Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bundesminister Scholz, DGB-Bundesvorsitzenden Hoffmann und DIHK-Präsident Schweitzer beim 10. "Zukunftsgespräch" mit Sozialpartnern

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bundesminister Scholz, DGB-Bundesvorsitzenden Hoffmann und DIHK-Präsident Schweitzer beim 10. "Zukunftsgespräch" mit Sozialpartnern

in Meseberg

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 17. Juni 2019

BK’in Merkel: Guten Abend, meine Damen und Herren! Ich möchte aus aktuellem Anlass etwas zu dem Mord an dem Regierungspräsidenten Herrn Lübcke sagen.

Es sind bedrückende Nachrichten, die wir hören. Natürlich muss jetzt allen Verdachtsmomenten intensiv nachgegangen werden. Deshalb ist es auch sehr wichtig und richtig, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen hat, dass alle Hintergründe aufgeklärt werden, und zwar schnellstmöglich. Ich denke, heute ist ein Tag, a    n dem wir alle in Gedanken bei der Familie und den Freunden von Walter Lübcke sind. Ich hoffe, dass wir bald umfassende Klarheit haben und dann auch die abschließenden Bewertungen vornehmen können. Die Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen.

Jetzt zu dem, was uns heute zusammenführt. Wir haben erst, wie schon gesagt, über das Thema der künstlichen Intelligenz in seiner Wirkung auf die Innovationen in unserem Industrieland, in unserer Gesellschaft und gleichermaßen über die Auswirkungen auf die Arbeitswelt gesprochen. Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass es sich um gewaltige Veränderungen unserer Lebens- und Arbeitswelt handelt und dass diese Veränderungen dem Menschen zu dienen haben und nicht etwa nur die Technik als solche betrachtet werden kann.

Deshalb haben heute das Thema der Datenhoheit und das Thema der Ethik der Veränderungen auch eine große Rolle gespielt. Hierbei kommt auch der Politik eine Leitfunktion zu. Wir sind noch einmal aufgefordert worden, auf europäischer Ebene gerade auch ethische Maßstäbe für die Anwendung der künstlichen Intelligenz voranzutreiben. Bei der Kommission in Brüssel gibt es bereits Arbeitsgruppen dafür. Aber das Ganze muss natürlich ähnlich wie die Datenschutzgrundverordnung in einem nächsten Schritt auch in ein Regelwerk gegossen werden.

Ich denke, dass wir als Bundesregierung richtig damit liegen, dass wir auch eine Datenethikkommission eingesetzt haben, die eher noch in diesem Jahr ihre Ergebnisse vortragen wird. Wir müssen zum einen die Dinge, die durch die künstliche Intelligenz den Menschen entlasten, die Möglichkeiten eröffnen, die es bisher nicht gab, zum Beispiel im Gesundheitsbereich, aber natürlich auch im industriellen Bereich, nutzen und zum anderen die Menschen auf diese Veränderungen vorbereiten.

Deshalb war es sehr interessant, aus dem Betrieb Bosch sowohl über die Vorgehensweise der Unternehmensführung als aber eben auch über die Arbeit der Betriebsräte zu hören. Hier zeigt sich, dass das, was jetzt zählt, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Tarifpartnern ist und dass jetzt eine Zeit ist, in der Tarifpartnerschaft oder Sozialpartnerschaft im umfassenden Sinne auch sehr wichtig und sehr gut ist.

Hierbei kann die Politik zuarbeiten. Sie muss Leitplanken setzen, wie wir das zum Beispiel durch unsere nationale Weiterbildungsstrategie jetzt zusammen mit den Sozialpartnern getan haben. Das Gespräch darüber wird natürlich auch weitergehen.

Wir müssen insgesamt neugierig auf die neuen Möglichkeiten und veränderungsbereit sein, aber eben immer auch deutlich machen, dass es eine Veränderung im Sinne der sozialen Marktwirtschaft ist. Das heißt, dass die Menschen mitgenommen werden.

Deshalb waren das heute sehr einleuchtende Erkenntnisse. Wir sind in einigen Bereichen spitze; wir können durchaus stolz auf uns sein. Aber in anderen Bereichen haben wir auch Nachholbedarf. Auch das ist heute zur Sprache gekommen.

BM Scholz: Wenn wir unseren Wohlstand verteidigen wollen, wenn wir unseren Wohlstand für die Zukunft sichern wollen, dann müssen wir die fortschrittlichsten Technologien in unserem Land entwickeln und einsetzen. Die künstliche Intelligenz gehört zu dem, was für den Fortschritt in der Zukunft wichtig ist. Deshalb müssen wir jetzt alles dafür tun, dass das in Deutschland eine Rolle spielen kann, indem wir durch den Ausbau der Infrastruktur etwa mit Breitband und all den Dingen, die damit zusammenhängen, die Rahmenbedingungen schaffen, aber auch indem wir unsere Bildungseinrichtungen, unsere Berufsbildung und Hochschulen darauf ausrichten, dass die Männer und Frauen, die dort zum Beispiel studieren, diese Techniken beherrschen und diese Technologien und diese Möglichkeiten einsetzen können.

Gleichzeitig geht es darum, sicherzustellen, dass wir nicht abhängig von der Technik werden, dass wir als Menschen, als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, bestimmen, wo es langgeht. Das hat etwas mit dem Arbeitsplatz, mit der Möglichkeit von Mitbestimmung und Einflussnahme durch die Beschäftigten zu tun. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass wir uns selbst die Grundlagen immer wieder anschauen und sicherstellen, dass wir nicht das Opfer von Vorurteilen werden, die sich in Maschinen eingebaut haben. Diese Aufgabe gut zu verstehen und zu besprechen, das hat der Sozialpartnerdialog hier gebracht, und das finde ich sehr wichtig.

Ich will wie auch die Bundeskanzlerin gern noch ergänzen, dass wir ganz genau hinschauen müssen, was die Ermittlungen des Generalbundesanwalts ergeben. Dass er die Ermittlungen übernommen hat ist ein Zeichen. Für uns als Demokraten ist es ganz, ganz wichtig, dass wir sehr genau hinschauen und dass wir auch zusammenstehen, falls das Ergebnis der Ermittlungen ist, dass wir das tun müssen.

Hoffmann: Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu dem Aspekt der Auswirkungen auf die Arbeitswelt wenige Anmerkungen machen. Wir waren uns in der Tat einig darüber, dass sich mit den technologischen Veränderungen, mit dem Einsatz von KI die Arbeitswelt in den nächsten Jahren rasant verändern wird. Große Einigkeit besteht darüber, dass wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen müssen, dass wir Ziele für den Einsatz von künstlicher Intelligenz definieren. Wir waren uns darüber im Klaren, dass sich die Arbeitswelt nicht nur verändert, sondern dass Berufe wegfallen werden, dass aber auch neue Berufsfelder entstehen werden und dass vor allen Dingen die Menschen auf diesem Weg der Veränderung mitgenommen werden, dass Menschen Sicherheit brauchen. Deshalb waren wir als Gewerkschaften natürlich auch immer sorgfältig dabei zu sagen: Wir haben Chancen, wir haben Risiken. Wie können wir diese Risiken minimieren?

Frau Bundeskanzlerin hat auf einen zentralen Aspekt hingewiesen, dass wir nämlich in Deutschland eine nach wie vor funktionierende Tarifpartnerschaft haben. Das ist eine gute Voraussetzung dafür, Veränderungen in der Arbeitswelt zu gestalten. Ich sage an dieser Stelle aber auch immer wieder, dass wir gemeinsame Anstrengungen unternehmen müssen, um die Tarifbindung in diesem Lande deutlich zu erhöhen.

Herr Scholz hat das Stichwort der Beteiligung, Mitbestimmung genannt. Wir brauchen für eine veränderte Arbeitswelt auch Veränderungen in der Mitbestimmung, dass Menschen Einfluss nehmen können auf die Gestaltung von Arbeit, dass die Maschinen nicht die Arbeit des Menschen bestimmen, sondern der Mensch die Maschine führt und nicht umgekehrt.

Das Stichwort der Qualifikation, der Kompetenz spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle. Wir müssen eine neue Bildungskultur entwickeln, in der Bildung auch Spaß machen darf, sodass wir Menschen auf dem Weg von Weiterbildung, Qualifizierung und lebensbegleitendem Lernen mitnehmen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die vielfältigen Daten, die im Kontext der KI verwendet werden, nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle für Beschäftigte missbraucht werden.

Lassen Sie mich einen abschließenden Hinweis geben. Wir sind auf einem Modernisierungspfad. Dabei brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen. Das heißt für uns auch, dass wir Rahmenbedingungen beispielsweise im Hinblick auf Investitionen in die digitale Infrastruktur brauchen. Dabei sind wir schon auf einem guten Weg. Einiges ist in Gang gesetzt worden. Ich finde, dass wir dabei ein Stück weit ambitionierter werden müssen, auch beim Thema der Bildung, und dass wir dringend eine Modernisierungsstrategie für die Modernisierung unseres Landes benötigen.

Schweitzer: Das Thema der künstlichen Intelligenz und der Implementierung in die Geschäftsmodelle ist für die sehr großen Unternehmen vom Grundsatz her Standard. Aber beim Mittelstand tun wir uns in Deutschland noch immer ein Stück weit schwer mit dem Thema, und das vor dem Hintergrund, dass wir - das muss man wissen - in Deutschland 1300 „hidden champions“ haben, also Weltmarktführer. Das heißt, kein Land hat einen so starken Mittelstand wie wir, aber der Mittelstand ist in dem Thema der Anwendung der künstlichen Intelligenz als Innovationshub nach vorn noch relativ wenig präsent.

Das liegt im Wesentlichen daran, dass er Respekt vor dem Thema des Kompetenzaufbaus hat und ihn sowohl das Thema der IT-Sicherheit, der Rechtssicherheit als auch das Thema der personellen und finanziellen Ressourcen beschäftigt. Wir haben uns daher darüber unterhalten, wie man ein Angebot gemeinsam aufseiten der Sozialpartner als auch der Bundesregierung dafür schaffen kann, dass der Mittelstand gezielt angesprochen wird, insbesondere mit Blick auf finanzielle Ressourcen, KI-Dienstleistungen, „matchmaking“ und Finanzierungsrunden und andere Themen. Wir wollen gemeinsam prüfen, ob man eines der bisherigen Instrumente an Plattformen, die es bereits gibt, nutzen will oder eine zusätzliche neue Agentur beziehungsweise Anlaufstelle schafft.

Frage: Eine Frage zum Thema der künstlichen Intelligenz an Sie alle: Was war für Sie der überraschendste Lerneffekt bei dem, was Sie voneinander in dem bisherigen Gespräch lernen konnten?

Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie erlauben, noch eine Frage zum EU-Gipfel: Inwieweit streben Sie an, dass das Ziel der Klimagasneutralität bis 2050 auf die strategische Agenda kommt? Die Umweltministerin spricht ja sogar schon von einem Bekenntnis der Bundesregierung.

BK’in Merkel: Wir haben die entsprechenden Formulierungen in der Regierung gemeinsam besprochen, was die Klimaneutralität angeht. Ich habe bei dem Petersberger Dialog bereits gesagt, dass es nicht darum geht, ob, sondern wie wir das hinbekommen. Dazu werden in den kommenden Wochen Beratungen stattfinden. Insofern ist Deutschland an der Stelle mit einer gemeinsamen Formulierung für den EU-Rat präsent.

Dass wir das Thema sehr ernst nehmen, haben wir mit der Arbeitsplanung der Bundesregierung jetzt auch deutlich gemacht. Wir haben uns gestern im Koalitionsausschuss noch einmal verpflichtet, bis Ende September ein Instrumentarium vorzulegen, mit dem wir glaubwürdig, auch unter Einschluss von Bepreisung von CO2, erst einmal die Klimaziele bis 2030 erfüllen können. Das wird noch eine große Aufgabe, aber wir sind ganz fest entschlossen, diese Aufgabe auch zu lösen.

Wir haben heute, denke ich, unseren Erkenntnisweg fortgesetzt und miteinander abgeglichen. Wir haben auf der einen Seite Unternehmen, in denen künstliche Intelligenz gang und gäbe ist. Dort ist man bereits sehr dabei, diese künstliche Intelligenz für die Produktion, aber eben auch in anderen Bereichen einzusetzen. Im Mittelstand haben wir - Herr Schweitzer hat es eben gesagt - noch Nachholbedarf. Dort sind noch längst nicht alle Unternehmen darauf vorbereitet. Deshalb haben wir heute noch einmal sozusagen die Vernetzung getestet.

Die Bundesbildungsministerin zum Beispiel wird dazu einladen, dass wir uns anschauen, welche Plattformen der Information des Mittelstandes wir haben und wie wir das gemeinsam vielleicht noch verbessern können. Der Bundesarbeitsminister zum Beispiel wurde sehr ermutigt, mit seinen Laboren für die Arbeit der Zukunft weiterzumachen, weil wir an den einzelnen Fällen auch lernen müssen. Aufseiten der Gewerkschaften hat zum Beispiel die IG Metall in 2000 Betrieben erhoben, inwieweit künstliche Intelligenz eingesetzt wird, was das für die Veränderung der Arbeit bedeutet, welche Qualifikationen in Zukunft notwendig sein werden.

So war es ein wichtiger Austausch, um gemeinsames Agieren möglich zu machen. Dafür war diese Unterredung sehr wichtig.

BM Scholz: Die wichtigste Erkenntnis heute ist wahrscheinlich die, dass Deutschland mit seinem breiten Mittelstand und seinen vielen industriellen Anwendungen zu den Ländern zählt, die die besten Chancen haben, die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz zu nutzen. Das ist kein Spiel, das schon längst gespielt ist, sondern das steht erst am Anfang. Ihr Einsatz wird genau dort gebraucht, wo Deutschlands Unternehmen und wo Deutschlands Forscherinnen und Forscher besonders erfolgreich sind. Es geht jetzt also darum, dass wir diese Möglichkeit beherzt ergreifen. Dies sozialpartnerschaftlich zu tun, ist, denke ich, die zweite gute Erfahrung des heutigen Gesprächs.

Hoffmann: Ich will mit dem Aspekt der Sozialpartnerschaft beginnen, weil wir uns in der Tat darüber einig waren, dass wir diese Veränderungsprozesse gemeinsam gestalten wollen und müssen. Wir wollen - ich hatte es schon gesagt - den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Wenn wir diese Technik nutzen, dann kann es uns gelingen, dass wir wirklich so etwas wie gute Arbeit „by design“ realisieren, was die Menschen bei der Arbeit entlastet und die Arbeit attraktiver macht, was die Menschen von monotonen, körperlich schweren Arbeiten entlastet und sie letztendlich auch produktiver macht und gerade für unseren Wirtschaftsstandort dann auch eine Produktivkraft ist, die unseren Standort insgesamt sicher machen wird.

Schweitzer: Was war für mich die wichtigste Erkenntnis? - Das sind im Wesentlichen drei Dinge.

Erstens. Ich dachte, wir wären schlechter aufgestellt. Wir sind gar nicht so schlecht aufgestellt, wie man gelegentlich behauptet.

Zweitens. Oft wird darüber diskutiert, wie hoch unsere Abhängigkeit von anderen Ländern ist, wenn wir deren Cloud für die Daten nutzen. Das lässt sich über hybride Modelle so steuern, dass die Abhängigkeit jedenfalls nicht so stark ist, dass wir komplett in Abhängigkeit sind. Hier brauchen wir, denke ich, auch europäische Lösungen.

Drittens. Wir haben sehr konkret darüber gesprochen, wie wir den Mittelstand stärker in den Prozess der Implementierung von künstlicher Intelligenz bringen können. Ich denke, wir haben dafür gute Verabredungen getroffen.

Frage: Eine Frage an die Bundeskanzlerin und eine an den Finanzminister: Sie haben sich gestern Abend im Koalitionsausschuss bei der Grundsteuer geeinigt.

Frau Bundeskanzlerin, wie wichtig ist diese Einigung aus Ihrer Sicht für die Stabilität der Koalition?

Herr Finanzminister, können Sie noch einmal erklären, wie diese Öffnungsklauseln, die Sie offenbar vereinbart haben, umgesetzt werden und wie das für die Länder aussieht?

BK’in Merkel: Es geht um 17 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Deshalb ist es für das Funktionieren des gesamten Staates sehr wichtig, dass wir hierfür eine Neuregelung bekommen. Deshalb bin ich sehr froh.

Mit dem gestrigen Abend - das würde ich nicht nur auf das Beispiel der Grundsteuer beziehen, sondern auf den gesamten Themenkatalog, den wir besprochen haben - hat die Koalition gezeigt, dass sie einigungsfähig ist und dass sie sich Projekte vornimmt, siehe das Thema des Klimaschutzes. Deshalb war das eine sehr konstruktive, gute und wichtige Sitzung.

BM Scholz: Die künftige Grundsteuer wird so ähnlich erhoben, wie es in der Vergangenheit auch der Fall war. Sie wird wertabhängig erhoben. Sie wird nicht zu einem höheren Steueraufkommen führen als bisher - das ist ganz wichtig für viele Bürgerinnen und Bürger -, aber auch nicht zu weniger - das ist wichtig für die Gemeinden, in denen sie leben, damit sie die Infrastruktur aufrechterhalten können. Und es wird alles einfacher und gerechter zugehen, als es bisher der Fall ist. Denn da sind viele, viele sehr verschrobene, sehr alte Bestimmungen, die wir jetzt abschaffen.

Gleichzeitig haben wir uns darauf verständigt, dass das Bundesgesetz der Maßstab auch für die Solidarität unter den Ländern und Gemeinden ist, weil der Finanzausgleich, soweit er sich auf die Einnahmen aus der Grundsteuer bezieht, immer nach den Maßstäben des Bundesgesetzes vollzogen werden wird. Das ist, denke ich, eine ganz wichtige Auskunft für alle in Deutschland, gerade auch für die Regionen, die wirtschaftlich nicht so stark sind wie andere und deshalb darauf angewiesen sind, dass es gerecht zugeht, auch unter den Regionen unseres Landes.

Das verknüpfen wir mit einer Absicherung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Grundgesetz und gleichzeitig der Möglichkeit abweichender Gestaltung im Rahmen dieser föderal eingebetteten Regel, dass aber gewissermaßen das Steueraufkommen immer so bleibt, als würde das Bundesgesetz der Maßstab sein.

Frage: Ich habe eigentlich eine Frage an alle vier. Die digitale Transformation fällt ja in eine Zeit der sich abschwächenden Konjunktur. Ist das aus Ihrer Sicht eigentlich ein Nachteil für diesen Umbau, weil Unternehmen und auch die Regierung nicht mehr wie vorher die Möglichkeit haben, das abzufedern, oder ist es eher ein Vorteil?

Frau Bundeskanzlerin, eine Frage, weil der EU-Gipfel eben gerade angesprochen wurde: Sie fahren ohne eine klare Einigung in der Koalition für einen bestimmten Kandidaten dorthin. Ist es nicht eigentlich schädlich für die deutsche Position, dass Sie sich nicht hinter eine Person stellen können, sondern nur hinter das Prinzip des Spitzenkandidaten?

BK’in Merkel: Das glaube ich nicht. Das kann ja auch sozusagen die produktiven Spannungen innerhalb des EU-Rates befördern. Wir haben dort ja Parteigruppen, wo keiner allein entscheiden kann. Wir werden in großer Ruhe, aber eben auch zielgerichtet, spätestens bis das Parlament im Amt ist und einen Parlamentspräsidenten wählen wird, die notwendigen Entscheidungen treffen.

Für mich kann ich sagen: Es ist immer gut, wenn die Konjunktur ordentlich ist und wenn wir Wachstum haben. Das ist ja ganz selbstverständlich. Aber ich denke, jetzt weitet sich auch der Blick auf die Herausforderungen. Wir sind zum Teil mitten in der digitalen Transformation. Die Unternehmen fangen ja nicht bei null an. Das haben wir heute am Beispiel von Bosch gesehen. Das können wir am Beispiel anderer DAX-Unternehmen durchdeklinieren.

Die Bundesregierung hat auch eine ganze Vielzahl von Dingen auf den Weg gebracht. Heute wurde zum Beispiel die Ethikkommission für das autonome Fahren noch einmal lobend erwähnt. Ähnliche Regelungen brauchen wir jetzt auch sozusagen europaweit.

Aber es zeigt sich, dass wir uns natürlich schon um Wachstum bemühen sollten. Denn wir brauchen auch eine Menge staatlicher Investitionen in die digitale Infrastruktur, die notwendig sind, um auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicherzustellen. Wir brauchen Forschungsmöglichkeiten im Bereich der künstlichen Intelligenz. Wir haben dazu ja auch sehr ambitionierte Vorhaben. Damit der Finanzminister das notwendige Geld hat, um das zu unterstützen, ist eine gute Steuereinnahme und damit Wachstum sehr willkommen. Also da würde ich keinen Gegensatz zwischen Wachstum und digitaler Transformation machen.

BM Scholz: Vielleicht kann ich das für mich so sagen: Europa wächst zusammen. Dass das der Fall ist, merken wir daran, dass es die demokratische Selbstverständlichkeit gibt, dass unter europäischen Parteifamilien über die zukünftige Führungsstruktur für Europa geredet wird. Das, glaube ich, sollten wir als einen Fortschritt gegenüber früheren Jahren begreifen, in denen gewissermaßen so getan wurde, als ob zum Beispiel ein Christdemokrat in Schweden nicht auch etwas mit einem Christdemokraten in Spanien gemein hätte oder ein Sozialdemokrat in Spanien mit einem schwedischen Sozialdemokraten. Ich glaube, das findet jetzt ganz gut statt und ist ein Fortschritt - aus meiner Sicht jedenfalls.

Das Zweite ist: Deutschland hat ein langsameres Wachstum in diesem Jahr, als das in den letzten Jahren der Fall war. Aber wir erwarten nach allen Prognosen, dass es zum Ende des Jahres und auch im nächsten Jahr wieder besser werden wird. Das ist die Einschätzung nicht nur unseres Landes und der hier tätigen Institute, sondern auch von allen internationalen Institutionen, mit denen wir über diese Frage reden.

Warum das so ist, ist auch ganz einfach zu erklären. Die gegenwärtige Wachstumsschwäche hat etwas mit der weltweiten Konjunktur zu tun. Viele Unternehmen, die zum Beispiel gern Ausrüstungsgegenstände in Deutschland bestellen wollen, warten ab, was denn aus den Handelsspannungen, zum Beispiel zwischen der USA und China, wird. Wenn sie zu Ende gehen, dann kann man davon ausgehen, dass das sogar einen neuen zusätzlichen Impuls für die Weltwirtschaft bedeuten wird, und ganz besonders Deutschland wird davon profitieren.

In dieser Zeit nützt es uns sehr, dass wir ein binnenwirtschaftliches Wachstum haben, das auch sehr von der Aktivität getrieben wird, die diese Regierung in dem letzten Jahr entfaltet hat. Ich denke an die Maßnahmen, die wir entschieden haben, zum Beispiel zur steuerlichen Entlastung von Familien oder zum Ausbau der Infrastruktur. Das Allzeithoch im Bereich der Investitionstätigkeit des Staates führt dazu, dass wir jetzt stabiler in die Zukunft sehen können, als das früher der Fall war. Wir nutzen unsere Investitionsmöglichkeiten ja, um gerade die digitale Transformation voranzutreiben, zum Beispiel mit Breitbandausbau, mit einem neuen Gesetz über die steuerliche Forschungsförderung, das in der nächsten Sitzungswoche erstmals im Bundestag beraten wird. Alles das sind ja Wachstumssignale.

Wenn wir über die Bereiche, die uns zuletzt sehr interessiert haben, diskutieren, zum Beispiel die Automobilindustrie, aber auch die Energiewende, dann werden wir wissen, dass digitale Veränderung dort eine ganz zentrale Rolle spielt. Ich gehe also davon aus, dass Wachstum und Wohlstand mit diesen Veränderungen verbunden sind, wenn wir das sozial vernünftig einbetten, und allen Bürgern unseres Landes eine gute berufliche Perspektive in der veränderten Welt bieten.

Hoffmann: Ich will darauf hinweisen, dass wir in diesem Jahr zwar leicht rückgängige Prognosen für die Konjunktur haben, wir aber insgesamt eine stabile Binnennachfrage haben. Sie hat mit den steuerlichen Entlastungen der Bundesregierung zu tun. Sie hat aber auch damit zu tun, dass die Tarifabschlüsse in den letzten Monaten außerordentlich robust waren, die die Binnennachfrage mit gestärkt haben, sodass wir auch auf externe Schocks besser eingestellt sind als mit einer schwachen Binnenkonjunktur. Alle Prognosen gehen davon aus, dass die Konjunktur im nächsten Jahr auch wieder deutlich über ein Prozent wachsen wird.

Schweitzer: Die Frage war ja aufgrund der 0,5 Prozent, die zurzeit an Wachstum für dieses Jahr angenommen werden, ob das jetzt eher schädlich oder eher förderlich ist. Ich denke, das ist zwingend notwendig. Denn wir bestimmen nicht Digitalisierung und künstliche Intelligenz an den Weltmärkten. Wenn wir weiterhin eine sehr wettbewerbs- und weltmarktführende Industrie in verschiedenen Branchen haben wollen, dann müssen wir uns dem stellen. Das tun die einzelnen Branchen. Das machen sie zum Teil auch sehr, sehr gut. Deswegen ist das eher die Grundlage für weiteres Wachstum in der Zukunft. Das heißt, würden wir es nicht tun, würden wir uns dem nicht stellen, dann wäre, glaube ich, in Zukunft die wirtschaftliche Entwicklung deutlich schwieriger als wenn wir es machen.

BK’in Merkel: Danke schön.

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