Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Präsidenten der Palästinensischen Behörde, Mahmoud Abbas

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK'IN MERKEL: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Präsident Abbas heute wieder einmal bei uns ist. Wir haben sehr intensive Gespräche geführt, und die Gelegenheit war auch sehr günstig, weil wir in letzter Zeit die Möglichkeit hatten, mit dem israelischen Präsidenten und mit dem israelischen Kabinett ‑ dem Premierminister und den Ministern ‑ ausführlich zu tagen.

Wir sind beide davon überzeugt, dass es notwendig ist, den Friedensprozess und den Gesprächsprozess zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang zu bringen, und sind auch davon überzeugt, dass das Ziel solcher Gespräche natürlich eine Zwei-Staaten-Lösung sein muss, ein jüdischer Staat Israel und ein palästinensischer Staat in jeweils sicheren Grenzen und in friedlichem Zusammenleben. Wir wollen, dass dieses Ziel aber auch wirklich erreicht werden kann. Über das Ziel sind sich ja alle Beteiligten einig. Eigentlich sind auch die Voraussetzungen durch die Roadmap bereits geschaffen worden, um solche Gespräche in Gang zu bringen. Deshalb wird es jetzt darauf ankommen, auch unter Mitarbeit des amerikanischen Verantwortlichen Mitchell die Gespräche wieder zu akzeptablen Bedingungen voranzubringen. Deutschland wird dies auf jeden Fall begrüßen, unterstützen und alles dafür tun, was notwendig ist.

Wir haben sehr intensiv über die Entwicklung in den palästinensischen Gebieten gesprochen, insbesondere auf der Westbank, wo wir wirtschaftliche Fortschritte sehen. Deutschland wird auch hier alles tun, um weiterzuhelfen.

Wir haben miteinander verabredet ‑ das ist ein neuer Schritt in unserer Zusammenarbeit ‑, dass die Wirtschaftsminister und, von unserer Seite, auch der Entwicklungsminister ‑ also die palästinensischen Regierungsverantwortlichen gemeinsam mit den deutschen Regierungsverantwortlichen ‑ eine Wirtschaftskommission bilden, um zukünftige wirtschaftliche Projekte noch besser aufeinander abstimmen zu können.

Natürlich bereitet uns die Lage in Gaza große Sorge, gerade auch, was die humanitären Fragen anbelangt. Deshalb setzt sich die deutsche Bundesregierung dafür ein, dass wir über die Autoritäten in der palästinensischen Regierung für das Kraftwerk in Gaza vorfristig Treibstoff liefern können, damit gerade die humanitären Erfordernisse erfüllt werden können.

Ich habe den Eindruck gewonnen und freue mich darüber, dass Präsident Abbas alles daran setzen wird, Gespräche wieder in Gang zu bringen. Deutschland möchte dabei hilfreich sein. Ich habe mich über diesen Austausch und die Möglichkeit dazu sehr gefreut, und ich denke, wir werden in engem Kontakt bleiben, sowohl bezüglich der Frage der Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung für die palästinensischen Gebiete als auch der Frage der Unterstützung der Sicherheitsausbildung ‑ hierbei haben wir in den letzten Monaten und Jahren wirkliche Fortschritte gesehen ‑ sowie natürlich auch der Organisation von gemeinsamen Gesprächen mit Israel.

P ABBAS: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin, für den herzlichen Empfang hier in Berlin und für diese Gespräche zwischen uns, die sehr nützlich und sehr fruchtbar waren.

Wir haben unterschiedliche Aspekte erörtert, insbesondere den Friedensprozess und die Möglichkeit, diesen Prozess fortzusetzen und den Boden zu bereiten, den wir brauchen, um eine Übereinkunft über die Vision der zwei Staaten ‑ einen unabhängigen palästinensischen Staat in guter Nachbarschaft mit Israel in Sicherheit und Stabilität ‑ zu erreichen. Dies erfordert natürlich, dass sich die Israelis aus den arabischen Gebieten (zurückziehen), die 1967 besetzt worden sind. Diese Prinzipien, die in der Roadmap vorhanden sind, sind stets Gesprächsthema zwischen uns, der amerikanischen Seite und der israelischen Seite und waren es auch unter der Regierung Olmert. Wir hoffen, dass die Verhandlungen auf dieser Grundlage fortgesetzt werden können.

Es gibt einen Vorschlag von Herrn Mitchell zu dem, was wir „proximity talks“ nennen. Wir haben versprochen, dies zu prüfen, es mit unseren Brüdern und Freunden zu erörtern und dann, von heute an gesehen, innerhalb einer Woche eine Antwort zu geben. Dies dazu, was die politische Lage betrifft.

Aber in Bezug auf die bilateralen Fragen möchte ich der Frau Bundeskanzlerin herzlich für die direkte Hilfe danken, die wir von der Bundesregierung bekommen, und auch für das, was wir über das Quartett bekommen. Es wurde auch über eine gemeinsame deutsch-palästinensische Kommission gesprochen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit fortzuentwickeln, wie es die Frau Bundeskanzlerin erwähnt hatte. Die Sicherheit im Land ist sehr stabil, und wirtschaftlich entwickelt sich das Land. Deswegen müssen wir beide Elemente für die Zukunft erhalten. Wir müssen Sicherheit und Wirtschaft fortentwickeln, damit wir einen unabhängigen palästinensischen Staat errichten können.

Ich glaube, dass es auch notwendig ist, dass wir noch über die Frage der Versöhnung zwischen den palästinensischen Fraktionen sprechen. Ich sage hinzu, dass es ein ägyptisches Dokument gegeben hat, das wir am 15. Oktober unterschrieben haben. Die Hamas sollte das auch tun. Das Wichtigste, was dieses Dokument beinhaltet, ist, Wahlen abzuhalten, sowohl des Präsidenten als auch des Legislativrates. Wenn sich die Hamas dieser Idee fügen sollte, dann würden wir sehen, dass die Dinge in die richtigen Bahnen geführt werden und die Einheit der Palästinenser erreicht werden kann.

Zur Lage im Mittleren Osten: Die Winde des Krieges sind spürbar. Wir fürchten sie und hoffen, dass dies nie stattfinden wird. Jeder Krieg im Mittleren Osten betrifft nicht nur die Beteiligten, sondern wird sämtliche Menschen im Nahen und Mittleren Osten beeinflussen, sogar weltweit. ‑ Ich danke Ihnen noch einmal, Frau Bundeskanzlerin, für unseren Empfang und die Hilfen, die Sie uns gewähren, sowohl in Bezug auf die politische Beteiligung als auch auf die Wirtschaft und die Sicherheit.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, vorige Woche haben Sie Gespräche mit der israelischen Seite geführt. Was für einen Eindruck haben Sie gewonnen? Findet es die Bereitschaft Israels, mit dem Frieden nach vorne zu rücken, vor dem Hintergrund, dass Sie heute mit unserem Präsidenten Gespräche geführt haben?

BK'IN MERKEL: Ich glaube, dass beide Seiten wissen, dass solche Gespräche notwendig sind, weil es auch im Interesse beider Seiten, Israels und der Palästinenser, ist, zu einer solchen Zwei-Staaten-Lösung zu kommen. Jetzt geht es darum, wie man unter akzeptablen Bedingungen wieder mit solchen Gesprächen beginnen kann. Dazu sage ich in aller Vorsicht, denn das muss ‑ Präsidenten Abbas hat dazu gesagt, dass er das in der nächsten Woche entscheiden will ‑ von ihm entschieden werden: Es könnte eine gute Idee sein, solche sogenannten „proximity talks“ zu führen, bei denen sozusagen noch einmal die Ausgangsposition für direkte Gespräche verifiziert wird und wir dann vorankommen. Ich sage jedenfalls: Ich würde das sehr begrüßen. Aber das ist natürlich eine Entscheidung beider Seiten. Ich glaube, Israel steht dem positiv gegenüber, und es wäre schön, wenn auch die palästinensische Seite zu einer positiven Beurteilung kommen könnte.

FRAGE: War das Thema Gefangenenaustausch auch ein Thema? Treffen Berichte zu, nach denen der deutsche Vermittler seine Aufgabe niederlegen möchte?

BK'IN MERKEL: Wir haben über diesen Punkt heute nicht gesprochen, insbesondere nicht über den deutschen Vermittler.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, sind Fragen zu anderen Themen zulässig?

BK'IN MERKEL: Fragen wir erst einmal, ob noch Fragen zu den hier interessierenden Themen gestellt werden sollen. - Wenn ich, wie im Augenblick, keine sehe, könnten Sie auch nach einem anderen Thema fragen. Danach kommt Ihre Nachbarin dran.

ZUSATZFRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich habe gleich zwei Fragen, zum einen zu den Steuerdaten aus der Schweiz: Wie stehen Sie zum Ankauf der angebotenen Daten?

Zweitens gab es am Wochenende nach dem Vorstoß von Herrn Pinkwart und Herrn Rüttgers, was die Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen angeht, neue Unruhe in der schwarz-gelben Koalition, die sich heute fortsetzt. War dieser Vorstoß von Nordrhein-Westfalen abgestimmt, oder hatten Sie dazu mit Herrn Rüttgers Kontakt?

BK'IN MERKEL: Erstens bin ich wie jeder vernünftige Mensch dafür, dass wir Steuerhinterziehung natürlich auch ahnden. Zu diesem Zweck sollte alles versucht werden, um an diese Daten heranzukommen. Dazu müssen Gespräche geführt werden, die wirklich den Weg ebnen, vor allen Dingen auch mit den Ländern. Aber vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, in den Besitz dieser Daten kommen.

Was zweitens die Mehrwertsteuer anbelangt: Das Gesetz ist vor wenigen Monaten beschieden worden, und dieses Gesetz wird jetzt nicht geändert. Es ist ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit vielen Facetten, und es hat keinen Sinn, jetzt wieder über die einzelnen Elemente zu sprechen. Dies weiß auch die Regierung von Nordrhein-Westfalen, insbesondere der Ministerpräsident. Dass wir noch einmal über die möglichst vernünftigen Ausführungsbedingungen zwischen Bund und Ländern im Sinne von Steuerrundschreiben reden, ist möglich, aber an dem Gesetz wird nichts geändert. – Jetzt haben Sie aber mehr bekommen, als Sie bei einer Pressekonferenz mit dem palästinensischen Präsidenten erwarten können. Ich bitte noch einmal um eine Frage zur Sache!

FRAGE: (auf Englisch; wurde nicht übersetzt)

P ABBAS: Ich werde fortfahren, militärische Arbeit zu unterbinden. Wir als palästinensische Autonomiebehörde sind gegen eine militante Intifada oder irgendwelche militärischen Maßnahmen. Wir glauben an die Friedensbewegung und den Friedenswillen. Wenn Israel die Besiedlung für eine bestimmte Zeit stoppt und bereit ist, wieder auf die Grundlagen zurückzukommen, sind wir auch bereit, wieder mit ihnen zu verhandeln.

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