Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel, Präsident Hollande, EU-Kommissionspräsident Barroso und dem Vorsitzenden des European Round Table of Industrialists, Johansson

Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel, Präsident Hollande, EU-Kommissionspräsident Barroso und dem Vorsitzenden des European Round Table of Industrialists, Johansson

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 18. März 2013

Bundeskanzlerin Angela MERKEL: Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie hier heute ganz herzlich, zusammen mit meinem französischen Kollegen, Staatspräsident François Hollande, mit dem Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso und mit dem Vorsitzenden des European Round Table, Herrn Johansson. Dies ist eine ganz besondere Zusammensetzung, in der wir uns heute treffen. Deshalb möchte ich allen ein ganz herzliches Willkommen hier in Berlin sagen.

Wir befassen uns ja normalerweise in den politischen Funktionen damit, die Stabilität des Euro als Ganzes zu sichern, haben das in den vergangenen Jahren getan und werden das auch weiter tun, so wie das in diesen Tagen am Beispiel von Zypern geschieht. Auch hier wollen wir sicherstellen, dass der Euro insgesamt stabil bleibt.

Das ist heute aber nicht unser Thema. Vielmehr blicken wir heute in die Zukunft und sagen: Wir müssen ein Europa schaffen, das wieder Wachstum hat, ein Europa schaffen, das solide Finanzen hat, ein Europa schaffen, das den Menschen Hoffnung gibt und das Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, und ein Europa schaffen, das vor allen Dingen wettbewerbsfähig ist; denn anders wird es nicht gelingen. Deshalb haben wir uns geschlossen, gemeinsam ‑ Politik und europäische Wirtschaft ‑ an Beispielen zu diskutieren, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit Europas und seine wirtschaftliche Stärke verbessern können.

Wir wissen, dass wir im globalen Wettbewerb stehen; das werden uns die Unternehmen noch einmal sehr deutlich machen. Wir wollen in diesem globalen Wettbewerb faire Bedingungen. Wir wollen offene Märkte ‑ Europa steht dafür ‑, aber wir wollen natürlich vor allen Dingen auch Arbeitsplätze dadurch sichern, dass wir gut exportieren können. Gerade die deutsche Volkswirtschaft ist eine Volkswirtschaft, die sehr stark vom Export abhängt, und zwar nicht nur die großen Unternehmen, sondern auch der Mittelstand.

Da wir im Augenblick darum ringen, unsere Wachstumsraten insgesamt zu verbessern, werden wir heute anhand bestimmter Themen miteinander besprechen, wie wir das erreichen können. Dazu gehört das Thema der Energiepolitik, dazu gehört das Thema der Informations- und Kommunikationstechnologie, dazu gehören unsere Forschungsaktivitäten, dazu gehört das Thema Klimaschutz und Energieeffizienz. Über all diese Bereiche werden wir uns unterhalten. Ich freue mich darauf, diesen intensiven und auch gut vorbereiteten Dialog heute Abend zu führen.

Ich sage allen, die heute dabei sind, noch einmal herzlich willkommen, und möchte gerne François das Wort geben.

Präsident François HOLLANDE: Meine Damen und Herren, hier wurde eine sehr gute Initiative ergriffen, nämlich die Initiative, die beiden Vertreter der größten Volkswirtschaften in Europa mit dem Kommissionspräsidenten und Unternehmensführern aus Europa zusammenzuführen. Dies ist deshalb sehr gut, weil wir, wie die Bundeskanzlerin es zu Recht ausgeführt hat, schon viel getan haben ‑ ich möchte sogar sagen: das Wichtigste getan haben ‑, um die Stabilität in der Eurozone zu sichern. Das war die Bedingung.

Die Priorität besteht aber darin, ein größtmögliches Wachstum zu erzielen. Um dies zu erreichen, müssen wir alles daransetzen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft so groß wie möglich ist. Wir werden das schaffen, und zwar zunächst einmal, indem wir auf legislativer Ebene in Europa und in unseren jeweiligen Ländern den Rahmen schaffen, aber auch, indem wir uns das Ziel setzen, die besten Bedingungen für Innovation, Forschung und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu schaffen. Das ist der Sinn dessen, was wir hier heute Abend diskutieren werden.

Gleichzeitig wollen wir damit die Veränderungen, die im Rahmen der Energiewende und der des Einsatzes von erneuerbaren Energien vor uns stehen, voranbringen, wir möchten bei den neuen Technologien vorankommen und wir möchten alles daransetzen, unsere Innovationsfähigkeit weiterzuentwickeln und auf eine höhere Ebene zu bringen, als dies heute der Fall ist. Schließlich und endlich möchten wir auch noch in Fragen der Berufsausbildung, bei der Qualifizierung von Arbeit und bezüglich der Flexibilität in der Konjunktur und auf dem Arbeitsmarkt vorankommen.

All dies soll so gestalten werden, dass wir in Europa eine Volkswirtschaft darstellen, die schon die wichtigste in der Welt ist, aber die in der Globalisierung noch weiter vorankommt. Dazu müssen wir noch mehr zusammenarbeiten. Dazu brauchen wir führende Unternehmen in Europa, die Leader im internationalen Bereich sind ‑ so wie einige jetzt schon dastehen. Das ist der Zweck dieses Treffens, dem sicherlich andere noch folgen werden; denn auch ich werde meinerseits die Freude haben, Unternehmensführer, die Bundeskanzlerin und den Kommissionspräsidenten in Paris zu empfangen. Auf der Tagesordnung des Europäischen Rates stehen demnächst ja auch eine gewisse Anzahl von Treffen bezüglich Themen der Industrie, Energie und Verteidigung. Denn Europa ist nicht nur ein Markt, ist nicht nur eine Währung, die es zu stärken gilt, sondern Europa ist auch eine Wachstumsperspektive, die es zu so gut wie möglich zu gestalten gilt. Dies ist die Verantwortung, die wir heute Abend haben.

EU-Kommissionspräsident José Manuel BARROSO: Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal der Bundeskanzlerin für eine exzellente Initiative, für dieses Treffen mit den Vertretern des European Round Table of Industrialists und für die Einladung, an diesem Treffen teilzunehmen, danken.

Wir werden heute mit Leif Johansson und anderen Führungskräften aus der Wirtschaft darüber diskutieren, wie wir Wachstum schaffen, wie wir den Menschen in Europa Hoffnung geben können und wie wir Wohlstand und Beschäftigung schaffen können; denn das ist für unsere Bürger wichtig. Wir werden auch darüber sprechen, ob unsere politischen Rahmenbedingungen dieser Herausforderung gerecht werden können. Wir werden über Energiepolitik, Bildung und auch weitere Dinge sprechen.

Ich bin davon überzeugt, dass Europa den Willen hat, mehr zu tun. Wir haben ein gesellschaftliches Modell, auf das wir stolz sein können und das es wert ist zu modernisieren. Wir haben gleichzeitig auch die Bescheidenheit, anzuerkennen, dass viele Dinge besser laufen können und korrigiert werden können und dass wir Fortschritte machen können, um viele unserer Herausforderungen zu bewältigen. Wir wissen, dass der Weg steinig sein wird. Es stimmt, dass wir dank der Entscheidungen der letzten Jahre das Vertrauen wiederherstellen konnten und dass in einer Reihe von Ländern Fortschritte gemacht worden sind und diese ihre Leistungsbilanzen korrigieren und auch ihre Staatsfinanzen in Ordnung bringen; die Krise besteht aber weiterhin. Das sehen wir auch anhand der Wachstumsaussichten, der Arbeitslosenquoten und den jüngsten Entwicklungen in Zypern.

Auf dem Europäischen Rat der letzten Woche haben wir uns damit befasst, über unsere Maßnahmen nachzudenken; wir haben über Haushaltsdisziplin nachgedacht und auch darüber nachgedacht, wie wir die gesellschaftlichen Folgen dieser Krise bewältigen können. Ich bin mir sicher, dass sich all die Bemühungen ‑ die Strukturreformen, die wir in den Mitgliedstaaten angestoßen haben, die Bemühungen, die Staatsfinanzen zu sanieren, und Investitionen in Bereichen wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung, Bildung und Infrastruktur ‑ auszahlen werden. Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit zum Nutzen aller stärken. Das Wachstum muss von gestärkter Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit kommen, und nicht davon, dass wir mehr Schulden aufnehmen; denn in der Vergangenheit haben wir gesehen, dass künstliches Wachstum durch künstliche Schulden nicht die Lösung sein kann.

Eine abschließende Bemerkung: Wettbewerbsfähigkeit ist kein Zweck in sich selbst. Wettbewerbsfähigkeit ist essenziell für das Wachstum und die Steigerung von Beschäftigung. Es geht auch darum, unseren Einfluss in der Welt zu wahren. Deshalb glaube ich, dass das heutige Treffen einen wichtigen Beitrag leisten kann. Ich danke der Bundeskanzlerin für diese wertvolle Initiative.

Vorsitzender des European Round Table of Industrialists Leif JOHANSSON: Als Vorsitzender des "European Round Table of Industrialists" möchte ich der Bundeskanzlerin danken, dass sie uns eingeladen hat. Die Delegation besteht aus 50 CEOs und Vorsitzenden der 50 größten Unternehmen. Wir sind hier, um darüber nachzudenken, wie wir Wettbewerb schärfen können.

Wir sind Vertreter globaler Unternehmen. Wir haben Produktionsstätten in Europa, zwei Drittel unser Forschung und Entwicklung befinden sich in Europa. Wir haben die Herzen und die Köpfe in Europa. Der ERT hat sich seit seiner Schaffung sehr für den Binnenmarkt eingesetzt. Wir haben die Vollendung und Weiterentwicklung unterstützt.

Die zugrunde liegende Logik ist klar: Wir können die Größe und die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarkts nutzen, um global wettbewerbsfähig zu werden. Wir können mit China, Indien und den amerikanischen Staaten im Wettbewerb stehen. Wir nutzen das auch, wenn wir Geschäfte hier in Europa betreiben.

Wir sind global aktiv. So können wir auch mehr Jobs und Beschäftigung in Europa schaffen. Wir, das sind nicht nur die ERT-Unternehmen. Wir leben in Symbiose mit dem Mittelstand und dem Dienstleistungssektor sowie Vertretern der Universitäten. Zusammen können wir einen Zyklus des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Wir stehen im globalen Wettbewerb. Europa steht im Wettbewerb mit anderen Ländern der Welt. Wir bewerben uns um Innovation und Investitionen. Wir müssen noch viel wettbewerbsfähiger in der globalisierten Weltwirtschaft werden.

Wir müssen den Rückgang der Wirtschaft bewältigen. Diese Ziele können wir nur erreichen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie im Zentrum der europäischen Politik steht. In einer modernen Gesellschaft in Europa ist alles voneinander abhängig und miteinander verbunden. Zusammen sehen wir ein Netzwerk, das zum einen Entwicklungen behindern, aber auch fördern kann. Es gibt nur wenige schnelle Lösungen. Leider ist das so. Aber das macht es umso wichtiger, um Schritte in die richtige Richtung zu ergreifen, wenn sie auch nicht so groß sein mögen. Wir müssen Planbarkeit und Vorhersehbarkeit etablieren.

Heute sind wir hier zusammengekommen, um Folgendes zu diskutieren: Wir brauchen eine kohärente und integrierte Energiepolitik und eine bezahlbare Energieversorgung für Unternehmen. Wir brauchen flexible Bildungssysteme. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um die Innovationskapazität zu stärken. Wir brauchen intelligentes Kapital und Marktressourcen. Wir müssen auch wettbewerbspolitische Maßnahmen ergreifen, um für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen.

Ich freue mich sehr auf die Diskussion mit den Politikern hier.

Bundeskanzlerin Angela MERKEL: Weil noch 14 andere warten, sagen wir jetzt danke schön und gehen an die Arbeit.

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