Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem irischen Premierminister Kenny

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

PM Kenny: Ich möchte Bundeskanzlerin Merkel ganz förmlich hier willkommen heißen. Es ist das erste Mal, dass die Bundeskanzlerin zu einem solchen Anlass, für ein solches Meeting hier ist. Es ist aber nicht das erste Mal, dass ich mich mit ihr getroffen habe; wir hatten uns diese Woche aufgrund der Diskussionen über die Ukraine schon in Brüssel gesehen - das war natürlich ein andersartiges Treffen als das heute. Sie haben natürlich auch gesehen, was das Resultat dieses Meetings in Brüssel war und haben das Statement des Europäischen Rats gehört.

Der Staatsminister für europäische Angelegenheiten, Herr Donohoe, hat hier mit uns ein Gespräch über Irlands Fortschritte in der Wirtschaft geführt. Nächste Woche werde ich auch Gespräche mit David Cameron führen. Außerdem werde ich in die USA fahren, und auch dort werden wir das Treffen des Europäischen Rats zur Lage in der Ukraine sowie die dortigen Geschehnisse besprechen.

Es wurde auch über das Meeting des Europäischen Rats, das bevorsteht, und über die Themen, die dort besprochen werden, gesprochen. Wir haben auch das Mandat, das in Bezug auf die Handelsgespräche zwischen den USA und Europa an die Europäische Union ging, besprochen. Ich werde diese Themen natürlich mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten besprechen, wenn ich die Möglichkeit habe, sie zu sehen.

Was wichtig ist, ist, dass auch die Führungspersonen beim EPP-Kongress zusammen mit Frau Merkel verstanden haben, dass wir große Herausforderungen hier in Europa haben. Wir haben über einige Jahre hinweg Fortschritte gemacht, es ist aber noch ein langer Weg vor uns. Es ist ganz klar, dass das Geschäft auf europäischer Ebene komplex ist.

Wir haben heute mit Blick auf den nächsten Europäischen Rat über die Themen Klimawandel und Energie gesprochen. Wir haben auch die Europawahlen und die Präsidentschaft der Kommission besprochen. Jean-Claude Juncker, der vorherige Premierminister von Luxemburg, wurde vom EPP als Kandidat nominiert und wird nach den Europawahlen im Mai dieses Jahres dann auch kandidieren.

BK’in Merkel: Herr Premierminister, lieber Enda, ich möchte mich herzlich für den freundschaftlichen Empfang bedanken. Deutschland und Irland sind Länder, die sich immer partnerschaftlich verbunden sind.

Wir haben in vielen Diskussionen in den letzten Jahren natürlich immer wieder auch über den Weg Irlands gesprochen, den man nach der Bankenkrise gehen musste, und ich möchte hier heute die Gelegenheit dieses bilateralen Besuchs nutzen, um meinen Respekt und meine Anerkennung für das, was hier geleistet wurde, zu sagen. Ich glaube, das ist vor allen Dingen auch den Menschen in Irland zu verdanken, die bereit waren, diesen schwierigen Weg zu gehen.

Man sieht, so denke ich, auch die ersten Zeichen von Erfolg. Dass Irland das Troika-Programm verlassen konnte, ist natürlich eine große Erfolgsgeschichte, und wenn wir uns die Zinssätze für Staatsanleihen anschauen, dann sehen wir, dass dies ein wirklicher Erfolg ist. Das muss sich nun natürlich auch noch in der Wirtschaft und in der Kreditvergabe widerspiegeln. Diesbezüglich sind wir in Gesprächen darüber, wie Deutschland Irland durchaus immer wieder beiseite stehen kann.

Wir wollen insgesamt eng zusammenarbeiten, ob das in den europäischen oder in den bilateralen Fragen ist. Insofern haben wir heute die Fragen des gestrigen Rates und auch des nächsten Rates besprochen.

Die Lage in der Ukraine ist etwas, was uns alle sehr bewegt. Wir haben gestern, glaube ich, gute Gespräche geführt, aber wir haben in den nächsten Tagen durchaus auch noch einiges zu leisten. Das haben wir heute auch mit Blick auf die Amerikareise des Premierministers noch einmal beraten.

Wir haben bald einen normalen Europäischen Rat, auf dem es um Klimaschutz gehen wird. Auch hier haben wir uns gegenseitig die Bestätigung gegeben, dass wir beim Klimaschutz natürlich etwas machen wollen. Jedes Land hat aber auch seine spezifischen Gegebenheiten. Seit der irischen Präsidentschaft kann man, glaube ich, sagen, dass wir es immer geschafft haben, die Dinge gut zu lösen. Deshalb will ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken.

Außerdem haben wir - das war heute auch auf dem Kongress schon Thema - über die Fragen, die jetzt im Zusammenhang mit der Europawahl aufkommen, gesprochen. Hier ist vor allen Dingen wichtig - und das darf ich, glaube ich, für die Bundesregierung genauso wie für die irische Regierung sagen -: Wir wollen ein starkes, ein wettbewerbsfähiges, ein gemeinschaftliches Europa. Gerade in diesen Stunden, in denen wir sehen, wie schwierig es für andere Länder - wie die Ukraine - ist, für Demokratie zu kämpfen, können wir doch miteinander stolz sein, dass wir als 28 Mitgliedstaaten diese Demokratie haben. Das eint uns und das gibt uns auch die Kraft, schwierige Hürden zu überwinden.

Frage: Nach Ihren Bemerkungen zu der erfolgreichen Situation in Bezug auf das Rettungspaket Irlands: Denken Sie, dass es eine rückwirkende Rekapitalisierung geben wird, sprich, einen Deal in Bezug auf unsere historischen Altlasten?

BK’in Merkel: Für mich steht, wie ich es eben schon gesagt habe, im Vordergrund, dass das irische Programm erst einmal als beendet angesehen werden kann, und es ist eine riesige Erfolgsgeschichte, dass man aus dem Bailout-Programm heraus ist.

Wir haben alle unsere Lehren aus der Krise gezogen, und dazu gehört auch die sehr intensive Zusammenarbeit im Finanzsektor, sprich, im Zusammenhang mit der Bankenunion. Diesbezüglich laufen die Gespräche über die ganzen Details. Wir werden eine gemeinsame Überwachung haben, wir werden einen Abwicklungsmechanismus schaffen - da gibt es noch viel Gesprächsbedarf in Brüssel - und wir werden dann auch die notwendigen Regeln für die Rekapitalisierung schaffen. Das alles ist im Augenblick Gegenstand von Beratungen. Ich sehe diesen Beratungen mit positivem Blick entgegen. Wir haben da schon viel erreicht, aber wir sind noch nicht am Ende der Strecke.

Frage: Eine Frage an die Bundeskanzlerin, aber auch an den Premierminister, zum Thema Ukraine: Es hat heute die Forderung gegeben, dass es - anders, als gestern beschlossen - doch sehr schnelle, harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland geben soll. Sind Sie bereit, das mitzutragen, auch wenn das gerade den Wirtschaftsaufschwung in der Eurozone und in Europa gefährden könnte?

Noch eine Frage an Sie beide: Sie kommen gerade von der EPP, wo der Ukraine ja mehr oder weniger offen gesagt wurde, sie könne die EU-Mitgliedschaft beantragen. Ist das eigentlich ein Kurs, den Sie beide als Regierungschefs auch mittragen?

BK’in Merkel: Zur Ukraine - der Text wurde ja deutlich gelesen - habe ich auf die Vertragslage hingewiesen. Sie wissen, dass diese Vertragslage auch verschiedene Implikationen hat. Das steht, glaube ich, im Augenblick aber nicht zur Debatte. Im Augenblick steht vielmehr zur Debatte, dass wir der Ukraine zur Seite stehen.

Wir haben gestern eine ganz klare Beschlusslage gehabt. Wir haben gesagt, welche Sanktionen gestern in Kraft gesetzt wurden, und wir haben gesagt: Wir erwarten innerhalb weniger Tage die Bildung eines diplomatischen Gremiums - sei es eine Koordinationsgruppe, eine Kontaktgruppe oder was auch immer, jedenfalls Gesprächskanäle zwischen Russland und der Ukraine unter Beteiligung internationaler Gremien - und dann auch sehr schnell Ergebnisse. Wenn das nicht der Fall ist, wird man weitere Sanktionen ins Auge fassen müssen. Wir haben uns bei diesem Beschluss nicht mit den Rückwirkungen auf uns befasst, sondern wir haben uns damit befasst, was die Gegebenheiten sein müssen. Gegenüber diesem Sachstand von gestern ist heute kein neuer Sachstand entstanden. Wir haben dann gesagt: Wenn es weitere Angriffe auf die Ukraine und ihre territoriale Integrität gibt, dann werden wir mit einem breiten Bündel von Maßnahmen antworten. Das ist also alles sehr klar, und seit gestern sehe ich keinerlei Änderung.

PM Kenny: Die Aussage gestern war sehr klar: Es wurde vom Rat dargelegt, was mittelfristig und langfristig gemacht wird, was für Visa-Bedingungen es geben könnte und auch, was in Sachen G8-Gipfel geschieht. Natürlich ist es ganz klar so, dass eine klare Botschaft an Herrn Putin geschickt werden muss, dass der Rat die Aktivitäten Russlands als Verstoß gegen die Integrität der Ukraine sieht. Wenn die Situation sich verschlechtert, dann würde man seitens des Europäischen Rats bedenken, dass man wirtschaftliche Sanktionen einführt, und zwar weitreichend. Es ist ganz klar, dass wir uns damit auseinandersetzen werden. Wir hoffen, dass die Kontakte und Verhandlungen regelmäßig stattfinden werden. Es ist ganz klar, dass das man das nicht vor sich her schieben kann und dass das dringend ist.

Der Europäische Rat hat auch mit allen 28 Staats- und Regierungschefs eine ganz klare Botschaft an die russische Regierung, aber auch an die ukrainische Führung und an das ukrainische Volk ausgesendet. Diese Botschaft war sehr klar. Wenn die Situation schlimmer wird, dann werden wir diese Situation erneut behandeln.

Frage: Die Unternehmenssteuern in Irland sind wieder in den Nachrichten. Apple hat über fünf Jahre nur 36 Millionen Euro Unternehmenssteuer gezahlt, obwohl es Milliarden Euro an Gewinn gemacht hat. Ich würde gerne die Meinungen von Ihnen beiden hierzu hören.

PM Kenny: Wir haben das schon in der Vergangenheit besprochen und wir werden das auch weiter diskutieren. In Bezug auf die Unternehmenssteuer ist es so, dass das gesetzlich festgelegt ist. Wir haben 15 verschiedene Sektoren, wir halten uns an OECD-Regeln und wir haben diesbezüglich eine ganz klare Linie. Der Finanzminister hat das auch im letzten Haushalt ganz klar analysiert, und wir haben gesagt, dass wir Steuern nur dort erheben können, wo es möglich ist. Das ist nicht ein Thema, das sich nur auf ein Land beschränkt. Es ist eine Tatsache des Lebens, dass man da wirklich sehr weit vorausliegt und dass man international darauf reagieren muss. Wir sind da sehr direkt, wir kooperieren mit allen Mitspielern in diesem Markt. Es bedarf eines Systems, das klar und transparent ist und das standhält. Es muss wirklich international darauf reagiert werden, und wir werden da auch mit tätig werden.

BK’in Merkel: Genau, von meiner Seite aus kann ich das nur unterstreichen. Wir haben die OECD gebeten, uns dafür klare Maßstäbe zu entwickeln; auch die G20 hat sich damit beschäftigt. Der Premierminister hat auch auf die OECD verwiesen. Diesbezüglich wird sich in den nächsten Jahren einiges ändern; vor allen Dingen werden gleiche Bedingungen entstehen. Insofern sind wir hier, glaube ich, auf einem guten Weg.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, noch eine Frage in Sachen Europawahl: Es galt ja mal der Satz, es gebe auch im Falle eines Wahlsieges keinen Automatismus im Hinblick auf das Amt des Spitzenkandidaten und den Job des Kommissionspräsidenten. Gilt dieser Satz auch noch heute? Herr Premierminister, was ist Ihre Meinung dazu?

BK’in Merkel: Erst einmal freue ich mich, dass wir heute einen Spitzenkandidaten gewählt haben. Mit Jean-Claude Juncker haben wir einen sehr starken, einen sehr erfahrenen Spitzenkandidaten, und er ist als Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten gewählt. So haben wir das heute auch verstanden.

Gleichzeitig gilt natürlich auch die Rechtslage: Die Rechtslage in den europäischen Verträgen ist, dass der Rat einen Vorschlag im Lichte des Ergebnisses der Europawahl macht und dass das Parlament dann darüber entscheidet. Das heißt, Rat und Parlament müssen sehr eng zusammenarbeiten, denn der zukünftige Kommissionspräsident braucht die absolute Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments und er braucht gleichzeitig die Empfehlung des Europäischen Rates.

All das muss man zusammenbringen. Sie sind ja heute dabei gewesen, als wir einen Spitzenkandidaten gestellt haben. Das ist jetzt also unser Spitzenkandidat, mit dem wir in den Rat gehen. Andere Staats- und Regierungschefs werden mit anderen Vorstellungen in den Rat gehen; das ist ja klar, da jede Partei ihren Spitzenkandidaten hat. Wir haben sozialistische Regierungschefs, wir haben EVP-Regierungschefs, wir haben Regierungschefs, die keiner Partei zuzuordnen sind, wir haben vier liberale Regierungschefs. Wir müssen daher im Rat schauen, wie wir das zu einer Empfehlung umarbeiten, und dann muss das Parlament auch noch zustimmen. Das werden also interessante und spannende Verhandlungen. Aber heute haben wir erst einmal unseren Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten nominiert, und ich freue mich über die Nominierung.

PM Kenny: Ich stimme zu. Es gab drei Kandidaten für die Präsidentschaft. Einer dieser Kandidaten hat sich, wie Sie wissen, in den letzten paar Tagen zurückgezogen, insofern war es eine Wahl zwischen Herrn Barnier und Herrn Juncker. Jean-Claude Juncker ist jetzt der Kandidat beziehungsweise wird der Kandidat sein. Wir wissen natürlich nicht, was bei der Wahl herauskommt. Wir haben gesehen, dass die Wahlkampagne heftig war. (Weiterer Satz fehlt aufgrund von Übersetzungsproblemen)

Die Botschaft an Irland und die Botschaft an den Rest Europas ist, dass diese Ziele wirklich erreicht werden können. Jean-Claude Juncker wird sagen, was er in der Kommission in der Rolle, für die er als Kandidat nominiert worden ist, tun möchte. Wir hoffen natürlich, dass die Mehrheit der EPP-Mitglieder gewählt werden wird. Jean-Claude Juncker wird dann als Kandidat für uns ein gutes Beispiel sein.