Beide Seiten müssen an den Verhandlungstisch

Im Wortlaut: von der Leyen Beide Seiten müssen an den Verhandlungstisch

Im Interview mit der Passauer Neuen Presse spricht sich die Bundesverteidigungsministerin für einen inneren Dialog der Ukraine aus. Nun sei die Stunde der Diplomatie. Die Nato sei in Ostmitteleuropa schon jetzt sehr präsent, so von der Leyen.

  • Interview mit Ursula von der Leyen
  • Passauer Neue Presse
Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung (BMVg).

Ursula von der Leyen setzt auf Deeskalation.

Foto: Bundesregierung/Kugler

Das Interview im Wortlaut:

Passauer Neue Presse (PNP): Ständig neue, beunruhigende Nachrichten aus der Ukraine — steht das Land vor Bürgerkrieg und Zerfall?

Ursula von der Leyen: Es kommt jetzt darauf an, dass die Wahlen am 25. Mai ordnungsgemäß stattfinden können. Der Weg der Genfer Konferenz muss weiter beschritten werden. Beide Seiten müssen an den Verhandlungstisch. Die Ukraine benötigt einen inneren Dialog, der möglichst viele gesellschaftliche Gruppen abbildet und einbezieht. Dann gibt es eine Chance auf einen Weg aus der Krise.

PNP: Womöglich gibt es in einigen Landesteilen gar keine Abstimmung. Werden die Wahlen dann nicht zur Farce?

Von der Leyen: Wir setzen auf die OSZE. Sie ist im Land, um darüber zu wachen, dass die Menschen Zugang zu den Urnen haben und das Ergebnis der Wahl transparent ist. Dazu brauchen wir Wahlen im gesamten Land. Nur so erhält der neue, vom Volk gewählte Präsident ausreichend Legitimität.

PNP: Keine Fortschritte nach dem ersten Treffen: Ist es nicht eine Illusion, dass mit Runden Tischen eine friedliche Lösung für das Land zu erreichen ist?

Von der Leyen: Die Runden Tische, die alle Seiten einbeziehen, sind der richtige Ansatz. Aber man braucht da langen Atem. Die Positionen sind noch so verhärtet, dass sich ein Durchbruch nicht mit einem Zug erreichen lässt. Deswegen ist der nächste vernünftige Schritt ein Runder Tisch im Osten des Landes. Dabei müssen natürlich auch Vertreter der östlichen Regionen einbezogen und eingeladen werden. Voraussetzung für jedes konstruktive Gespräch muss aber sein, dass sie der Gewalt abschwören. Gewaltverzicht ist die Eintrittskarte für den Runden Tisch und für die Zukunft der Ukraine.

PNP: Wäre es nicht längst Zeit für harte Wirtschaftssanktionen gegen Moskau gewesen?

Von der Leyen: Die Europäische Union verfolgt hier eine ganz klare Linie. Wenn die Provokationen zunehmen und die Wahlen in der Ukraine massiv behindert werden, dann führt kein Weg an Wirtschaftssanktionen vorbei. Wir sollten nicht den Teufel an die Wand malen. Jetzt ist die Stunde der Diplomatie. Wir müssen deeskalieren.

PNP: Außenminister Steinmeier steht wegen seiner Verhandlungsführung in der Ukraine-Krise massiv in der Kritik. Wie gut arbeiten Sie mit Ihrem Kollegen aus dem Auswärtigen Amt zusammen?

Von der Leyen: Der Außenminister meistert eine schwierige Aufgabe. Wir arbeiten sehr eng und gut zusammen. Frank -Walter Steinmeiers Engagement hat viel dazu beigetragen, die festgesetzten OSZE-Beobachter in der Ukraine rasch freizubekommen.

PNP: In der Nato gibt es starke Stimmen für eine dauerhafte Stationierung von Truppen in Osteuropa an der Grenze zu Russland. Wäre das ein Signal der Stärke und der Entschlossenheit des Westens?

Von der Leyen: Die Nato ist in Ostmitteleuropa schon jetzt sehr präsent. Wir haben die Überwachung des Luftraums verstärkt. Die Nato ist stark und verlässlich. Wir können auf jede Entwicklung angemessen reagieren. Deshalb sollte man über weitere Maßnahmen, die die Allianz derzeit intern diskutiert, jetzt nicht öffentlich spekulieren. Säbelrasseln ist nicht das richtige Signal.

PNP: Angesichts der Krise werden immer wieder Forderungen nach der Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland laut.

Von der Leyen: Die Wehrpflicht wieder einzuführen, ist sicher kein Thema. Bundeswehr und Nato sind heute hervorragend aufgestellt.

PNP: Thema Bundeswehr-Reform: Um Ihre Pläne zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Dienst ist es still geworden. Wann werden Taten folgen?

Von der Leyen: Wir arbeiten seit Beginn des Jahres mit Hochdruck an einem umfassenden Konzept mit dem Ziel, die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Am 4. Juni werde ich die Grundlinien vorstellen. Für einige Verbesserungen müssen wir im Herbst Gesetze verändern, anderes kann man durch neue Vorgaben innerhalb der Bundeswehr steuern. Eine Riesenaufgabe ist, vom General bis zum Feldwebel alle Vorgesetzten auf diesem Weg mitzunehmen. Da geht es nicht nur um gute Kinderbetreuung, flexiblere Dienstzeiten und die Begrenzung von Versetzungen. Ich möchte, dass es Verbesserungen bei Rente, Trennungsgeld und Umzugskosten gibt. Bei der Umsetzung liegt noch viel Arbeit vor uns, die erst in einigen Jahren abgeschlossen sein wird.

PNP: Wie wollen Sie vor allem junge Frauen für die Bundeswehr gewinnen?

Von der Leyen: Wir wollen die Besten, das sind Männer und Frauen. Die Guten haben heute auf dem Arbeitsmarkt die freie Wahl. Deswegen müssen wir die ganze Vielfalt der Bundeswehr stärker herausstellen. Ich sage jungen Frauen und Männern, dass sie mit ihren Fähigkeiten bei uns richtig sind. Je stärker klar wird, welche Bandbreite an Berufen und Aufstiegsmöglichkeiten es bei der Bundeswehr gibt, desto attraktiver ist es, die eigene Ausbildung bei uns zu beginnen. Aber ganz klar: Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Dienst müssen wir noch viel besser werden.

PNP: Die SPD drängt auf die Überprüfung einiger wichtiger, noch nicht vollzogener Standortentscheidungen bei der Bundeswehr. Rennt die SPD mit dieser Forderung offene Türen bei Ihnen ein?

Von der Leyen: Die Reform ist stimmig, durchdacht und wird nicht mehr umgeworfen. Punkt. Es zeigt sich, dass mein Vorgänger die Veränderungen sehr klug angelegt hat. Den Korrekturbedarf halte ich für gering. Wo sich im Einzelfall Veränderungen als notwendig erweisen, wollen und werden wir mit der SPD zu gemeinsamen Lösungen kommen.

Das Interview führte Rasmus Buchsteiner für die

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