Röttgen: "Dann kann man nichts mehr reparieren"

Interview Röttgen: "Dann kann man nichts mehr reparieren"

Es stehe außer Frage, dass von den USA in Durban keine Bewegung ausgehen werde, betont Bundesumweltminister Röttgen im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung ". "Dann müssen wir die zusammenbringen, die etwas erreichen wollen - so etwas wie eine Koalition der Willigen."

  • Interview mit Norbert Röttgen
  • "Süddeutsche Zeitung"

Süddeutsche Zeitung (SZ):  Herr Röttgen, was ist denn eigentlich schwieriger: eine Währung zu retten oder das Weltklima?

Bundesumweltminister Norbert Röttgen: Praktische Erfahrung habe ich nur mit der Klimapolitik. Und da ist es nicht leicht, die Spannung auszuhalten - zwischen dem, was zu tun wäre und dem, was tatsächlich geschieht. Schließlich geht es ohne Übertreibung für viele Menschen um Leben und Tod, um die Zerstörung ihrer physischen und wirtschaftlichen Grundlagen, um Gerechtigkeit.

SZ: Um wirtschaftliche Grundlagen geht es beim Euro auch.

Röttgen: Aber der Unterschied ist, dass wir hier in Durban auf noch viel größere Interessenkonflikte treffen. Beim Klimaschutz reden wir über globale Wirtschafts- und Wachstumsfragen, die wir mit dem Einverständnis von allen lösen müssen. Von Saudi-Arabien, das vom Öl lebt, bis Grenada, das abzusaufen droht. Oder von einem technisch führenden Industrieland wie Deutschland bis hin zu China, das bei seiner technologischen Aufholjagd zu einem der weltweit größten CO2-Emittenten geworden ist. Das ist schon ziemlich kompliziert.

SZ: Okay. Dagegen ist die Euro-Rettung ein Klacks.

Röttgen: Nein, Unsinn. Die Interessen liegen in Europa - zum Glück - nicht so weit auseinander wie hier. Und der Handlungsdruck ist ein anderer. Beim  Euro ist die Bedrohung ganz unmittelbar, während wir beim Klimaprozess über Szenarien reden, die sich für die meisten erst in einigen Jahren zeigen. Das macht die Sache so schwierig.

SZ: Hier in Durban steht Europa unter Druck: Viele Länder erwarten, dass die EU das Kyoto-Protokoll fortsetzt. Europa zögert. Was ist so schwer daran?

Röttgen:  Diese Prämisse trifft nicht zu. Die EU hat eine klare Position zur Verlängerung des Kyoto-Protokolls. Die wird inzwischen von immer mehr Staaten auf der Konferenz geteilt, unsere Verbündeten sind die afrikanischen Staaten, die am wenigsten entwickelten Länder, die kleinen Inselstaaten. Das Kyoto-Protokoll ist das bisher beste Klimaabkommen. Aber die Staaten, die bereit sind, sich zu beteiligen, werden weniger. Wenn im Wesentlichen nur noch die Europäer weitermachen, würde das noch 15 Prozent aller Emissionen ausmachen. Das ist einfach zu wenig, um das Problem zu lösen.

SZ: Aber es ist besser als nichts.

Röttgen: So einfach ist es nicht. Wenn wir hier allein mit einer Fortsetzung des Kyoto-Protokolls herausgingen, wäre das ein Rückschritt. Darum bestehen wir darauf, dass andere große Emittenten sich bereiterklären, einen Teil der Verantwortung zu übernehmen.

SZ: China scheint dazu bereit zu sein.

Röttgen: Der Schein genügt nicht. Auf der Konferenz haben die Chinesen geschickt kommuniziert. Daran knüpfe ich gerne an. China muss klarstellen, dass es zu internationalen Verpflichtungen für sich selbst bereit ist. Hier müssen die Chinesen Farbe bekennen.

SZ: Warum redet eigentlich keiner mehr über die USA?

Röttgen: Wir sprechen intensiv mit den USA. Aber es steht außer Frage, dass von den USA in Durban erneut keine Bewegung ausgehen wird.

SZ: Also könnte an diesem Freitag ein Abkommen beschlossen werden, das die USA außen vor lässt?

Röttgen: Wir müssen alle ins Boot bekommen. Warten wir ab, was noch passiert. China will am Ende der Konferenz nicht als Verhinderer dastehen. Das kann noch einiges in Bewegung setzen.

SZ:  Mal angenommen, es geht schief, und die Konferenz endet ohne Ergebnis. Was ist Plan B?

Röttgen: Aus europäischer Sicht gibt es ja eine Rückversicherung, das sind die europäischen Klimaziele, die fest verankert sind. Auch die Regeln und Mechanismen des Kyoto-Protokolls bleiben de facto bestehen. Aber dann stellt sich definitiv die Frage, ob es neue Ansätze in der Klimadiplomatie bedarf, wenn große Emittenten das Handeln verweigern. Dann müssen wir die zusammenbringen, die etwas erreichen wollen. So etwas wie eine Koalition der Willigen.

SZ: Und mit wem?

Röttgen: Da gibt es einige. Die Europäische Union, Mexiko, Indonesien, Australien, die Inselstaaten, viele der afrikanischen Staaten. Wir würden einiges politisches Gewicht zusammenbringen. Aber viele Emissionen wären leider außen vor.

SZ: Das rettet das Klima auch nicht.

Röttgen: Diese Koalition muss natürlich auch Druck auf die anderen ausüben. Und wir brauchen eine ambitionierte Strategie der Europäer.

SZ: Die da wäre?

Röttgen: Wenn diese Konferenz keinen nennenswerten Erfolg hat, ändert das nichts daran, dass es um riesige wirtschaftliche Chancen, um künftiges Wachstum geht. Also müssen wir selber umso entschlossener sein, diese Chancen zu ergreifen. Dann müssen wir uns in der EU auch deutlich höhere Klimaziele setzen als die bisherigen 20 Prozent.

SZ: Wächst bei einem Scheitern nicht viel eher der Druck, die Klimaziele aufzuweichen?

Röttgen: Das wäre fatal für uns und weist auf eine interessante Parallele zur Euro-Krise hin. Europa würde zerfallen, wenn wir nicht alle gemeinsam die Kraft aufbringen, den Euro zu retten. Dann wird Europa ziemlich bedeutungslos. Genauso ist es beim Klimawandel. Wer nicht zu entschlossener Klimapolitik  in der Lage ist, sich verleiten lässt, die kurzfristige Gewinnmaximierung zu suchen, wird zu den großen Verlierern gehören: wirtschaftlich, politisch und ökologisch.

SZ: In der Euro-Krise musste erst ein Land pleitegehen, ehe sich die anderen zusammenrauften. Braucht auch das Klima erst die Katastrophe?

Röttgen: Nein, die Klimakrise ist anders. Da gibt es einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. In einigen Jahren haben wir den erreicht. Dann kann man nicht mehr reparieren, dann ist es passiert. Dann gibt es kein Rettungspaket mehr. Wir können nur noch versuchen, mit den Katastrophen zurechtzukommen, vielleicht mit brutalen Konsequenzen. Aber dann haben wir versäumt, sie zu verhindern. Das ist Teil der Dramatik.

Das Interview führte Michael Bauchmüller für die "Süddeutsche Zeitung" .