Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy

(Hinweis: Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

BK’IN MERKEL: Meine Damen und Herren, ich begrüße ganz herzlich den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy heute hier in Berlin.

Wir haben über unsere gemeinsame deutsch-französische Verantwortung für den Euroraum, für die Europäische Union und insbesondere für den wirtschaftlichen Wohlstand und die erfolgreiche Entwicklung der wirtschaftlichen Situation unserer Bürgerinnen und Bürger in unseren Ländern gesprochen.

Aus diesem Grunde bekräftigen wir noch einmal unsere Entschlossenheit, für die Stabilität des Euro Sorge zu tragen und die notwendigen Antworten so zu geben, das sie ihre Wirkung für einen erfolgreichen G20-Gipfel in Cannes am 3. und 4. November entfalten können. Dieser Gipfel unter französischer Präsidentschaft muss für die Weltwirtschaft ein Erfolg werden. Die Europäische Union wird ihren Beitrag dazu leisten; jedenfalls bekräftigen dies Deutschland und Frankreich.

Was heißt das?

Erstens. Wir sind entschlossen, das Nötige zu tun, um die Rekapitalisierung unserer Banken für eine vernünftige Kreditversorgung sicherzustellen, denn diese ist die Grundlage einer guten wirtschaftlichen Entwicklung.

Zweitens. Wir arbeiten eng mit der Troika, die zurzeit in Griechenland ist, zusammen. Wir erwarten ‑ wir denken, dass die Troika das auch tun wird ‑, dass sie uns ein Ergebnis vorlegen wird, aus dem sich eine dauerhafte Lösung für Griechenland als Teil des Euroraums ergibt und damit die Finanzstabilität des Euro insgesamt gesichert ist.

Drittens. Wir begrüßen, dass der EFSF-Vertrag sehr bald von allen Mitgliedstaaten der Eurogruppe unterzeichnet sein wird, was dann bedeutet, dass er in Kraft treten kann. Die Leitlinien, an denen noch gearbeitet wird, müssen so sein, dass der EFSF in Bezug auf die Aufgaben handlungsfähig ist, die wiederum dazu dienen, die Stabilität des Euro insgesamt zu erhalten. Hier werden Deutschland und Frankreich auch gemeinsame Vorschläge machen.

Deutschland und Frankreich werden weiterhin Vorschläge im Rahmen dieses von mir jetzt geschilderten Gesamtpakets machen, das eine noch engere und verbindlichere Zusammenarbeit in Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Euro-Mitgliedstaaten mit sich bringt. Dies wird auch Vertragsänderungen mit einschließen. Wir werden dies unseren Kollegen vorschlagen und dann natürlich warten, welche Reaktionen sich daraus ergeben.

Sie sehen an diesen Punkten, dass wir mit einer umfassenden Herangehensweise dafür Sorge tragen wollen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft vernünftig sein kann und dass gerade auch das Treffen aller großen Industrienationen der Welt ein starkes Europa sieht, ein Europa, das sich seiner Verantwortung bewusst ist. Dazu hat unser deutsch-französisches Treffen heute gedient.

Ich bedanke mich ganz herzlich. Ich glaube, dass wir damit einen Schritt weiterkommen werden.

P SARKOZY: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, dass ich noch einmal hier nach Berlin kommen durfte und dass ich hier empfangen wurde.

In den letzten Tagen haben wir mit der Bundeskanzlerin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr eng zusammengearbeitet. Wir sind uns der Verantwortung sehr wohl bewusst, die Deutschland und Frankreich hat, wenn es darum geht, die finanzielle Stabilität des Euro sicherzustellen. Diese Krise ist eine Finanzkrise. Sie hat viel Leid in unseren Ländern und in der gesamten Welt geschaffen. Wir müssen eine dauerhafte Antwort finden, die global angesetzt ist. Wir sind entschlossen, bis Ende des Monats eine Antwort zu finden, denn Europa muss seine Probleme bis zum G20-Gipfel in Cannes gelöst haben.

Wir haben uns mit der Bundeskanzlerin darauf geeinigt, eine dauerhafte und globale Lösung zu finden. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, Details aller Fragen anzuführen, die sich daraus ergeben. Wir werden die Grundsätze einhalten, die es einzuhalten gilt. Es wird natürlich weitere Treffen geben, so insbesondere das Treffen des Europäischen Rates und das Treffen der Eurogruppe, die noch bis Ende des Monats zusammenkommen werden. Ich möchte Ihnen sagen, dass Deutschland und Frankreich bei allen Themen eine absolut gemeinsame Position vertreten. Wir möchten, dass Europa geeint zum G20-Gipfel fährt und seine Probleme bis dahin gelöst hat.

Was Griechenland anbelangt, so stehen wir in einem engen Kontakt mit der Troika. Griechenland ist Teil der Eurozone. Wir werden Lösungen finden, die die Finanzstabilität Europas sicherstellen und die eine dauerhafte Lösung für die griechischen Probleme darstellen werden. Wir werden darauf achten, dass der EFSF voll und ganz einsatzfähig sein wird. Wir begrüßen die Tatsache, dass der Ratifizierungsprozess praktisch abgeschlossen ist.

Wir sind auch einverstanden, die Kapitalstruktur der Banken in Europa zu stärken. Auch hier sind wir einer Meinung. Wir arbeiten Hand in Hand mit den entsprechenden europäischen Stellen, was dieses Thema anbelangt.

Es ist ebenfalls klar zu sehen, dass wir unseren Partnern die Perspektive eines beschleunigten wirtschaftlichen Beitritts zur Eurozone geben müssen, in der bedeutende Änderungen enthalten sind, damit das europäische System in diesem Bereich effizienter arbeiten kann. Wir haben sehr viel daran gearbeitet. Wir sind uns voll und ganz einig, was die Vorgehensweise angeht.

Meine Damen und Herren, in den nächsten Tagen werden wir Gelegenheit haben, uns weiter dazu zu äußern. Ich möchte Ihnen sagen, dass die deutsch-französische Achse und die Entschlossenheit von Deutschland und Frankreich, eine globale und dauerhafte Antwort auf die Krise zu finden, absolut vorhanden und unerschütterlich sind.

FRAGE : Herr Staatspräsident, haben Sie sich darauf geeinigt, dass alle europäischen Banken rekapitalisiert werden? Ist dies global zu sehen? Oder muss das Bank pro Bank gesehen werden? Wird der EFSF die Banken insbesondere in Frankreich rekapitalisieren müssen? Das ist ja eine Debatte in Deutschland. Ist damit nicht das Risiko verbunden, dass man nachher Griechenland für zahlungsunfähig erklären könnte?

Frau Bundeskanzlerin, Herr Zoellick hat von der Vision von Bundeskanzler Kohl anlässlich der Wiedervereinigung vor 20 Jahren gesprochen. Er hat bedauert, dass es im Augenblick nicht genügend Visionen gibt. Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit dem Staatspräsidenten ein Paar bilden, auch seitdem Frankreich einem Angriff der Märkte ausgesetzt ist?

P SARKOZY: Der Sprecher der Bundeskanzlerin hatte eine Frage zugelassen. Sie haben acht Fragen gestellt. Wenn der deutsche Journalist, der eine Frage stellen darf, das Gleiche tut, haben wir 16 Fragen, die an uns gerichtet werden.

Im Übrigen hatte ich vorgesehen, dass wir aus Gründen, die Sie sicherlich nachvollziehen können, zunächst einmal die Grundsätze festlegen. Nicht, weil wir uns nicht einig sind ‑ wir sind uns voll und ganz einig, wir wissen genau, welchen Weg wir beschreiten wollen ‑, aber es gibt die europäischen Institutionen. Wir haben Partner. Es gibt auch die Märkte. Im Übrigen gibt es einige technische Arbeiten zu leisten, die wir jetzt in Gang bringen müssen.

Was die Rekapitalisierung der Banken anbelangt, sind wir uns mit Deutschland voll und ganz einig, was die Modalitäten und die Finalitäten anbelangt. Ich verweise auf das Treffen bezüglich der Details, die das beinhaltet, das wir zu einem Datum einberufen werden, das noch festgelegt werden wird.

Ich möchte ganz kurz etwas zu dem Aspekt der Vision sagen: Zunächst einmal sind Frau Merkel und ich diejenigen, die Entscheidungen treffen müssen. Es geht nicht darum, nur etwas vorzuschlagen, sondern wir müssen Entscheidungen in einem Krisenrahmen treffen, den bisher niemand so erfahren hat.

Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen auch sage: Weil es damals große Visionen gab und man verpasst hat, Lösungen zu finden, die nicht im Detail lagen, ist genau das der Grund, warum wir es heute mit dieser Krise zu tun haben und Probleme zu lösen haben, die viel früher hätten gelöst werden müssen. Ich möchte niemanden auf die Anklagebank setzen, wenn ich das sage. Aber es gibt nicht auf der einen Seite diejenigen, die eine Vision vor zehn Jahren hatten, und auf der anderen Seite diejenigen, die eine Krise in zehn Tagen lösen müssen.

Frau Merkel und ich sind voll und ganz davon überzeugt, dass wir am Ende der Krise die europäische Entwicklung festzurren müssen. Jeder weiß das. Wir haben uns für eine einheitliche Währung entschieden, ohne uns darüber Gedanken zu machen, wie eine Wirtschaftsregierung aussieht und ohne uns Gedanken darüber zu machen, wie die Steuer- und Wirtschaftspolitik harmonisiert werden kann. Jetzt müssen wir mitten in der Krise diesen Problemen begegnen. Wir sind entschlossen, dies zu tun.

Frau Merkel und ich sind entschlossen, unseren Partnern vorzuschlagen, wie gewisse Anpassungen im europäischen Rahmen vorgenommen werden können, damit die Stabilität der Eurozone dauerhaft garantiert wird. Dies ist das, was uns vorschwebt. Bis zum Ende des Monats werden wir gleichzeitig für diese Krisenproblematik eine Antwort finden und auch eine Vision entwickeln.

BK’IN MERKEL: Die Entscheidung für eine gemeinsame Währung war eine wegweisende Entscheidung. Deshalb wird sie von uns auch mit aller Kraft verteidigt. Aber die Entscheidung für eine gemeinsame Währung bedarf noch eines Fundaments, eines Unterbaus. Es hat sich in dieser Krise gezeigt, dass das noch nicht ausreichend geschehen ist.

Das, was an Änderungen in den letzten zehn bis zwölf Monaten schon vorgeschlagen wurde, und das, was wir weiter vorschlagen, wird im Ergebnis eine sehr viel stärkere Ausrichtung der Europäischen Union auf eine Stabilitätsunion sein. Das wird die Möglichkeit beinhalten, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt wirklich auch durchgesetzt werden kann. Das wird mehr Wachstumsmöglichkeiten für die Europäische Union beinhalten.

Ich glaube, dass man, wenn man sich das einmal geschichtlich und im Rückblick anschauen wird, erkennen wird, dass wir, gemessen an Änderungen Vertragsänderungen, die wir manchmal Jahrzehnte diskutiert haben, eine ziemliche Geschwindigkeit aufgewiesen haben und dabei Deutschland und Frankreich sehr, sehr gut zusammengearbeitet haben. Wir wissen um unsere Verantwortung. Wir sind 17 Länder im Euroraum und 27 Länder in der Europäischen Union. Manchmal ist es schwierig, in einem Land eine Entscheidung zu fällen. Wir haben das immer wieder in 27 Ländern hinbekommen. Darauf können wir, glaube ich, auch ein bisschen stolz sein.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte ganz gerne gewusst, wie diese Flexibilität und die Effektivität des EFSF aussehen sollte. Es gibt Berichte, dass es zumindest eine Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen gab, dass nämlich die deutsche Seite eine Begrenzung des Ankaufsprogramms von Staatsanleihen pro Land haben möchte.

Herr Staatspräsident, wenn Sie erlauben, möchte ich die Frage noch einmal wiederholen: Sind Sie dafür, dass, wenn Banken rekapitalisiert werden, alle Banken daran teilnehmen müssen, so in Deutschland unter anderem auch die Deutsche Bank?

BK’IN MERKEL: Ich will zu der Bankenrekapitalisierung etwas sagen: Deutschland und Frankreich sind dafür, dass gleiche Kriterien angewandt werden und solche Kriterien, die allseits akzeptiert werden, weil es uns nichts nützt ‑ wir haben schon zweimal Runden von Stresstests durchgeführt ‑, wenn diese Bedingungen nicht in die Zeit passen. Das heißt, wir werden alle dafür in Frage kommenden Autoritäten fragen ‑ wir werden uns neben der Europäischen Bankenaufsicht sicherlich auch mit dem IWF konsultieren ‑, damit das, was wir jetzt tun, nachhaltig tragfähig ist. Wir haben ein riesiges Interesse daran, dass alle Banken ihren Aufgaben wirklich nachkommen können. Dazu sind Deutschland und Frankreich absolut entschlossen.

Was Ihre erste Frage an mich anbelangt, so kann ich Ihnen sagen, dass schon die Behauptung falsch ist, dass aber ansonsten das gilt, was der französische Präsident gesagt hat, nämlich dass wir heute nicht in die Details gehen. Wir legen ein Gesamtpaket vor. Es hat gar keinen Sinn, an einer Stelle die Details aufzumachen und an anderer Stelle noch zu arbeiten. Dieses Gesamtpaket wird dann bis Ende des Monats zeigen, dass die Dinge auch gut funktionieren werden.

P SARKOZY: Ich stimme dem, was die Bundeskanzlerin gesagt hat, voll und ganz zu. Gestatten Sie mir, hier noch einmal eine Zusammenfassung vorzutragen.

Eine Rekapitalisierung der Banken werden wir durchführen. Wir werden sie mit unseren deutschen Freunden durchführen, und zwar in einem vollkommenen Einverständnis. Die Wirtschaft braucht eine Finanzierung, wenn es ein Wachstum sicherstellen soll. Keine Wirtschaft floriert, wenn es nicht stabile Banken gibt, die zuverlässig arbeiten können. Darum geht es. Was dieses Thema anbelangt, sind wir uns voll und ganz einig.

Was Griechenland anbelangt, warten wir auf den Bericht der Troika. Auch in diesem Punkt sind wir uns voll und ganz einig. Das heißt, wir werden die notwendigen Entscheidungen treffen. Was den EFSF anbelangt, gibt es zwischen uns keine Meinungsverschiedenheiten. Wir möchten, dass er effizient eingesetzt wird und operativ ist. Wir haben eine gewisse Anzahl von Vorschlägen technischer Art identifiziert, an denen wir Hand in Hand arbeiten. Wir werden dies auch bis zum Ende des Monats zeigen. Was die Integration in den Euroraum anbelangt, so werden wir auch dazu Vorschläge machen. Also eine globale, dauerhafte und schnelle Antwort bis zum Ende des Monats. Das ist das Ergebnis dieses Treffens zwischen Deutschland und Frankreich. ‑ Vielen Dank!

ZURUF: Frau Bundeskanzlerin, bitte ein Statement zu Sebastian Vettel.

BK’IN DR. MERKEL: Ich freue mich und gratuliere Sebastian Vettel ganz herzlich zu seinem großartigen Sieg.