Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 22. April 2016

Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 22. April 2016

Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fassen folgenden Beschluss:

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1.    Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder beschließen das „Gemeinsame Konzept von Bund und Ländern für die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen“. Bund und Länder werden die dort vereinbarten Maßnahmen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten zügig durch gesetzgeberische und andere Maßnahmen umsetzen und über den Stand der Umsetzung in der nächsten Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder im Juni 2016 berichten.

 2.    Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder nehmen ferner die „Eckpunkte für ein Integrationsgesetz“ zur Kenntnis. Die Bundesregierung wird den Gesetzentwurf zeitnah vorlegen mit dem Ziel, dass das Gesetzgebungsverfahren bis zur Sommerpause abgeschlossen wird.

3.    Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stimmen darin überein, dass die Wohnsitzzuweisung an anerkannte Schutzberechtigte, die von Sozialleistungen abhängig sind und die noch nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind, in einem zweistufigen Verfahren erfolgt.

Nach Abschluss des Anerkennungsverfahrens entsteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Wohnsitznahme in dem Land der Erstzuweisung nach dem Königsteiner Schlüssel. In einer zweiten Stufe erhalten die Länder die Möglichkeit einer administrativ unaufwändigen Zuweisung eines konkreten Wohnsitzes, wenn dies zur Sicherstellung der Versorgung mit angemessenem Wohnraum und damit auch zur besseren Integration erforderlich ist.

Auch zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Länder entweder einen bestimmten Wohnsitz zuweisen können oder den Zuzug in Gebiete untersagen können, in denen mit erhöhten Segregationsrisiken zu rechnen ist.

Kriterien für diese Zuweisung sind die Erleichterung der Versorgung mit angemessenem Wohnraum, der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse sowie die Lage am örtlichen Arbeits- und Ausbildungsmarkt.

Der Bezug öffentlicher Leistungen wird an die Einhaltung der Verpflichtung geknüpft.

Zu den Einzelheiten des Verfahrens, einer möglichen Befristung der Wohnsitzzuweisung, einer möglichen Länderöffnungsklausel, des Anwendungs-bereichs, den Kriterien der Zuweisung und den Maßstäben ihrer Aufhebung sowie möglicher Sanktionen soll noch vor dem Kabinettsbeschluss eine Bund/Länder-Abstimmung erfolgen.

4.    Im Rahmen der hohen Zugänge von Asylbewerbern und Flüchtlingen sind auch viele unbegleitete Minderjährige nach Deutschland gekommen.

Grundgesetz und internationale Konventionen verpflichten den deutschen Staat, das Kindeswohl von unbegleitet einreisenden Minderjährigen zu gewährleisten. Er tritt insofern an Eltern statt, genauso wie bei einheimischen Kindern ohne Familie.

 Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe wird die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen sichergestellt. Deren angemessene, bedarfsgerechte und flexible Versorgung stellt Länder und Kommunen vor große Herausforderungen. Vielfach haben die Betroffenen spezifische Bedarfe. Diese können sich von den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen unterscheiden, die vom Jugendamt aus ihren Familien heraus in Obhut genommen werden. Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind Integration und Verselbständigung wichtige Ziele.

Vor diesem Hintergrund prüfen Bund und Länder gemeinsam, wie dem Umstand der spezifischen Bedarfe Rechnung getragen und die Steuerungsmöglichkeiten mit Blick auf die Kostenentwicklung und die Ausgestaltung durch die Länder verbessert werden können. Der Chef des Bundeskanzleramts und die Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder werden sich in ihrer gemeinsamen Besprechung am 12. Mai 2016 mit dem Ergebnis dieser Überprüfung befassen.

 5.    Aufnahme und Integration der hohen Zahl von Asyl- und Schutzsuchenden, die vor Krieg, Verfolgung und Not aus ihrer Heimat geflüchtet sind, stellen Bund, Länder und Kommunen auf absehbare Zeit vor große Herausforderungen. Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Integrationsaufgabe wird in dem "Gemeinsamen Konzept von Bund und Ländern für die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen" beschrieben.

Der Bund erkennt an, dass Länder und Kommunen dadurch strukturell und dauerhaft zusätzlich belastet sind. Die Länder erkennen an, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise auch für den Bund außergewöhnliche Kosten ausgelöst hat.

Bei den Ländern fallen insbesondere Kosten an für

Aufnahme und Unterbringung, incl. Anschlussunterbringung in Kommunen

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Außerschulische und schulische Betreuung von Kindern und Jugendlichen

Wohnen

Integration

Ausländerangelegenheiten, Inneres und Justiz einschließlich der Rückkehrkosten.

Der Bund wird sich an diesen Kosten substantiell beteiligen. Nach Ansicht der Länder sollte dieses mindestens in Höhe einer hälftigen Beteiligung erfolgen. Der Bund wird diese Forderung der Länder mit Blick auf die Gesamtbelastung für Bund, Länder und Kommunen durch diese gesamtstaatliche Aufgabe bewerten. Bund und Länder werden eine gemeinsame Lösung erarbeiten. Am  12. Mai 2016 werden  der Chef des Bundeskanzleramtes und die  Chefin und  Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder  die dafür notwendige Beschlussfassung vorbereiten.

Außerdem wird der Bund die Kommunen bei den flüchtlingsbedingten Kosten der Unterkunft für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte deutlich stärker entlasten.

Auf dieser Grundlage entscheiden die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Länder am 31..Mai .2016 über eine entsprechende Beteiligung des Bundes an den Kosten von Ländern und Kommunen.

Protokollerklärung Thüringen:

Integration kann nur dann gelingen, wenn die zu integrierenden Menschen die Chance zu ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe bekommen.

Dazu bedarf es guter Angebote zu Spracherwerb, Bildung und Ausbildung und zur politischen Partizipation. Die Erfahrung zeigt, dass repressive Maßnahmen – wie Leistungskürzungen und prekärer Aufenthaltsstatus – die Menschen verunsichern und verhindern, dass sie belastbare Planungen ihrer beruflichen und sozialen Integration vornehmen können. Dadurch werden Integrationserfolge unnötig gefährdet. Die Unterscheidung zwischen guter und schlechter Bleibeperspektive und der daraus folgenden Konsequenz hinsichtlich der Teilhabe an Integrationsmaßnahmen trägt dem Umstand, dass ein Großteil auch jener Menschen mit schlechter Bleibeperspektive tatsächlich über einen längeren Zeitraum oder dauerhaft in Deutschland bleiben, nicht hinreichend Rechnung. Thüringen hält nach wie vor eine Altfallregelung für jene Menschen für notwendig, die vor einem bestimmten Stichtag eingereist sind und noch immer keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Insofern wird auf die Protokollerklärung zur Besprechung der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik vom 28. Januar 2016 verwiesen. Eine Wohnsitzzuweisung ist nur dann zu akzeptieren, wenn sie eine bessere Integration ermöglicht und nicht als faktisches Integrationshindernis ‎wirkt. Anzustreben sind, vor allem für junge Menschen, Integrationsvereinbarungen, die eine individuelle Integrationsentwicklung ermöglichen.

Hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens erklärt Thüringen, dass mit der Verabschiedung des MPK-Beschlusses keine Präjudizierung der Haltung im Bundesrat verbunden ist.

 

Protokollerklärung der Länder Saarland, Sachsen, Hessen und Bayern:

Die Länder sind der Auffassung, dass Bund und Länder gemeinsam prüfen sollten, wie eine eigenständige Regelung gefunden werden kann, die das Anliegen von Ländern und Kommunen und die Interessen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge angemessen berücksichtigt. In diesem Rahmen soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, eigenständige Standards zu setzen.