Pressekonferenz Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsidenten der Republik Senegal, Sall

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Präsident Macky Sall meiner Einladung nach Berlin gefolgt ist und heute seinen ersten offiziellen Besuch gemacht hat. Es ist auch der erste Besuch seit Langem - 2006 gab es den letzten Besuch aus dem Senegal. Senegal ist für uns dennoch ein wichtiger Partner. Wir haben uns schon zweimal bei G8- und G20-Gipfeln getroffen, weil Senegal auch den NEPAD-Vorsitz in Afrika hat und damit eine zentrale Rolle spielt.

Senegal ist aber auch in einer anderen Richtung wichtig: Es ist ein zentrales Land in Westafrika und auch ein Stabilitätsanker für ECOWAS. Wir haben seit bereits 25 Jahren eine vertrauensvolle militärische Kooperation, die jetzt besonders an Bedeutung gewinnt, wenn wir dort auch unsere Soldaten stationieren, die dann in Mali an der Ausbildungsmission teilhaben. Wir möchten uns ganz herzlich bei Senegal bedanken, dass diese Zusammenarbeit so gut funktioniert.

Unser Handel mit Senegal ist unterentwickelt, anders kann man das nicht sagen. Wir haben zwar einige Einfuhren, aber Ausfuhren nach Senegal nur etwa in einer Größe von 7 bis 8 Millionen Euro, was verglichen mit dem Handel mit anderen europäischen Ländern vernachlässigbar ist. Insofern glaube ich, dass es wichtig ist, Herr Präsident, dass Sie heute auch vor dem Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft einen Vortrag halten und wir dann unsere Handels- und unsere Wirtschaftszusammenarbeit noch weiter entwickeln können.

Wir haben in Senegal Entwicklungsprojekte - der Präsident wird heute auch mit dem Entwicklungsminister Müller zusammentreten -, insbesondere im Energiebereich. Diese Projekte wollen wir ausbauen. Wir müssen aber auch noch einmal darüber nachdenken, ob Senegal in unserer Entwicklungszusammenarbeit wieder eine zentralere Stellung bekommt.

Wir haben über den EU-Afrika-Gipfel gesprochen. In diesem Zusammenhang ist vom Präsidenten insbesondere noch einmal betont worden, dass es wichtig wäre, die Handelsabkommen mit den verschiedenen afrikanischen Regionen voranzubringen; denn zollfreier und einfacher Handel ist natürlich von allergrößter Bedeutung. Deshalb glaube ich, dass unsere Beziehungen in den nächsten Jahren eher enger werden, als sie es in den vergangenen Jahren waren. Ich glaube, das wäre jedenfalls im deutschen Interesse.

Deshalb noch einmal herzlich willkommen hier in Berlin!

Sall: Frau Bundeskanzlerin, im Namen des Senegals, der senegalischen Bevölkerung, der senegalischen Regierung und in meinem eigenen Namen möchte ich Ihnen für diese sehr freundliche Einladung und auch für den warmherzigen Empfang, den Sie mir haben zuteil werden lassen, sehr herzlich danken; denn dadurch können wir unserer Zusammenarbeit einen neuen Schub verleihen. Es gibt diese Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Senegal ja bereits seit 1961.

Ich möchte darüber hinaus Ihre Führungsrolle, Frau Bundeskanzlerin, würdigen. Sie sind die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, aber Sie sind auch eine erstrangige politische Führerin in Europa, und Ihr Charisma wird überall sehr geschätzt. Dies ist den Anstrengungen zu verdanken, die Sie für Deutschland unternehmen. Ich würdige im Übrigen auch Ihre jüngste Botschaft, die Sie kurz vor dem Gipfel zwischen der Europäischen Union und Afrika, der in Brüssel stattfinden wird, an Afrika ausgesandt haben.

Wir haben heute über unsere Zusammenarbeit gesprochen und darauf hingewiesen, dass wir über die Qualität unserer politischen Beziehungen hinaus eine enge Zusammenarbeit anstreben und alles daransetzen müssen, in prioritären Bereichen wie dem der Energie, aber auch in anderen Sektoren, die wir sehr bald erforschen können - zum Beispiel im Bereich der Dezentralisierung -, zusammenzukommen. Auch im Bereich der Dezentralisierung hat Deutschland ja sehr große Erfahrung gesammelt. Jetzt, wo Senegal den dritten Akt seiner Dezentralisierungsreform durchführt, und zwar mit Hilfe der Territorialisierung der Staatspolitik, können wir, glaube ich, viele Erfahrungen gemeinsam tauschen.

Sicherlich könnte Deutschland auch im Rahmen der Beziehungen zwischen Afrika und Europa in meinen Augen eine noch sichtbarere Rolle spielen. Im Rahmen der Europäischen Union tut Deutschland das ja auch schon, und zwar als größtes Beitragszahlerland. Wir möchten gerne, dass Deutschland auch auf bilateraler Ebene an unserer Seite noch präsenter auftritt. Ich bin davon überzeugt, dass auch meine Begegnung mit Ihrem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit sehr gut verlaufen wird. Die Schlussfolgerungen, die wir heute gezogen haben, und die guten Ergebnisse, die wir heute erzielt haben, müssen uns - und werden uns auch - in die Lage versetzen, die Beziehungen zu vertiefen.

In Brüssel werden wir einen EU-Afrika-Gipfel haben, und dort werden wir, die Afrikaner, eine neue Philosophie in unseren Beziehungen zu Europa vorschlagen. Unsere Zusammenarbeit sollte in unseren Augen auf einer Partnerschaft beruhen, die eine Win-win-Situation herstellt, alle müssen davon profitieren. Afrika hat heute viele Chancen anzubieten, Afrika verfügt über Bodenschätze, aber es mangelt Afrika an Investitionen. Europa hat die Möglichkeit und die Fähigkeit, zu investieren. In meinen Augen sollten wir unsere Kräfte bündeln, um einen Rahmen für unsere Partnerschaft festzulegen. Wir sollten auch einen Rahmen für die Investitionstätigkeiten festlegen, und wir sollten zusammenarbeiten, damit jeder dabei auf seine Kosten kommt.

Mithilfe des NEPAD-Programms können wir Infrastrukturprojekte voranbringen, und auch mit der Hilfe von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen können wir vorankommen. Westafrika hat ja gerade ein solches Wirtschaftspartnerschaftsabkommen parafiert, und ganz sicher werden wir es auch ermöglichen können, dass die Europäische Union und Westafrika solche Wirtschaftspartnerschaftsabkommen unterzeichnen. Bei dem Gipfel, der kürzlich in Yamoussoukro stattgefunden hat, blieben noch einige Details offen. Die werden wir bald klären können.

Auf jeden Fall vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin! Ich bin mir sicher, dass wir nach dem Besuch, den Sie, Frau Bundeskanzlerin - ich hoffe, bald -, in Afrika absolvieren werden, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Senegal weiter voranbringen können.

Ich werde im Rahmen meines Besuches, genauer gesagt im Rahmen des Afrika-Forums, auch zu Unternehmern sprechen, um ihnen deutlich zu machen, wie sehr sich der Senegal heute in einer Phase der Konsolidierung seiner Demokratie, in einer Phase der Konsolidierung seines Rechtsstaates, aber auch in einer Phase der Konsolidierung in Bezug auf die Schaffung eines besseren Geschäftsklimas befindet. Ich habe vor Kurzem eine Agentur zur Bekämpfung von Korruption geschaffen. Wir wollen auf gute Regierungsführung setzen, wir wollen ein attraktives Land sein - auch für deutsche Investitionen.

Frage: Meine Frage richtet sich an Ihre Exzellenz, Frau Bundeskanzlerin: Senegal hat ein ehrgeiziges Projekt namens „Senegal Emergent“ - das aufstrebende Senegal - entwickelt. Beabsichtigt Deutschland, Senegal bei der erfolgreichen Umsetzung dieses Projektes zu begleiten? Falls ja: Auf welche prioritären Bereiche setzen Sie, in welchen prioritären Bereichen möchte Deutschland dann investieren?

BK’in Merkel: Wir halten diesen Plan für außerordentlich wichtig, weil er die Ambitionen Senegals deutlich macht. Deutschland wird sich im ersten Schritt auf das Thema Energie konzentrieren. Ich habe mir sagen lassen, dass die Elektrifizierung ein großes Projekt der senegalischen Regierung und des Präsidenten persönlich ist. Wir müssen dann darüber sprechen, ob wir noch in weiteren Bereichen helfen können. Wir haben heute zum Beispiel konkret über den Bereich des Aufbaus einer Steuerverwaltung gesprochen. Ich glaube, auch das ist für den Senegal sehr wichtig.

Frage: Ich habe eine Frage an Sie beide, aber vor allen an den Präsidenten: Herr Präsident, Sie haben vor etwa einem Monat den chinesischen Präsidenten getroffen, der verstärkte Investitionen in Senegal angekündigt hat. Sehen Sie China und die EU in einer Art Wettbewerb um Afrika? Frau Bundeskanzlerin, auch Ihre Meinung dazu würde mich interessieren.

Sall: Vielen Dank für Ihre Frage. Wenn Sie der Auffassung sind, dass sich Senegal wie die meisten Länder Afrikas und wie die meisten Länder der Welt in einem globalen Dorf befindet, dann kann man natürlich der Ansicht sein, dass die Europäische Union in einem Wettbewerb mit China stehen könnte. Selbst innerhalb der Europäischen Union kann es ja auch einen Wettbewerb geben - zwischen Deutschland und Frankreich, Deutschland und Italien oder zwischen anderen Ländern.

Sehen Sie, ich denke, wir müssen die Dinge wirklich verhältnismäßig betrachten. Afrika hat nicht zwangsläufig eine Präferenz für China. Ich möchte das deutlich sagen: Wir haben nicht zwangsläufig eine Präferenz für China. Afrika braucht Investitionen. Nun ist es so, dass China in der Lage gewesen ist, ein Finanzierungssystem umzusetzen, das langfristigere Kredite vorsieht. Es gibt also bessere Konditionen und mehr Fazilitäten, um Geld bereitzustellen. Das ist der einzige Unterschied.

Wir haben mit der Europäischen Union eine traditionell, historisch gewachsene Beziehung, auch mit der Weltbank, also mit unseren traditionellen Partnern. Man muss anerkennen, dass bestimmte Kredite auf dem Markt nicht mehr verfügbar sind, wenn ich jetzt von unseren traditionellen Partnern spreche. Aber wenn wir über entsprechende Fazilitäten verfügen, über einen leichteren Zugang zur Kreditvergabe, dann kann man die beiden gar nicht mehr unterscheiden. Manche Verfahren brauchen länger als andere. In der Tat dauert es manchmal länger. Das hängt mit Transparenz und mit vielen Erwägungen zusammen. Mit anderen ist der Zugang leichter. Ich sage nicht, dass er besser ist, nein; denn abgesehen von der Kreditvergabe gibt es natürlich auch die Qualität der Infrastruktur. Die muss auch stimmen. Dafür müssen die Afrikaner sorgen. Es geht ja um eine Schuld. Wir sprechen ja nicht von einer Gabe. Es geht um ein Darlehen der Bank of China, der chinesischen Bank.

Ich denke, Europa sollte vielmehr schauen, wie man in Afrika ganz global und ganzheitlich - vielleicht mit China zusammen - etwas tun könnte. Es geht nicht darum, entweder mit (China) oder mit Europa zu arbeiten. Wir sollten - Hand in Hand, Afrikaner, Europäer und Chinesen - gemeinsam erörtern, was wir für Afrika tun können und was am stichhaltigsten wäre, was die Bereitstellung von Finanzmitteln und die Möglichkeit einer Zusammenarbeit angeht.

Sollten wir zum Beispiel ein Bahn-Projekt in Afrika durchsetzen wollen, dann wäre die französische Technologie oder die deutsche Technologie die beste. Die europäischen Unternehmen mit ihren Technologien könnten mit chinesischen Investitionen zusammengelegt werden, gebündelt werden, um Synergieeffekte herbeizuführen. Das schwebt mir eher vor. Das sollte man anstreben. Es sollte nicht um einen Wettstreit gehen, bei dem man sich misstrauisch beäugt. Nein, wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz. Den wollen wir verfolgen. Wir haben keine Präferenz, aber wir sind offen.

BK’in Merkel: Von meiner Seite aus will ich nur sagen: Wir haben natürlich beobachtet, wie sich China in Afrika engagiert. Das sollte uns Ansporn sein und uns nicht zur Kritik veranlassen.

Es ist richtig: Die klassischen Mittel der Entwicklungshilfepolitik allein reichen heute nicht aus, gerade nicht für die großen Infrastrukturvorhaben. Deshalb müssen wir entweder intelligente Kombinationen in Bezug auf Garantien für Investitionen finden, oder aber wir müssen eben auch die wirtschaftlichen Investitionen noch viel stärker betonen. Insofern erfordern wir eine Transparenz der Entwicklungshilfe und eine Nachhaltigkeit der Entwicklungshilfe. Darüber sprechen wir auch mit China. 

Aber insgesamt müssen wir uns einfach engagieren, und ich glaube, das ist fast ein Ansporn für Europa, hier auch wieder mehr zu tun.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Präsident Macky Sall sagte es vorhin: Afrika bewegt sich. Es kommt etwas voran. Es gibt auch viel Austausch zwischen Deutschland und Senegal, zum Beispiel auf Facebook. Aber es gibt natürlich ein Problem im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa. Es geht dabei um die Konditionalitäten, die besprochen werden müssen. Es geht um die Finanzierungsmittel. Meistens kommt das Geld nicht rechtzeitig an. Die Projekte werden nicht zu 100 Prozent umgesetzt. Was beabsichtigen Sie zu tun, damit für mehr Reaktionsgeschwindigkeit, auch für mehr Geschwindigkeit bei der Umsetzung dieser Projekte und ebenso für mehr Transparenz gesorgt wird 

BK’in Merkel: Es gibt, glaube ich, Ursachen auf beiden Seiten. Es ist richtig: Manche Infrastrukturprojekte kommen sehr langsam voran. Dazu gehört erstens, dass wir von vornherein über die Rechtssicherheit sprechen. Das heißt, dass wir auch absprechen, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen genau aussehen. Das Zweite ist, dass wir natürlich zum Teil auch in Europa schneller werden müssen, was die Ausschreibungen anbelangt. Aber es gibt auch immer wieder das Ergebnis von Korruption. Zum Beispiel gibt es einen Fall zwischen Senegal und Deutschland, bei dem der Präsident jetzt zu einer Lösung beitragen wird. Aber zwischendurch hat man dann eben auch Schwierigkeiten gehabt. 

Ich denke, je transparenter wir die Dinge von der Vertragsunterzeichnung an miteinander besprechen, umso einfacher und schneller wird es dann auch gehen. Wir wollen jedenfalls verlässliche Partner sein.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie sehen Sie das? Kann man die Eingliederung des Sudetenlandes in Deutschland in den 30er-Jahren mit der Annektierung der Krim vergleichen, wie jetzt geschehen?

BK’in Merkel: Ich betrachte den Fall der Annexion der Krim als einen für sich stehenden Fall. Damit habe ich schon alle Hände voll zu tun; denn es handelt sich ganz eindeutig um einen Verstoß gegen das internationale Recht. Das ist das, was heute zählt, und daran halte ich mich. Ansonsten schaue ich, dass die Entwicklung in der Ukraine vernünftig vorankommt und die Menschen dort selbst entscheiden können, wer ihr nächster Präsident wird.