Pressekonferenz Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy

P SARKOZY: Meine Damen und Herren, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie sehr sich die französische Regierung, der Premierminister und ich uns freuen, hier heute die deutsche Regierung, angeführt von der Bundeskanzlerin, meiner Freundin Angela Merkel, begrüßen zu dürfen.

Die Papiere werden ja demnächst veröffentlicht. Es ist schon sehr viel Arbeit geleistet worden, wichtige Entscheidungen sind umgesetzt worden. Gestatten Sie mir zu sagen, dass wir gemeinsam mit der Bundeskanzlerin fest entschlossen sind, Deutschland und Frankreich in den Dienst Europas und einer neuen Regulierung der Welt zu stellen. Ich bitte Sie, dies richtig zu verstehen. Wir wollen und wir werden zu unseren Verantwortungen stehen und das Potenzial, das die deutsch-französische Achse bietet, auch einsetzen.

Gemeinsam mit Frau Merkel werden wir den Europäischen Gipfel vom 11. Februar vorbereiten. Wir werden dort gemeinsame Vorschläge zu Themen, die in unseren Augen von größter Wichtigkeit sind, vorstellen. Eines dieser Themen ist die Wirtschaftsregierung der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das ist ein Punkt, bei dem wir uns untereinander wirklich einig sind. Andere wichtige Themen sind die Konsequenzen, die es aus (den Erfahrungen des Klimagipfels in) Kopenhagen zu ziehen gilt, und die Vorbereitung der französischen G8- und G20-Präsidentschaft, die wir gemeinsam durchführen möchten, insbesondere was die sehr wichtigen Fragen wie die Frage der Reform des internationalen Währungssystems angeht ‑ diesbezüglich werden von Deutschland und Frankreich Vorschläge unterbreitet werden ‑, oder auch die Folgen, die sich aus dem Stiglitz-Bericht ergeben. Wir sind der Ansicht, dass Deutschland und Frankreich die Wachstumsindikatoren weiterentwickeln müssen, wenn wir dauerhafte Entwicklung sicherstellen wollen.

Wir werden auch bei den wichtigen internationalen Themen gemeinsame Initiativen ergreifen ‑ zum Beispiel, was den Nahen Osten anbelangt, und in einer Frage, in der absolute Einigkeit zwischen uns herrscht, nämlich der Partnerschaft zwischen Europa und Russland. Wir wollen die Vorschläge von Präsident Medwedew in die Tat umsetzen und richtig bewerten. Es handelt sich hierbei um eine extrem wichtige politische Entscheidung, die wir noch einmal bekräftigen, nämlich dass Deutschland und Frankreich den Willen haben, die Welt in eine neue Regierungsform zu bringen, um dem Kapitalismus weiter zum Durchbruch zu verhelfen und dafür Sorge zu tragen, dass der Übergang der Institutionen vom 20. Jahrhundert in das 21. Jahrhundert zu bewerkstelligen ist. Die Führungsrolle, die wir dabei einnehmen wollen, ist gegen niemanden gerichtet, damit kommt keine Arroganz oder der Wille, jemanden zu beherrschen, zum Ausdruck. Wir wollen auch nicht als Besserwisser dastehen. Wir wollen nur, dass wir ein Europa haben, das politisch stark ist. Damit dies möglich ist, müssen Deutschland und Frankreich zusammenarbeiten. Niemand wird von dem, was wir tun werden, enttäuscht sein.

Was die deutsch-französischen Themen und die „Agenda 2020“ anbelangt, so werden wir natürlich die Fragen beantworten, die Sie dazu stellen werden. Wir werden gemeinsam mit Frau Merkel konkrete Maßnahmen vorschlagen. Ich glaube, dass die Zeit der großen Verträge, der großen Worte, der großen Erklärungen vorbei ist. Wir sollten jetzt ins Konkrete einsteigen. Ich möchte einige konkrete Maßnahmen nennen: das deutsch-französische Büro für erneuerbare Energien, das Demonstrationsprojekt für Elektroautos in der Region zwischen Stuttgart und Straßburg, ein deutsch-französischer Satellit zur Überwachung der Treibhausgase, ein gemeinsames europäisches Trägerraketensystem, die Polizeizusammenarbeit, die Schaffung einer gemeinsamen Schifffahrtseinheit auf dem Rhein, die gemeinsame Digitalisierung unserer (historischen) Werke in Deutschland und Frankreich. Ich möchte auch auf die Tatsache hinweisen, dass wir vorhaben, jedes Mal, wenn der Bedarf besteht, einen deutschen Minister in eine französische Kabinettssitzung einzuladen bzw. einen französischen Minister in eine Kabinettssitzung in Deutschland einzuladen. Unsere beiden Parlamente werden gemeinsame Texte verabschieden.

All dies zeigt: Wir sind wirklich gewillt, die deutsch-französische Achse so effizient und so konkret wie möglich zu gestalten, und zwar zum Nutzen des Lebens unserer Mitbürger.

BK'IN DR. MERKEL: Ich möchte mich erst einmal auch im Namen der ganzen Regierung für die herzliche Gastfreundschaft bedanken. Es ist nach einer langen Zeit das (erste Mal), dass nahezu das gesamte Kabinett mit den Kollegen gesprochen hat. Das zeigt auch die Breite der deutsch-französischen Zusammenarbeit.

Wenn wir unserer Verantwortung in Europa und auch in der Welt entsprechen wollen, dann ist es, glaube ich, wichtig, dass Deutschland und Frankreich zeigen, dass sie auch qualitativ in vielen Bereichen eng zusammenarbeiten. Wenn wir heute 80 solcher Projekte verabredet haben, dann sind das zum Teil Projekte, die auch noch viel Arbeit erfordern werden. Es gibt zum Beispiel auf der Welt (keine andere) Region zwischen zwei Ländern, in der man Elektromobilität derart ausbauen möchte. Das wird in Straßburg, Mannheim und Stuttgart passieren, und das wird ein sehr spannendes Experiment.

Wir werden auch andere Dinge gemeinsam tun. Aber besonders wichtig ist mir, dass wir verabredet haben, dass wir die Frage, was im 21. Jahrhundert Wachstum ist und was Wohlstand für hochentwickelte Industrienationen bedeutet, gemeinsam im Sinne der Nachhaltigkeit und der Zukunftsfähigkeit bearbeiten wollen.

Wir werden, ausgehend von dem Stiglitz-Kommissionsbericht, dann die Sachverständigenräte oder Wirtschaftsweisen, wie es in Frankreich heißt, zusammensetzen. Sie sollen für uns bis zum Ende des Jahres einen Bericht erarbeiten und sagen, wie wir neue Indikatoren finden können. Genau das werden wir dann auch in Europa einspeisen, um dort auf einer modernen Grundlage im Sinne eines nachhaltigen, verantwortungsvollen Wirtschaftens über die Wachstumsstrategie zu beraten.

Ich glaube, dass wir hier etwas tun können, das auch sehr eng mit unseren internationalen Verpflichtungen zusammenhängt, zum Beispiel beim Klimaschutz. Wir müssen neu denken. Wir müssen neu wirtschaften. Wir brauchen eine nachhaltige Budgetpolitik, eine nachhaltige Finanzpolitik. All diese neuen Ansätze müssen nach meiner festen Überzeugung von Deutschland und Frankreich in die europäische Diskussion eingebracht werden. So haben wir das auch verstanden.

Wir werden am 11. Februar, wenn der Europäische Rat tagen wird, was die Wirtschaftsstrategie für die Zukunft anbelangt, dort auch mit abgestimmten Vorschlägen in die Diskussion gehen. Für mich ist sehr wichtig, dass Europa diese Diskussion darüber, wie wir das Wachstum der Zukunft gestalten wollen, ehrlich führt und dass wir die Fakten darüber auf den Tisch legen, wo wir gut sind und wo wir schlecht sind. Wir haben in der Vergangenheit manches versprochen, was wir nicht erreicht haben, und wir haben oft nicht ganz ehrlich miteinander darüber geredet, wer was nicht erreicht hat. Deshalb ist es für mich auch wichtig, dass wir uns im Sinne einer wirklichen Wirtschaftsregierung als Rat aller 27 europäischen Mitgliedstaaten verstehen, der dann auch der Kommission den Auftrag erteilen: Bitte sagt uns, wo wir stehen, wo es Nachteile gibt, wo es Vorteile gibt und wo wir nacharbeiten müssen! - Deutschland und Frankreich sind bereit, hierbei gegebenenfalls auch einmal Kritik einzustecken, wenn wir etwas nicht richtig gemacht haben. Aber es hat keinen Sinn ‑ das erleben wir immer wieder ‑, wenn wir uns andauernd etwas versprechen, das wir dann nicht halten.

Man wird uns anschauen und sagen: Ihr macht Vorschläge für Europa. Also wird man uns auch fragen: Was bekommt ihr gemeinsam auf die Reihe? – Deshalb sind die Dinge, die hier verabredet wurden, so wichtig. Gerade auch in der bevorstehenden G20-Präsidentschaft von Frankreich wird es ganz wesentlich sein ‑ das haben wir, die Finanzminister, die Wirtschaftsminister verabredet ‑, dass wir dies intensiv miteinander vorbereiten und nicht auf der Hälfte der Strecke stehen bleiben, sondern wirklich alles dafür tun, dass sich eine solche Krise nicht wiederholen kann.

Wir haben auch gemeinsame außenpolitische Aktivitäten verabredet, genauso wie es die Außenminister getan haben. Ich nenne nur das Stichwort westlicher Balkan. Ich glaube in der Tat, dass die Europa-Russland-Frage eine der zentralen Fragen ist. Wir müssen den Kalten Krieg abschließend überwinden und einfach eine neue Vertrauensbasis schaffen. Die Vorschläge des Präsidenten Medwedew sind ein interessanter Ausgangspunkt. Hierbei wollen wir uns auch konstruktiv einbringen. - Noch einmal herzlichen Dank für das gute Willkommen hier in Paris!

FRAGE VON SOBECK: Frau Bundeskanzlerin, zwei kurze Fragen an Sie. Zum einen habe ich die Frage, warum die Anleihe „Agenda 2020“ im Titel ein bisschen an eine Agenda Ihres Vorgängers erinnert.

Zweite Frage: Haben Sie sich auf eine gemeinsame finanzielle Unterstützung für das Programm des Militärtransporters A400M abstimmen können?

Herr Staatspräsident, haben Sie zusätzliche Anstrengungen unternommen, um eine Lösung für die Liberalisierung ‑ im europäischen Sinne ‑ des Eisenbahnverkehrs in Deutschland und Frankreich zu finden?

BK'IN DR. MERKEL: Ich darf sagen, dass unsere Agenda gut gemacht ist und keine handwerklichen Fehler aufweist. Insofern waren Erinnerungen nicht vorhanden.

Zweitens. Was den A400M anbelangt, glaube ich, dass die Verhandlungen auf der Arbeitsebene weitergeführt werden sollten. Wir waren uns einig, dass es sich um ein Projekt strategischer Bedeutung handelt und dass alles daran gesetzt werden muss, dass es zu einer Lösung kommt.

P SARKOZY: Was den A400M anbelangt: Das ist ein entscheidendes Projekt und wir werden ganz schnell eine Lösung finden.

Sie haben (bezüglich des Eisenbahnverkehrs in Deutschland und Frankreich) die Frage gestellt, ob wir bereit sind, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen. Diese Frage ist leicht zu beantworten: Anstrengungen im Hinblick auf Liberalisierung ja, Anstrengungen für Europa und für Deutschland ja. Deshalb möchte ich die Gelegenheit ergreifen, unseren deutschen Freunden zu sagen: Frankreich verändert sich noch viel mehr, als Sie manchmal den Eindruck haben können. Frankreich wird alle Erwartungen erfüllen, die an dieses Land gerichtet sind.

FRAGE LEPARMENTIER: Wenn ich die Vorschläge lese, habe ich den Eindruck, dass einige Projekte etwas "weich" sind. Sie sagen, dass Sie bei der Deutsch-Französischen Brigade etwas Konkretes machen, aber Deutschland hat sich doch geweigert, dass diese Brigade in Afghanistan eingesetzt wird. Sind das alles nicht nur leere Worte? Herr Präsident, Sie haben eine Agenda für Gaseinkäufe vorgeschlagen. Zur CO2-Steuer an der Grenze haben Sie aber nichts Explizites ausgedrückt. Ich glaube, dass Sie, wenn es nicht explizit in dem Papier steht, sich nicht einig sind. Es gibt auch keine maritime Version von EADS. All diese (Projekte), so habe ich den Eindruck, sind sehr unpräzise. Gibt es überhaupt etwas Konkretes, was dabei herauskommen kann?

BK'IN DR. MERKEL: Ich will einige Punkte beantworten. Wenn Sie die 80 Projekte sehen, werden Sie sicherlich viel Konkretes finden. Konkreteres, als zum Beispiel Städte in einer Region für ein Projekt in Sachen Elektromobilität anzugeben oder die Gründung eines Instituts für erneuerbare Energien, das sich heute sehr stark auf eine Energieart konzentriert, oder auch ein Zusammengehen der Sachverständigen in Wirtschaftsfragen zu erwähnen, kann man sich nicht vorstellen.

Deutschland hat sich nicht geweigert, sondern wir sprechen darüber ‑ das ist heute auch Gegenstand des Gesprächs der Verteidigungsminister gewesen ‑, wie man die Deutsch-Französische Brigade in der Tat im Rahmen konkreter Projekte im Ausland einsetzen kann. Aber jeder wird verstehen, dass man darüber im Detail einmal reden muss. Es kann Möglichkeiten in Afghanistan geben, es kann aber auch vielleicht Möglichkeiten bei anderen Auslandseinsätzen geben. Der Zug ist sozusagen ins Rollen gekommen. Die Absicht besteht. Sie wird von beiden Seiten geteilt. Sie werden in ein paar Monaten sicherlich eine klare Antwort darauf bekommen. Es hat aber auch keinen Sinn, innerhalb eines Tages Pläne zu machen, die wir anschließend nicht umsetzen können.

Es gibt im Familienrecht eine gemeinsame Initiative, die vielleicht für mehr Menschen in Deutschland und Frankreich von Interesse ist als manches unserer anderen Projekte ‑ zum Beispiel bei den Finanzmarktregeln, über die wir reden ‑, weil das das Leben der Menschen beeinflusst. Es ist zum Beispiel eine absolut interessante Sache, ob es zum Beispiel eine gemeinsame Polizei auf dem Rhein gibt. Das braucht aber ein paar Vorbereitungen, denn wir leben alle in einem Rechtsstaat. Wenn etwas passiert, wenn ich das etwas angriffslustig sagen darf, sind Sie mit Recht die Ersten, die nachfragen: Was habt ihr eigentlich vorbereitet? Wie habt ihr das gemacht? Gibt es dafür Rechtssicherheit? ‑ All das nehmen wir in Angriff. Das wird das Leben der Menschen in unseren beiden Ländern sehr viel enger zusammenführen.

P SARKOZY: Herr Leparmentier, die Fragen, die Sie gerade gestellt haben, zeigen ja, welchen idealistischen Charakter der Mann hat, der die Europafragen seit Langem verfolgt. Ich frage Sie: Gibt es zwei andere Länder auf der Welt, die in der Lage sind, so viele gemeinsame Projekte anzukündigen, wie wir das heute tun? Sie sagen: "Sie schlagen 80 Maßnahmen vor, warum nicht 83?" Gut, dann möchte ich jetzt ins Detail einsteigen.

Was die deutsch-französische Brigade anbelangt: Wenn wir vorschlagen, sie einsatzfähiger zu machen, ist es doch nicht anormal, dass sich unsere deutschen Freunde Gedanken darüber machen ‑ insbesondere, wenn man weiß, dass es seit 1945 Tradition ist, dass keine deutschen Soldaten im Ausland (stationiert sind). Den anderen zu verstehen, das ist die Basis dieser deutsch-französischen Achse. Wir sind anders organisiert und unsere Geschichte ist nicht gleich. Sie fragen: Was steckt dahinter? Ich dagegen finde es toll, dass unsere deutschen Freunde sagen: Wir sind einverstanden, darüber nachzudenken und daran zu arbeiten. Was kann man mehr erwarten? ‑ Nichts! Es sind ja keine Zinnsoldaten, um die es hier geht. Die Länder sind keine weißen, unbeschriebenen Seiten. Es gibt in jedem Land Schwierigkeiten. Sie sagen: Hier fehlt die Ambition. Ich sage: Im Gegenteil, das ist hervorragend. Wir sind bereit, darüber zu reden ‑ das ist doch schon was.

Zweitens: die CO2-Steuer. Ich interessiere mich sehr für Deutschland und für die Gespräche, die in der Koalition geführt werden. Das Wort "Steuer" ist kein neutrales Wort. Ich sage sehr oft zu Frau Merkel: In Frankreich ist dieser oder jener Punkt etwas schwieriger zu bewerkstelligen. Auch auf der deutschen Seite ist das entsprechend. (Es geht) nur (um) die Gegenseitigkeit (und darum), diesen Mechanismus an den Grenzen anzugleichen. Auch über die Qualität, die unsere Antwort an die chinesischen Freunde hat, haben wir gesprochen. Das sind Themen, die keine Probleme mit sich bringen. Wie sehe ich das? Ich sehe das so, dass das heißt, dass unsere deutschen Freunde bereit sind, darüber zu reden. (Da gibt es keine) Probleme. Die beiden Umweltminister arbeiten sehr eng zusammen. Dabei stellt sich die Frage: Was machen wir denn mit unserer Industrie, der wir gewisse Regeln auferlegen, und was machen wir mit den Ländern, die diese Regeln nicht einhalten? Wir sind einverstanden, dass auch hier eine Lösung gefunden werden muss, und sind uns darüber einig, dass wir einen Mechanismus brauchen, der die Wettbewerbsbedingungen ausgleicht.

Sie sprachen die maritime Version von EADS an. Wo liegt hier das Problem, Herr Leparmentier? Wir haben den Willen, hier gemeinsam zu arbeiten und unsere Rüstungsindustrien enger zusammenzubringen, insbesondere bei bestimmten Themen; ich denke hierbei an die Unterseeboote der neuen Generation ‑ ich spreche nicht von den atomgetriebenen U-Booten. Wo ist das Problem? Auf deutscher Seite ist dies praktisch privat, auf französischer Seite ist der Staat zu drei Vierteln darin einbezogen. Ich spreche hier (im Beisein) der Verteidigungsminister aus Frankreich und aus Deutschland. Unsere deutschen Freunde sagen also: Wir sind einverstanden, in diese Richtung zu gehen; das kann von Interesse für uns sein.

Wenn wir also ein Problem haben, dann ist das, dass die Art und Weise, wie der Staat involviert ist, in Frankreich eine andere als in Deutschland ist. Wir sind bereit, darüber zu reden, um hier zusammenzuarbeiten. So einfach ist das. Es gibt keine verdeckten Probleme, es gibt hier bloß zwei Länder, die nicht die gleiche Geschichte haben, die nicht die gleichen Traditionen teilen und die unterschiedlich organisiert sind, die aber versuchen, sich immer mehr anzunähern. Um sich anzunähern, muss man sich verstehen. Was heißt das, "verstehen"? Das heißt, dass jedes Land seine eigenen Schwierigkeiten hat. Es herrscht keine Uneinigkeit zwischen Deutschland und Frankreich. Im Gegenteil: Hier herrscht der Wille, (die Probleme, die) die Vergangenheit uns gebracht hat, zu überwinden, um gemeinsam Fortschritte zu erzielen.

Vielen Dank, Herr Leparmentier. Wenn Sie diese Frage nicht gestellt hätten, hätte ich das nicht auf die positive Bilanz geschrieben.

BK'IN DR. MERKEL: Wenn ich noch einen Aspekt hinzufügen darf: Ich glaube, unsere Zusammenarbeit zeichnet aus, dass wir das, was wir versprochen haben, auch halten. Wenn ich an die Deutsch-Französische Brigade denke, gab es dort eine schwierige Situation. Frankreich hat das große Angebot gemacht, dass zum ersten Mal deutsche Soldaten auf französischem Boden sein dürfen. Es ist eine qualitative Veränderung, dass die Deutsch-Französische Brigade wirklich eine Deutsch-Französische Brigade ist.

Deutschland musste dazu auch wieder Umstrukturierungen vornehmen, weil es so war, dass wir uns daran gewöhnt hatten, dass deutsche Soldaten in Deutschland und französische Soldaten in Deutschland sind. Die französischen Soldaten waren plötzlich in Deutschland so beliebt, dass man gar nicht mehr wollte, dass irgendjemand weggeht. Wir haben es geschafft, dass heute dieser Prozess am Laufen ist und die Deutsch-Französische Brigade zu einer wirklichen Deutsch-Französischen Brigade geworden ist.

Jetzt gehen wir den nächsten Schritt. Jetzt überlegen wir, wo wir gemeinsam international auftreten können. So, wie wir den ersten Schritt erfüllt haben, werden wir auch den nächsten erfüllen. Aber wir wollen es so machen, dass hinterher auch ein Erfolg daraus wird.

FRAGE WIEGEL: Weil wir heute so viel von konkreten Dingen sprechen, eine technische Frage: Gibt es einen Grund dafür, dass die Regierungskabinette getrennt saßen?

Zweitens. Uns wurden 80 Vorschläge vorgelegt. Wir haben sehr viel von den französischen Initiativen gehört und erfahren. Könnten Sie von den 80 Vorschlägen einige signifikante nennen, die von deutscher Seite vorgelegt wurden?

BK’IN DR. MERKEL: Zur Frage, warum die Plätze so waren, wie sie waren: Wir sind für die Sitzordnung dankbar, damit wir den Zusammenhalt unserer Regierung zeigen konnten. Schauen Sie, wir sind gerade 100 Tage im Amt. Da sitzt man noch richtig gerne zusammen. Wir haben schon einen Boten auf die französische Seite entsandt, dessen Wahlkreis ganz dicht an der französischen Grenze liegt.

Liebe Frau Wiegel, ich möchte die 80 Projekte nicht nach Urheberrecht trennen. Aber ich glaube, sagen zu dürfen, dass zum Beispiel die Idee mit der Elektromobilitätsregion eventuell von deutscher Seite eine Sekunde eher eingebracht wurde. Ich glaube, dass Frankreich viele Ideen eingebracht hat. Ich glaube aber auch, dass wir gute Ideen beigesteuert haben. Insofern bin ich ganz aufgeschlossen.

Damit das auch mal ein Ende findet: Ich kündige hier an ‑ Nicolas Sarkozy wird sicherlich dazu bereit sein ‑, dass der erste Minister aus dem anderen Land, der an einer Kabinettssitzung teilnimmt, ein französischer Minister sein wird, der bei uns in Deutschland zu Gast sein wird.

ZURUF: Wer wird das sein?

BK’IN DR. MERKEL: Das wollen wir ein bisschen der Überraschung überlassen. Mal sehen, wer sich anbietet.

P SARKOZY: Das nächste Mal werden wir es so machen wie in Deutschland; denn in Deutschland nimmt man einen runden Tisch. Ich muss sagen: Allein die Kosten des (jetzigen) Tisches waren schon riesig. Ich hätte aber nicht gedacht, dass (die Wahl des Tisches) solche Auswirkungen haben würde. Ich fand eigentlich, dass es schön war, dass sich die beiden Regierungen im Kabinettssaal hier im Élysée-Palast gegenübersitzen.

Was Sie einfach verstehen müssen, ist, es dass seit der Krise ‑ deshalb hat diese Krise die Gelegenheit erst geschaffen ‑ nicht ein internationales Thema, nicht eine internationale Initiative gegeben hat ‑ zumindest in Frankreich ‑, die wir ergriffen hätten, ohne darüber mit Deutschland zu reden. Diese Krise, die sicherlich viel Leid mit sich gebracht hat und viele Probleme geschaffen hat, hat uns praktisch verpflichtet, den Verständigungsprozess zu beschleunigen. Es ist ab sofort absolut selbstverständlich, dass wir alles, was wir tun ‑ und seit eineinhalb Jahren getan haben ‑, gemeinsam tun.

Wir haben nun beschlossen, einen weiteren Schritt zu vollziehen. So klar war das nicht; denn der Druck besteht ja darin, dass andere sagen: Vorsicht, wenn Frankreich und Deutschland gemeinsam etwas machen, dann werden sie diesem und jenem Angst einflößen und dann wird dieser oder jener sich unwohl fühlen. Wir haben wohl verstanden, dass wir, wenn wir diesen Schritt nicht tun, praktisch auf der Anklagebank sitzen; denn (immer wenn dies so war,) kamen wir ja nicht voran und gab es keine Ergebnisse. Das musste man in unseren beiden Ländern erst einmal nachvollziehen. Wir geben Europa sehr viel, was seinen Zusammenhalt und seine Einheit anbelangt. Alle Länder in Europa haben die gleichen Rechte, aber es gibt Länder, die mehr Pflichten haben. Das ist insbesondere für Deutschland, das wichtigste Land Europas, und für Frankreich, das zweitwichtigste Land in Europa, wichtig.

Die Krise hat uns dazu geführt, dass wir dieses Bewusstsein schärfen und dass wir unsere Positionen abstimmen, so wie wir das in London getan haben und wie wir das in Pittsburgh getan haben. Was Kopenhagen betrifft, so wissen Sie ja, wie das lief. Wir haben dort den ganzen Tag und die ganze Nacht über zusammengesessen und wir sehen die Ergebnisse von Kopenhagen genauso: Wir sind überhaupt nicht zufrieden mit dem, was passiert ist, und damit, wie es passiert ist. So etwas werden wir in Zukunft nicht mehr zulassen.

FRAGE: In Ihrer gemeinsamen Erklärung bekräftigen Sie Ihre Entschlossenheit, alles daranzusetzen, dass die Institutionen, die sich aus dem Lissabon-Vertrag ergeben haben, es Europa ermöglichen, effizient voranzugehen und sicherzustellen, dass Europas Stimme in der Welt gehört wird. Gibt es Ihrer Meinung nach Erkenntnisse aus der Entscheidung des Präsidenten Obama, nicht an dem euro-amerikanischen Gipfel, der für den Mai in Madrid vorgesehen ist, teilzunehmen?

BK'IN DR. MERKEL: Ich denke schon, dass wir den 11. Februar dafür nutzen werden, die anstehenden Fragen zu klären. Es kann nicht sein, dass es Unklarheiten gibt. Das muss klar sein. Das Amt des Präsidenten des Rates ist eine neue Institution, die im Lissaboner Vertrag geschaffen wurde. Er ist für die Außenbeziehungen zuständig. Wenn er auf einem Gipfel zwischen der EU und China dabei ist, dann muss er auch bei dem G20-Gipfel dabei sein. Dann wird das jetzt einer Ordnung zugeführt. Ich glaube, daran wird ein baldiger Besuch des amerikanischen Präsidenten in Europa nicht scheitern. Wir werden das schnell klären.

P SARKOZY: Ich habe das, was dazu geschrieben worden ist, gelesen. Dazu möchte ich sagen: Erstens ist es so, dass die Institutionen, die sich aus dem Lissabon-Vertrag ergeben, genau einen Monat und vier Tage alt sind. Vielleicht sollte man, bevor man hier ein Urteil abgibt, erst einmal den zweiten Monat abwarten. Wäre das vielleicht möglich? Das zu fordern, ist doch vernünftig. Wenn Sie selbst ein neues Muster entwerfen, sagen Sie sich doch: Lasst uns etwas Zeit, eine neue Sendung im Fernsehen braucht einfach ihre Zeit. Jetzt haben wir es mit Institutionen zu tun, die einen Monat und vier Tage alt sind, und jetzt wollen Sie uns allen schon in den Mund legen, dass das ein Scheitern auf der ganzen Linie sei. Ich meine, wir sollten hierbei etwas weiser, etwas kluger und vernünftiger vorgehen.

Zweitens. Die Polemik hinsichtlich der Verschiebung des EU-USA-Gipfels vom Mai auf den November verstehe ich nicht. Was soll das eigentlich? Was ist daran schlimm? Haben wir wirklich nur dieses Problem in der heutigen Welt? Ist das das einzige Problem? Ist das wichtiger als die Arbeitslosigkeit, als die Finanzkrise? Wichtig für mich ist, dass die amerikanischen Banken genau wie die europäischen Banken Basel II respektieren. Ob der Gipfel nun im November statt im Mai stattfindet, ist nun wirklich nicht von Bedeutung.

Wollen Sie wissen, wie ich das sehe? Es gibt zu viele Gipfel. Es gibt zu viele Reisen. Es geht zu viel Zeit verloren. Wenn der Präsident der USA sagt: „Lasst uns den NATO-Gipfel gleichzeitig mit dem EU-USA-Gipfel durchführen“, dann ist das meiner Ansicht nach eine gute Sache. Ich hänge nicht an der Form. Dies ist nicht so wichtig. Wichtig sind die Dinge selbst. Haben wir die gleiche Position, was den Iran, was Afghanistan anbelangt? Haben wir die gleiche Position bei der Finanzregulierung, bei der Art und Weise, wie unsere Märkte zusammenarbeiten?

Die Amerikaner sind dabei, einen Grenzanpassungsmechanismus zu verabschieden. Mein Wunsch ist, dass Europa mit den USA Kontakt aufnimmt und wir uns das gleiche System aneignen. Das ist das, was zählt. Das ist das, wichtig ist. Dies muss uns bewegen und uns umtreiben. Wir haben im Jahr 2009 dank der Kriege unsere Zeit damit verbracht, dass wir uns an allen Plätzen der Welt getroffen haben. Ich glaube nicht, dass (die Absage von Präsident Obama) sein Desinteresse gegenüber Europa ausdrückt.

Ihnen allen vielen Dank! Wir werden jetzt zum Mittagessen schreiten. Ich möchte Sie bitten, festzuhalten, dass es an den Tischen eine gemischte Sitzordnung gibt.