Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Haseloff und Bürgermeister Sieling

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben heute eine Beratungssitzung, kann man sagen, zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2016 gehabt. Die Entscheidungssitzung haben wir auf den 31. Mai dieses Jahres festgelegt - mit der Folge, dass im Übrigen die für den 31. Mai geplante Diskussion und hoffentlich dann auch zu treffende Entscheidung über finanzielle Fragen im Zusammenhang mit der Integration dann auf unsere reguläre Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundesregierung am 16. Juni verschoben wurde. Warum? Weil die Verabschiedung einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes drängt. Wir müssen sie bei der Europäischen Kommission notifizieren, und wir werden kein gültiges EEG haben, wenn wir nicht bis zum 1. Januar 2017 ein neues Erneuerbare-Energien-Gesetz im Gesetzblatt stehen haben.

Was ist das große Thema? Das große Thema ist: Wir steigen auf Ausschreibungen um und werden damit sicherlich mehr Klarheit und Berechenbarkeit in den Korridor zur Erreichung der Energiewende bekommen. Wir haben einen Korridor festgelegt: Für das Jahr 2025 wollen wir einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 40 Prozent bis 45 Prozent haben. Innerhalb dieses Korridors müssen wir jetzt sozusagen die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, um per Ausschreibung die einzelnen Sektoren, in denen man erneuerbare Energien erzeugen kann, auch vernünftig zu benennen und zu quantifizieren.

Wir wollen, dass sozusagen alle in Deutschland ihren Beitrag zur Energiewende leisten sollen, aber es auch können. Da Deutschland regional unterschiedlich aufgebaut ist, sind die Betroffenheiten der einzelnen Bundesländer natürlich auch unterschiedlich. Nicht zu vergessen dabei ist, dass auch die Bundestagsfraktionen, die die Koalition tragen, natürlich zustimmen müssen. Das heißt, wir sind auch im ständigen Gespräch und Austausch mit den Bundestagsfraktionen.

Wir werden ein Höchstmaß an Verlässlichkeit haben, wenn ich zum Beispiel einmal an die Ausbaugröße hinsichtlich der Off-Shore-Windenergie denke. Dafür haben wir einen Korridor bereits bis 2030 festgelegt. Wir haben gesehen, dass sich die EEG-Novelle 2014 so ausgewirkt hat, dass wir den Korridor im Augenblick auch durchaus überschreiten. Das heißt, wir müssen überlegen, wie wir in diesen Korridor zurückkommen. Wir haben grundlastfähige erneuerbare Energien wie zum Beispiel die Biomasse, die gegenüber On-Shore-Wind und auch Photovoltaik wiederum ihren eigenen Charakter haben.

Ich will hier heute nicht in die einzelnen Details gehen. Ich will nur sagen: Wir haben es, glaube ich, sehr gut geschafft, die Stellgrößen zu benennen und auch über sie zu diskutieren, an denen wir arbeiten müssen, um all diese Komponenten richtig zu erfüllen. Wir haben uns jetzt auch ein sehr strammes Arbeitsprogramm mit den Chefs der Staatskanzleien, mit dem Bund und mit den Bundestagsfraktionen vorgenommen, um dann am 31. Mai möglichst gut vorbereitet zu sein und den Bürgerinnen und Bürgern zwei Dinge sagen zu können: Die Energiewende geht weiter. Wir stehen zu dem, was wir ausgemacht haben. Gleichzeitig denken wir auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher, also an den Strompreis, der nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger von Wichtigkeit ist, sondern auch für den Industriestandort Deutschland.

Das alles hört sich sehr logisch an, ist gar nicht so ganz einfach zusammenzubringen, aber wir arbeiten mit Intensität und, wie ich finde, in einem kooperativen Geist daran.

BGM Sieling: Wir haben sehr gemeinsam, glaube ich, festgehalten, dass wir eine Fortsetzung der Energiewende mit der Stärkung und der Beibehaltung des Pfads für die erneuerbaren Energien wollen. Dazu ist es notwendig, in der Tat eine zügige Einigung zu erreichen, weil wir ansonsten im europäischen Kontext natürlich ab 2017 einen Bruch hätten. Der soll vermieden werden.

Ich will hier auch gerne sehr betonen, dass uns sehr gemeinsam auch in allen Ländern eint, dass wir eine Kostenbegrenzung auf der einen Seite wollen und auch brauchen. Steigende Energiepreise sind den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu erklären, und dafür stehen wir. Auf der anderen Seite brauchen wir eben auch Planungssicherheit und Ausbausicherheit, die wir zur Absicherung von Investitionen und Vorhaben benötigen. In diesem Spannungsbogen bewegt sich all das, und dann diskutiert man eben und muss sich über die einzelnen Sektoren verständigen: Wie viel Biomasse machen wir? Wie viel geht an Off-Shore-Wind? Wie viel geht im Bereich „Wind an Land“? Was passiert weiter im Solarbereich? – Das und all die weiteren Themen sind die Punkte, hinsichtlich der jetzt in den nächsten 14 Tagen die genaue Aussteuerung erfolgen muss und wird, sodass wir - das glaube ich nach dem heutigen Diskussionsstand und auch nach diesem Beratungsdurchgang - dann am 31. zu einem Ergebnis kommen werden und am 16. Juni auf der Jahreskonferenz dann die ganzen finanziellen und finanzpolitischen Fragestellungen (klären werden, wie wir es) uns vorgenommen haben.

MP Haseloff: Die EEG-Novelle hat eine sehr, sehr große Bedeutung für die nächsten 20, 30 Jahre, was sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch die generelle Entwicklung auf dem Energiemarkt anbelangt. Es haben sich - das haben die letzten Jahre gezeigt - bestimmte Komponenten voneinander entkoppelt. Wir erzeugen wesentlich mehr Strom, als wir derzeit transportieren und verbrauchen können. Das geht zulasten der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen, und das muss durch Steuerungsmechanismen zusammengeführt werden, die jetzt neu formuliert werden. Deswegen haben wir bis zum 31. Mai voll zu tun, um das so hinzubekommen, dass wir die Flaschenhälse, die sich aufgezeigt haben, auflösen.

Die länderoffene Arbeitsgruppe beginnt mit den CdS - aber auch unter Einbeziehung der Ministerpräsidenten - und wird konsequent auch die regionalen Unterschiede mit einbuchen, wenn es darum geht, einen großen Konsens nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern auch zwischen den Bundestagsfraktionen, der Bundesregierung und den Ländern herbeizuführen.

Es ist also eine große Aufgabe. Das führt dazu, dass wir die ursprüngliche Terminplanung, die wir für den 31. Mai angesetzt haben, etwas aufweiten mussten. Das heißt, dass alle finanziellen Fragen - sie betreffen nicht nur die Flüchtlingskosten, sondern auch die Grundsatzentscheidungen darüber, wie es mit dem Bund-Länder-Finanzausgleich, dem Länderfinanzausgleich, den Regionalisierungsmitteln usw. weitergeht - bis zum 16. Juni soweit abschließend entschieden sind, dass wir unsere Länderhaushalte aufstellen können, dass auch der Bund seine haushaltlichen Vorkehrungen treffen kann und damit eine Sicherheit für die nächsten Jahre so weit eintritt, dass eine mittelfristige Finanzplanung möglich ist.

Dazu brauchen wir jetzt einen Freischlag. Das wird nicht parallel gehen. Deswegen: nacheinander. Aber bis zum 16. Juni müssen wir auf jeden Fall Klarheit haben, sonst kommen wir in den Ländern nicht weiter, und sonst wird auch die Integrationsaufgabe, die steht, für uns nicht lösbar sein.

Frage: Eine Frage an alle drei: Worüber haben Sie sich am meisten gestritten, oder welcher Punkt erschien Ihnen heute als der schwierigste?

BK’in Merkel: Der schwierigste Punkt ist, mehr Wettbewerb, eine effektive Steuerung, Synchronisation mit dem Netzausbau und die Begrenzung der Kosten zusammenzubringen.

MP Haseloff: Aus meiner Sicht - ich betone es noch einmal - wird Energie erzeugt, und zwar, was das Volumen anbelangt, schneller als ursprünglich geplant. Ein Großteil dieser Energie wird nicht so verbraucht, wie wir es wollen, sondern wird vernichtet. Das können wir nicht hinnehmen; das muss der Bürger bezahlen. Deswegen müssen diese Entkopplung der einzelnen Komponenten schlicht und einfach sofort revidiert und die Komponenten zusammengefügt werden.

Das ist aber klar: Wenn solch ein Staatsinterventionismus wie das EEG einmal in Gang gesetzt wurde, dann muss der Staat natürlich ständig deutlich dranbleiben, evaluieren und nachführen.

BGM Sieling: Ich will es vielleicht an zwei Punkten konkret machen:

Das eine Thema, über das wir intensiv geredet haben, ist die Notwendigkeit des Netzausbaus und auch die Frage, welche Maßnahmen man eigentlich ergreifen kann und welche Schritte unternommen werden müssen, um dies voranzutreiben. Das ist der „bottleneck“ Nummer eins.

Das andere Thema ist, dass die Windenergie an Land - das ist aber bekannt - der Bereich ist, der sich am dynamischsten entwickelt hat. Da geht es jetzt um die Frage, in welchem Volumen es in die Ausschreibungsspannbreiten gebracht werden kann und soll.

BK’in Merkel: Und es geht eben auch um die Frage, wie sich die regionale Verteilung des Zubaus von On-Shore-Windenergie zu der Preisrelation und zu den verfügbaren Netzen verhält. Das ist eigentlich der Punkt.

Weil gerade von „Interventionismus“ die Rede war: Unser Ziel mit dieser Novelle ist es, die Marktfähigkeit der erneuerbaren Energien zu verbessern. Mit der Novelle 2014 hatten wir schon erste Schritte gemacht. Jetzt muss bei dem großen Anteil, wenn man aus der Nische der Stromerzeugung herauskommt - wir sind da ja längst heraus, wir sind bei einem Drittel; das ist inzwischen die größte Säule der deutschen Energieversorgung -, die Annäherung an die Marktfähigkeit gegeben sein. Das ist bei einigen Energiekomponenten schon recht gut erreicht. Aber daran muss weitergearbeitet werden.

Frage: Gab es vielleicht in einem Punkt Konsens, zum Beispiel darüber, dass die Förderung beim Thema der Windenergie an Land in den nächsten Jahren noch einmal gekürzt wird - zunächst egal, um wie viel? Ist man sich einig, dass man an dem Punkt Kosten sparen kann?

BK’in Merkel: Ich denke, aus der Diskussion, die wir miteinander bei der EEG-Novelle 2014 hatten, wissen wir, dass zum Schluss alle Parameter miteinander zusammenhängen. Deshalb haben wir klugerweise heute nicht einen einzigen Parameter schon einmal festgesetzt, um dann zu sagen: Alle anderen können folgen. - Sondern wir haben die Dinge eingegrenzt und Kompromissmöglichkeiten ausgelotet. Darauf aufbauend kann jetzt ein intensiver Arbeitsprozess zunächst wieder der Chefs der Staatskanzleien beginnen. Damit können wir auch wieder in die Bundestagsfraktionen gehen und diskutieren. Das ist klüger, als heute ein oder zwei Dinge festzuzurren und sich damit den Gesamtkompromiss zu verengen.

Aber dass es heute keine spezifische Einigung gibt, ist kein Indiz dafür, dass wir es zum Schluss nicht schaffen. Denn wir spüren die Notwendigkeit, dass wir es schaffen müssen. Ansonsten ist sehr viel in Deutschland in Gefahr.

MP Haseloff: On-Shore-Wind ist sicherlich der größte Anteil, der auch im Rahmen des EEG an dieser Stelle kostenmäßig wirken würde. Auf der anderen Seite ist Off-Shore-Wind derzeit die teuerste Möglichkeit, Strom zu erzeugen.

Für uns steht der Netzausbau auch politisch ganz weit vorn. Wenn wir diesen teuren Strom, den wir grundlastmäßig brauchen, erzeugen, dann muss es auch gelingen, ihn an den Verbraucher zu bringen. Daran mangelt es derzeit. Deswegen haben wir uns auch als Länder - es gibt dabei ja auch eine gewisse Länderkompetenz - darüber unterhalten, dass wir den Netzausbau unbedingt beschleunigen müssen. Ansonsten geht es zulasten der Bürgerinnen und Bürger.

BGM Sieling: Das brauchen wir allein schon deshalb, weil die Energiewende nur funktionieren wird, wenn wir erneuerbaren Strom grundlastfähig machen, also mit geringen Schwankungen ausstatten. Das ist natürlich am ehesten - das ist in der Tat teuer- bei dem Wind auf dem Meer möglich. Daher ist das ein Element, mit dem wir auch im Bereich der Industrialisierung und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit - das ist ja auch ein Exportgut - etwas machen wollen.

Sie sehen daran also: Es gibt unterschiedliche Aspekte und Elemente, die zueinander, und auch unterschiedliche Ziele, die in Übereinstimmung gebracht werden müssen - vom Wirtschaftsstandort bis hin zur möglichst preisgünstigen und kostengünstigen Energieerzeugung.

BK’in Merkel: Danke schön! Wir sehen uns am 31. Mai wieder - oder morgens am 1. Juni.