Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und des hessischen Innenministers Boris Rhein im Haus des Jugendrechts in Frankfurt

InMin RHEIN: Die Bundeskanzlerin hat mich vor einigen Monaten angerufen, und zwar am 4. April; ich erinnere mich genau daran. Sie hat mir gesagt, sie würde gerne an der Innenministerkonferenz teilnehmen. Aber sie wolle nicht nur an der Innenministerkonferenz teilnehmen, sondern gerne mit den Innenministern über das Thema Jugendkriminalität und Jugendgewalt diskutieren und gerne etwas sehen, was mit dem Thema zu tun hat. Sie möchte Lösungsansätze kennenlernen.

Da habe ich gesagt: Einer der besten Lösungsansätze neben all den theoretischen Diskussionen, die wir über viele, viele interessante Themen führen, ist einer, bei dem das Thema wirklich mit kurzen Wegen und mit schnellen Entscheidungen angegangen wird und wo all diejenigen unter einem Dach zusammensitzen, die an dem Thema Interesse haben und eine Lösung des Themas erarbeiten sollen. Das ist die Jugendgerichtshilfe, das ist die Staatsanwaltschaft, und das ist die Polizei. Deswegen habe ich gesagt: Frau Bundeskanzlerin, lassen Sie uns ins Haus des Jugendrechts in Frankfurt gehen. Das ist neu eingerichtet worden; dort gibt es hochinteressant Ansätze.

Jetzt sind wir hier, und ich glaube, die Bundeskanzlerin hat eben ganz interessante Gespräche führen können und hat interessante Einsichten gewonnen. - Frau Bundeskanzlerin, bitteschön!

BK'IN DR. MERKEL: Das ist hier ein junges Modellprojekt, aber ein, glaube ich, sehr aussichtsreiches und zukunftsweisendes Modellprojekt, bei dem viele Institutionen unter einem Dach sind ‑ von der Polizei über die Staatsanwaltschaft bis hin zur Jugendgerichtshilfe und zum Täter-Opfer-Ausgleich ‑, natürlich mit dem Ansatz, von den Menschen her zu denken und die Fälle sozusagen nicht nach Zuständigkeiten zu ordnen, sondern einfach auch in den Stadtteil hineinzuwirken.

Das, was ich heute hier gehört habe, hat nicht nur mit der Bekämpfung von Kriminalität zu tun, sondern auch mit Präventionsarbeit. Ich glaube, diese Kombination ‑ auf der einen Seite sehr schneller Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Institutionen und damit natürlich auch das klare Signal an den Stadtteil, dass Kriminalität schon geahndet wird, und auf der anderen Seite auch die Bewusstmachung dessen, was Straftaten sind und wo Straftatbestände schon beginnen ‑ stellt eine sehr interessante Kooperation dar.

Ich möchte verstehen, wie wir etwas gegen Gewalt tun können und auch typische Gewaltsituationen, die bei Jugendlichen auftreten, besser bekämpfen können. Dafür war dieses Gespräch für mich wirklich sehr weiterführend. Ich habe vor allen Dingen den Eindruck: Diejenigen, die hier arbeiten, tun es mit Freude, mit großem Elan und mit Spaß. Das hat auch etwas damit zu tun, dass man bei der Bearbeitung der Fälle und auch bei dem, was die schnelle Strafe nach der Tat anbelangt, schneller vorankommt, aber vielleicht auch mit der Frage: Was kann ich tun, um gar nicht erst in ein Gerichtsverfahren zu kommen, sondern vorher die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen?

Ich habe das Haus hier sehr gerne besucht. Ich möchte mich ‑ stellvertretend bei Herrn Beckmann ‑ bei allen bedanken, die in diesem Haus arbeiten. Alle haben noch einmal herausgestellt, dass durch den modellartigen Charakter auch die Arbeitsbedingungen sehr gut sind und dass sich das auch sehr gut auf die Motivation auswirkt, gerade wenn man überlegt, dass es in diesem Stadtteil 30 Schulen gibt, dass man diese Schulen einfach auch kennt, dass man dahin gehen kann und dass auch Ansprechpartner vorhanden sind. Das Ganze ist erst fünf Monate alt. Wenn es einmal eine Weile laufen wird, dann wird hier sicherlich noch eine große Vernetzung mit vielen, vielen Möglichkeiten entstehen, etwas Gutes hinzubekommen.

FRAGE: Inwieweit werden die Themen dieses Ortstermins Eingang in die Innenministerkonferenz finden?

BK'IN DR. MERKEL: Ich denke schon, dass Herr Rhein als Minister berichten wird.

InMin RHEIN: Wir werden heute hier mit den Innenministern zusammenkommen. Die Bundeskanzlerin wird dabei sein. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, auch dieses Thema heute Abend gemeinsam mit uns im Westhafen Tower zu diskutieren. Deswegen haben wir uns heute den Abend wirklich nur dieses Thema vorgenommen.

Ich gehe davon aus, dass natürlich auch andere Themen mit der Bundeskanzlerin diskutiert werden. Wenn wir schon einmal die Bundeskanzlerin hier haben, wollen wir natürlich auch das eine oder andere diskutieren. Aber es ist geplant, dieses Thema ‑ Jugendgewalt, Jugendkriminalität ‑ heute schwerpunktmäßig vonseiten der 16 Länderminister, Dr. Friedrich, des Bundesinnenministers, und der Bundeskanzlerin zu diskutieren.

BK'IN DR. MERKEL: Ich freue mich auch, dass ich bei den Innenministern willkommen bin.

IM RHEIN: Sehr willkommen!

BK'IN DR. MERKEL: Es geht auch wirklich nicht darum, irgendwelche Zuständigkeiten gegeneinander auszuspielen, sondern es geht wirklich darum, dass ich als Bundeskanzlerin einen Überblick darüber bekomme, wo es besondere Krisenherde gibt, wo Gewalt ein großes Phänomen ist, was man tun kann und wie wir die Dinge vor allen Dingen auch besser vernetzen können. Es gibt die großen Integrationskonferenzen, es gibt die Frage des Kinder- und Jugendhilferechts, und da muss man auch schon einmal die Praxis ein bisschen kennenlernen. Diese Erfahrung liegt halt in den Ländern, und die möchte ich einfach nutzen.