Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim deutsch-spanischen Unternehmertreffen am 1. September 2015

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Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Mariano Rajoy,
sehr geehrte Herren Minister,
sehr geehrter Herr Rosell,
Herr Garamendi,
Herr Grillo,
Herr Kramer,
Herr Wansleben,
meine Damen und Herren,

danke schön für das, was Sie uns als gemeinsame Position der spanischen und der deutschen Wirtschaft übergeben haben, was ja dafür spricht, dass es eine sehr enge Kooperation gibt. Dieses Unternehmertreffen spricht auch für die Stärke der deutsch-spanischen Wirtschaftskontakte. Ich bin von der Vielzahl hochrangiger Teilnehmer beeindruckt. Man kann sagen: Es gibt enge, sehr lebendige und konstruktive Beziehungen nicht nur zwischen den beiden Staaten, sondern eben auch zwischen den Unternehmen, und das kräftigt unsere gegenseitige Freundschaft.

Vor fast genau drei Jahren fand in Madrid ein vergleichbares Treffen statt. Damals war das Umfeld schwierig. Spanien gehörte zu den Ländern, die ein europäisches Unterstützungsprogramm in Anspruch nahmen, was die Banken anbelangte. Eine Reihe dringend notwendiger, aber unpopulärer Reformen stand auf der Tagesordnung. Damals ging es darum, dass wir deutlich machen wollten, dass Reformen kein Selbstzweck sind, sondern dass sie vor allem dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat immer wieder auf seine beiden Ziele hingewiesen: Wachstum und Arbeitsplätze.

Spanien hat in den letzten drei Jahren konsequent genau darauf hingearbeitet, und man muss sagen mit Erfolg. In unseren Gesprächen gestern und heute haben wir natürlich über den Stand des umfassenden Reformwegs gesprochen, auf dem sich Spanien weiterhin befindet. Man sieht – es liegt sozusagen auf der Hand –, dass der eingeschlagene Kurs zu guten Ergebnissen führt. Das Programm ist längst abgeschlossen. Spanien erwartet im laufenden Jahr ein Wachstum von mehr als drei Prozent und gehört damit zu den wachstumsstärksten Ländern Europas und natürlich auch im Euroraum. Ehrlich gesagt: In Deutschland können wir uns davon noch eine Scheibe abschneiden.

Zu den besonders wichtigen Herausforderungen gehörte von Anfang an die hohe Zahl von Menschen, die keine Arbeit haben. Umso erfreulicher ist es, dass Spanien jetzt zu den Ländern des Euroraums gehört, in denen seit Mitte vergangenen Jahres die Arbeitslosenquote am stärksten gesunken ist.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist immer noch bedrückend hoch. Die Verantwortung ist eben auch von der Wirtschaft angesprochen worden. Ich finde es sehr gut, dass jetzt auch Vertreter der kleinen und mittleren Unternehmen sagen: Wir schauen, wo wir Menschen eine Perspektive geben können. Wir wissen aus Deutschland: Junge Menschen haben es besonders dann schwer, eine Stelle zu finden, wenn es an praktischen Fähigkeiten mangelt. Wir haben ja auch viel darüber gesprochen, dass gerade in Spanien die Zahl der Hochschulabsolventen sehr hoch ist, aber dass das nicht immer zielführend dafür ist, auch eine Arbeit zu bekommen. Deshalb begrüße ich sehr, dass sich die spanische Regierung jetzt sehr stark für eine praxisnahe Ausbildung einsetzt und dass viele deutsche Unternehmen in Spanien auch ein großes Engagement in der beruflichen Bildung zeigen. Dafür möchte ich diesen deutschen Unternehmen auch einmal ganz herzlich danken.

Die deutsche Wirtschaft ist in Spanien einer der größten ausländischen Investoren. Der Bestand der Direktinvestitionen aus Deutschland belief sich 2013 auf rund 25 Milliarden Euro. Daran hängen viele, viele Arbeitsplätze. Der bilaterale Handel hat sich in den letzten drei Jahren gut entwickelt. Er hat 2014 ein Volumen von etwa 60 Milliarden Euro erreicht. Der positive Trend hat sich auch im ersten Halbjahr 2015 fortgesetzt. Sowohl die deutschen Importe aus Spanien als auch unsere Exporte nach Spanien sind weiter gestiegen.

Das zeigt: Die deutsche Wirtschaft setzt auf den Standort Spanien, und die deutsche Wirtschaft beachtet die Perspektiven, die sich in Spanien bieten, und bewertet sie positiv. Die Reformen der vergangenen Jahre wirken. Es gibt bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen, sinkende Lohnstückkosten, eine stärkere internationale Wettbewerbsfähigkeit und eine umfassende Restrukturierung des Finanzsektors, was dazu führt, dass auch die Kreditvergabe wieder besser läuft. Das sind ja alles Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Dynamik.

Wenn wir uns den Erfolg des Landes Spanien, aber auch die Erfolge Portugals und Irlands anschauen, dann macht das deutlich, dass wir mit den europäischen Unterstützungsprogrammen für diese Länder den richtigen Weg eingeschlagen haben – durch eine feste Verknüpfung von Solidarität auf der einen Seite und Eigenverantwortung, eigenen Maßnahmen auf der anderen Seite, sozusagen als zwei Seiten ein und derselben Medaille. Auch das neue Hilfsprogramm für Griechenland beruht auf genau diesen Grundlagen.

Meine Damen und Herren, ich habe es oft gesagt, und ich betone es auch heute noch einmal: Der Euro ist weit mehr als eine gemeinsame Währung. Er ist ökonomischer, politischer und symbolischer Ausdruck unserer sehr engen Verbundenheit in Europa. Zusammen mit dem europäischen Binnenmarkt ist er auch das Fundament unseres gemeinsamen Wohlstands. Die europäische Staatsschuldenkrise hat uns manche Schwachstelle der Wirtschafts- und Währungsunion vor Augen geführt. Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht, aber wir sind noch nicht am Ziel. Gerade über die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion werden wir noch sehr viel sprechen müssen.

Unser Maßstab muss immer sein: Wo stehen wir im internationalen Wettbewerb? Welche Chancen eröffnen sich uns? Wo müssen wir nachjustieren, um eben auch international wettbewerbsfähig zu sein? Wir müssen also über die akute Krisenbewältigung hinaus sicherstellen, dass die Euro-Länder im globalen Wettbewerb erfolgreich sind. Dazu gehört, dass wir klären, wie wir die grundlegende Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion weiter verbessern können. Allein Haushaltsdaten reichen dafür nicht aus, sondern es muss auch eine vergleichbare Wettbewerbsfähigkeit und eine vergleichbare Investitionsstärke geben.

Deutschland führt diese Diskussion in dem festen Bewusstsein, dass es auch uns in Deutschland auf Dauer nur dann gut geht, wenn es ganz Europa gut geht. Wir sind alle miteinander verbunden. Deshalb wollen wir, dass Europa stärker aus der Staatsschuldenkrise hervorgeht, als es in sie hineingegangen ist. Dass Spanien seinen erfolgreichen Weg fortsetzt, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Denn Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft im Euroraum. Das heißt, Spanien spielt eine zentrale Rolle.

Lieber Mariano Rajoy, Du hast in unserer gemeinsamen Pressekonferenz vor drei Jahren in Madrid gesagt: „Unsere Reformen sind nicht nur für Spanien notwendig, sondern für Europa.“ Ich sage: Das war damals richtig, und das gilt nach wie vor. Deutschland steht als Freund und Partner an der Seite Spaniens. Die Kontakte zwischen unseren beiden Staaten sind außerordentlich gut, und zwar nicht nur in der politischen Kooperation, sondern auch auf vielen gesellschaftlichen Ebenen.

Die heutige Konferenz ist auch ein Beispiel dafür. Beide Länder können davon nur profitieren. Deshalb möchte ich den Organisatoren dieser Veranstaltung und auch dieses deutsch-spanischen Wirtschaftsforums dazu gratulieren, dass sie sie durchgeführt haben. Ich möchte der Präsentation Spaniens, die heute Nachmittag auf dem Potsdamer Platz ablaufen wird, noch einmal ganz viel Erfolg wünschen. So viele Deutsche, die nach Spanien in den Urlaub fahren, so viele Menschen, die Ihr Land schätzen und lieben, wird das daran erinnern, dass auch wir in Deutschland Spanien allen Erfolg wünschen. Herzlichen Dank, dass ich heute hier dabei sein kann.