42. Regionalkonferenz der Regierungschefin und der Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsidentin Lieberknecht, Regierender Bürgermeister Wowereit

RBM Wowereit: Frau Bundeskanzlerin, Frau Ministerpräsidentin, Frau Staatssekretärin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ostdeutsche Ministerpräsidentin und die ostdeutschen Ministerpräsidenten haben sich zu ihrer 42. Regionalkonferenz zusammengesetzt. Wir freuen uns, dass die Bundeskanzlerin und Frau Staatssekretärin Gleicke an dieser Konferenz teilgenommen haben, und bedanken uns ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit über das ganze Jahr, denn viele Themen sind in der Tat noch besondere Themen.

Wir sind in diesem Jahr im 25. Jahr nach dem Fall der Maurer, nach der Friedlichen Revolution, und wir wissen, welche Aufbauarbeit in den neuen Ländern geleistet worden ist von den Menschen, die dort das ihre getan haben, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern. Wir wissen, was die politischen Parteien geleistet haben.

Wir können, glaube ich, insgesamt ein Fazit ziehen, dass sich sehr viel verändert hat, sehr viel zum Positiven verändert hat, dass bestimmte Lücken geschlossen worden sind. Aber wir müssen leider auch immer noch feststellen, auch 25 Jahre nach dem Fall der Mauer, auch nach allen Förderprogrammen, die erfolgreich durchgeführt worden sind, dass es noch erhebliche ökonomische Unterschiede zwischen den neuen und den alten Ländern gibt. Wir verkennen nicht, dass es auch Regionen in der ganzen Republik gibt, die wirtschaftsschwach sind. Aber wir können an allen wirtschaftlichen Eckdaten sehen, dass die Situation in Ostdeutschland insgesamt sich noch abhebt - und zwar in manchen Bereichen sogar deutlich - von dem normalen Standard in den alten Ländern.

Wir haben mit der Bundesregierung zusammen ein Papier verabschiedet, das unter dem Titel „Ostdeutschland 2020 – Gemeinsames Handlungskonzept der Bundesregierung und der ostdeutschen Länder“ erarbeitet worden ist. Dieses Papier hat auch einen längeren Vorlauf. Einer der Punkte, die in dem Papier verankert worden sind, ist auch Teil des Koalitionsvertrages geworden, der sich jetzt teilweise schon in der Umsetzung befindet. Andere Dinge müssen natürlich noch hinzukommen.

Wir haben nach wie vor das Ziel, endlich einmal die Rentenangleichung hinzubekommen. Das ist auch in der Koalitionsvereinbarung erklärtes Ziel. Wir wissen alle, dass die Tücke aber im Detail steckt und auch entsprechende Programme erarbeitet werden müssen.

Wir haben uns zum Thema Altersversorgung von angestellten Professoren neuen Rechts in den neuen Ländern verständigt. Da geht es um den sogenannten Lücke-Professor, nämlich diejenigen, die nach der Wende in eine Situation geraten sind, dass sie deutlich schlechter gestellt worden sind als ihre Kollegen, die vorher in Rente gegangen waren. Da gibt es ein Petitum der betroffenen Professorinnen und Professorinnen, das uns seit langem beschäftigt.

Wir haben uns verständigt, dass die Länder ihren Beitrag dazu leisten. Der Bund hat auch signalisiert, dass er hier Hilfestellung leisten könnte, immer unter der Voraussetzung, dass wir uns hier auf eine gemeinsame Linie einigen. Da wird sich Frau Gleicke mit den Ländern - vor allem, damit auch die Länder eine einheitliche Linie haben - zusammensetzen und versuchen, hier eine Lösung im Interesse der betroffenen Personen zu finden.

Ein Thema, was uns besonders, aber auch nicht das erste Mal beschäftigt hat, ist die Situation und die Verbesserung der Bahnverbindungen nach Polen und Tschechien. Einerseits haben wir in den neuen Ländern nach wie vor Probleme, das bestehende Angebot an Bahnverbindungen aufrechtzuerhalten. Wir wissen, dass die Bahn auch versucht, dort eigene Akzente zu setzen. Diese korrespondieren nicht immer mit den Bedürfnissen, die die Menschen vor Ort haben. Da gibt es Konflikte. Das ist das eine Thema.

Wir stellen aber immer mehr fest, dass auch Bahnverbindungen vor allen Dingen in Richtung Polen und auch in Richtung Tschechien eingestellt werden oder nicht so weiterentwickelt worden sind, dass sie auch konkurrenzfähig wären.

Hier ist unsere dringende Bitte an die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung, dass wir hier einen besonderen Schwerpunkt setzen und auch bezüglich der Frage aufmerksam sein sollten: Was kann die Bundesrepublik Deutschland in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Behörden und Unternehmen in Polen oder in Tschechien tun, um die Situation zu verbessern? Wir sehen das als eine Chance für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands an.

Aber das ist nicht nur etwas für Ostdeutschland, sondern es ist ein ganz wichtiger Punkt für die Wirtschaft insgesamt, leistungsfähige Verbindungen zu haben, was sowohl den Personenverkehr als auch den Güterverkehr anbelangt. Auch da wissen wir, dass sonst Verkehrsstränge und -wege sich verändern, und dies könnte zu einem Schaden für Ostdeutschland, aber auch insgesamt für die Republik führen. Insofern wollen wir weiter daran arbeiten, hier alles zu tun, um die Situation zu verbessern.

Wir haben über die faire Lastenverteilung bei der Finanzierung der Energiewende gesprochen. Auch da müssen wir sehen, dass bei der Frage von Netzentgelten diejenigen, die sehr viele erneuerbare Energien produzieren, nicht benachteiligt werden.

Zur Fortführung der Stasiunterlagenbehörde wird Frau Lieberknecht sicherlich etwas sagen.

Wir haben auch noch einmal das Thema Filmförderung angesprochen, das für die Region Berlin-Brandenburg auch ein ganz wichtiges ist, weil die Frage, inwieweit und in welcher Höhe der Fonds auch von der Bundesregierung weiter gespeist wird, direkten Ausfluss auf die Situation die Babelsberg oder in Berlin hat. Auch das ist ein Thema, das uns hier gemeinsam betroffen und wachsam macht, damit sich dort tatsächlich eine weitere Entwicklung vollziehen kann.

Insgesamt war die Sitzung - trotz aller parteipolitischen Unterschiede - sowohl zwischen den ostdeutschen Ländern wie auch in der Zusammenarbeit mit der Bundesregierung durch einen breiten Konsens geprägt. Mit Frau Bundeskanzlerin Merkel und Frau Staatssekretärin Gleicke haben wir hier Sachverwalterinnen unserer Interessen, welche sich natürlich immer auch in das Gesamte einordnen müssen. Aber wir finden nach wie vor ein breites Verständnis, und darüber freuen wir uns.

Ich glaube, wir haben bis zum nächsten Treffen genügend Aufgaben, die zu erfüllen sind.

MP'IN Lieberknecht: Meine sehr verehrten Damen und Herren, da kann ich nahtlos anschließen. Es war ja eine Konferenz mit einem längeren Vorlauf, ein Vorlauf, der sich aber gelohnt hat, indem wir ein von allen fünf neuen Bundesländern mit Berlin und der Bundesregierung abgestimmtes gemeinsames Papier haben: „Ostdeutschland 2020“ im Jahr der Friedlichen Revolution - jetzt 25 Jahre her. Es würdigt die Aufbauleistungen, die in allen ost- und mitteldeutschen Ländern ja mit Händen zu greifen, die zu sehen sind.

Aber es beschreibt auch die aus der Vergangenheit herrührenden Unterschiede in wirtschaftlichen Kennzahlen, die sich sozusagen hinter den modernen Fassaden noch auftun. Das betrifft beispielsweise die Steuermesskraft in den Kommunen, die nach wie vor noch unter 60 Prozent dessen liegt, was in Westdeutschland zu verzeichnen ist.

Das betrifft die Frage der Produktivität, da wir viele kleine Firmen haben. Uns fehlen die großen DAX-geführten Unternehmen. Hier muss weiter aufgeholt werden, und dazu sind bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.

Das betrifft die Frage des Arbeitsmarktes, wo wir insbesondere noch einmal auf die Frage der Langzeitarbeitslosigkeit hingewiesen haben und uns vollkommen mit der Bundesregierung einig sind, dass weitere Maßnahmen zu ergreifen sind. In diesem Zusammenhang begrüßen wir den ehrgeizigen Zeitplan, der gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister und den Länderfinanzministern zur Frage der Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs aufgestellt worden ist.

Und es spielt natürlich die Frage nach dem Auslaufen des Solidarpaktes hinein: Wie wird die Förderung für strukturschwache Gebiete in Deutschland nach dem Jahr 2019, ab 2020 insgesamt aussehen? Hier sind wir nicht nur von der Vergangenheit geprägt, sondern richten den Blick auch in die Zukunft. Deswegen ist auch „Ostdeutschland 2020“ eine Interessengemeinschaft, die berechtigterweise gemeinsame Interessen gemeinsam vertritt. Dies ist sozusagen mit Zukunftsaufgaben versehen, wo wir wissen: Es gibt nicht den Solidarpakt, wie es ihn bisher gegeben hat. Den soll es auch aus unserer Sicht nicht mehr geben. Aber es ist gemeinsam zu sehen: Was sind Kennzeichen zur Bestimmung strukturschwacher Regionen, die dann einen Nachteilsausgleich haben müssen? Was sind Regionen, die temporär Hilfe zur Selbsthilfe brauchen werden? Ich habe dafür den Begriff des Deutschlandfonds eingebracht, um deutlich zu machen: Es geht um Deutschland insgesamt, aber es ist kein Geheimnis, dass sich Benachteiligungen schwerpunktmäßig in den ost- und den mitteldeutschen Ländern, in entsprechenden Regionen auch in Zukunft finden lassen. Das reicht bis zur demografischen Entwicklung, wo wir ja „seismografische“ Entwicklungen für die gesamte Bundesrepublik oder im europäischen Raum überhaupt haben. Wir beteiligen uns aktiv an der Demografiestrategie der Bundesregierung, die ja weiter notwendig ist, die im Koalitionsvertrag verankert ist.

All dem dient die Vergewisserung in diesem Papier, was wir, wie gesagt, gemeinsam mit der Bundesregierung beraten und verabschieden konnten, aber eben auch das, was für die Zukunft erforderlich ist. Es wird zeitnah Beratungen auch mit der Bundesregierung über diese spezifisch ost- und mitteldeutschen Belange geben, die hier verankert sind.

Es war dann völlig zu Recht die Rede von den Dingen, welche die Infrastruktur, die die Bahnverbindungen betreffen. Es ging auch informell um die Frage der Weiterführung nach dem Auslaufen der Entflechtungsmittel und darum, dass hier Verstetigungen erfolgen müssen.

Das sind Themen, die in den nächsten Monaten auch mit der Bundesregierung und unter uns weiter beraten werden müssen.

Ein Schwerpunkt, den ich hier ganz besonders einbringen möchte, ist die Fortführung der Bundesbehörde für die Stasiunterlagen, wo wir uns eindeutig als die Länder positionieren, in denen das ja stattfindet und in denen auch die Aufarbeitung weiter stattfindet, wo auch die Außenstellen verankert sind und in denen zum Teil ungebrochener Zulauf zu verzeichnen ist. Das ist in Sachsen ganz signifikant, und auch aus meinem Land - Thüringen - kann ich das berichten. Es ist eine Behörde, die gebraucht wird, gerade im Jahr der Friedlichen Revolution, wo nach 25 Jahren in besonderer Weise auch noch einmal eine Vergewisserung stattfindet, wo es immer wieder auch Opfer, Betroffene gibt, die jetzt erst den Mut fassen und sagen: Ich will mich, muss mich jetzt auch mit meiner Geschichte, durch Repressionen durch die Staatssicherheit geprägt, befassen. - Dass es dabei eine Dynamik stärker auch zur wissenschaftlichen Aufarbeitung gibt, steht nicht im Widerspruch dazu, sondern wir brauchen einen guten und versöhnten Umgang. Auf der einen Seite steht das wissenschaftlich-historische Interesse, auf der anderen Seite stehen aber auch die Opfer, die Zeitzeugen mit ihrem gewichtigen Wort in dieser Frage. Auch da haben wir eine gemeinsame Beschlussfassung. Die Kommission, deren Einsetzung im Bundestag beschlossen worden ist, wird das Votum, dass wir als Länder mit den betroffenen Gebieten konstruktiv mitwirken, dass wir uns einbringen - und auch entsprechend gehört werden -, begrüßen.

Eine der Ungerechtigkeiten, die bis heute fortwirkt, betrifft die Professoren, die vor allem auch die Friedliche Revolution an unseren Hochschulen durchgeführt haben, die durch sämtliche Raster gefallen sind und als sogenannte Lücke-Professoren mit sehr geringen Renten ihr Dasein gestalten. Es geht darum, dass ihnen hier Gerechtigkeit widerfahren muss, weil sie einem ganz speziellem Umstand zum Opfer gefallen sind, der mit der Versicherung der Länder zusammenhängt, von der sie damals nicht erfasst worden sind und bezüglich dessen wir gemeinsam mit dem Bund nach Lösungen suchen wollen. Hier besteht auch Einvernehmen unter den Ländern; das haben wir heute festgestellt. Das ist ein ganz wichtiges Signal für diese Gruppe, dass wir konstruktive Gespräche führen werden, wo wir unseren Beitrag leisten wollen, dass wir uns auch als Länder verpflichtet fühlen, für sie einzutreten.

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, heute wieder an der Beratung mit den ostdeutschen Regierungschefs teilgenommen zu haben - gemeinsam mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Frau Gleicke, die im Bundeswirtschaftsministerium für die Fragen des Aufbaus Ost zuständig ist.

Wir sind uns einig, dass viel erreicht wurde. Aber wir sind uns genauso einig, dass es nach wie vor strukturelle Unterschiede gibt. Diese strukturellen Unterschiede werden auch nach 2019, über die Zeit des Solidarpakts II hinaus, bestehen.

Wir stehen als Bund erst einmal zu den Zusagen aus dem Solidarpakt II, aber wir wissen auch: Dies ist die Legislaturperiode, in der die Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen. Deshalb ist es gut, dass die Bund-Länder-Finanzbeziehungen generell neu verhandelt werden. Dazu gibt es eine allgemeine Arbeitsgruppe; das haben wir schon auf der großen Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen. Wir sind uns aber auch einig, dass sich die ostdeutschen Länder in besonderer Weise in diese Verhandlungen einbringen müssen und dass wir bestimmte, spezifische Regelungen brauchen.

Es ist gut, dass wir ein Handlungskonzept Ostdeutschland 2020 zwischen Bund und neuen Ländern ausarbeiten konnten. Es ist auch sehr gut, dass wir einige Punkte detaillierter besprechen konnten. Dazu gehören die Verkehrsanbindungen, insbesondere die Schienenanbindungen. Im Eisenbahnbereich besteht eine Menge Nachholbedarf, gerade bei Grenzübergängen in Richtung Polen.

Wir haben Folgendes vereinbart:

Der Bundesverkehrswegeplan wird im Jahre 2015 neu gefasst, und es wird jetzt sehr wichtig sein, Priorisierungen vorzunehmen und dann auch Anträge seitens der neuen Bundesländer vorzulegen, die wir dann auch ganz speziell aus der Bundesregierung noch einmal mit dem Bundesverkehrsminister besprechen werden.

Zweitens geht es immer wieder um das Thema Innovation. Wir alle wissen: Wohlstand hängt mit Innovation aufs Engste zusammen. Deshalb ist es gut, dass wir hier gemeinsam eine Partnerschaft 2020 für Innovation vereinbart haben, die sich an den spezifischen Bedingungen - wie schon dargestellt - der ostdeutschen Länder orientiert.

Das Thema Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ spielt eine Rolle, und natürlich ist gerade in den neuen Ländern der demografische Wandel sehr viel schneller schon Handlungsschwerpunkt, als das in den alten Bundesländern der Fall sein wird. Wir haben Baden-Württemberg, Bayern, die im Augenblick noch Zuzug haben, während wir (in den ostdeutschen Bundesländern) einen erheblichen – obwohl der Wegzug aus diesen Ländern gestoppt ist – Alterungsprozess verzeichnen, sodass die neuen Länder auch für Modellprojekte für Fragen der Fachkräftesicherung eine wesentliche Bedeutung haben.

Das waren aus meiner Sicht erst einmal die wesentlichen Punkte. Einiges ist noch genannt worden. Dass ich es nicht noch einmal erwähnt habe, ist kein Widerspruch zu dem, was genannt wurde.

Wir haben verabredet, dass Frau Gleicke in sehr engem Kontakt mit den neuen Ländern stehen wird, um die spezifischen Dinge ständig weiterzuverfolgen.

Meng: Schönen Dank. Wir kommen zu Ihren Fragen. Ich muss vorab sagen: Das Zeitfenster ist auf 12.30 Uhr beschränkt. Wir versuchen, es daher möglichst kompakt zu machen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Spionageaffäre mit den USA weitet sich offenbar aus. Heute Morgen gab es Durchsuchungen bei einem weiteren Verdächtigen. Was bedeutet das für das schon belastete Verhältnis? Haben Sie dazu schon mit den US-Behörden Kontakt gehabt?

BK'in Merkel: Es geht bei den neuesten Nachrichten darum, dass der Generalbundesanwalt dazu Stellung nehmen muss. Das kann ich nicht von hier aus machen. Alles, was die Bundesregierung kennt und weiß, wird dem parlamentarischen Kontrollgremium immer zeitnah mitgeteilt. So werden wir es in allen Fällen tun, ohne dass ich jetzt etwas bestätigen kann.

Frage: Ich möchte Herrn Wowereit und Frau Lieberknecht fragen. Ihre Presseerklärung ist mit „Ostdeutsche Länder fordern über 2019 hinaus Hilfen“ überschrieben. Im Text finde ich das aber nicht so konkret, und das, was Sie eben ausgeführt haben, war sehr blumig, aber wenig konkret. Was fordern Sie genau, und an welche Hilfen ist dabei gedacht?

Die zweite Frage: In der Einladung zu dieser Ostministerpräsidentenkonferenz war auch davon die Rede, dass Sie sich über die Wettbewerbssituation der ostdeutschen Flughäfen austauschen. Dazu steht hier kein Wort.

RBM Wowereit: Dazu ist nicht nur hier kein Wort gefallen, sondern auch in der Konferenz nicht. Es hat nicht auf der Tagesordnung gestanden.

Zur Finanzsituation insgesamt: Natürlich, das ist eben schon deutlich gemacht worden: Wir haben wirklich eine Zäsur ab dem Jahr 2020. Wir haben die Schuldenbremse; das ist das eine. Aber wir haben jetzt schon absinkende Zuschüsse aus dem Solidarpakt II für die ostdeutschen Länder. Das sind schmerzliche Einschnitte, die wir jetzt schon verkraften müssen, und sie werden im Jahre 2019 auf Null geführt. Dies sind erhebliche Einbußen. Dazu kommt die anstehende Neuregelung des Länderfinanzausgleichs. Das muss alles zusammengebracht werden.

Die ostdeutschen Länder gehen nicht davon aus, dass der Solidarpakt II in der bisherigen Form weitergeführt wird. Das ist auch ein Konsens, das wäre auch nicht durchsetzbar. Aber wir müssen natürlich sehen, dass diese Unterschiede, die wir hier zu beschreiben versucht haben, auch noch im Jahr 2020 da sein werden. Und jetzt werden wir uns in die entsprechenden Verhandlungen einbringen, die ja jetzt schon - auch zwischen der Bundesregierung und den Ländern - angefangen haben, was den vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen anbetrifft, aber natürlich auch den Länderfinanzausgleich an sich, wobei wir hier aufpassen müssen, dass die ostdeutschen Länder nicht zusätzlich belastet werden, sondern die Besonderheiten Berücksichtigung finden. Das ist deshalb auch nicht ganz so konkret, weil das in der Tat falsch wäre, jetzt hier irgendwelche Positionen zu verkünden. Das wäre auch nicht erfolgversprechend, sondern wir werden bei den entsprechenden Beratungen und bei den Systemen, die dann etabliert werden, natürlich unsere Interessen einbringen, gemeinsam einbringen. Das ist das Ziel dieser Haushalts- oder Finanzberatungen.

Zusatzfrage: Sie sagten, Herr Wowereit, dass die neuen Länder nicht zusätzlich belastet werden. Wodurch, verstehe ich nicht.

RBM Wowereit: Durch Veränderungen beispielsweise bei den Finanzströmen. Das kann ganz schnell passieren. Wenn Sie an der einen Schraube drehen, ist ganz schnell einmal eine erhebliche Zahl, die in eine andere Richtung fließt, und da muss man schon höllisch aufpassen.

MP'IN Lieberknecht: Ich will es einmal andersherum formulieren: Wenn wir nicht zusätzliche Hilfen fordern würden, wären wir die Einzigen die Deutschland, die das nicht täten. Denn ich kenne kein Bundesland, was nicht auch für gewisse strukturelle Schwierigkeiten Hilfen anfordert.

Uns geht es darum, jetzt für die spezifisch ostdeutschen Bedingungen – wir haben erläutert, was die Wissenschaftskraft, was Forschung und Entwicklung betrifft, was die Frage der Langzeitarbeitslosigkeit betrifft oder eben auch die Frage der demografischen Schwierigkeiten, die wir seismografisch für ganz Deutschland haben - die Kennzahlen zusammenzutragen. Dazu muss in Gespräche eingetreten werden, und dann kann man auch feststellen, wie das konkret aussieht.

Frage: Direkt anschließend an die Frage des Kollegen von der ARD: Frau Bundeskanzlerin, können Sie uns bestätigen, dass CIA-Chef Brennan den Kontakt zum Kanzleramt gesucht hat, gesprochen hat mit Ihrem Geheimdienstkoordinator, und sehen Sie irgendeine Art von Entgegenkommen auf der amerikanischen Seite?

BK'in Merkel: Ich kann Ihnen nur sagen, dass es durchaus Gespräche gibt. Aber über Ergebnisse kann ich Ihnen nichts sagen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ein etwas erfreulicheres Thema: das Spiel der Nationalmannschaft gestern. Sie haben es ja im Fernsehen verfolgt. Ich würde gern wissen, wie Sie das Spiel beurteilen und ob Sie vorhaben, zum Finale in Rio zu kommen.

BK'in Merkel: Ich schließe mich jetzt einmal der Meinung der gesamten Welt an, dass es ein sehr gutes Spiel war. Wir haben es in unserem Gespräch auch kurz gestreift; insofern haben sie sich an die Vorgaben von Herrn Meng gehalten.

Ich glaube, dass es schon fast den Namen „historisch“ verdient, und jetzt kann ich nur sagen, dass ich der Mannschaft sehr viel Kraft und Konzentration für die noch anstehende Aufgabe wünsche. Über alles Weitere werden Sie heute noch informiert.

Frage : Frau Lieberknecht, noch eine Frage zur Stasiunterlagenbehörde: Habe ich sie richtig verstanden, dass alle sechs Ministerpräsidenten beziehungsweise Regierende Bürgermeister der Auffassung sind, dass die Behörde über 2019 hinaus erhalten werden soll? Dazu berät ja ab Herbst eine Kommission, die vom Bundestag eingesetzt worden ist.

Die zweite Frage: Herr Jahn hat im vorigen Frühjahr einen Bericht gegeben, dass er Kulturstaatsminister würde. Da hat er nach Gesprächen mit den Ländern empfohlen, sieben Außenstellen zu schließen, davon zwei in Thüringen. Sie haben am Wochenende gesagt, Sie wollen, dass diese beiden Außenstellen erhalten bleiben.

(MP'IN Lieberknecht: Ja!)

Wie geht denn das zusammen, dass Herr Jahn nach dem Gespräch mit Ihnen die Schließung von Außenstellen sozusagen empfiehlt? Oder liegt da ein Missverständnis vor? Können Sie das einmal aufklären?

MP'IN Lieberknecht: Ich habe mit Herrn Jahn nie in der Richtung gesprochen, dass Außenstellen geschlossen werden. Es war immer Thüringer Position, dass wir die Außenstellen als sehr sinnvoll ansehen und sie erhalten bleiben sollen. Das ist auch verschiedentlich untermauert worden.

Es gibt einen gemeinsamen Beschlussvorschlag, dem alle Ministerpräsidenten vorbehaltlos zugestimmt haben. Dem können Sie alles Wesentliche entnehmen. Wir wollen der Kommission, wo ja geguckt wird, in welcher Weise fortgeführt wird, nicht vorgreifen. Ich sage nur: Klare Thüringer Position für die Erhaltung. Und wir haben derzeit mehr Zulauf, als wir vor zwei oder drei Jahren hatten. Die Behörde wird also absolut gebraucht. Ich glaube, gerade im Jahr der Friedlichen Revolution ist das ein ganz wichtiges Signal.

Frage: Das Thema Fußball wäre auch meines gewesen. Haben Sie die Absicht, nach Brasilien zu fliegen?

BK'in Merkel: Ich glaube, dass ich mich eben dazu geäußert habe.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, steht im Handlungskonzept Ost 2020 eigentlich noch eine Rentenangleichung, oder gehen Sie davon aus, dass sich das automatisch regelt, weil das der Lohnangleichung folgt?

BK'in Merkel: Sie kennen ja den Koalitionsvertrag. Wir haben uns heute hier noch einmal in Erinnerung gerufen, dass wir das Ziel der Angleichung im Auge haben und es dazu im Jahre 2016 eine Revision geben wird. Frau Gleicke hat das auch noch einmal bestätigt. Das haben wir sehr fest im Blick. Die letzten Rentenerhöhungen haben wieder zu einer Angleichung auch allein aus der Rentenerhöhung geführt. Aber wie gesagt, die Revision von 2016 können wir 2014 nicht vorziehen.