Es sei wichtig, die Menschen davon zu überzeugen, "dass es einen Mehrwert gibt, in Europa zusammenzuarbeiten". Das sagte Bundeskanzlerin Merkel in Brüssel. Dort wurde ihr die gemeinsame Ehrendoktorwürde der Universität Gent und der Katholischen Universität Leuven verliehen.
Der Brexit und der sechzigste Jahrestag der EU-Gründung seien Anlass, "Europa jetzt erst recht zusammenzuhalten, es weiter zu verbessern und den Bürgerinnen und Bürgern auch wieder näher zu bringen". Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Dankesrede. Die anwesenden Studenten ermutigte Merkel, sich in und für Europa zu engagieren. Europa, das sei nicht die Europäische Kommission oder der Europäische Rat, sondern: "Jeder Einzelne ist Europa!"
Im Brüsseler Veranstaltungszentrum "The Egg" wurde der Kanzlerin die gemeinsame Ehrendoktorwürde der Universität Gent und der Katholischen Universität Leuven verliehen. An der Verleihungszeremonie nahmen auch Belgiens Premierminister Charles Michel und der Ministerpräsident der Region Flandern, Geert Bourgeois, teil. Merkel erhält die Auszeichnung für ihre "mutige und humane Haltung" beim Thema Flüchtlinge und ihren Einsatz für Europa.
Um die Menschen davon zu überzeugen, "dass es einen Mehrwert gibt, in Europa zusammenzuarbeiten", komme es auf fünf Punkte an:
Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssten zudem besser dabei werden, Kompromisse zu finden und so zu besseren Ergebnissen zu kommen. Konkret sei Kompromissfähigkeit bei der illegalen Migration, beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus und in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nötig, so die Kanzlerin.
Am Vormittag hatte Merkel bereits Luxemburg besucht. Nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Xavier Bettel betonte sie: "Ich glaube, wir sind ein Beispiel dafür, dass Probleme in Europa lösbar sind, wenn man aufeinander zugeht, wenn man zuhört, wenn man versucht, die Probleme auch nicht unter den Tisch zu kehren".
Die freie Bewegung der Menschen im Schengenraum setze die Sicherung der Außengrenzen voraus, so dass "nicht die Schlepper und Schmuggler das Sagen haben, sondern dass Absprachen zwischen Staaten zu einer vernünftigen Grenzkontrolle führen", forderte Merkel. Mit Premierminister Bettel sei sie sich einig, darauf zu drängen, dass ein Ein- und Ausreiseregister möglichst schnell zustande kommt. Darüber hinaus müsse die Grenzschutzagentur Frontex funktionsfähig sein. "Da haben wir im letzten Jahr viel erreicht."
Außerdem müsse man den Austausch zwischen den verschiedenen Datenbanken in Europa zuverlässig organisieren. Er müsse so funktionieren, "dass diejenigen, die unsere Art zu leben, zerstören wollen, auch wirklich bestraft werden und auch unseren Raum wieder verlassen müssen", forderte die Kanzlerin.
Man habe eine "große Agenda" mit den afrikanischen Staaten vor sich. Wie mit der Türkei brauche man auch hier Absprachen mit und Hilfe für die betreffenden Länder. Insofern habe sie die Reise der Regierungschefs aus den drei Benelux-Staaten nach Tunesien begrüßt, die Gespräche "im Geiste des Respekts, im Geiste gutnachbarschaftlicher Beziehungen" geführt hätten. Jeder wisse, so Merkel, wie viele eigene Probleme diese Staaten hätten. "Trotzdem müssen wir in Sachen Migration und Flüchtlinge eng zusammenarbeiten."
Mit Blick auf den Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der EU sei der Ausbau der digitalen Wirtschaft von nicht zu überschätzender Bedeutung. "Wo entstehen die Arbeitsplätze der Zukunft? Die Frage, ob wir mit der Digitalisierung mithalten, wird über den Wettbewerbsstandort Europa entscheiden", zeigte sich Merkel überzeugt.
In der Frage des Brexit stellte die Kanzlerin klar, sie sei sich mit Bettel einig, "dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen dürfen". Die EU-27 müssten in den bevorstehenden Verhandlungen gemeinsam auftreten. "Erst einmal aber warten wir auf die Antwort, wie Großbritannien den Austritt gestalten will."
Merkel zeigte sich sehr berührt vom Besuch im Geburtshaus von Robert Schuman, eines der Gründerväter der europäischen Einigung. Schuman sei für sie das Sinnbild dessen, dass man nach all den Spannungen in der Geschichte "trotzdem die Kraft aufgebracht hat zu sagen, wir gründen ein gemeinsames Europa". Das sollten heutige Generationen, die es "sehr viel einfacher" hätten, nie aus den Augen verlieren, mahnte die Kanzlerin.
Jetzt gehe es darum, das einzulösen, "was die, die die Fundamente geschaffen haben, uns mit auf den Weg gegeben haben." Da stehe der bevorstehende Gipfel von Malta sinnbildlich für eine der ganz großen Herausforderungen der EU: die Frage des Umgangs mit Flüchtlingen und Migration.
Der Malta-Gipfel am 3. Februar werde die Feierlichkeiten im März aus Anlass des 60. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Vertrage zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorbereiten. "Da brauchen wir eine handfeste Agenda mit einer klaren Zeitlinie, was wollen wir wann erreicht haben. Das ist unser klares Ziel", so die Kanzlerin zum Abschluss ihres Besuchs in Luxemburg.