Vertrauen erschüttert

Datenausspähung Vertrauen erschüttert

Die Bundesregierung hat Informationen erhalten, amerikanische Nachrichtendienste würden möglicherweise das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin überwachen. Angela Merkel: "Das Allerwichtigste ist, dass wir eine Basis für die Zukunft bekommen."

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Die Bundeskanzlerin während der Pressekonferenz

Merkel: "Europa und die USA sind Partner. Diese Partnerschaft muss sich aber auf Vertrauen und Respekt aufbauen."

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Seit über die Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes NSA gesprochen werde, habe sie bereits mehrmals gegenüber dem amerikanischen Präsidenten deutlich gemacht: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht", so die Bundeskanzlerin vor Beginn des EU-Rates in Brüssel. Angela Merkel zeigte sich betroffen: "Wir sind Verbündete, aber solch ein Bündnis kann nur auf Vertrauen aufgebaut sein."

Merkel betonte, es gehe nicht vordergründig nur um sie, sondern um alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und in der gesamten EU. Es gelte, Vertrauen wiederherzustellen und darüber nachzudenken: "Was brauchen wir? Welche Datenschutzabkommen brauchen wir? Welche Transparenz brauchen wir?" Sie sei als Bundeskanzlerin verantwortlich, das für ihre Mitbürger durchzusetzen.

Zuletzt am Mittwoch hatte sie in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama klargestellt, dass sie solche Praktiken - sollten sich die Hinweise bewahrheiten - "unmissverständlich missbilligt" und als "völlig inakzeptabel" ansieht.

Deutschland und Frankreich als Vorreiter

Es habe eine sehr umfassende, sehr gute Diskussion der europäischen Staats- und Regierungschefs zu den Entwicklungen gegeben, so die Bundeskanzlerin am späten Donnerstagabend in Brüssel. Merkel betonte: "Europa und die USA sind Partner. Diese Partnerschaft muss sich aber auf Vertrauen und Respekt aufbauen."

Bis zum Jahresende wolle man einen Kooperationsrahmen zwischen den Diensten der USA, Deutschlands und Frankreichs erarbeiten. Deutschland und Frankreich hätten die Initiative ergriffen. Jetzt sei man zu einer gemeinsamen Kommunikationslinie für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten gekommen.

Regierungskommunikation ist sicher

Bundeskanzlerin Merkel telefoniert - ebenso wie ihre Kollegen aus der Bundesregierung - häufig mit einem Mobiltelefon. Für alle staatspolitisch wichtigen Kommunikationsvorgänge gibt es ausspähsichere Festnetzleitungen, so genannte Kryptoleitungen und für unterwegs Kryptohandys.

Dass unverschlüsselte Geräte "eher überwacht werden als die, die Krypto sind, ist vielleicht in der Logik nicht ganz zufällig", betonte Merkel in Brüssel und stellte klar: "Das heißt, alle staatspolitisch relevante Kommunikation wird von anderen Handys geführt."

Im Übrigen habe sie ihr Kommunikationsverhalten nicht verändert, denn sie habe eine "konsistente Logik meiner Gespräche. Deshalb glaube ich, dass jeder, der mit mir redet, im Grundsatz immer das Gleiche hört."

Für vollständige und schnelle Aufklärung

Kanzleramtsminister Ronald Pofalla äußerte sich nach einer Sondersitzung des für Geheimdienstangelegenheiten zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums am Donnerstag. Er verdeutlichte, "dass von Anbeginn an alle Möglichkeiten, die wir politisch, aber auch bei der Arbeit der Dienste haben, genutzt worden sind, um hier zu einer Klärung zu kommen."

Im Sommer habe es eine Vielzahl von Gesprächen in Amerika gegeben. Unter anderem seien der Bundesinnenminister und auch die Chefs der deutschen Dienste in den USA gewesen, um sich mit den Partnerdiensten zu treffen und Auskünfte zu erfragen.

Zu den neuen Entwicklungen sagte Pofalla: "Das würde eine völlig neue Qualität darstellen und auf alle Aussagen der NSA aus den vergangenen Wochen in den vergangenen Monaten ein neues Licht werfen." Er wolle deshalb auf eine vollständige und schnelle Aufklärung aller neuen Vorwürfe drängen.

Der stellvertretende Regierungssprecher Streiter ergänzte am Freitag, Minister Pofalla, BND-Präsident Schindler und BfV-Präsident Maaßen würden in Kürze erneut in die USA reisen. In Gesprächen im Weißen Haus und mit der NSA würden sie die Aufklärung der jüngsten Vorwürfe und Behauptungen weiter vorantreiben.

Befremden ausräumen

Bundesaußenminister Westerwelle hatte am Donnerstag den amerikanischen Botschafter in Berlin, John B. Emerson, ins Auswärtige Amt einbestellt. "In aller Deutlichkeit" hatte er ihm "das große Unverständnis der Bundesregierung" zu den jüngsten Abhörvorwürfen dargelegt.

"Das Abhören von engsten Partnern ist für uns in keiner Weise akzeptabel. Es befremdet uns zutiefst. Das gehört sich nicht", sagte Westerwelle im Anschluss an das Gespräch. Wer einander vertraue, höre sich nicht ab - "und wer es dennoch tut, der belastet die Freundschaft."

Der Minister im Namen der Bundesregierung: "Wir erwarten, dass jetzt endlich eine lückenlose und ehrliche Aufklärung dieser Vorgänge unternommen wird. Es müssen jetzt alle Karten auf den Tisch."