossen hat, gegen diese Diplomaten und gegen den Iran vorzugehen. Ich glaube, dass sich alle Nationen zusammenschließen müssen, um das iranische Regime dazu zu zwingen, das Nuklearprogramm aufzugeben. Sie versuchen immer noch, durch die Hintertür weiterzuarbeiten. Die Terroraktivitäten in Europa und in der ganzen Welt müssen aufgegeben werden. Syrien und der Libanon sollen nicht mehr als Ausgangspunkt für Angriffe auf Israel gelten.

Israel wird weiterhin alles tun, was notwendig ist, um unser Land und unser Volk zu verteidigen. Wir werden auch weiterhin die Anstrengungen des Irans aufhalten, Syrien und den Libanon als Front für Angriffe zu verwenden. Wir werden auch weiterhin auf Partner in diesem Teil der Welt zugehen.

Ein Vorteil ist aber, zu erkennen - ich sage es immer wieder, und ich sage es noch einmal -, dass sich Israel und die arabischen Staaten sehr viel näher gekommen sind, als sie es jemals waren. Ich bin davon überzeugt, dass diese neuen Beziehungen sehr große Hoffnungen für die Zukunft eröffnen. Denn ich glaube, dass dadurch der Weg des Friedens vorbereitet wird - Friede zwischen Israel und den arabischen Staaten. Natürlich wird es noch eine gewisse Zeit dauern. Aber die Beziehungen normalisieren sich langsam. Wir werden auch mit unseren palästinensischen Nachbarn zu einem Frieden gelangen, wenn sie bereit sind, den Frieden tatsächlich anzunehmen und sich für den Frieden zu entscheiden, anstatt Israel in unmögliche Bedingungen zu drängen, die es ihm nicht erlaubten, weiterzuleben. Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass wir diese Haltung vonseiten der Palästinenser noch nicht erkennen können.

Ich denke, andere Staaten müssen ganz einfach auf die Palästinenser zugehen und sagen, dass sie ihre Haltung verändern müssen. Die Situation in Gaza kann zu ganz furchtbaren Auswirkungen führen. Ich weiß, Angela, Sie sind einem sicheren und ruhigen Nahen Osten verpflichtet. Die engen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland können ein Beispiel für die ganze Welt darstellen. Wir werden die Horrortaten der Vergangenheit nicht vergessen. Wir werden sie nie vergessen, und Sie werden sie nie vergessen. Aber wir haben unsere Beziehungen verändert. Aufgebaut haben wir eine enge Freundschaft, eine ganz besondere Freundschaft. Wir haben einen Einsatz, und ich glaube, das wird von Ihnen verkörpert. Wir haben eine klare neue Kooperation, eine Zusammenarbeit, die uns sehr viele Möglichkeiten für die Zukunft eröffnet. Das Beispiel von Israel und Deutschland liefert Hoffnung für alle Völker der Welt. Wir sehen, wie wir die Geschichte verändern können, wie man zusammenkommen kann, um eine bessere Zukunft aufzubauen.

Ich danke Ihnen einmal mehr, Angela, für Ihre Freundschaft und für Ihre Führungskapazitäten. Ich freue mich schon auf Ihren nächsten Besuch mit einer noch größeren Delegation von Unternehmern, von Unternehmern und Unternehmerinnen. - Vielen herzlichen Dank!

BK’in Merkel: Danke schön, sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Benjamin Netanjahu! Ich freue mich, dass wir diesmal hier zu Gast sind, und bedanke mich auch im Namen der ganzen Delegation für die herzliche Begrüßung zu den siebten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen. Wir blicken jetzt auf eine Dekade dieser Konsultationen zurück und können sagen, dass sich die Zusammenarbeit in Gegenwarts- und Zukunftsfragen dadurch erheblich verbreitert und intensiviert hat. Die Tage der Regierungskonsultationen sind immer so etwas wie ein Abrechnungspunkt: Wo stehen wir? Was können wir auch an neuen Projekten auflegen?

Dass wir 70 Jahre nach der Gründung des Staates Israel diese Regierungskonsultationen haben, ist ein Zeichen unserer engen, partnerschaftlichen, freundschaftlichen Beziehungen. Uns allen ist heute Vormittag oder heute Morgen noch einmal bei dem Besuch von Yad Vashem bewusst geworden, welches Glück es ist, dass dies möglich wurde. Wir bekennen auch, dass wir die immerwährende Verantwortung für die Verbrechen der Schoah weiter tragen werden und dass wir in diesem Geiste auch weiterarbeiten werden.

Wir müssen zugeben, dass es in Deutschland nach wie vor Antisemitismus gibt, zum Teil sogar verstärkt. Deshalb hat sich die jetzige Bundesregierung entschlossen, mit Herrn Klein einen Beauftragten nicht nur im Kampf gegen den Antisemitismus einzusetzen, sondern jemanden, der sich auch für das einsetzt, worauf wir sehr stolz sind, nämlich für das Gelingen des jüdischen Lebens in Deutschland. Er ist Teil unserer Delegation, und es gab heute parallel zu den Regierungskonsultationen erstmals deutsch-israelische Antisemitismuskonsultationen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt in einer Zeit, in der Antisemitismus leider in ganz verschiedener Form immer noch auf der Tagesordnung steht, leider auch in Deutschland.

Wir haben einige neue Weichen gestellt. Ich glaube, dass unsere Zusammenarbeit in wirtschaftlichen Fragen diesmal dadurch gestärkt wurde, dass die Unternehmensdelegation dabei war. Wir haben zum ersten Mal ein solches Wirtschaftsforum besucht und gesehen, dass sich das jetzt - ausgehend von der sehr lange währenden wissenschaftlichen Zusammenarbeit, die zwischen Deutschland und Israel besteht - eben auch in Richtung der privatwirtschaftlichen Zusammenarbeit ausweitet. Hier kann ich nur voller Hochachtung sagen: Israel hat wirklich eine lebendige, dynamische Community von jungen Start-ups, die durch die Regierung auch interessant und gut gefördert werden. Wir haben verabredet, dass wir auch, was die Rahmenbedingungen für solche Start-ups anbelangt, mehr voneinander lernen und damit natürlich auch Firmen ermutigen wollen, sich in diese bilaterale Kooperation hineinzubegeben. Wir wissen, dass die Kooperation mit Amerika hier sehr stark ist. Wir haben gehört, dass auch mit China durchaus eine Kooperation besteht. Wir werden uns also anstrengen, auch ein belastbarer Faktor in diesem Zusammenhang zu sein.

Wir intensivieren unsere Zusammenarbeit im Cyberbereich. Hierbei ist Israel auch ein Land, von dem wir eine Menge lernen können.

Wir werden unsere Entwicklungszusammenarbeit fortsetzen, die wir in afrikanischen Drittländern durchführen. Das ist ein sehr spannender und interessanter Punkt. Die jetzige zeitliche Beschränkung wollen wir sozusagen aufheben und das weiterentwickeln. Wir wollen auch in neue afrikanische Länder hineingehen.

Wir haben uns in dem Kommuniqué - die Regierungskonsultationen selbst werden ja noch stattfinden; es gab bis jetzt nur bilaterale Gespräche - dann auch dafür ausgesprochen, ein deutsch-israelisches Jugendwerk zu gründen und voranzubringen. Ich glaube, der Jugendaustausch ist von elementarer Wichtigkeit, damit wir auch in Zukunft sehr intensive Beziehungen haben; denn die Zeitzeugen der Schoah, des Holocaust, sterben, sie werden bald nicht mehr unter uns sein, und wir müssen sicherstellen, dass diese immerwährende Verantwortung auch gelebt werden kann. Das kann durch nichts besser geschehen als durch Kontakte zwischen den jungen Menschen.

Wir haben hier natürlich auch über die allgemeine Situation in Israel und dabei auch über die möglichen Lösungen zwischen dem jüdischen Staat Israel und einem palästinensischen Staat gesprochen. Wir favorisieren und stehen zu dem Projekt einer Zwei-Staaten-Lösung. Ich habe sehr wohl vom Premierminister gehört, dass auch wir immer wieder die palästinensische Seite dazu ermutigen müssen, dass sie an den Verhandlungstisch kommt, und ich werde das auch tun. Ich glaube, dass es auf Dauer keine andere geben kann, als dass das gelingen würde, beziehungsweise ich glaube, dass es natürlich viele Lösungen geben kann, aber ich halte diese immer noch für die vernünftigste Lösung. In diesem Zusammenhang habe ich natürlich von deutscher Seite aus auch meine Sorge mit Blick auf die Siedlungspolitik geäußert, die die Bemühungen um eine solche Zwei-Staaten-Lösung zum Teil natürlich erschwert.

Wir haben über die gesamte Umgebung gesprochen. Das Interesse an einem stabilen Ägypten eint uns. Deutschland hat seine Beziehungen zu Ägypten auch verstärkt.

Wir haben natürlich über die Herausforderung und die Gefährdung Israels durch den Iran gesprochen. Wir sind ganz fest - ich habe das dem Präsidenten eben schon einmal gesagt - einer Meinung mit Israel, dass alles getan werden muss, um den Iran daran zu hindern, eine nukleare Bewaffnung zu bekommen. Worüber wir nicht immer einig sind, ist der Weg zu diesem Ziel. Insofern werden die Diskussionen hierüber weitergehen. Wir haben uns auch sehr dafür eingesetzt, und ich habe auch mit dem russischen Präsidenten darüber gesprochen, dass die iranischen Truppen wegmüssen und der Einfluss in Syrien wieder sozusagen möglichst völlig gen null gehen muss, was allerdings ein schwieriges Projekt ist. Dass der Iran sozusagen mit seinen Truppen nahe der Golanhöhen steht, ist eine Bedrohung Israels; das ist überhaupt keine Frage. Genauso geht eine solche Bedrohung auch vom Libanon aus, und auch hier werden wir uns mit all unseren Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die Gefährdung Israels dann nicht auch zu fürchterlichen Reaktionen führt.

Insofern sehen wir, unter welchem Druck und in welcher Umgebung Sie hier leben, und das unterscheidet sich schon sehr stark von der Situation, in der wir glücklicherweise in der Europäischen Union leben. Deshalb bestätige ich ausdrücklich, dass sich Israel natürlich verteidigen muss, wenn es angegriffen wird. Aber die Frage, welche politischen Anstrengungen man noch unternehmen kann, wird uns auch in Zukunft weiter beschäftigen.

Wir haben über die Konflikte im arabischen Raum - insbesondere auch über den Jemen-Konflikt - und natürlich auch über die Situation in der Europäischen Union gesprochen.

Ich möchte mich insgesamt für ein ausführliches Abendessen, für die bilateralen Diskussionen heute Nachmittag, für das Wirtschaftsforum und für die Gastfreundschaft gegenüber allen bedanken, die hier zu Gast sind. Es sind alle Ressorts vertreten, die allermeisten auf der Ministerebene. Ich denke, jeder Bereich hat seine Zusammenarbeit mit Israel gestärkt, was das Beste ist, das wir tun können, um unsere Freundschaft nicht nur auf dem Papier zu erhalten, sondern auch in praktische Projekte umzusetzen. Herzlichen Dank!

Frage: (wurde aufgrund technischer Probleme nicht gedolmetscht)

BK’in Merkel: Es gibt keine Übersetzung, und da ich immer mit der Übersetzung beschäftigt war, habe ich mich nicht - - - Das Mikrofon ist offensichtlich nicht an. Können Sie vielleicht noch einmal in das Mikrofon sprechen?

MP Netanjahu: Ich glaube, wir müssen an der israelischen Technologie noch einige Verbesserungen vornehmen!

BK’in Merkel: Wir haben uns wahrscheinlich heute in Sachen moderner Technologie verausgabt. Es hat dann für die Pressekonferenz nicht mehr gereicht.

Ich habe jetzt verstanden, was die Frage war. - Ich pflege mit den Partnern am besten immer direkt zu sprechen. Ich habe dem Premierminister versprochen, dass ich im Nachgang zu unseren deutsch-israelischen Konsultationen jetzt auch den palästinensischen Präsidenten Abu Mazen anrufen werde, ihn informieren werde und ihm auch einige Fragen stellen werde, die auch gerade mit der jetzigen Situation in Gaza zu tun haben. Ich werde das Gespräch also suchen, möchte das aber jetzt nicht schon hier öffentlich tun. Es ist besser, man macht es dann direkt.

MP Netanjahu: Die Situation in Gaza kann man in zwei Teile einteilen. Es gibt hier die Frage der Hamas, die Israel angreift. Aber der zweite Punkt ist der schlimmste Punkt, und zwar, dass Abu Mazen (akustisch unverständlich) in Gaza erschwert hat, weil er die Höhe der Überweisung der Gelder von der palästinensischen Autorität nach Gaza verringert hat, dass deshalb ein Riesendruck in Gaza entstanden ist und dass die Hamas deshalb immer wieder Israel angreift – nicht sehr oft, aber doch immer wieder. Abu Mazen mischt sich auf allen Wegen ein. Er mischt sich auch in die Versuche der Uno ein, die Situation in Gaza zu verbessern. Auch jetzt im Moment tut er das. Das ist natürlich ein Problem, wegen dessen ihn auch viele Spenderstaaten anklagen. Aber wenn die Hamas glaubt, dass man als Resultat dieser Not Israel angreifen kann, dann macht sie einen Riesenfehler. Unsere Reaktion wird schwerwiegend sein, ganz schwerwiegend. Ich hoffe, dass wir das beenden können, aber ich sage auch, dass sich Israel voll verteidigen wird.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Premierminister Netanjahu, die letzten Regierungskonsultationen sind ja abgesagt worden - offiziell hieß es, aus Termingründen, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass es gravierende Dissonanzen, gravierende Differenzen gab. Ich würde von Ihnen beiden gerne wissen: Was hat sich seitdem verändert? Sind die Differenzen nicht mehr da, sind sie ausgeglichen, oder sind Sie des Streitens müde geworden?

BK’in Merkel: Nein, nein. Die Regierungskonsultationen waren geplant für das Frühjahr des Jahres 2018, und wir haben dann die neue Regierung, unsere neue Bundesregierung, erst im Herbst fertig gehabt. Da war es sozusagen wenige Wochen nicht angezeigt, und dann haben wir im gegenseitigen Einvernehmen gesagt, dass wir diese Konsultationen verschieben, aber noch im Jahre 2018 stattfinden lassen wollen. Die letzten Regierungskonsultationen waren in Berlin, und davor waren wir im Februar 2014 da. Man hätte jetzt also im Frühjahr wiederkommen müssen, aber durch die Regierungsbildung hat sich das auf den Herbst verschoben.

Die Tatsache, dass wir uns einerseits gut verbunden sind, aber andererseits Meinungsverschiedenheiten haben, ist nicht neu, und da können wir auf gar keinen Fall so lange warten, bis wir nur noch völlig harmonisch miteinander sprechen. Es macht ja auch den Reiz der Gespräche aus, dass man sich austauscht und gerade auch über die Dinge zu reden versucht, die unterschiedlich bewertet werden.

Im Übrigen telefonieren wir relativ häufig, auch da gibt es also Gelegenheiten. Insofern war das keine Absage, sondern einfach eine Verschiebung aus Gründen der Regierungsfindung.

MP Netanjahu: Das ist völlig richtig. Ich muss sagen: Wir sind uns in sehr vielen Dingen einig, und in anderen eben weniger – na und? Wir haben eine sehr starke Allianz, und so sieht es eben aus. Die arabische Welt ist auch nicht immer mit uns einverstanden. Die Menschen sind aber sehr viel öfter mit uns einverstanden, als sie sich eigentlich vorstellen können. Es ist aber absurd, sich vorzustellen, dass wir unsere Beziehungen irgendwie davon abhängig machen sollten, dass wir in völliger Übereinstimmung stehen; das wird mit den großen asiatischen Mächten und auch mit den Amerikanern ja nie so gemacht werden können, und das sollten wir, wie die Frau Bundeskanzlerin es gerade auch sagte - Sie haben das auch in Ihrer Rede vor der Knesset gesagt -, ganz bestimmt nicht zwischen zwei so engen Alliierten und so engen Freunden tun. Wir wollen unsere Allianz, unser Bündnis zementieren und fortsetzen.

Frage: Herr Ministerpräsident, in New York haben Sie von Appeasement seitens der Europäer gesprochen, und Sie haben gesagt, dass die Europäer nichts aus der Geschichte gelernt hätten. Die Bundeskanzlerin sagt, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson sei. Glauben Sie wirklich, dass Europa nichts aus der Vergangenheit gelernt hat?

Frau Bundeskanzlerin, Sie sprachen bereits mehrere Male von Israel als einem jüdischen Staat. Deutschland ist in der Tat eines der wenigen Länder auf der Welt, die Israel das Recht zusprechen, sich so zu definieren. Vor diesem Hintergrund würde ich Sie gerne fragen, wie Sie über das Nationalstaatsgesetz denken, das vor kurzer Zeit hier in Israel erlassen wurde. Wie Sie wissen, spricht dieses Gesetz nationale Rechte ausschließlich dem jüdischen Volk zu. Stimmen Sie außerdem mit der Forderung des Ministerpräsidenten überein, dass in jedem zukünftigen Friedensabkommen die Palästinenser Israel als Staat anerkennen müssen?

MP Netanjahu: (wurde aufgrund technischer Probleme nicht gedolmetscht)

BK’in Merkel: Wir dürfen, glaube ich, für uns sagen, dass wir alles daransetzen, aus der Geschichte etwas gelernt zu haben und dass wir dazu auch sehr kontroverse Diskussionen in Deutschland führen. Das schließt aber eben auch nicht aus, dass man in der Beurteilung des Vorgehens manchmal auch unterschiedlicher Meinung ist.

Um es aber noch einmal ganz klar zu machen: Die nukleare Bewaffnung des Irans muss verhindert werden, und Deutschland wird sich daran auch sehr stark beteiligen.

Zu Ihrer Frage nach dem Nationalstaatsgesetz: Darüber haben wir gesprochen. Mir ist wichtig - und das ist der Punkt, in dem ich eben auch etwas Sorge habe -, dass natürlich das Bekenntnis zum jüdischen Staat da ist, dass aber auch die Minderheiten die Rechte haben, die in einer Demokratie notwendig sind. Darüber hat es ja auch eine Reihe von internen Diskussionen hier in Israel gegeben; es ist ja nicht so, dass es das unumstrittenste Gesetzgebungsvorhaben gewesen wäre. Insofern habe ich natürlich auch eine Reihe von Fragen gestellt. Trotzdem bekennen wir uns zu dem jüdischen Staat.

Wenn es Frieden zwischen Israel und den Palästinensern - einen langanhaltenden Frieden - geben soll, dann kann es natürlich nicht sein, dass alle Staaten sagen: Israel soll ein jüdischer Staat sein, natürlich mit den demokratischen Minderheitsrechten für die anderen, die hier leben, dass aber die Palästinenser selber das nicht sagen; das kann ja nicht die Basis für einen Frieden sein. Man muss dann vielmehr Lösungen finden, und wir sind dafür, dass man an diesen Lösungen mit allem Nachdruck arbeitet, so wie wir es hier auch schon zum Ausdruck gebracht haben.

Frage: Herr Ministerpräsident, Sie haben es schon angesprochen: Wir sehen in Deutschland und beobachten auch mit zunehmender Sorge einen zunehmenden Antisemitismus. Wir debattieren darüber, wie wir das eingrenzen können. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben jetzt auch den Antisemitismusbeauftragten, Herrn Klein, mitgebracht. Mich würde interessieren: Wie wird diese Debatte hier in Israel wahrgenommen? Gibt es schon konkrete Vereinbarungen, wie man dagegen vorgehen kann? Wir sehen ja auf der anderen Seite auch, dass man hauptsächlich die Menschen erreicht, die man möglicherweise sowieso erreichen würde. Die Gräben in der Gesellschaft sind so tief, dass es schwierig ist, diejenigen, die vielleicht abgedriftet sind, einzufangen. Was können Sie dazu sagen?

MP Netanjahu: Ist das eine Frage an die Kanzlerin oder an mich? - An beide, gut.

BK’in Merkel: Für uns kann ich nur sagen: Es ist erst einmal unser Problem in Deutschland, sich mit dem Antisemitismus zu beschäftigen. Da können wir uns vielleicht über Erfahrungen austauschen, aber tun müssen wir es in Deutschland selbst. Deshalb haben wir mit Herrn Klein einen Beauftragten sowohl für das Gelingen des jüdischen Lebens in Deutschland als auch für den Kampf gegen Antisemitismus, und ich habe oft gesagt - ich werde es noch einmal sagen -: Wir haben in diesem Jahr am 9. November den 80. Jahrestag der Pogromnacht, und dass nach wie vor jüdische Einrichtungen in Deutschland nicht ohne Polizeischutz sein können, zeigt uns, dass dieser Kampf gegen den Antisemitismus weitergehen muss und auch entschieden geführt werden muss.

Der Vizekanzler, Olaf Scholz, hat beim Mittagessen mit dem Präsidenten noch einmal darauf hingewiesen, dass inzwischen auch eine Vielzahl von Menschen mit Migrationshintergrund dauerhaft in Deutschland leben oder deutsche Staatsbürger sind. Das heißt, wir haben den Kampf gegen den Antisemitismus auf der einen Seite mit denen, die schon sehr lange in Deutschland leben, aber wir haben auch neue Formen des Antisemitismus, und mit denen müssen wir uns natürlich in gleicher Weise befassen. Auch das ist eine Aufgabe, die wir sehr ernst nehmen.

Also wie gesagt: Man kann sich über Erfahrungen austauschen, aber die Arbeit muss von der Bundesregierung selbst geleistet werden - inklusive der Zivilgesellschaft in Deutschland natürlich, aber die Bundesregierung muss hier vollkommen klar in ihrer Haltung sein, und das ist sie auch.

MP Netanjahu: Ich glaube, man muss schon analysieren, wo dieser neue Antisemitismus herkommt. Einiges davon kommt ja aus alten Quellen, aus den traditionellen Foren beziehungsweise von den traditionellen Vertretern des Antisemitismus, aber es gibt schon sozusagen eine Fusion des alten Antisemitismus mit dem neuen, der von radikalen Muslimen kommt, die in Europa leben. In gewisser Weise fusionieren diese verschiedenen Stränge. Ich muss sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass die Bundeskanzlerin immer und immer wieder und völlig klar ihre Haltung hier bezogen hat, und ich denke, auch die Tatsache, dass Felix Klein jetzt die Position des Antisemitismusbeauftragten bekommen hat, zeigt deutlich, wie die Haltung ist.

Antisemitismus hat im Laufe der Jahrhunderte immer zunächst einmal durch üble Nachrede begonnen. Man hat zum Beispiel gesagt “Die Juden sind an allem schuld, die trinken das Blut der christlichen Kinder, die vergiften die Brunnen”, und leider Gottes hat sich das verbreitet. Nicht nur hat die Masse der Menschen das geglaubt, sondern auch die Intellektuellen haben es dann geglaubt – Voltaire, Dostojewski, diese Großen ihres Volkes haben diese Lügen, diesen Unsinn geglaubt. Es war immer so, dass den schlimmsten Verbrechen gegen die Juden diese Form der Verleumdung voranging. Jetzt ist es eben so, dass Verleumdungen, die in der Vergangenheit gegenüber den Juden vorgebracht wurden, nunmehr gegenüber dem jüdischen Staat vorgebracht werden. Man wirft in gewisser Weise ja auch dem Staat Israel vor, Brunnen zu vergiften und schlimmste Verbrechen gegenüber palästinensischen Kindern zu begehen – ganz wilde Anschuldigungen, die leider Gottes von vielen, von der Masse der Menschen durchaus auch geglaubt werden, aber häufig eben auch von denen, die es eigentlich besser wissen müssten. Kampf gegen den Antisemitismus bedeutet heute eben nicht nur, Angriffe gegen einzelne Juden zu bekämpfen, sondern auch, Angriffe gegen den jüdischen Staat und Verleumdungen, die gegen den jüdischen Staat geschleudert werden, zu bekämpfen. Wir stellen im Außenministerium ja Untersuchungen an, wir machen Meinungsumfragen, wir stellen zum Beispiel fest, wie die Reaktionen gegenüber dem Staat Israel sind. Wir sehen aber auch Veränderungen - nicht nur Veränderungen in unseren informellen Beziehungen mit den arabischen Staaten, sondern wir sehen auch deutlich Veränderungen in der öffentlichen Meinung, wie man gegenüber den Juden denkt, wie man gegenüber dem Staat Israel denkt. Das ändert sich sehr deutlich, und wir müssen auf jeden Fall vermeiden, dass Juden und dem Staate Israel weitere Verleumdungen entgegengeschleudert werden; denn schließlich ist Israel hier in der Region der einzige Staat, der individuelle Rechte und Rechte von Minderheiten garantiert.

Wir kennen die Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen. Ich muss sagen, dass ich sehr dankbar bin für das, was Angela Merkel hier tut. Die deutsche Bundesregierung ist eine erfolgreiche Regierung, es ist eine sehr noble Geste, die sie zeigt, und es ist auch eine erfolgreiche Politik.

Herzlichen Dank!