Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK´in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr darüber, dass der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy heute bei uns zu Gast ist. Wir haben dieses Treffen vereinbart, um die nächsten internationalen Ereignisse vorzubereiten und die Arbeit in der Europäischen Union abzusprechen. Hierbei geht es vor allen Dingen um die Vorbereitung des G20-Treffens in Toronto und vorher des G8-Treffens, genauso wie um den Europäischen Rat, der bekanntlich am Donnerstag stattfindet.

Wir haben uns darauf verständigt, dass wir einen gemeinsamen Brief an die G20-Präsidentschaft, an den kanadischen Premierminister Harper, schreiben werden, um deutlich zu machen, wo unsere gemeinsamen Auffassungen für ein erfolgreiches G20-Treffen liegen. Hierbei geht es vor allen Dingen um Fortschritte bei der Regulierung. Mit dem, was seit dem ersten G20-Treffen geschafft worden ist, sind wir noch nicht zufrieden. Wir sind der Meinung, dass die Regulierung forciert vorangetrieben werden muss.

Mit dem Stand der Beratungen zu einer Bankenabgabe sind wir nicht zufrieden. Auf dem G20-Treffen muss es jetzt gelingen, sich hierzu eine gemeinsame Meinung zu bilden. Die einzelnen G20-Mitgliedsstaaten müssen natürlich unterschiedlich agieren können. Aber es muss ein grundsätzliches Bekenntnis dazu geben, dass die Bankenabgabe ein Mittel ist, um zu verhindern, dass in Zukunft wieder die Steuerzahler für Krisen von Banken eintreten müssen.

Ferner haben wir uns darüber verständigt, dass wir gemeinsam für eine internationale Finanzmarkttransaktionssteuer eintreten werden. Wir werden diese auch fordern.

Alle diese Positionen werden wir in einem gemeinsamen Brief niederlegen.

Des Weiteren haben wir uns darüber unterhalten, welche Lehren aus der Krise zu ziehen sind und wie wir der Arbeitsgruppe von Herman Van Rompuy, die auf der Ebene der Finanzminister stattfindet, Impulse geben können. Wir sind dafür, dass wir die Lehren in der Form ziehen, dass wir sagen: Wir brauchen eine Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

Wir sind uns auch einig darüber, dass wir Lehren brauchen ‑ darüber sprechen die Finanzminister im Augenblick schon ‑, wie wir innerhalb der Verträge die Stabilitätskultur stärken können.

Auch sind wir uns einig darüber, dass wir Änderungen der Verträge in Betracht ziehen müssen. Dazu werden Deutschland und Frankreich in Kürze Vorschläge unterbreiten. Ein Punkt könnte zum Beispiel sein, dass uns der Entzug des Stimmrechts für notorische Sünder im Euroraum wichtig erscheint, weil wir wirklich Verträge „mit Zähnen“ brauchen, um die Stabilitäts- und Wachstumskultur durchzusetzen.

Außerdem haben wir mit Blick auf den Europäischen Rat am Donnerstag, wo wir die Wachstumsstrategie EU2020 verabschieden wollen, über die Kooperation innerhalb der Europäischen Union gesprochen.

Ich möchte noch einmal das bekräftigen, was mir wichtig war, was uns beiden wichtig ist, nämlich dass wir in Europa ein Verständnis des Rates der 27 Staats- und Regierungschefs als eine Wirtschaftsregierung Europas brauchen. Ich glaube, das ist deshalb so wichtig, weil die 27 Staats- und Regierungschefs die Vertreter der Verträge sind, in denen es darum geht, den Binnenmarkt auszugestalten und die strukturellen Reformen nach vorne zu bringen. Deshalb brauchen wir eine starke Wirtschaftsregierung.

Wir brauchen eine stärkere Wirtschaftsregierung, als wir sie heute haben. Diese besteht ‑ dies ist mir wirklich wichtig ‑ aus den 27 Staats- und Regierungschefs. So ‑ ich sage: nur so ‑ können wir Europa mit den Schwächen, die wir heute noch haben, wieder nach vorne bringen. Europa ‑ das war damals die Vorgabe der Lissaboner Strategie ‑ soll der dynamischste Kontinent der Welt werden. Leider ist Europa heute in vielen Bereichen davon entfernt. Wir haben das Potenzial. Aber wir müssen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs in einer Wirtschaftsregierung verstärkt darüber beraten.

Wir haben darüber gesprochen, in der Krisensituation im Bedarfsfall ‑ dies haben wir schon dreimal gemacht ‑ ein Treffen der 16 Mitgliedsstaaten der Eurozone einzuberufen. Hier geht es nicht um die Schaffung neuer Institutionen, sondern es geht darum, pragmatisch und operationell handeln zu können, wenn es Probleme gibt. Bei den drei Treffen haben wir deutlich gemacht, in welcher Form wir Probleme zu lösen gedenken.

Ich glaube, dass wir damit ein klares Signal an die Handlungsfähigkeit der europäischen Institutionen geben - an die Wirtschaftsregierung genauso wie wenn es Probleme mit dem Euro gibt, wie wir es im letzten Jahr leider vielfach hatten. Dann berufen wir solche Treffen ein.

Ich habe den Eindruck, dass unsere Gespräche heute sehr hilfreich und sehr wichtig gewesen sind, gerade mit Blick auf die Initiativen für den G20-Gipfel und die Weiterentwicklung der Stabilitätskultur.

Wir alle wissen, wie wichtig es ist, dass Europa jetzt deutlich macht: Wir haben die Zeichen verstanden. Wir brauchen nicht nur gute und konsolidierte Budgets, sondern wir brauchen in der Europäischen Union auch diesen Schub, der sagt: Wir müssen unsere Strukturen verbessern. Wir müssen den Mehrwert der 27 Mitgliedsstaaten deutlich machen. - Deshalb werden wir dies in einer Wirtschaftsregierung der 27 zeigen.

Danke schön, lieber Nicolas, dass du heute hier bei uns bist. Deutschland und Frankreich haben damit gezeigt, dass wir handlungsfähig sind und dass wir die Zukunft Europas gestalten wollen.

P Sarkozy: Zunächst einmal möchte ich unseren deutschen Freunden meinen Glückwunsch zu dem beachtenswerten Erfolg der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft aussprechen. Wir freuen uns für Sie darüber. Das, was dort passiert ist, ist sogar ziemlich spektakulär gewesen.

Aber jetzt zur Sache: Deutschland und Frankreich sind mehr als je zuvor dazu entschlossen, mit einer Stimme zu sprechen und gemeinsame Initiativen zu ergreifen, um Europa die Mittel in die Hand zu geben, seine legitimen Ambitionen umsetzen zu können und die Lehren und Konsequenzen aus einer Finanzkrise zu ziehen, von der wir möchten, dass sie sich nie mehr wiederholt.

Wie es die Frau Bundeskanzlerin schon gesagt hat, haben wir beschlossen, dass wir gemeinsame Initiativen ergreifen, was den G20-Gipfel von Toronto anbelangt. Wir werden ein gemeinsames Schreiben an den kanadischen Premierminister Stephen Harper richten, um ihn zu bitten, mehr zu tun, was die Finanzregulierung betrifft, und um eine Finanzmarkttransaktionssteuer durchzusetzen, die Deutschland und Frankreich in gleichem Maße unterstützen.

Gleichzeitig möchten wir in diesem Schreiben fordern, dass eine Bankenabgabe geschaffen wird, die wir in Deutschland und Frankreich gleichzeitig umsetzen und anwenden werden.

In Toronto werden Deutschland und Frankreich zeigen, dass wir die Dinge voranbringen wollen und dass sich etwas bewegt, und zwar sehr schnell.

Was die Europäische Union anbelangt, haben wir eine gemeinsame Position bei der Nachhaltigkeit und der Stärkung des Stabilitätspakts, was die Sanktionen betrifft. Unser gemeinsamer Vorschlag ist, dass die Möglichkeit des Entzugs des Stimmrechts vorgesehen wird. Hier werden Frau Merkel und ich Hermann Van Rompuy gemeinsame Vorschläge unterbreiten, auch was die Wachstumsstrategie anbelangt. Beim Europäischen Rat am kommenden Donnerstag werden wir, Frau Merkel und ich, Herrn Barroso das Gleiche sagen, was die Wachstumsstrategie anbelangt.

Schließlich und endlich möchte ich sagen: Ich bin voll und ganz einverstanden und freue mich darüber, dass ich aus dem Mund der Bundeskanzlerin höre, dass es notwendig ist, die Wirtschaftsregierung Europas zu stärken. Hier geht es um Zusammenhalt. In meinen Augen ist es sehr wichtig, dass dies so gesehen wird. Natürlich erfolgt diese Wirtschaftsregierung im Rahmen des Europäischen Rats der 27. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die 16 Staats- und Regierungschefs im Bedarfsfall zusammenkommen können, um Themen zu diskutieren, die die Eurozone anbelangen.

Ich bin wie Frau Merkel davon überzeugt, dass die Lösung für die Probleme Europas nicht in der Schaffung neuer Institutionen liegt, sondern in der Möglichkeit, Treffen operationell und pragmatisch sehr schnell einzuberufen. Wir haben in der Krise gesehen, dass die Märkte und die Spekulanten in einer Millionstel Sekunde auf Verfahren reagieren können, die operationeller und pragmatischer gestaltet werden müssen, also eine Wirtschaftsregierung der 27. Im Bedarfsfall brauchen wir Treffen zu Europroblemen in der Eurozone.

Ich glaube, es war sehr wichtig, dass Deutschland und Frankreich ein weiteres Mal eine gemeinsame Vision teilen. Das haben wir getan.

Ich danke Angela für diese Einladung, die wir mit einem Abendessen fortsetzen werden.

Frage: Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin, zunächst einmal möchte ich von Ihnen einen Kommentar zu Spanien haben, das gesagt hat, dass es Probleme hat, sich im Ausland zu refinanzieren. Besteht hier ein europäischer Eingriffsplan, wenn das, was die Spanier machen, nicht ausreicht? Ich möchte wissen, ob Sie in den Gesprächen und den Vorschlägen, die Sie machen werden, die Restrukturierung eines Landes der Eurozone, das in Schwierigkeiten gerät, beabsichtigen.

Herr Sarkozy, Sie hatten gesagt, es solle ‑ entgegen dem, was es damals an Gerüchten gegeben hat ‑ kein Sekretariat der Eurogruppe geben.

BK´in Merkel: Bezüglich Spanien ist die wichtige Nachricht, dass wir einen Rettungsschirm für den gesamten Euroraum gespannt haben. Er ist jetzt in den wichtigen Ländern verabschiedet worden. Insofern ist das eine wichtige Botschaft an die Märkte.

Wenn es Probleme geben sollte ‑ ich finde, wir sollten sie nicht herbeireden ‑, dann kann dieser Schirm jederzeit aktiviert werden. Die Konditionen sind klar. Insoweit brauchen wir wohl keine Sorge zu haben. Der Gegenstand unserer Treffen war, dass wir gesagt haben, wir brauchen einen solchen Schirm. Spanien ‑ oder welches Land auch immer ‑ weiß, dass es diesen Schirm in Anspruch nehmen kann, wenn es notwendig ist.

Wir alle haben ein Interesse daran, die Dinge nicht herbeizureden, die jetzt gerüchtemäßig da sind. Ich habe kein Interesse daran, dass es zum Schluss sich selbst erfüllende Prophezeiungen gibt. Deshalb beteilige ich mich jetzt nicht an Spekulationen.

P Sarkozy: Was Spanien anbelangt, stimme ich dem, was die Bundeskanzlerin gerade gesagt hat, voll und ganz zu. Frau Merkel und ich haben intensiv darüber diskutiert, welche Erkenntnisse wir aus der Krise haben, die wir durchlebt haben.

Jeder weiß, dass eine Wirtschaftsregierung Europas notwendig ist, um den wirtschaftlichen Zusammenhalt in Europa zu stärken. Diese Regierung erfolgt natürlich mit den 27 Mitgliedsstaaten; denn die Europäische Union hat 27 Mitgliedsstaaten.

Wir haben auch beschlossen, pragmatisch vorzugehen; denn innerhalb der 27 Mitgliedsstaaten gibt es 16 Länder mit derselben Währung.

Im Bedarfsfall und wenn es um Probleme der Eurozone geht, behalten wir uns die Möglichkeit vor, die 16 Länder zu einem Treffen einzuberufen.

Zum Sekretariat: Jeder kann natürlich gewisse Vorstellungen haben. Frau Merkel und ich haben eines gemeinsam, nämlich dass wir operationell vorgehen müssen. Dank dem Vorsitz von Frau Merkel haben wir es geschafft, den Lissabon-Vertrag zu gestalten. Auch Sócrates hat eine gewisse Rolle gespielt. Auch ich habe etwas unterstützend mitgearbeitet.

Was haben Frau Merkel und ich gesagt? - Wir haben gesagt, dass Lissabon die letzte Etappe der institutionellen Reformen ist. Danach müssen wir uns operationell und pragmatisch orientieren. Das ist der Kompromiss, den wir gemeinsam gefunden haben. Ich glaube, dass das ein guter Kompromiss ist.

Es könnten noch weitere Änderungen eintreten. Ich habe mit Frau Merkel darüber gesprochen. Hier geht es zum Beispiel um die Frage der Sanktionen. Unsere Mitarbeiter und wir selbst haben darüber gesprochen. Wir sind der Ansicht, der Arbeitsgruppe von Herrn Van Rompuy Sanktionen vorzuschlagen, dass das Stimmrecht aufgehoben wird. Manche sagen, davor müsse der Vertrag geändert werden, und dann wird das geprüft. Andere sagen, dass die Verträge nicht geändert werden müssen. Dann werden wir es eben nicht tun.

Wir haben beschlossen, pragmatisch und operationell vorzugehen. Wir möchten zeigen, dass Europa reagiert und proaktiv ist, wenn es notwendig ist, und dass wir keine rein theoretischen Debatten führen, die nichts bringen.

Der natürliche Raum für die Wirtschaftsregierung ist der Raum der 27 Mitgliedsstaaten. Aber wenn es in der Eurozone ein Problem gibt, dann treffen wir uns auch auf der Ebene der 16 Länder.

Wir beide sind übereingekommen, dass wir die europäischen Systeme nicht noch erschweren müssen, indem wir Institutionen hinzufügen, sondern dass wir pragmatisch vorgehen. Ich glaube, wir haben jeweils einen Schritt auf den anderen zugetan. Das gesamte Europa wartet nur darauf, dass sich Deutschland und Frankreich einigen, um die Lehren aus der Krise zu ziehen, die Europa und die Welt durchlebt haben. Das ist das Ergebnis, zu dem wir gelangt sind.

BK´in Merkel: Wenn ich das vielleicht auch noch einmal aus meiner Sicht sagen darf: Wir haben doch die Situation, in der wir spüren, dass es nicht nur um Schwächen einzelner Länder geht, sondern dass erwartet wird, dass sich Europa auch strukturell erneuert. Deshalb war mein Ansatz ‑ das ist unser gemeinsamer Ansatz ‑, dass wir innerhalb der 27 besser kooperieren müssen. Frankreich hat den Begriff der Wirtschaftsregierung geprägt, und ich habe ihn gerne übernommen, um zu sagen: Mit den 27 ‑ damit es keine Spaltung im Binnenmarkt gibt ‑ wollen wir diese Wirtschaftsregierung schaffen.

Nun haben wir im letzten Jahr gesehen, dass wir uns dreimal getroffen haben ‑ leider in nicht sehr günstigen Zusammenhängen ‑ und auch in der Eurogruppe etwas zu diskutieren hatten. Das heißt: Es geht nicht um neue Institutionen, aber im Bedarfsfall muss man natürlich flexibel sein und die Dinge, wie der französische Präsident es gesagt hat, pragmatisch lösen. Die große Arbeit findet in der EU der 27 statt, und im Bedarfsfall findet das Treffen statt. So haben wir jetzt einen wichtigen Punkt miteinander verabredet, hinsichtlich dessen ich glaube, dass es ganz wichtig ist, das Signal an Europa zu geben, dass wir nicht etwas spalten wollen und dass wir nicht Mitglieder erster und zweiter Klasse haben, aber dass es eben im Bedarfsfall besondere Probleme geben kann.

Frage: Herr Präsident, in dem Buch über Ihren Präsidentschaftswahlkampf zitiert Sie die Schriftstellerin Yasmina Reza mit den Worten, dass Sie sich in Berlin terrorisiert fühlten. Ist das immer noch so, oder hat sich das geändert?

P Sarkozy: Sehe ich aus, als ob ich terrorisiert werden würde? Also bitte, ich sage Ihnen: Ich komme immer mit großer Freude nach Deutschland. Ich möchte sogar weiter gehen: Ganz persönlich bewundere ich den Erfolg der deutschen Unternehmen. Ich weiß, welche Anstrengungen meine deutschen Freunde unternommen haben, und ich schätze dies. Sie haben nie aus meinem Munde ein Wort gehört, das dies infrage stellt. Ich kann sogar noch weiter gehen und Ihnen sagen: Als ich den Präsidentschaftswahlkampf betrieben habe, habe ich den Franzosen erklärt, dass wir mehr arbeiten müssen. Ich habe dabei an das gedacht, was unsere deutschen Freunde tun. Es ist also immer wieder eine Freude für mich, nach Deutschland zu kommen und mit Frau Merkel zu diskutieren.

Ich glaube, dass diejenigen, die uns von außen betrachten, nicht genau verstanden haben, wie wir funktionieren. Wir sind beide sehr offen. Wir haben Überzeugungen und erfreuen uns daran, zu debattieren und über diese Überzeugungen zu sprechen. Wir haben vielleicht keine scheinheilige Tradition. Wir gehen den Problemen nicht aus dem Weg ‑ Frau Merkel nicht und ich auch nicht ‑, wenn ich einmal betrachte, was wir in drei Jahren alles gemeinsam erreicht und was wir schon an Bewährungsproben bestanden haben. Dies haben wir immer gemeinsam getan. Das heißt nicht, dass wir uns immer sofort und spontan geeinigt hätten. Wir haben heftigst diskutiert. Frau Merkel mag es gerne, wenn man sie überzeugt, und ich auch. Wir haben eines festgestellt, nämlich dass wir, wenn wir gemeinsam gehandelt und wenn wir die Stärke der beiden Länder Deutschland und Frankreich zusammengelegt haben, immer den Sieg davongetragen haben. Vielleicht sollte ich Yasmina Reza einmal zu einem solchen Treffen einladen.

BK´in Merkel: Ich würde sagen: Da es sich um ein Buch aus dem Präsidentschaftswahlkampf gehandelt hat, hat es sich auf jeden Fall allein schon aus diesem Aspekt heraus gelohnt, dass Nicolas Sarkozy Präsident der Französischen Republik geworden ist, denn seitdem braucht er sich nicht mehr terrorisiert zu fühlen.

Frage: Die Bundeskanzlerin sprach von der Notwendigkeit sanierter Haushalte. Sie, Herr Präsident, sprachen von Offenheit. Ist das Sparprogramm der deutschen Regierung für Sie etwas Beunruhigendes? Gibt Ihnen das französische Programm, Frau Bundeskanzlerin, eine gewisse Sicherheit und beruhigt es Sie?

BK´in Merkel: Wir haben uns natürlich über die jeweiligen Vorhaben ausgetauscht. Ich glaube, dass wir einen richtigen Schritt gemacht haben, dass aber auch Frankreich in dieser Frage der Haushaltskonsolidierung oder der Stabilität wichtige Schritte vorhat.

Wir tun dies aus Überzeugung, weil wir glauben, dass gerade Deutschland ‑ ein Land, das einem sehr starken demographischen Wandel unterworfen ist ‑ für die Zukunft vorsorgen muss. Wir brauchen Strukturen unserer Haushalte, bei denen wir nicht mehr über unsere Verhältnisse leben, weil ansonsten die Spielräume für zukünftige Generationen immer kleiner werden.

Ich sage Ihnen auch ganz offen: Deutschland hat ein Bruttoinlandsprodukt in Höhe von deutlich mehr als 2 Billionen Euro. Wenn wir strukturell auf der föderalen Ebene 10 Milliarden Euro einsparen, dann muss nun wirklich niemand denken, dass wir damit das Wachstum in Deutschland abwürgen, es beenden oder Ähnliches tun. Ich bin im Gegenteil sogar zutiefst davon überzeugt: Wenn die Menschen in Deutschland den Eindruck haben, dass wir für eine stabile Währung arbeiten und dass wir dafür arbeiten, dass wir ausgeglichene Haushalte haben, dann werden sie eher ihr Geld, das sie gespart haben, ausgeben, weil sie auf die Zukunft vertrauen, als wenn wir auf Pump leben und genau das nicht tun. Das ist unsere Überzeugung, und ich denke, diesbezüglich gibt es auch ein hohes Maß an Übereinstimmung.

P Sarkozy: (wurde aufgrund technischer Probleme nicht übersetzt)

BK´in Merkel: Irgendwie haben wir jetzt ein Übersetzungsproblem. Aber die meisten, die hier sind, scheinen gut Französisch zu sprechen; denn es gab sozusagen gar keine Revolte bei den Ausführungen.

Frage: Herr Präsident, Sie haben ja von der europäischen Wirtschaftsregierung gesprochen. Bedeutet das eigentlich auf lange Sicht auch Transferleistungen zwischen ärmeren und reicheren europäischen Ländern?

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben jetzt sicherlich ein harmonisches Treffen gehabt, aber zuhause ist es nicht ganz so harmonisch. Es wird immer wieder gefordert, dass Sie ein Machtwort sprechen sollen. Steht die Koalition vor dem Ende?

P Sarkozy: Wie die Bundeskanzlerin gesagt hat, geht es bei der Wirtschaftspolitik darum, eine Wachstumsstrategie zu entwickeln, und darum, dass dieses Modell auch für die restliche Welt gelten kann. Es geht darum, eine Kohärenz in der Finanz‑, der Haushalts- und Wirtschaftspolitik der 27 Länder zu finden, und darum, dass wir gemeinsam in die gleiche Richtung marschieren.

BK´in Merkel: Es gab doch in Europa schon immer dem Gedanken der Solidarität. Ansonsten würde es keine Europäischen Strukturfonds geben und ansonsten würde es keine Nettozahler und keine Empfängerländer in der Europäischen Union geben. Das heißt, diesbezüglich ist das Prinzip der Solidarität in den Verträgen verankert. Was es nicht geben kann, ist ein Heraus-Kaufen von Ländern in finanziellen Schwierigkeiten. Genau nach diesem Prinzip haben wir auch unsere Rettungspakete geschnürt, und daran ändert sich nichts.

Zum Zweiten: Die Koalition kennt ihre Aufgabe. Wir werden morgen zum Beispiel im Koalitionsausschuss darüber sprechen, wie wir unser Konsolidierungs- und Sparpaket im Einzelnen umsetzen. Diese Arbeit haben wir weiterzumachen. Ich will vielleicht noch einmal auf Folgendes hinweisen: Wir leben im Moment in einer ziemlich existenziellen Phase, in der es auch um die Zukunft Europas geht. Die deutsche Koalition kennt hierbei ihre Aufgabe, aber man kennt sie auch zwischen Deutschland und Frankreich. Das ist das, was wichtig ist. Das ist auch das Signal, das die Welt braucht: Europa ist sich seiner Kraft bewusst und wird dort, wo es Schwächen hat, nach vorne blicken. Jedes einzelne Land ‑ so auch Deutschland ‑ wird seinen Beitrag dazu leisten.