Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy beim Europäischen Rat

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK'IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, wir haben jetzt den Europäischen Rat abgeschlossen, das heißt, die Versammlung der 27 Staats- und Regierungschefs. Wir haben uns heute ganz turnusgemäß mit der Wachstumsstrategie beschäftigt. Ich will noch einmal hervorheben: Alles, was wir an Haushaltskonsolidierung unternehmen, alles, was wir an Stabilisierung des Euro mit Blick auf die Überwindung der Schuldenkrise des Euro unternehmen, ist eng verbunden mit der Frage, wie Europa in der Lage ist, Wirtschaftswachstum zu generieren und daraus Jobs und Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb waren die Themen Jugendarbeitslosigkeit, Forschungsfreundlichkeit und Innovation heute wichtige Themen, mit denen wir uns beschäftigt haben.

Wir haben jetzt beim Mittagessen mit den 27 darüber gesprochen, was am Mittwoch zur Entscheidung steht. Wir werden das Ganze jetzt fortsetzen mit einem Treffen der 17 Euro-Mitgliedstaaten, um den Mittwoch und seine Entscheidungen vorzubereiten. Entscheidungen werden heute in der Gruppe der Euro-17 nicht gefällt, aber es werden natürlich wichtige Vorbereitungen getroffen.

Ich bin sehr zufrieden, dass wir am Wochenende beim Treffen der Finanzminister Fortschritte erzielt haben. Was die Rekapitalisierung der Banken betrifft, so haben die Entwicklungen gezeigt, dass sich die Finanzminister weitestgehend geeinigt haben ‑ sehr klar auch auf der Basis der Vorschläge der Europäischen Bankenaufsicht. Das alles wird im Zusammenhang beschlossen werden, deshalb gibt es auch noch ein Ecofin-Treffen am Mittwoch. Hier gibt es aber eine große Einigkeit.

Jetzt ist es wichtig, die notwendigen Entscheidungen vorzubereiten, die dann noch im Raume stehen. Das bedeutet erstens, dass es um einen Ausbau des EFSF geht, und zwar dahingehend, dass er den Anforderungen gerecht wird, die Euro-Mitgliedstaaten zu schützen, und zweitens, dass an einem neuen Griechenland-Programm gearbeitet wird.

Außerdem haben wir beim Mittagessen ‑ das werden wir in der Eurogruppe noch einmal vertiefen ‑ darüber gesprochen, wie wir auch in Zukunft die Haushaltsdisziplin strenger fassen können. Wir haben diesbezüglich ausdrücklich gesagt, dass Vertragsänderungen nicht ausgeschlossen werden können. Herman Van Rompuy wird dem Rat der 27 dazu berichten.

Ich glaube, wir werden in den kommenden Stunden auch noch darüber sprechen, wie die einzelnen Euro-Mitgliedstaaten ihren Reformweg weitergehen; denn Vertrauen wird nicht allein durch einen hohen Schutzwall entstehen, Vertrauen wird nicht allein durch ein neues Griechenland-Programm entstehen, sondern Vertrauen wird nur entstehen, wenn jeder seine Hausaufgaben macht.

Ich möchte noch einmal betonen ‑ deshalb stehen wir beide hier auch gemeinsam ‑: Es gab eine Vielzahl von technischen Vorarbeiten, die einfach bis heute nicht fertig waren und die auch heute nicht fertig sind. Deshalb war es notwendig, auf Mittwoch sozusagen eine zweite Stufe dieses Rates im Sinne des Treffens der Euro-Mitgliedstaaten zu legen. Diese technischen Arbeiten sind jetzt mit großem Nachdruck in Gang gekommen. Ich glaube, dazu haben Deutschland und Frankreich auch einen erheblichen Beitrag geleistet. Wir werden Sorge dafür tragen, dass die Entscheidungen, so wie sie zu fällen sind, am Mittwoch auch wirklich gefällt werden können. Das muss mit Sorgfalt geschehen, das muss auch wirklich mit Akkuratesse im Detail geschehen, und das muss gleichzeitig mit großer Entschiedenheit geschehen; denn der Euro ist unsere gemeinsame Währung, er ist unser Wohlstand, er ist integraler Bestandteil Europas. Deshalb sind wir uns unserer Verantwortung hier außerordentlich bewusst.

P SARKOZY: Vielen Dank, Angela. ‑ Wenn die Bundeskanzlerin Merkel und ich so viel Zeit damit verbringen, uns gemeinsam zu treffen, an Sitzungen teilzunehmen, zu telefonieren und mit unseren Partnern zu sprechen, dann tun wir das, weil es in dieser Finanzkrise, mit der der Euro im Augenblick konfrontiert ist und die es so noch nie gegeben hat, absolut wichtig ist, dass Deutschland und Frankreich mit einer Stimme sprechen und den Willen bekräftigen, die gleiche Politik zu betreiben. Dies ist wirklich die Grundlage für alles weitere. Die Entschlossenheit der Bundeskanzlerin und auch meine ist hundertprozentig vorhanden, denn wir wollen zu allen Themen, mit denen wir es zu tun haben, gemeinsame Antworten ‑ sehr ehrgeizige und dauerhafte Antworten ‑ finden.

Ich möchte hinzufügen, dass die Themen vom Technischen her gesehen von einer beachtlichen Komplexität sind. Sie sind deshalb komplex, weil sehr viel Geld damit verbunden ist. Sie sind komplex, weil andere Partner mit ins Boot genommen werden und mitmachen müssen; wir müssen uns ja auch noch mit dem Privatsektor auf einer freiwilligen Basis einigen. Sie sind auch deshalb komplex, weil es um die 17 Länder der Eurozone geht. Sie sind ebenfalls komplex, weil alle Institutionen ‑ die EZB, die unabhängig ist, die Kommission, der IWF ‑, die Ratspräsidentschaft und alle Staaten der Eurozone den gleichen Willen bekräftigen und zeigen müssen.

Es hat es Stunden und Stunden Diskussionen gegeben. Die Arbeiten schreiten gut voran, was die Banken und was den EFSF anbelangt. Was die Möglichkeiten, diese Fazilität einzusetzen, anbelangt, so werden die Hypothesen immer klarer und es zeichnet sich eine ziemlich breite Einigung ab.

Was die Frage Griechenlands anbelangt, so machen wir auch da Fortschritte. Wir sind noch nicht am Ende unserer Bemühungen angelangt; es bleibt noch Zeit bis Mittwoch. Wir müssen aber auch sehen, dass alle Entscheidungen gleichzeitig getroffen werden. Gemeinsam mit der Bundeskanzlerin haben wir mit dem italienischen Ministerpräsidenten gesprochen. Wir werden auch mit dem griechischen Premierminister sprechen; denn es gilt, eine Gesamtheit von Maßnahmen zu treffen. Die betroffenen Länder müssen sich aber auch der Tatsache bewusst sein, welche Verantwortung sie dabei tragen und welche neuen Entscheidungen sie dabei treffen müssen.

Das, meine Damen und Herren, war das, mit dem wir uns bisher befasst haben. Wir haben noch viele Stunden an Diskussionen und Debatten vor uns. Wir sind uns aber der besonderen Verantwortung bewusst, die auf den Schultern Deutschlands und Frankreichs ruht. Wir haben den Willen, dass Mittwoch eine Einigung erzielt wird, die die Finanzkrise beschwichtigt. Das wird es uns erlauben, gemeinsam mit Deutschland das G20-Treffen vorzubereiten, auf dem weitere Entscheidungen getroffen werden müssen, um die Globalisierung auf den Weg zu bringen und um weltweit wieder auf den Weg des Wachstums zu gelangen.

FRAGE: Eine Frage an Sie beide: Es ist jetzt zwei Jahre her, dass Sie die Führung übernommen haben, um die Eurokrise in den Griff zu bekommen. Seit zwei Jahren sagen Sie immer wieder, dass Sie gemeinsame Antworten finden werden, die sehr ehrgeizig und dauerhafter Natur sind, aber jedes Mal scheitern Sie, jedes Mal wird die Krise noch schlimmer. Irland, Portugal, Spanien, Italien ‑ wie kann man Ihnen heute noch glauben, wenn Sie uns jetzt verkünden, dass Sie Lösungen für die Krise finden werden?

P SARKOZY: Ich gestatte mir zu sagen, dass hier ein absoluter Dissens zu dem, was Sie gerade gesagt haben, besteht. Ich sage auch, dass das, von einem Beobachter kommend, gegenüber denjenigen, die hier die Akteure sind und die Pflicht haben, etwas zu tun, provozierend ist. Es ist viel leichter, etwas zu kommentieren, als zu handeln. Sie sind nicht der erste, der so etwas in einer solchen Situation sagt. Ich kann es aber nicht zulassen, dass Sie sagen, wir seien gescheitert.

Irland war ein Land, das am Rand des Bankrotts stand, als die Krise von 2008 eintrat. Irland steht heute als ein Land da, das auf dem Weg aus dieser Krise heraus ist. Dies ist ein Punkt, den man nicht bestreiten kann. Was Portugal anbelangt, so ist es dank der Bemühungen der portugiesischen Regierung gelungen, dass es in Portugal wieder in die richtige Richtung geht. Was Spanien anbelangt, so hat auch die Regierung von Zapatero eine riesige Anstrengung unternommen, und aufgrund der Verantwortlichkeit, die die Opposition von Herrn Mariano Rajoy an den Tag gelegt hat, ist es so, dass Spanien bei den Problemen nicht mehr an vorderster Front steht. Dies sind drei Länder, denen Europa Lösungen vorgeschlagen hat, die glaubwürdiger Natur sind.

Ich möchte hinzufügen, dass die Krise von 2008 durch das provoziert wurde, was in den USA mit Lehman Brothers geschah. Europa hat dann vorgeschlagen, (darüber im Rahmen der) G20 (zu diskutieren). All das, was wir dann im Zusammenhang mit Basel III, der Bekämpfung der Steuerparadiese und der Regulierung der Finanzmärkte getan haben, hat es ermöglicht, eine Antwort auf die Krise von 2008 zu finden.

Wir haben es mit einer neuen Krise zu tun. Wie sieht diese Krise aus? Ich danke Ihnen, dass Sie uns unterstellen, dass wir die Schuld aller anderen Länder, die sich seit 30 Jahren angehäuft haben, auch auf unseren Schultern tragen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Frau Bundeskanzlerin Merkel und ich damals schon Verantwortung trugen, als all diese Länder beschlossen haben, Schulden zu machen. Auch in dem Augenblick, als man in Europa beschlossen hat, Länder in die Eurozone aufzunehmen, die keinen der damals gültigen Kriterien entsprochen haben, haben wir noch keine Verantwortung getragen. Ich möchte hinzufügen, dass ich auch nicht der Ansicht bin, dass Frau Merkel und ich diejenigen wären, die Verantwortung dafür tragen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht mehr so streng gehandhabt wird. Wir haben die Konsequenzen derjenigen zu tragen, die eine gewisse Anzahl von Ländern hineingeholt haben, die nicht bereit waren, die Kriterien zu erfüllen, und die hinsichtlich des Stabilitäts- und Wachstumspakt nachlässig bei der Disziplin gewesen sind.

Letzter Punkt: Frau Merkel ist verantwortlich für Deutschland, ich bin verantwortlich für Frankreich. Heute müssen wir Entscheidungen für Länder treffen, für die wir nicht gewählt worden sind. Jeder versteht natürlich, dass dies auch demokratische Probleme aufwirft. Ich möchte damit sagen, dass es hier nicht nur technische und finanzielle Probleme gibt. Es gibt auch Länder, in denen sehr viel Leid entstanden ist, in denen es Demonstrationen gibt und in denen es soziale Probleme gibt. Unser Mandat ist nicht, diese Länder zu verwalten, aber wir werden gebeten, uns auch da zu bemühen.

Statt also das zu sagen, was Sie gesagt haben, hätten Sie vielleicht auch fragen können: Wo ständen wir denn heute, wenn Deutschland und Frankreich nicht zu ihrer Verantwortung gestanden hätten?

BK'IN DR. MERKEL: Ich glaube, dass man eines sehen muss ‑ der französische Präsident hat das eben schon gesagt ‑: Wir bekämpfen Dinge, die teilweise vor Jahrzehnten entstanden sind. Wir haben es nicht nur mit einer Krise unserer Währung zu tun, sondern wir haben es mit einer Verschuldungskrise zu tun. Deshalb wird das, was am Mittwoch entschieden wird, auch nicht der letzte Schritt sein, den wir tun müssen. Deshalb sprechen wir zum Beispiel, wenn wir über die Zukunft sprechen, darüber, dass wir unsere Kontrollmechanismen in der Eurogruppe wahrscheinlich noch stärken müssen. Darüber gibt es eine ganz gemeinsame Haltung zwischen Deutschland und Frankreich. Deshalb werden es viele Schritte sein, die wir gehen müssen, aber in der aktuellen Situation müssen wir am Mittwoch ganz bestimmte Schritte gehen, die zueinander gehören und die sich ergänzen.

Eine Bankenrekapitalisierung alleine macht keinen Sinn, sondern es muss gleichzeitig geschaut werden, dass die Probleme von Griechenland langfristig auch wirklich auf eine realistische Basis gestellt und gelöst werden. Um das zu schaffen, muss man in der Eurozone wiederum auch den Schutz aller anderen Länder vorbereiten. Diese Dinge gehören zusammen, und an diesen Beschlüssen arbeiten wir. Sie sind zwingend notwendig, aber es sind auch nicht die letzten, die wir auf dem Weg zur Überwindung der Verschuldungskrise gehen werden. Wenn wir nicht zu Wachstum kommen, wenn wir nicht zu mehr Fiskaldisziplin kommen, wenn wir die Sünden der Vergangenheit wiederholen würden, dann würden wir die Krise nicht bewerkstelligen.

Insofern ist das ein Prozess, der vor vielen Jahren entstanden ist, wo immer wieder versucht wurde, eine gemeinsame Währung zu haben und doch nicht die gemeinsame Disziplin an den Tag zu legen. Deshalb ist es so, dass wir jetzt wir schmerzhaft lernen müssen, aber auch solidarisch lernen wollen, dass wir in der Zukunft anders wirtschaften werden. Das ist die Gemeinsamkeit, an der wir arbeiten. Im Übrigen kann uns unter all den Experten, die es gibt, kaum einer ganz genau sagen ‑ weil wir Neuland betreten und weil es so etwas in einer Währungsunion mit dem Charakter der Eurozone noch nicht gegeben hat ‑, welcher Schritt nun zu hundert Prozent immer der ganz richtige ist. Wir sind politisch verantwortlich, und zwar nicht nur dafür, etwas mutig zu tun, sondern auch dafür, am nächsten Tag auch die Folgen abschätzen zu können. Deshalb können wir uns zum Teil auch nur schrittweise voranbewegen, denn wir müssen auch immer wieder lernen, wie der nächste verantwortbare Schritt aussieht.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, zum Präsident, zum Thema Griechenland: Die Verhandlungen mit den Banken über einen zusätzlichen privaten Beitrag sind ja bereits angelaufen. Ist es, wenn diese Verhandlungen ergebnislos enden, vorstellbar, dass es einen staatlich angeordneten Schuldenschnitt ‑ gleich, welcher Art ‑ gibt?

Zweite Frage: Wird es am Donnerstag noch einen EU-Gipfel geben, der die Ergebnisse des Eurogipfels in irgendeiner Weise bestätigt?

BK'IN DR. MERKEL: Es wird am Mittwoch ‑ um 18 Uhr, glaube ich ‑ einen relativ  kurzen Gipfel der EU-27 geben, auf dem wir über die Situation beraten und auf dem wir auch noch einmal über die Bankenkapitalisierung, die ja alle 27 betrifft, diskutieren. Danach wird die Eurogruppe länger tagen, und wir werden unsere Kollegen, die nicht dem Eurogebiet angehören, dann sofort informieren; denn wir wollen natürlich, dass wir als Europäer insgesamt ein starkes Signal aussenden, auch wenn die eigentlichen Entscheidungen, um die es geht, von den Mitgliedstaaten des Euroraums gefällt werden müssen.

Was die Verhandlungen mit den Banken anbelangt, so haben diese ‑ Sie haben es selbst gesagt ‑ gerade begonnen. Deshalb ist es völlig ausgeschlossen, dass wir irgendwelche Spekulationen über irgendetwas anstellen. Wir wollen diese Verhandlungen so führen, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis kommen können, das auch deutlich macht, dass die Schuldentragfähigkeit Griechenlands auf Dauer gegeben ist.

P SARKOZY: Ich stimme dem, was die Frau Bundeskanzlerin gerade gesagt hat, natürlich voll und ganz zu. Was die Banken anbelangt, möchte ich sagen: Jeder ‑ damit meine ich in den anstehenden Diskussionen die Staats- und Regierungschefs und den privaten Sektor ‑ muss seine Verantwortung tragen und übernehmen. Jeder will das auch tun, um zu verhindern, dass die Katastrophe eintritt.

Gestatten Sie mir zu sagen, dass die Bundeskanzlerin und ich all unsere Partner in Europa daran erinnert haben, dass wir uns zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer bekennen. Dies ist eine Verpflichtung, die wir beide eingegangen sind und an der wir sehr stark festhalten. Es gibt nun einen Vorschlag der Kommission. Der gesamte Finanzsektor muss reguliert werden und muss auch dazu angehalten werden, zu seiner Verantwortung zu stehen und seine Verantwortung zu tragen; denn wir sind da, wo wir jetzt sind, weil es zu viele Schulden gibt, aber auch, weil es bisher ein Finanzsystem gegeben hat, das keinen Regeln und keinen Vorschriften folgt. Diese Welt muss endgültig zu Ende sein und wir müssen eine neue Seite aufschlagen. Das heißt, wir müssen eine Regulierung finden, die es ermöglicht, zu verhindern, dass die gleichen (Handlungen) wieder die gleichen Effekte zeitigen.

Natürlich werden diese Diskussionen im Rahmen der G20 fortgeführt; denn wir haben ein Problem mit Europa, aber auch mit der Welt. Wir werden unsere Partner sicherlich bitten, uns zu helfen und uns nicht zu sehr zu kritisieren; denn jeder Raum in der Welt hat seine eigenen Probleme. Man muss sich also darauf konzentrieren, diese Probleme zu lösen, ohne immer nur die anderen zu kritisieren.

BK'IN DR. MERKEL: Ich unterstütze ausdrücklich die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, so wie der französische Präsident das eben gesagt hat.

P SARKOZY: Das ist eine moralische Verpflichtung, politisch, aber auch wirtschaftlich gesehen.

FRAGE: Was haben Sie Herrn Berlusconi genau gesagt? Ist er Verpflichtungen zu neuen Reformen in Italien eingegangen? Sind Sie jetzt beruhigt, nachdem Sie mit ihm gesprochen haben, obwohl Italien immer mehr im Blickpunkt der Ratingagenturen steht?

P SARKOZY: Wir waren gemeinsam bei diesem Treffen anwesend. Wir setzen voll auf das Verantwortungsbewusstsein der politisch Verantwortlichen in Italien, und zwar sowohl im finanziellen als auch im wirtschaftlichen Bereich.

BK'IN DR. MERKEL: Wir haben sehr deutlich gemacht, dass Italien ein großer und wichtiger Partner für den Euroraum ist und dass alles darangesetzt werden muss, der Verantwortung in diesem Sinne gerecht zu werden. Ich glaube, dass wir das auch als ein Gespräch unter Freunden verstehen können. Ich hoffe, dass die notwendigen Maßnahmen auch getroffen werden; denn Vertrauen wird allein durch einen Schutzwall nicht entstehen, sondern Vertrauen bedarf auch immer einer klaren Perspektive. Italien hat eine große wirtschaftliche Stärke, aber Italien hat eben auch einen sehr hohen Gesamtverschuldungsstand. Dieser muss in den nächsten Jahren glaubwürdig abgebaut werden. Ich glaube, das ist die Erwartung an Italien.

P SARKOZY: Es geht überhaupt nicht darum, auf die Solidarität der Partner zu hoffen oder zu setzen, wenn diejenigen, denen man zur Hilfe kommen möchte, nicht auch selbst die notwendigen Bemühungen unternehmen, damit die Antwort eine globale Antwort ist und damit die Lösung auch dahingehend gestaltet wird, dass wir Entscheidungen treffen können.

FRAGE: Sie haben beide von Fortschritten auch in den Diskussionen über den EFSF gesprochen. Ich wüsste gerne, ob die Optionen, die Europäische Zentralbank für die Stärkung des EFSF zu nutzen, nun vom Tisch ist oder weiter diskutiert wird, und über wie viele und welche Modelle Sie jetzt eigentlich noch reden.

BK'IN DR. MERKEL: Die Finanzminister haben gestern zwei Modelle ins Auge gefasst. Beide enthalten die Zentralbank nicht, denn die vertragliche Grundlage lässt dies auch nicht zu. Beide Modelle müssen jetzt näher ausgearbeitet werden. Ich glaube, dass wir die Ausarbeitung abwarten sollten und dann im Lichte (der Ergebnisse dieser Ausarbeitung) darüber diskutieren sollten.

P SARKOZY: Die EZB ist unabhängig, und Frankreich verteidigt diese Unabhängigkeit genauso wie Deutschland. Diesen Punkt haben wir im Detail angesprochen, auch mit der Bundeskanzlerin. Insofern werden die Staats- und Regierungschefs jetzt nicht diejenigen sein, die irgendwelche Anweisungen in dieser Richtung geben.

Was den Rest anbelangt, verweise ich auf das, was die Bundeskanzlerin gesagt hat. Ich möchte noch hinzufügen, dass keine Lösung lebenswert ist, wenn sie nicht die Unterstützung von allen Institutionen in Europa findet. Es ist ein Teamwork, das hier gefordert ist.

FRAGE: Sie sprachen ja vom Vertrauen in die italienischen Verantwortlichen. Vertrauen Sie auch Herrn Berlusconi? Sind die Maßnahmen, die Sie fordern, haushaltstechnischer Natur oder eher auf Wachstum ausgerichtet?

BK'IN DR. MERKEL: Sie sind ausgerichtet auf Wachstum und auf den Abbau von Verschuldung; das muss beides gehen. Dabei geht es insbesondere ‑ das zeigt die Diskussion in Deutschland genauso wie in anderen Ländern ‑ auch immer wieder um Strukturreformen. Ansonsten haben wir das Gespräch mit dem Regierungschef des großen Landes Italien geführt, denn er ist für uns der Ansprechpartner. Natürlich setzen wir auf ihn.

FRAGE: Können Sie uns vielleicht etwas mehr dazu sagen, wer die Rekapitalisierung der Banken bezahlen wird?

BK'IN DR. MERKEL: Dazu ist gestern eine ganz klare Hierarchie abgemacht worden. Erst einmal versuchen die Banken selber, sich zu kapitalisieren. Sollte ihnen das nicht gelingen ‑ das wissen wir heute ja überhaupt noch nicht ‑, dann wird der Nationalstaat gefragt. Sollte ein Land dazu nicht in der Lage sein, dann kann gegen eine Konditionalität auch das Instrument des EFSF genutzt werden; denn wir haben es ja auch dazu geschaffen, dass über die Staaten Banken rekapitalisiert werden können. Das ist aber nur der letzte Schritt ‑ erst einmal sollen die Banken selber am Kapitalmarkt schauen, dass sie das notwendige Kapital finden.

P SARKOZY: Wichtig für uns ist zunächst einmal, dass die Sparer kein Geld verlieren, dass die Bankenkunden weiter Vertrauen in die Banken setzen und dass die Wirtschaft die notwendigen Kredite bekommt, um wieder auf den Weg des Wachstums zu gelangen. Es ist doch so, dass wir uns im G20-Rahmen Ziele gesetzt haben, nämlich die Ziele von Basel III, die, wenn ich mich recht erinnere, bis 2019 umgesetzt werden sollten. Wir werden diese Regeln jetzt also antizipieren, damit sie auch schon 2012 Anwendung finden können. Keine Wirtschaft kann ohne Kredite funktionieren, und ohne gesunde Banken, die kontrolliert sind, gibt es auch keine Gelder, die den Unternehmen und auch Einzelnen zur Verfügung gestellt werden. Das versuchen wir zu erreichen.

Was den Rest anbelangt, so ist das, was die Bundeskanzlerin aufgeführt hat, genau das, was wir auch akzeptiert haben: Zunächst eine Beteiligung des Privatsektors, dann die Regierungen und dann der Fonds.

Vielen Dank!

BK'IN DR. MERKEL: Danke schön!