Weise: Unterstützen ohne zu belehren

Europäischer Arbeitsmarkt Weise: Unterstützen ohne zu belehren

Jugendliche aus Europa fragen Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Deutschland nach, sagt Frank-J. Weise, der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit. Vor der Konferenz zur Jugendbeschäftigung im Bundeskanzleramt erklärt er, wie Jugendliche ganz praktisch in Arbeit gebracht werden können.

  • Interview mit Frank-J. Weise

Bundespresseamt (BPA): Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat am 21. Mai mit Spanien eine Absichtserklärung unterzeichnet, dass 5.000 Jugendliche im Jahr nach Deutschland kommen können, um hier eine Arbeit oder eine Ausbildung aufzunehmen. Wie verbindlich ist diese Absichtserklärung und was bedeutet sie für die Bundesagentur für Arbeit (BA)?

Frank-J. Weise: Die Absichtserklärung ist für uns eine gute Grundlage. Sie signalisiert den Menschen in Spanien unsere Offenheit und unser Willkommen. Sie unterstützt auch unsere bisherigen Aktivitäten. Die BAhat ja bereits zu Jahresbeginn eine große Jugendkonferenz organisiert. Dort haben sich beispielsweise 40 Arbeitgeber bereit erklärt, insgesamt 400 Ausbildungsplätze für junge Menschen aus Europa bereitzustellen.

BPA: Wie stark ist die Nachfrage von jungen EU-Bürgern aus Griechenland, Spanien, Italien nach Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen in Deutschland?

Weise: Vieles läuft direkt über die Betriebe oder die Kammern – einen kompletten Überblick haben wir noch nicht. Wir beobachten aber bereits seit 2010, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Spanien, Portugal, Griechenland und Italien stärker zunimmt als die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung insgesamt. Insbesondere gut ausgebildete Fachkräfte aus diesen Ländern haben gute Chancen.

Für ganz junge Menschen, die in Deutschland eine Ausbildung beginnen wollen, ist es nicht ganz so einfach. Gerade in diesem Alter ist es ja nicht so leicht, fern von der Heimat zu lernen. Ein gutes Beispiel ist Ulm. Anfang Juni wurden neun junge Männer begrüßt, die ab September eine Ausbildung beginnen werden, zum Beispiel als Gleisbauer oder Rohrleitungsbauer. Damit sie die Ausbildung auch zu Ende führen, ist eine gute Betreuung notwendig.

BPA: In welchen Branchen finden sich hauptsächlich diese Arbeits- oder Ausbildungsplätze und wie ist die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagenturen und Betrieben?

Weise: Die größte Anziehungskraft für junge Fachkräfte haben die Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit und hoher Fachkräftenachfrage – also vor allem der Südwesten. Auch Hessen verstärkt seine Aktivitäten, südeuropäische Arbeitnehmer anzuwerben.

Meine Kollegen in der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur arbeiten mit vielen interessierten Arbeitgebern zusammen, um junge Menschen aus der EU für eine Ausbildung in Deutschland zu gewinnen. So begleiten sie beispielsweise Arbeitgeber nach Spanien oder Portugal auf die "European Job Days", um dort junge Menschen kennenzulernen und vielleicht als Auszubildende zu gewinnen.

BPA: Wie läuft das MobiPro-Programm? Wie viele Menschen werden gefördert? Wofür wird es hauptsächlich genutzt?

Weise: Die Fördermöglichkeiten durch das Programm MobiPro sind vielfältig. Sie reichen von der Sprachförderung im Heimatland über die Erstattung von Reise- und Umzugskosten bis hin zu berufsbezogenen Sprachkursen in Deutschland. Bisher sind von ausgebildeten Arbeitnehmern 570 Anträge und von Auszubildenden 1.530 Anträge gestellt worden. Wie viele Personen sich dahinter verbergen, können wir nicht genau sagen, denn manche stellen mehrere Anträge.

BPA: Am 3. Juli wird es im Bundeskanzleramt ein Treffen der Bundeskanzlerin mit den Arbeitsministern und den Leitern der Arbeitsverwaltungen der EUStaaten geben. Mit welchen Vorschlägen oder konkreten Projekten bringt sich die Bundesagentur ein?

Weise: Anderen Ländern Tipps zu geben ist wegen der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Europa sehr schwierig. Wenn es der Wirtschaft nicht gut geht, dann ist der Arbeitsmarkt automatisch weniger aufnahmefähig, das heißt, es gibt mehr Arbeitslose. Der Export des dualen Ausbildungssystems kann also nur ein Teil der Gegenstrategie sein, ist aber kein Allheilmittel. Fakt ist, dass viele Länder bereits bestehende Ausbildungsstrukturen haben, die traditionell gewachsen sind – so wie auch das duale System in Deutschland über Jahrzehnte gewachsen ist. So bieten wir an, mit jedem interessierten Land über seine individuellen Bedingungen zu sprechen.

Letztlich geht es überall darum, jungen Menschen ihre persönlichen Chancen aufzuzeigen und sie nicht verloren zu geben. In Deutschland tun wir das, zum Beispiel durch die unterschiedlichen Wege in Beschäftigung, also durch ein Studium, eine duale oder schulische Ausbildung. Wir haben aber auch viele Unterstützungsmöglichkeiten für junge Menschen mit Startschwierigkeiten, die ihnen dabei helfen, den Übergang von der Schule in den Beruf zu meistern...

BPA: Die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland wird auf zwei Faktoren zurückgeführt: einerseits gibt es die duale Berufsausbildung. Andererseits hilft die Bundesagentur für Arbeit den Jugendlichen beim Übergang von der Schule in das Berufsleben. Hier gibt es viele Angebote, die Brücken bauen. Ist das für die BA ein erfolgreiches "Exportmodell"?

Frank-J- Weise: Wir bieten Unterstützung an, aber wir wollen und können selbstverständlich keinem anderen Land unser System überstülpen. Die Erfolgsfaktoren, die bei uns funktionieren, sind an unsere Rahmenbedingungen und Historie angepasst. In anderen Ländern sind sie vielleicht nicht oder weniger erfolgreich. Deshalb sind der Dialog und der Erfahrungsaustausch wichtig, aber nicht eine Belehrung durch Deutschland.

Das Interview führte Sabine Davids für das Bundespresseamt.