Sorge über Abspaltungstendenzen

Ukraine-Konflikt Sorge über Abspaltungstendenzen

Die Bundesregierung zeigt sich "ernsthaft beunruhigt" über die jüngsten Entwicklungen in der Ostukraine. Sie widersprächen eindeutig Geist und Buchstaben der Minsker Vereinbarungen. Das betonten Regierungssprecher Seibert und Außenamtssprecher Schäfer in Berlin.

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"Die Bundesregierung appelliert an diejenigen, die zurzeit die wichtigen Eisenbahnverbindungen mit dem Donbass blockieren, dieses aufzugeben." Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in der Regierungspressekonferenz zu den Zuspitzungen an der innerukrainischen Front im Donbass zwischen ukrainischen Sicherheitskräften und sogenannten Nationalisten.

Ein solches Verhalten schade nicht nur den Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts, sondern auch der Stromversorgung der Ukraine. Die Versorgungslage spitze sich zu, "und das kann doch niemand ernsthaft wollen". Gewalttätige Aktionen, die das Land weiter spalteten, seien "wirklich das Letzte, was in der augenblicklichen Situation hilfreich wäre", bekräftigte Seibert.

Blockade des Güterverkehrs kontraproduktiv

Die Blockade des Güterverkehrs - insbesondere des Transports von Steinkohle zur Stromerzeugung - durch ukrainische Aktivisten sehe die Bundesregierung "durchaus kritisch", ergänzte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer. Bisher sei die ukrainische Regierung dagegen nicht energisch genug vorgegangen. Die Bundesregierung habe Verständnis dafür, so Regierungssprecher Seibert, wenn die Ukraine nun versuche, Recht und Gesetz in ihrem eigenen Land mit staatlichen Mitteln durchzusetzen.

Beunruhigt sei die Bundesregierung auch über die Entscheidung des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, zeitweilig den gesamten Warenverkehr mit den Separatistengebieten zu unterbinden. "Eine solche Entscheidung trägt aus unserer Sicht nicht zur Deeskalation bei, ganz im Gegenteil", betonte Schäfer.

Abspaltung wird vorangetrieben

Wie der Außenamtssprecher weiter ausführte, zeigten sich "fortschreitende Abspaltungstendenzen" in den von prorussischen Separatisten besetzten Gebieten in der Ostukraine. Konkret benannte er Entwicklungen der letzten Wochen wie das sogenannte "externe Management": "Das ist nichts anderes als die De-facto-Enteignung ukrainischer Betriebe durch Institutionen der Separatisten im Donbass", kritisierte Schäfer.

Er erwähnte überdies die Anerkennung von in Separatistengebieten ausgestellten Pass- oder Personenstandsdokumenten durch die Russische Föderation. Auch diese Aktion stehe im Widerspruch zu den Minsker Vereinbarungen.

Das gelte ebenso für die Einführung des russischen Rubels als gesetzliches Zahlungsmittel in der sogenannten "Lugansker Volksrepublik" und die Bezeichnung "Grenze" für die militärische Kontakt- und Demarkationslinie zwischen den Separatisten-Gebieten und dem Rest der Ukraine durch die sogenannte "Donezker Volksrepublik".

Territoriale Integrität der Ukraine in Gefahr

"All das verschärft die ohnehin schon schwierige Lage in der Ostukraine, wo der Waffenstillstand noch immer nicht eingehalten wird, wo der Abzug schwerer Waffen weiter stockt, trotz anderslautender Zusagen aus Moskau und aus Kiew, und wo die Gefahr einer militärischen Eskalation bei weitem noch nicht gebannt ist", warnte Schäfer.

Die beschriebenen Entwicklungen widersprächen eindeutig Geist und Buchstaben der Minsker Vereinbarungen. Diese sähen die territoriale Integrität der Ukraine einschließlich der vollen Kontrolle der Zentralregierung über die Staatsgrenze zur Russischen Föderation im gesamten Konfliktgebiet vor.

Souveränität nicht verhandelbar

Bundeskanzlerin Merkel wie Außenminister Gabriel setzten sich seit langer Zeit und mit großem Einsatz für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen ein, betonte Regierungssprecher Seibert. "Dabei steht immer die Wahrung der territorialen Integrität der Ukraine im Vordergrund." Das sei bisher auch immer das Ziel der ukrainischen Verantwortlichen gewesen, "und wir haben keine Hinweise dafür, dass sich bei den ukrainischen Verantwortlichen an dieser Haltung etwas ändert."

Das ukrainische Parlament, die Oberste Rada, sehe laut Minsker Vereinbarungen ein Gesetz über den zukünftigen Status der besetzten Gebiete vor, ergänzte der Außenamtssprecher. Was immer jetzt im Parlament beraten werde, müsse im Einklang mit dem stehen, worauf sich die Präsidenten Russlands und der Ukraine im Februar 2015 in Minsk geeinigt hätten.

"Die souveräne Staatlichkeit der Ukraine ist nicht verhandelbar. Das ist ausdrücklich die Geschäftsgrundlage der Minsker Vereinbarungen." Die Bundesregierung appelliere deshalb an beide Seiten, sich an die im Februar 2015 geschlossenen Vereinbarungen zu halten, unterstrich Schäfer.