Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem Premierminister von Katar, Scheich Hamad Bin Jassim Al Thani

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der Premierminister von Katar heute auch im Kanzleramt unser Gast ist. Wir haben gestern bereits die katarisch-deutsche Investorenkonferenz eröffnet. Ich habe in meiner Eröffnungsrede auch deutlich gemacht, dass ich mich sehr freue, dass eine solche Investorenkonferenz hier in Deutschland stattfindet - einmal, um zu zeigen, dass wir die deutsch-katarischen Wirtschaftsbeziehungen natürlich sehr ernst nehmen, aber auf der anderen Seite auch, weil Deutschland ein wichtiges Land in der Europäischen Union ist und weil wir sicherlich auch ein gutes Land sind, um international Kontakte zu knüpfen. Insofern freuen wir uns sehr über den Besuch des Premierministers und seiner Regierungsdelegation.

Dass das Ganze im 40. Jahr unserer diplomatischen Beziehungen stattfindet, zeigt, auf welch festem Grund wir arbeiten können. Wir haben uns heute über bilaterale Fragen unterhalten, aber natürlich genauso über die außenpolitische Situation in der Region; denn Katar ist diesbezüglich ja in wichtiger Art und Weise engagiert.

Was den bilateralen Bereich betrifft, so können wir uns freuen, dass die Deutsche Schule ein neues Gebäude bekommen hat. Das ist eine erfreuliche Sache. Auch das Goethe-Institut arbeitet sehr gut. Wir wollen ja auch kulturell enger zusammenarbeiten; wirtschaftlich haben wir ohnehin sehr enge Beziehungen. Dennoch bleibt auf der Tagesordnung, dass wir beim Thema eines Doppelbesteuerungsabkommens vorankommen müssen; denn das fehlt zwischen unseren Ländern noch, was doch ein Investitionshindernis ist. Wir freuen uns, dass Deutschland bei einer ganzen Reihe von Infrastrukturvorhaben mitwirken kann. Wir haben natürlich auch über die Entwicklung der Gesellschaft gesprochen - auch über die Frage der Menschenrechte in Katar - und so die gesamte Breite der bilateralen Beziehungen heute abgedeckt.

Dann haben wir natürlich über die Region und damit über den schrecklichen Konflikt in Syrien gesprochen. Ich möchte von meiner Seite aus noch einmal sagen, dass wir alle nach einer Lösung suchen, vor allen Dingen auch nach politischen Gesprächen. Wir haben darüber gesprochen, wie man solche Voraussetzungen finden kann. Die Fragen sind alles andere als einfach, die Möglichkeit der Destabilisierung einer ganzen Region ist allerdings gegeben. Wir haben auch darüber gesprochen, dass wir wünschen, dass Ägypten auf einen vernünftigen Weg kommt, gerade auch wirtschaftlich. Auch hier wollen wir für ein großes Land alles dazu beitragen, dass sich stabile Bedingungen ergeben.

Ich möchte deshalb auch noch einmal sagen, dass ich Katar für vielfältiges Engagement danken möchte. Das bedeutet nicht, dass wir in jeder Nuance einer Meinung sind; ich glaube aber, dass Katar sich zu einem wichtigen Akteur in der Region herausgebildet hat. Deshalb freue ich mich, dass wir heute wieder einmal Gelegenheit hatten, unsere Kontakte zu vertiefen.

Wir haben natürlich auch - letzter Punkt - über den Iran gesprochen. Uns eint die Überzeugung, dass es keine nukleare Bewaffnung des Iran geben darf. Deshalb werden die Gespräche im Rahmen der E3+3 auch von Katar unterstützt. Wir werden auf diesem Weg weiter arbeiten müssen; denn die Gefahr einer iranischen nuklearen Bewaffnung ist nicht gebannt.

Noch einmal herzlich willkommen in Berlin!

PM Al Thani: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin! Ich freue mich sehr, in Deutschland zu sein. Ich freue mich über die Gespräche, die wir heute geführt haben, und freue mich auch sehr, dass Sie gestern bei der Eröffnung des deutsch-katarischen Wirtschaftsforums anwesend waren. Ich glaube, dass sich die deutsch-katarischen Beziehungen auf einem sehr positiven Weg befinden. Das gilt für alle Bereiche: politische Gespräche, Wirtschaft, Bildung und auch Gesundheitssektor. Der größte Beweis dafür ist das äußerst erfolgreiche Forum, das mit Unterstützung Deutschlands stattgefunden hat. Ich glaube, dass es weiterhin große Horizonte in der Kooperation gibt. Wir können die Kooperation im großen Maße weiter vertiefen. Katar ist ein Staat, der sich sehr bewusst ist, was die große deutsche Rolle in Europa angeht. Vor diesem Hintergrund sind wir immer froh über Gespräche und Beratungen mit Deutschland.

Zu unseren bilateralen Gesprächen: Wir betonen, dass es vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Ägypten notwendig ist, die ägyptische Wirtschaft zu unterstützen, damit Ägypten wieder auf den richtigen Weg findet.

Wir glauben auch, dass die richtige Lösung bezüglich der Nuklearfrage des Iran eine politische Lösung, eine diplomatische Lösung sein muss. Zur Lösung dieser Frage darf auch keine Gewalt in der Region benutzt werden; wir sind uns sehr bewusst, dass es nicht im Interesse der Region wäre, wenn Gewalt angewandt würde.

Wir sprachen detailliert über Syrien. Wir in Katar - ich glaube, unsere Position in Katar ist allen bekannt - unterstützen die syrische Revolution und die Bestrebungen des syrischen Volkes. Ich fand diese Position bei der Bundeskanzlerin wieder, denn auch sie unterstützt die Forderungen des syrischen Volkes. Es ist wichtig, dass wir schnellstmöglich eine Lösung für diesen Konflikt finden, denn das syrische Volk hat sehr viel geopfert: Es gab ungefähr 100.000 Märtyrer und das Land wurde komplett zerstört. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass dieses Kapitel ein Ende findet, dass die Bestrebungen des Volkes realisiert werden und dass die internationale Gemeinschaft in diesem Bereich auf klare und effektive Weise hilft und unterstützt.

Frage: Eine Frage an beide: Der syrische Präsident Assad hat Katar vorgeworfen, die ganze Region mit Hilfen an die syrischen Rebellen zu destabilisieren. Einige Nachbarländer werfen Ihnen Nähe zur Muslimbrüderschaft vor. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

PM Al Thani: Herr Assad hat nicht komplett Recht. Wir unterstützen die Revolution der Syrer, nachdem wir frustriert waren und einfach die Hoffnung aufgegeben haben, was Reformen seitens Assads angeht. Nach Beginn der syrischen Revolution war ich zweimal in Damaskus, aber wir haben überhaupt kein Echo gefunden. Wir fanden nur Verzögerungen seitens des Assad-Regimes und den Glauben vor, dass nur eine militärische Lösung eine Lösung sein wird, und deswegen wechselten wir auf die Seite des syrischen Volkes. Das ist aber nicht mit dem Ziel der Destabilisierung des syrischen Regimes gleichzusetzen. Unser Ziel ist es, die Wünsche des syrischen Volks zu verwirklichen und seine Anstrengungen zu realisieren.

An der Destabilisierung der Region arbeitet Katar überhaupt nicht. Wir kennen die Geschichte jedes Landes. Wir wissen ganz genau, wer immer versucht hat, die Region zu destabilisieren, und wer immer terroristische Operationen durchgeführt hat, um die Region zu destabilisieren. Katar ist ein sehr friedliches Land und möchte nur dem syrischen Volk auf dem Weg zu seinem Erfolg zur Seite stehen.

Zur Unterstützung der Muslimbrüder durch Katar möchte ich sagen: Katar unterstützt die Wünsche jedes Volks und der Bevölkerung. Wir wissen ganz genau, wenn wir von Tunesien sprechen, dass die Muslimbrüder dort durch die Wahlen an die Macht kamen, ebenfalls in Ägypten. In Libyen gab es Wahlen für die Übergangsphase. Wir handeln in Bezug auf Regionen und nicht auf bestimmte Personen oder bestimmte Gruppen. Ich weiß natürlich, wie Sie wissen, dass Nachbarländer - manche Brüder, möchte ich sagen - tatsächlich diesen Vorwurf an uns gerichtet haben. Aber ich glaube, dass es sehr viele Gerüchte gibt. Was zählt, das sind die tatsächlichen Taten. Wir wissen ganz genau, dass Gerüchte immer bestimmte Motive haben und bestimmte Ziele verfolgen. Wir werden mit diesen Gerüchte auf eine sehr weise Art umgehen. Deswegen möchte ich sagen: Seien Sie nicht beunruhigt. Wir sind uns unserer Taten und unseres Handelns sehr bewusst, und wir unterstützen lediglich den Willen der Völker und mischen uns nicht in das Regieren von Staaten ein.

Wir haben die Muslimbrüder nicht an die Macht gebracht. Wir haben angefangen, Ägypten zu unterstützen, bevor die Muslimbrüder an die Macht gekommen sind. Nach dem Wandel haben wir finanzielle und politische Unterstützung geleistet. Der Kronprinz war in Ägypten, der Emir war in Ägypten, und ich persönlich war in Ägypten, und zwar bevor die Muslimbrüder an die Macht gekommen sind.

BK’in Merkel: Was die Bundesrepublik Deutschland anbelangt, so sind wir der Überzeugung, dass Assad seine Legitimation verloren hat und dass es jetzt darum geht, dass die Wünsche des syrischen Volkes und damit auch die friedlichen Kräfte der Opposition Unterstützung brauchen, damit wir zu einer politischen Lösung kommen können. Die Bereitschaft dazu, sich für eine solche politische Lösung überhaupt zu öffnen, ist bei Assad im Augenblick nicht vorhanden, und das bestimmt natürlich auch den Kurs der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Sinne arbeiten wir auch mit Katar zusammen.

Frage: Ich habe eine Frage an Ihre Exzellenz, die Bundeskanzlerin, und an Herrn Scheich. Die Position Deutschlands zu den syrischen Entwicklungen ist eine sehr klare Position: Es unterstützt eine politische Lösung. Aber es gibt bis jetzt nichts, das Assad dazu zwingt, eine politische Lösung zu finden. Hat sich die deutsche Position dementsprechend geändert, insbesondere, da das Waffenembargo Ende Mai auslaufen wird?

Ihre Exzellenz, das Nuklearprogramm des Iran ist eine sehr wichtige Angelegenheit, und Sie haben sich auch darüber ausgetauscht. Sie unterstützen ebenfalls eine politische Lösung. Glauben Sie, dass die nächsten anstehenden Wahlen im Iran zu einem Wandel des politischen Kurses beitragen werden und dass die internationale Gemeinschaft auch flexibler damit umgehen wird?

BK’in Merkel: Ich will noch einmal betonen, dass wir natürlich eine politische Lösung erreichen wollen. Dabei gibt es, glaube ich, auch gar keinen Widerspruch zu anderen. Wir werden als Bundesrepublik Deutschland selbst keine Waffen liefern, weil wir dazu auch rechtlich gar keine Legitimation besitzen. In Spannungsgebiete dürfen wir keine Waffen liefern.

Aber es hat jetzt auch immer wieder Gespräche über die Fortführung des EU-Waffenembargos gegeben. Hierzu gab es innerhalb der Europäischen Union auch unterschiedliche Stimmen. Man hat ja auch schon verschiedene Lösungen gefunden, um der Opposition logistische Unterstützung zu geben. Das heißt, die Antwort auf die Frage, auf welcher Seite wir stehen, ist unstrittig.

Wenn es weitere Gespräche geben soll, dann ist die Bundesrepublik Deutschland auch immer bereit, solche Gespräche zu führen - unbeschadet unserer eigenen Position, dass wir keine Waffen werden liefern können. Hierüber hat es Gespräche zwischen den Außenministern gegeben, und es wird vielleicht noch weitere Gespräche geben, aber das Wichtigste ist für uns in der Tat eine politische Lösung.

PM Al Thani: Zu der iranischen Nuklearfrage: Der Iran ist ein Nachbarstaat Katars und ein sehr wichtiger Staat in der Region. Dieser Staat hat natürlich das Recht, die Nukleartechnologie zu nutzen. Das sind Rechte, die die internationale Gemeinschaft durch die Internationale Atomenergiebehörde verbrieft hat. Wir sprechen nicht von der Flexibilität der Regierung, sondern vielmehr über das Erreichen einer politischen Lösung zwischen der internationalen Gemeinschaft, der Gruppe 5+1 und dem Iran in Bezug auf die Nuklearfrage. Es ist uns äußerst wichtig, eine freundschaftliche und friedliche Lösung durch politische Vereinbarungen zu erreichen. Wir sind nämlich der Überzeugung, dass dies in diesem Zusammenhang der effektive und ein wichtiger Weg ist.

Frage: Herr Premierminister, haben Sie mit der Bundeskanzlerin über die Waffengeschäfte gesprochen, die ihre Regierung gerne mit Deutschland machen würde? Hier wird über 200 Leopard-Panzer diskutiert. Wie nehmen Sie die öffentliche Diskussion darüber hier in der Bundesrepublik wahr?

PM Al Thani: Wir haben überhaupt nicht über diese Geschäfte gesprochen. Wir haben überhaupt nicht über Militärgeschäfte mit der Bundesregierung gesprochen, sondern vielmehr über die umfassende Kooperation mit der deutschen Regierung in den Bereichen, die ich zuvor erwähnt habe.

BK’in Merkel: Ich bestätige das.