Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Haifa am 4. Oktober 2018

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Sehr geehrter Herr Präsident, Professor Robin,
sehr geehrter Herr Rektor, Professor Mesch,
sehr geehrter Herr Professor Lahnstein,
sehr geehrte Frau Botschafterin,
sehr geehrte Damen und Herren Professoren und Studierende,

es ist mir eine große Ehre, die hohe Auszeichnung Ihrer Universität entgegennehmen zu dürfen. Ich empfinde diese Ehrendoktorwürde als einen Vertrauensbeweis; und zwar einen Vertrauensbeweis, der mir auch stellvertretend – für mein Land, das ich vertreten darf – zuteilwird. Dass das hier passiert, ist alles andere als selbstverständlich. Denn das Vertrauen, das ich hier erfahre, gleicht ja einem Wunder. Ich komme gerade von einem Besuch in Yad Vashem, wo wir mit unserer ganzen Regierungsdelegation waren. Das Wunder ist, dass es vor dem Hintergrund des Zivilisationsbruchs der Shoa, vor dem Hintergrund der von Deutschland begangenen Menschheitsverbrechen heute möglich ist, hier an dieser Stelle mit Ihnen zusammen zu sein und über die Gegenwart und die Zukunft zu diskutieren.

Wir kennen unsere immerwährende Verantwortung, die uns aus der Shoa erwachsen ist. Die Verantwortung für uns in Deutschland ist natürlich besonders groß, sich für Freiheit, für Menschenrechte und für demokratische und rechtsstaatliche Werte immer einzusetzen. Aber diese Werte werden, wie wir heute Morgen schon gehört haben, allzu oft auch in unserer Gegenwart immer wieder infrage gestellt – von innen und von außen. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu, Herr Professor Robin. Ich finde es ganz beachtlich und bedeutend, dass Sie darauf achten, dass an Ihrer Universität immer auch Allgemeinbildung neben der Spezialbildung vermittelt wird, weil wir so unsere gesellschaftlichen Entwicklungen besser verstehen können. Wir müssen in unserer Zeit, denke ich, besonders aufmerksam sein. Wir müssen dabei immer wieder auch unsere Werte ohne Kompromisse vertreten.

Wir in der Bundesregierung wenden uns zum Beispiel gegen Antisemitismus – ganz gleich, von wo er ausgeht und in welcher Form er sich äußert. Unsere neue Regierung hat deshalb auch einen Beauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus, aber auch für das jüdische Leben in Deutschland berufen. Er ist heute in unserer Delegation mit dabei. Wir haben heute – das ist auch ein Wunder – blühendes jüdisches Leben in Deutschland. Das ist alles andere als selbstverständlich. Es ist jetzt aber Teil der Identität Deutschlands und damit auch dessen, was wir mit dem Begriff „Heimat“ in unserem Land beschreiben.

In Sicherheit, in Frieden, in Freiheit zu leben, Heimat zu finden – darum ging es auch den Gründern und Pionieren des Staates Israel vor 70 Jahren; um einen Ort, an dem sich Juden sicher fühlen können und keine Angst vor Verfolgung haben müssen, an dem sie ihren Glauben leben können, ihr Leben aufbauen können und ihre Kinder aufwachsen sehen. Ich gratuliere noch einmal ganz herzlich zum 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel.

Dass uns heute freundschaftliche Bande verbinden, ist ein unschätzbares Geschenk; und es ist ein unwahrscheinliches Geschenk vor dem Hintergrund unserer Geschichte. Aber es ist ein Geschenk, das wahr geworden ist – dank vieler jüdischer Frauen und Männer, die versucht haben, Deutschland mit Vertrauen zu begegnen und dabei erfolgreich waren. Dieses Vertrauen zeigt sich heute in vielen Facetten: im privaten und persönlichen Umgang miteinander, in der Zusammenarbeit in Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Gerade auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Gemeinsamkeiten.

Es kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug geschätzt werden, dass wir uns jetzt schon zum siebten Mal zu Regierungskonsultationen mit der israelischen Regierung treffen. Ich kann sagen, dass gerade auch die Regierungskonsultationen es ermöglicht haben, in einer bis dahin nicht gekannten Breite zusammenzuarbeiten und damit eine einzigartige Beziehung immer wieder neu mit Leben zu erfüllen.

Deshalb danke ich für das entgegengebrachte Vertrauen und verspreche, eines Tages auch nach Haifa zu kommen. Ich bin mir der Unzulänglichkeit bewusst und bedanke mich, dass Sie so tolerant waren und auf die Reise gegangen sind. Ich darf Ihnen versichern, dass ich diese Ehrendoktorwürde als eine sehr, sehr große Ehre empfinde und das auch nach Deutschland weitertragen werde. Der Botschafter des Staates Israel in Deutschland wird genau beobachten, wie wir uns verhalten.

Herzlichen Dank.