Ein qualitativer Schritt nach vorne

EU-Türkei-Flüchtlingsgipfel Ein qualitativer Schritt nach vorne

Die Türkei stoppt die illegale Migration Richtung Griechenland, im Gegenzug nimmt die EU Flüchtlinge aus der Türkei auf: Ein Eckpunkt, auf den sich der Gipfel in Brüssel verständigt hat. Die Kanzlerin erklärte, "wir sind einen qualitativen Schritt weitergekommen". Details soll ein Gipfel Ende kommender Woche beschließen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Pressekonferenz zum EU-Gipfel.

Merkel: Wir sind einen qualitativen Schritt weitergekommen.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach unmittelbar nach dem Ende des Brüsseler Gipfels in der Nacht zum Dienstag von einem "Durchbruch" in der Flüchtlingskrise, wenn die Pläne realisiert würden. Man sei einen "qualitativen Schritt weitergekommen" und könne erkennen, dass "es der Türkei ernst damit ist, dass die illegale Migration bekämpft wird". Europa müsse im Gegenzug seine Verantwortung im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt übernehmen, so Merkel.

Ziel: Illegale Migration stoppen

Die EU und die Türkei hatten sich in Brüssel darauf verständigt, einen neuen Kurs in der europäischen Flüchtlingspolitik zu prüfen. Konkret ist die Türkei bereit, die illegale Migration in Richtung Griechenland komplett zu stoppen. Im Gegenzug soll die EU Flüchtlinge direkt aus der Türkei übernehmen. Geplant ist, dass ein weiterer Gipfel Ende kommender Woche das Verhandlungspaket endgültig beschließt.

Die Staats- und Regierungschefs stellten in ihrer Abschlusserklärung einvernehmlich fest, dass ein entschlossenes Vorgehen notwendig sei, um
- die Schleuserrouten zu schließen
- das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen
- die Außengrenzen der EU zu schützen
- und die Migrationskrise in Europa zu beenden.

Maßnahmenpaket vereinbart

Zudem forderten die Gipfelteilnehmer alle Nato-Mitglieder auf, den Nato-Einsatz in der Ägäis zu unterstützen. Sie begrüßten die von der Türkei unterbreiteten Vorschläge, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. In ihrer Erklärung vereinbarten sie folgende Maßnahmen:

- Rückführung aller neuen irregulären Migranten, die von der Türkei aus auf den griechischen Inseln ankommen, auf Kosten der EU;
- für jeden von der Türkei von den griechischen Inseln zurückgenommenen Syrer Neuansiedlung eines weiteren Syrers aus der Türkei in den EU-Mitgliedstaaten;
- beschleunigte Umsetzung des Fahrplans zur Visa-Liberalisierung mit allen Mitgliedstaaten; mit Blick auf Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige spätestens bis Ende Juni 2016;
- schnellere Auszahlung der ursprünglich bereitgestellten drei Milliarden Euro, um die Finanzierung eines ersten Pakets von Projekten vor Ende März sicherzustellen, und Entscheidung über zusätzliche Finanzmittel für die syrischen Flüchtlinge;
- Vorbereitung der Entscheidung über die möglichst baldige Eröffnung neuer Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei;
- Zusammenarbeit mit der Türkei bei allen gemeinsamen Anstrengungen zur Verbesserung der humanitären Bedingungen in Syrien.

Kanzlerin Merkel machte in Brüssel deutlich, dass der türkische Vorschlag ein Weg sei, um bei der Migration zu einem "legalen Weg" zu kommen. Sie betonte, wie wichtig es sei, die Flüchtlingskrise "nachhaltig" zu lösen. Es sei aber Zeit zum Verhandeln notwendig.

Im Fokus: Fluchtursachen bekämpfen

Die Türkei habe auch darauf hingewiesen, "dass sie bis Ende 2018 weitere drei Milliarden Euro zur Versorgung syrischer Flüchtlinge erhalten will", erklärte Merkel.

Man werde jetzt darüber reden müssen, welchen Teil die Europäische Kommission und das Parlament bereitstellen können und welchen Teil die Nationalstaaten bereitstellen müssen. "Wenn ich Deutschland betrachte, stelle ich fest: Wir alle haben sehr hohe Ausgaben für Flüchtlinge. Ich denke, es ist vernünftig, die Hilfe auch dort zu leisten, wo die Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat leben können, im Sinne der Bekämpfung von Fluchtursachen, dass sie nicht aus der Nähe ihrer Heimat fortmüssen. Das ist allemal sinnvoller für die Flüchtlinge und von den Kosten her insgesamt günstiger, als wenn sich alle erst auf den weiten Weg machen", betonte die Kanzlerin.

Erste Maßnahmen des EU-Türkei-Aktionsplans sind umgesetzt. Die EU-Kommission hat 55 Millionen Euro für die syrischen Schulkinder in der Türkei bereitgestellt. Weitere 40 Millionen Euro erhält das Welternährungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Türkischen Roten Halbmond, um 735.000 syrische Flüchtlinge mit Lebensmitteln zu versorgen.

Am Montagmittag waren die 28 Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Gipfel mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu zusammengekommen. Vor dem Treffen hatte Merkel eine Reihe von vorbereitenden bilateralen Gesprächen geführt, unter anderem mit Davutoğlu. Bereits einen Tag nach dem Gipfel wollten Griechenland und die Türkei ihre Beratungen in Izmir fortsetzen. Laut Merkel sollte hierbei über die schnelle Rückführung bestimmter Migranten-Gruppen gesprochen werden.