Voneinander lernen

Zukunftsdialog Voneinander lernen

Auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich der britische Premierminister David Cameron und der norwegische Ministerpräsident Stoltenberg in Berlin über das Thema "Voneinander lernen. Neue Wege im Verhältnis von Bürger und Staat" ausgetauscht. Über 100 Studierende aus 24 Ländern hatten die Gelegenheit, mit den Regierungschefs zu diskutieren.

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Portrait von Stoltenberg, Merkel und Cameron

Stoltenberg, Merkel, Cameron,

Foto: Bundesregierung/Bergmann

"Die Bürger bilden den Staat. Die Bürger – das sind Sie" – mit diesem Worten begrüßte Moderator Stefan Kornelius (Süddeutsche Zeitung) die Studierenden und lud sie ein zu einer "Inspektion des Betriebssystems Staat". Denn auch Cameron, Merkel und Stoltenberg seien Bürger, da sie dem Staat dienen.

Anders als in den bisherigen Bürgergesprächen standen bei dieser internationale Veranstaltung nicht die drei zentralen Zukunftsfragen im Mittelpunkt, sondern ein herausragendes Unterthema: die Weiterentwicklung der demokratischen Kultur im Verhältnis von Bürgern und Staat. Für die Diskussion entwickelten die Studierenden in unmittelbar vorgeschalteten Workshops ihre Zukunftsbilder einer "Demokratie 2022".

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer studieren an unterschiedlichen Hochschulen in Berlin oder Potsdam. Die Auswahl erfolgte in Zusammenarbeit mit der Organisation für Norwegische Auslandsstudenten und mit der Hertie School of Governance, in deren Programmen die Mehrheit der Teilnehmenden eingeschrieben ist. Darunter auch einige, die an einem Kurs "Bürgerbeteiligung" teilgenommen haben.

Zukunftsdialog - Merkel, Cameron und Stoltenberg diskutieren mit über 100 Studentinnen und Studenten

Neue Wege in Kommunikation und Partizipation

"Warum ein Bürgerdialog?" lautete die Eingangsfrage an die Bundeskanzlerin. Die Antwort fiel Angela Merkel leicht: Erstens reiche es nicht mehr aus, in Vier-Jahres-Schritten, also Wahlperioden, zu denken. Und zweitens, weil sie neue Wege in der Kommunikation und Partizipation gehen wolle. Die Bürgergespräche aber auch der Online-Dialog hätten eindrucksvoll gezeigt: Die Bereitschaft der Bürger, zusammen mit der Regierung über die Zukunft nachzudenken, ist groß.

Großbritanniens Premierminister David Cameron betonte, dass alle Demokratien nach vorn blicken und sich weiterentwickeln müssten. Das Internet sei ein wichtiges Medium für die Politik, da sich die Politik dort besser erklären und Argumente ausführlicher darstellen könne. Schließlich sei die politische Kommunikation ein täglicher Kampf für besseres Verständnis und Vertrauen in die Politik.

Ministerpräsident Jens Stoltenberg verwies auf die Erfahrungen mit Volksabstimmungen in Norwegen. Dort wurde nach 1972 erneut 1994 über einen EU-Beitritt abgestimmt – mit bekanntem Ausgang: Norwegen gehört bis heute nicht der Europäischen Union an. Zugleich verwies er auf die vielen Vorteile von Europa, die seinem Land auch ohne EU-Mitgliedschaft offen stehen.

Dennoch fehle es an einer europäischen Öffentlichkeit, ergänzte die Bundeskanzlerin. Daran müsste dringen gearbeitet werden. Zugleich warb sie für einen gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt.

Politisches Engagement wichtig

Johanna Arlinghaus aus Deutschland wünschte sich nicht nur mehr Demokratie und Partizipation sondern auch mehr politische Bildung an den Schulen und eine größere Verbindlichkeit von Bürgerentscheiden. Minister Stoltenberg betonte die Bedeutung der politischen Jugendorganisationen in seinem Heimatland und forderte alle auf, aktiv mitzumachen. Dies wäre über das Internet und zahlreiche soziale Netzwerke und Plattformen heute deutlich einfacher geworden.

Kanzlerin Merkel stimmte ihrem norwegischen Amtskollegen zu: politisches Engagement sei die beste Form der aktiven Bürgerbeteiligung. Zugleich verwies sie auf erfolgreiche Bürgerentscheide, so beispielsweise das Referendum über die Schuldenbremse im Land Hessen.

Vertrauen in die Politik stärken

Auch das Problem so genannter "Ein-Themen-Parteien" war von den Studenten bereits im Vorfeld angeregt diskutiert worden. In diesem Zusammenhang schlug Jörg von Ingwer aus Berlin Vorwahlen nach US-amerikanischen Vorbild vor. Minister Cameron widersprach: in Großbritannien gebe es bereits gute Chancen für lokale Kandidaten, sich für die Wahl zum Premierminister zu empfehlen.

Auch der Einwand des Studenten, es gebe inzwischen zu viele technokratische Regierungen, konnte die Regierungschefs nicht überzeugen. "Noch nie haben so viele Menschen in Demokratien gelebt wie heute", erklärte der norwegische Ministerpräsident. Mit Blick auf die EU ergänzte die Kanzlerin, dass die EU-Staaten eine "Wächterfunktion" inne hätten. Dies bedeute aber auch, konstruktive Kritik akzeptieren zu können. Einig waren sich Merkel, Cameron und Stoltenberg vor allem in einem Punkt: Demokratie büßt Vertrauen ein, wenn Versprechen gemacht werden, die dann nicht eingelöst werden können.

Eine via Twitter eingereichte Frage nach stärkeren Online-Aktivitäten der europäischen Regierungen wurde von den drei Staatschefs positiv aufgenommen. Sie sehen das so genannte "community building" im Internet als hilfreich an, dies stärke die Demokratie. "Große Institutionen sind lernende Gesellschaften", erklärte Kanzlerin Merkel. Allerdings dürfe Transparenz nicht zum alleinigen Thema werden, ergänzte sie. Ihr gehe es um die Balance der Themen und um das Vertrauen in ihre Regierungsarbeit. Eine Aufteilung, wonach es nur Kritiker auf der einen und Lösungssuchende auf der anderen Seite gibt, dürfe es daher nicht geben.