Rede von Bundeskanzlerin Merkel zur Verbandstagung des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. am 14. März 2017 in Berlin

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Lieber Herr Ebling,
liebe Katherina Reiche,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags und
meine Damen und Herren aus der Familie der kommunalen Unternehmen,

man kann es so sagen: Das Wetter in Washington hatte ein Herz für die deutschen kommunalen Unternehmen. So stehe ich also nicht im Schneesturm in Washington, sondern vor Ihnen. Das freut mich von Herzen, weil ich weiß, was auf der kommunalen Ebene geleistet wird, weil ich weiß, was Daseinsvorsorge für die Menschen in Deutschland bedeutet, und weil ich auch weiß, in welchem Umbruch Sie mit Ihren Aktivitäten im Augenblick sind. Die Herausforderungen sind groß. Deshalb ist es mir wirklich ein Anliegen, heute zu diesen Fragen zu Ihnen zu sprechen – unter dem Motto „Aufbruch in die neue Daseinsvorsorge“.

Die Debatte bei Ihnen ist vor allem von der Digitalisierung und von der Energiewende geprägt. Wir sind sozusagen unentwegt miteinander verbunden, weil alles, was wir an Gesetzen im Bereich Energie, Wasser, Abfall verabschieden, für Sie jedes Mal neue Rahmenbedingungen bedeutet; es bedeutet umzudenken und sich wieder neu einzustellen. Das wirft Fragen auf – ob die Gebühren steigen und was die Menschen vor Ort sagen.

Ich sage immer: Der Unterschied zwischen Kommunalpolitikern, denen, die auf der kommunalen Ebene arbeiten, und Bundespolitikern ist der, dass man als Bundespolitiker überall einmal ist, aber nirgendwo beständig, während Kommunalpolitiker am Morgen beim Bäcker oder abends beim Bier immer wieder auf die Menschen treffen, für die sie Entscheidungen fällen, die sie vor Ort rechtfertigen und für die sie argumentieren müssen. Genau das ist die Quelle, an der Vertrauen oder Misstrauen in Politik entsteht. Ich habe eben schon zu Katherina Reiche gesagt: Eigentlich ist ja das halbe Kabinett hier. Dann sagte sie: Was heißt das, das halbe Kabinett? – Alle, die Entscheidungen für die hier Anwesenden treffen; und das stimmt ja auch.

Ich freue mich, dass Sie im Grundsatz die Herausforderungen, vor denen Sie stehen, beherzt anpacken. Wir müssen unter sich verändernden Rahmenbedingungen immer wieder die richtigen Leitplanken schaffen. Die Erwartungen an Sie sind groß, weil die Bevölkerung preislich erschwingliche Daseinsvorsorgeleistungen bekommen möchte, aber gleichzeitig auch einen hohen Anspruch an Qualität hat. Es ist ja nicht so, dass die Energiewende, eine ordentliche Abfallpolitik oder sauberes Wasser die Menschen nicht interessieren würden.

Vorweg will ich sagen: Ich bekenne mich ausdrücklich – ich darf das, denke ich, auch im Namen der ganzen Bundesregierung sagen – zum Thema Daseinsvorsorge. In der Globalisierung stellt sich uns immer wieder die Frage, was dem reinen Wettbewerb unterstellt werden muss und was eine so breite Bedeutung hat, dass es für die Lebensqualität der Menschen so wichtig ist, dass wir andere oder zusätzliche Standards haben müssen als nur Preisgünstigkeit. Dabei ist der Schutz der Daseinsvorsorge eine Leitplanke, die ihrerseits einen gewissen Schutz verspricht, nicht alles nur der Effizienz zu unterwerfen – was aber natürlich auf der anderen Seite kein Freibrief für Sie ist, möglichst teuer zu arbeiten; das wissen Sie auch. Aber dieser Schutz ist wichtig. Wir vertreten ihn auch auf europäischer Ebene. Gerade auch mit Blick auf die ländlichen Räume und die demografischen Veränderungen wächst seine Wichtigkeit und nimmt nicht ab. Dazu bekennen wir uns.

Ich will mit der Energiepolitik beginnen. Dort passiert unentwegt etwas – und Sie sind davon beeinflusst. Wir haben in dieser Legislaturperiode zwei große EEG-Novellen verabschiedet: die Novellen von 2014 und 2016. Angesichts der Tatsache, dass die erneuerbaren Energien jetzt die wichtigste Säule unserer Energieversorgung sind, haben wir versucht, mehr Berechenbarkeit und Voraussagbarkeit in die ganze Energiepolitik zu bekommen. Dazu gehört, dass wir uns zusammen mit den Ländern auf einen Ausbaukorridor von 40 bis 45 Prozent für erneuerbare Energien bis 2025 geeinigt haben. Ein solcher stabiler Ausbaukorridor ist wichtig. Er bedeutet mehr Planungssicherheit. Dennoch wissen wir, dass wir große Schwierigkeiten haben, wenn wir diesen Ausbaukorridor nicht mit Methoden unterfüttern, damit er eingehalten werden kann, weil das jetzt noch geltende EEG-Gesetz, das jedem sozusagen ein Einspeiserecht verschafft, der in die erneuerbaren Energien investiert, nicht die Planbarkeit mit sich bringt, die wir brauchen.

Wir brauchen also Versorgungssicherheit, Systemstabilität, Bezahlbarkeit und dann noch die Wende bei der Energieversorgung hin zu mehr erneuerbaren Energien. Deshalb ist die Novelle von 2016 mit der Einführung von Ausschreibungen für den Großteil der Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien ein Paradigmenwechsel. Denn damit werden wir ab 2018 die Situation haben, dass Mengen ausgeschrieben werden, womit die Berechenbarkeit sehr viel besser wird.

Die Kostenbegrenzung ist entscheidend für die Akzeptanz der Energiewende. Wir denken, dass wir durch Ausschreibungen mehr Kosteneffizienz haben werden. Wir haben im Bereich der Photovoltaik-Freiflächenanlagen Pilotausschreibungen vorgenommen. Damit haben wir interessante Erfahrungen gemacht. Erst hieß es: Das wird gar nichts bringen; die Menge ist viel zu klein – lasst es doch gleich sein. Interessanterweise ist bei den Ausschreibungen herausgekommen, dass der Preis um 28 Prozent gesunken ist – von 9,17 Cent pro Kilowattstunde auf 6,58 Cent pro Kilowattstunde. Wenn sich das bei den anderen Energieformen so fortsetzt, dann kann sich das, denke ich, sehen lassen.

Wir wollen auch weiterhin einen breiten Energieerzeugungsmix, weil wir das Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Bezahlbarkeit im Auge haben. Wir wissen, dass wir nicht von einem Tag auf den anderen aus bestimmten Energieformen aussteigen dürfen. Ich finde, wir dürfen die Menschen auch nicht permanent verunsichern. Ich denke zum Beispiel an die Lausitz oder Nordrhein-Westfalen bezüglich der Braunkohle. Wir werden eine Schritt-für-Schritt-Wende haben, aber wir können hierbei nicht zu hastig vorgehen. Das brächte ganze Regionen in eine völlig inakzeptable Situation. – Ein paar aus der Lausitz und aus Nordrhein-Westfalen scheinen hier zu sein. Aber seien Sie solidarisch. Irgendwann erwischt es auch Sie. Dann ist es immer gut, man hält zusammen.

Eine zentrale Herausforderung – das wissen Sie – besteht im Ausbau der Netze. Hierbei geht es erst einmal um die Übertragungsnetze. Wir brauchen vor allen Dingen angesichts des Windzubaus im Norden einen schnelleren Netzausbau von Nord nach Süd. Das stockt, zum Teil auch durch Gerichtsverfahren, für die man keine öffentliche Hand verantwortlich machen kann. Dennoch brauchen wir Übertragungsleitungen. Denn der Strom muss dahin, wo er gebraucht wird.

Wir haben schon sogenannte Stromausbaugebiete definiert, in denen die Ausschreibungen für erneuerbare Energien in geringerem Umfang stattfinden werden, damit man das ein wenig kompensiert. Aber gerade im Hinblick auf die Windenergie auf See ist es dringend notwendig, dass wir die Nord-Süd-Leitungen bekommen. Wir haben noch keine ausreichende Synchronisation von Ausbau der erneuerbaren Energien und Leitungsausbau. Das muss man einfach sagen. Deshalb muss besonders am Leitungsausbau, insbesondere bei den Übertragungsnetzen, gearbeitet werden.

Ein bisschen in Vergessenheit gerät in der allgemeinen politischen Diskussion manchmal das, was Sie nun auch sehr beschäftigt. Das sind die Verteilernetze, die für die Stadtwerke und Regionalversorger von großer Bedeutung sind. Daher haben wir im vergangenen Jahr den Investitionsrahmen nochmals grundlegend modernisiert. Sie als Betreiber sollen die nötigen Investitionen tätigen und zeitnah refinanzieren können.

Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende haben wir auch den Startschuss für mehr Intelligenz im Netz gegeben. Das wird die Steuerung der Netze erleichtern. Wir werden dann auch die Möglichkeiten haben, die Verbraucher – Stichwort: „Smart Home“ – besser in die Lage zu versetzen, bei sich zu Hause effizient und kostengünstig mit Strom umzugehen. Hier sehen wir, dass der digitale Wandel schrittweise auch die Geschäftsmodelle der Akteure verändern wird. Das ist theoretisch schon lange bekannt. Praktisch ist es noch nicht so richtig umgesetzt. Aber je schneller wir das machen oder je schneller Sie das machen, umso interessanter und besser wird es gehen und umso moderner und kosteneffizienter können wir auch arbeiten.

Ich will an dieser Stelle einen Einschub machen, der für Sie jetzt nicht direkt wichtig ist, aber der insgesamt für das Land wichtig ist. Wir haben bei den Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzen aus Bundessicht einen wesentlichen Punkt erreicht. Wir haben uns nämlich mit den Ländern darauf geeinigt, dass wir ein Bürgerportal für jeden Bürger, also einen einheitlichen digitalen Zugang zur öffentlichen Verwaltung, erarbeiten werden. Das schließt dann natürlich im nächsten Schritt auch die Kommunen mit ein. Das wird natürlich auch finanzielle Herausforderungen bedeuten. Darauf werden wir dann auf Bundesseite in der nächsten Legislaturperiode reagieren müssen. Jeder Bürger, egal welche Dienstleistung er vom Staat in Anspruch nimmt, soll also einen einheitlichen Internetzugang haben – ein Portal, mit dem er arbeiten kann und über das die Dienstleistungen des Staates eben einfach auch digital angeboten werden.

Warum sage ich das an dieser Stelle? Ich sage das deshalb, weil ich glaube, dass es in einer Gesellschaft, die ja im Zuge des demografischen Wandels tendenziell älter wird, ganz wichtig ist, dass auch der Staat mit den Bürgern im Rahmen digitaler Möglichkeiten kommuniziert, weil die Bürgerinnen und Bürger sonst nicht das richtige Verständnis für das haben werden, was sich da an technologischer Revolution abspielt. Wenn ich sozusagen immer noch alles per Hand ausfüllen muss, wenn ich immer noch zur Kfz-Zulassungsstelle gehen muss und mich dort anstellen darf, wenn ich einen Termin beim Bürgeramt bekomme, und der einzige digitale Zugriff ist, dass ich innerhalb von drei Minuten meinen Termin abgreifen muss, weil sonst bis zum nächsten Monat wieder nichts erreichbar ist, dann ist das keine Erfahrung, die der Bürger sonst mit Digitalisierung macht, die ihn irgendwie neugierig darauf macht, auch noch weiterzugehen. Insofern, glaube ich, wird das sehr wichtig sein. Deshalb wird die Digitalisierung natürlich auch nicht nur die großen Energieversorger in Beschlag nehmen, sondern sie wird auch für Sie auf der kommunalen Ebene von großer Bedeutung sein.

Wenn wir bei der Energie sind, dann will ich noch kurz ein Wort zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung sagen: Wir haben das maximale Fördervolumen von 750 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr verdoppelt. Das waren schwierige parlamentarische Beratungen. Wir haben darüber auch eine Einigung mit der Europäischen Kommission erreicht; das war auch nicht einfach. Dass wir diese effiziente Art der Energieerzeugung erhalten und weiter ausbauen können, ist deshalb für Sie, glaube ich, eher eine gute Nachricht.

Damit bin ich auch schon beim Thema Gas. Denn Gas wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Wir brauchen grundlastfähige Formen der Energieversorgung, wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen. Die Erdgasinfrastruktur ist in Deutschland ein wichtiger Baustein unserer diversifizierten Energieversorgung. Für mehr als 40 Millionen Menschen in Deutschland dient Erdgas zur Wärmeversorgung. Das ist die Hälfte der Bevölkerung. Deshalb müssen wir die Einspeisung von erneuerbaren Energien und den Gasbereich sehr eng zusammen sehen.

Damit sind wir dann so gut wie beim Thema Klimaschutz. Das Pariser Abkommen ist Ihnen bekannt. Wir haben noch viel zu tun. Die allgemeine internationale Verabredung lautet, eine Erderwärmung von nicht mehr als zwei Grad – besser: nicht mehr als 1,5 Grad – stattfinden zu lassen. Darum geht es international, natürlich auch während unserer G20-Präsidentschaft. Es gibt aber auch ehrgeizige europäische Zielvorgaben: Bis 2030 mindestens 40 Prozent CO2-Verringerung. Für Deutschland gilt das schon bis 2020.

Wir haben in Europa auch einigermaßen vernünftige Einigungen zum Emissionshandel erzielt. Der Umweltrat hat sich darauf verständigt, das Instrument zu stärken und den Abbau der Überschüsse durch die Marktstabilitätsreserve zu beschleunigen, sodass wir eher dazu kommen, einen vernünftigen Preis für CO2 zu haben. Außerdem haben wir uns anstrengen und sehr darum ringen müssen, dabei auch die Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige europäische Wirtschaft zu erhalten. Die Benchmarks, nach denen sich die kostenlose Zuteilung richtet, sollen nur sehr moderat abgesenkt werden. Das bedeutet also, dass wir für unsere Wirtschaft Gutes erreicht haben.

Dann gibt es allerdings noch die Aufteilung des Ziels in dem Bereich, der nicht vom Emissionshandel erfasst ist. – Wir haben ja eigentlich tendenziell immer noch zu viele Instrumente. – Wir haben etwa den Gebäudebereich und den Verkehrsbereich, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind. Andere Teile sind vom Emissionshandel erfasst. Dadurch müssen wir wieder ordnungsrechtliche Instrumente oder andere Instrumente anwenden. Hier müssen wir die nationale Aufteilung innerhalb der Europäischen Union noch hinbekommen; das wird noch einmal recht schwierig werden. Aber ich glaube, Sie sind daran interessiert, dass Sie auch hierbei einen klaren Ordnungsrahmen bekommen – insbesondere auch, was den Gebäudebereich anbelangt.

Wir haben sehr viel über den Klimaschutzplan 2050 diskutiert. Dieser ist verabschiedet worden, hat aber noch viele Elemente, die diskutiert werden müssen. Ich glaube, es war richtig, nicht schon alles festzulegen, sondern zu sagen: Wir brauchen eine Diskussionsphase. Ich bitte Sie, sich auch daran intensiv zu beteiligen. Das gilt natürlich auch für die deutsche Wirtschaft. Wir müssen gemeinsam vorgehen, denn Vorgaben einfach so von oben helfen nicht unbedingt jedem weiter.

Unser Problem ist – ich denke, da müssen wir uns in der nächsten Legislaturperiode auch einmal entscheiden –, dass wir immer sagen: Bis 2050 wollen wir technologieneutral und kosteneffizient eine CO2-Reduktion um 80 Prozent bis 95 Prozent erreichen. Aber zwischen 80 Prozent und 95 Prozent besteht natürlich ein großer Unterschied. Ob man sich bis 2050 auf 95 Prozent oder auf 80 Prozent ausrichtet, ist noch einmal eine große Frage. Ich will dem jetzt hier nicht vorgreifen, aber das muss aus meiner Sicht Anfang der nächsten Legislaturperiode entschieden werden, weil sich daran vieles aufhängt. Die nächste Legislaturperiode dauert über 2020 hinaus. Dann haben wir noch rund 30 Jahre Zeit. 30 Jahre sind eigentlich nicht viel; das ist der gleiche Zeitraum wie von 1990 bis 2020. Und deshalb muss bald Klarheit geschaffen werden.

Nun geht es natürlich auch um die Frage: Was machen Sie auf der kommunalen Ebene? Hier kommen die Mitgliedsunternehmen ganz konkret ins Spiel. Sie werden diese Zielvorgaben dann eben auch in Ihre Arbeit aufnehmen. Das gilt für die erneuerbaren Energien – da liegt noch eine Menge Arbeit vor uns –, aber das gilt natürlich auch für die anderen Fragen, bei denen wir ordnungsrechtlich immer wieder Vorgaben machen, zum Beispiel für Abfall und Abwasser.

Aber noch einmal zu den erneuerbaren Energien: Gerade auch der Fahrzeugpark spielt natürlich eine Riesenrolle. Darauf möchte ich das Augenmerk noch einmal kurz lenken. Ich weiß zum Beispiel, dass Städte wie Hamburg schon neue Wege gehen, was Emissionsarmut, Luftreinhaltung usw. anbelangt. Das betrifft im Grunde eben auch die Frage der CO2-Emissionen. Ich weiß, dass sehr viele Kommunen hierbei mit gutem Beispiel vorangehen, was Erdgasbusse und vieles andere anbelangt. Ich kann Sie also nur ermuntern. Wenn ich sehe, was zum Beispiel auch die Deutsche Post AG mit ihren Transportfahrzeugen gemacht hat, dann sage ich: Es geht. Seien Sie durchaus, wo immer es Ihnen Spaß macht, Vorreiter auf diesem Gebiet. Ich glaube, das wird sich auszahlen. Wir werden Ihnen auch mit unserer Nationalen Klimaschutzinitiative Hilfe leisten.

Ein Stichwort neben dem Fahrzeugpark ist die Energie- und Ressourceneffizienz von Rechenzentren, ein anderes die schöne LED-Technologie. Die Straßenlampe der Zukunft kann ja fast alles. Sie ist nur, glaube ich, ein bisschen teurer als die bisherige, aber ansonsten gibt es tolle Modelle, wie ich immer wieder auf Messen sehe. – Hier vorne lacht jemand; aber das ist so. – Ich sage einmal: Wenn Sie von Ihren Kommunen viel Geld zur Verfügung gestellt bekommen würden, dann würde ich gerne einmal moderne Straßenlampen einkaufen. Was kann man damit alles machen. Natürlich geht es auch um die Minderung von Treibhausgasemissionen in stillgelegten Abfalldeponien. Das alles sind kleine Beiträge, die aber in der Summe zu sehr viel mehr Effizienz führen werden.

Das zweite Thema neben der Energie ist die Wasserwirtschaft. Wir haben nach langer Diskussion die Grenzwerte verändert, was die Nitrate im Grundwasser anbelangt, und haben das Düngerecht geändert. Das war eine ewige Diskussion. Der Bundestag hat das jetzt aber beschlossen. Dann muss auch die Düngeverordnung entsprechend dem Düngegesetz angepasst werden. Es wird auch neue Anforderungen für die Lagerung wassergefährdender Stoffe geben. Alle drei Maßnahmen sollen Ende des Monats den Bundesrat passieren. Ich glaube, das ist für Sie im Grunde eine gute Nachricht, weil die Wasserqualität verbessert wird. Die Landwirte haben eher damit zu kämpfen; das liegt in der Natur der Sache. Ich glaube aber, dass Gewässerschutz und sauberes Trinkwasser durchaus ein wichtiger Bereich sind.

Im Bereich der Abfallwirtschaft haben wir ein neues Verpackungsgesetz. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie Sie darüber denken. Die Freude hält sich in Grenzen, ja? Gut. Na ja, nehmen Sie es, wie es ist; und halten Sie es ein. Ich sage einmal: Seit meiner Zeit als Umweltministerin ist in der Verpackungswelt so viel passiert, dass ich durchaus manchmal Schwierigkeiten habe, nachzukommen. Sie kennen das alles aber und Sie werden den Bürgerinnen und Bürgern auch klar machen, wie sich das verändert. Das ist also auch eine Kommunikationsaufgabe.

Jetzt komme ich zu etwas Schönem, nämlich zum digitalen Wandel. Neue datengetriebene Geschäftsmodelle und Plattformen erobern die Märkte. Ich vermute, dass Sie nicht über alles glücklich sind, weil sich manch einer zum Teil auch einen schlanken Fuß macht. Nur noch Plattformen und Vermarktung sind ein bisschen wenig, um eine nachhaltige Energieversorgung und eine nachhaltige Wasserversorgung sicherzustellen. Ich glaube, es gibt auch schon erste Beispiele, die zeigen, dass Menschen gelernt haben, dass der billigste nicht immer der nachhaltigste Anbieter ist. Es ist eigentlich ein schönes Beispiel für Daseinsvorsorge in ihrer ganzen Tiefe, wenn man sagt: Okay, wir wollen durchaus differenzierte Angebote haben, aber wir müssen einfach auch sehen, dass irgendjemand die Energie auch erzeugen muss und sich irgendjemand dann auch um die Leitungen kümmern muss. Dieselbe Situation haben wir im Grunde auch bei der Breitbandversorgung. – Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Dennoch, die Wertschöpfungsketten werden verändert. Wenn wir über Industrie 4.0 sprechen – das gilt im Grunde auch für „Daseinsvorsorge 4.0“ –, dann ist ja Folgendes zu beachten: Das eine ist die Digitalisierung in der Erzeugung des Produkts, also etwa beim Management der Abfallentsorgung, bei der Erzeugung erneuerbarer Energien, beim Wassermanagement; aber der eigentliche Punkt, bei dem wir in Deutschland nicht vorn sind – auch wenn ich die Wirtschaft insgesamt anschaue –, ist, dass sich die Beziehung zum Kunden revolutioniert. Der Kunde wird mündiger, der Kunde erwartet ein passgerechtes, individualisiertes Angebot bei allem und jedem. Und derjenige, der als erster in der Lage ist, die Wünsche seiner Kunden zu kennen und darauf am besten zu reagieren, weiß die Digitalisierung am besten zu managen.

Deshalb meine herzliche Bitte: Bleiben Sie nicht dabei stehen, die Produktion, die Erzeugung oder das Management im eigenen Unternehmen zu digitalisieren. Das ist wichtig, das ist selbstverständlich und das können wir auch ganz gut. Aber der eigentliche Punkt, bei dem wir auch mit den Amerikanern und Asiaten in einen Wettbewerb treten, ist: Wer weiß am meisten über seine Kunden? Wenn Sie sich zum Beispiel die neuen Modelle im öffentlichen Personennahverkehr anschauen, dann stellen Sie fest, dass es ganz wichtig ist, über Ihre Kunden viel zu wissen. Katherina Reiche hat als erstes nach „door to door“ gefragt. Das ist jetzt ein Beispiel, ich mache aber keine Werbung für irgendjemanden; es mag andere Beispiele geben. Wenn Sie aber die Wünsche Ihrer Kunden kennen – egal, ob es in der Stadt oder im ländlichen Raum ist –, werden Sie in der Lage sein, wirklich revolutionär und effizienter diese Wünsche zu befriedigen. Und dann werden Sie zum Beispiel die „front runner“ in der Frage der Mobilität sein.

Da müssen wir aber sukzessive und aufmerksam durchgehen: Was steht dem im Wege? Wenn ich jetzt einmal an einen Landkreis oder an eine Stadt denke – da gibt es beispielsweise den öffentlichen Personennahverkehr, da gibt es Tarifverträge für Busfahrer oder für Straßenbahnfahrer. Und nun kommt einer senkrecht von außen und sagt: Pass einmal auf, ich mache dir das alles ganz einfach – zwischen 20 Uhr und 5 Uhr morgens brauchst du überhaupt nichts mehr von diesen großen Angeboten, du kannst das alles individualisiert machen; und deine Leute werden doppelt so froh sein. Was sage ich dann dem Busfahrer? Wie muss ich ihn umqualifizieren? Ist er bereit, auch einen kleinen Van zu fahren und nur sechs Mann zu transportieren? Wie bekomme ich Flexibilität hin?

Meine Bitte ist: Wir müssen über dieses wichtige Thema insgesamt auch mit den Gewerkschaften reden. – Jetzt sitzt gerade die Falsche hier, denn das betrifft mehr Herrn Bsirske. – Ich meine das aber ganz ernst. Wenn wir 20 Jahre brauchen, um alles umzustrukturieren, dann werden private Anbieter kommen, die alles irgendwie besser machen. Sie werden dann sozusagen alles einstellen können, weil keiner mehr den Bus nutzt, der nur alle drei, vier Stunden kommt oder morgens zur Schulzeit; und abends, wenn das Kind zurückkommt, kann auch die Großmutter noch einmal irgendwie zum Einkaufen fahren.

Das jetzt so zu machen, dass die Leute keine Angst bekommen, keine Panik bekommen, und zu sagen „Okay, wir lassen uns darauf ein“ und vonseiten Ihrer Unternehmen zu sagen „Wir kümmern uns um jeden Einzelnen, wir wollen keine Arbeitsplätze vernichten, wir wollen kein Lohndumping“, das wird aus meiner Sicht ganz, ganz wichtig sein. – Sie sind so stumm, dass ich ganz unruhig werde, aber ich glaube, ich habe recht. Ich bin mir sogar ganz sicher, dass ich recht habe.

Gestern hat mir auf der Handwerksmesse in München einer aus Thüringen erzählt, was alles auf seinem Gewerbegebiet nicht geht, und gesagt, dass ich mit meinen digitalen Träumen aufhören solle, denn er brauche erst einmal eine Breitbandanbindung. Das ist richtig, deshalb haben wir ja auch ein Förderprogramm und das sogenannte DigiNetz-Gesetz – auch ein komischer Name – auf den Weg gebracht, um den Ausbau mit Glasfaser besser voranzubringen.

Wie Sie wissen, haben wir uns das Ziel von 50 Megabit pro Sekunde für jeden Haushalt gesetzt. Das hilft Ihnen in einem Gewerbegebiet aber gar nicht. Die Gewerbegebiete müssen auch wirklich angebunden werden. Auch die Schulen müssen angebunden werden – auch damit werden wir uns auseinandersetzen. Und die Anbindung muss so erfolgen, dass das dann auch in die 5G-Generation hineinreicht und wir Echtzeitdatenübertragung haben können, damit all die schönen, modernen Technologien dann auch wirklich nutzbar sind. Die Bandbreite muss da sein, damit man in einem Gewerbegebiet, wenn daneben noch eine Schule steht, nicht sozusagen nur stundenweise Zugang zum Internet hat, sondern permanent und verlässlich. Vier Milliarden Euro wird der Bund bis 2019 zusätzlich ausgeben, um in den ländlichen Regionen den Ausbau zu fördern. Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts müssen wir uns dann in die Gigabit-Region hineinbewegen – und das möglichst schnell.

Wir haben ja in Deutschland ein ambivalentes Verhältnis zu großen Datenmengen. Die Verfassungsrechtsprechung stellte mit Blick auf den Datenschutz immer auf Datensparsamkeit ab, aber was die Digitalisierung von uns erfordert, ist eigentlich Datenreichtum. Je besser Sie als kommunale Unternehmen die Daten und die Wünsche Ihrer Kunden kennen, umso mehr können Sie damit auch machen. Natürlich muss das auf gesetzlicher Basis geschehen, aber scheuen Sie sich nicht, die Wünsche Ihrer Kunden auch wirklich kennenzulernen. Denn das ist der Ausgangspunkt für neue Geschäftsmodelle, die Sie nutzen können. Gleichzeitig muss man natürlich auch darauf achten, dass mit diesen Daten kein Missbrauch geschieht. Viele Bürgerinnen und Bürger können sehr wohl Vorteile daraus ziehen, dass sie ihre Daten an private Anbieter herausgeben, sie also zur Verfügung stellen. In einem Privatauto wird man in Zukunft sozusagen fast alles über sein Verhalten dem Autobauer zur Verfügung stellen. Es stellt sich aber noch die Frage, wem dann was gehört.

Aber Sie sollten sich nicht scheuen, denn Ihre künftigen Geschäftsmodelle sind umso besser, je besser Sie Ihre Kunden kennen. Sie sind ja vor Ort ansässig und haben eigentlich gute Möglichkeiten und gute Beziehungen, um mit Ihren Kunden darüber zu sprechen. Ich würde dabei sehr transparent vorgehen und würde, wenn ich neue öffentliche Personennahverkehrsmodelle oder Smart Grids entwickeln würde, Bürgerversammlungen abhalten, viel mit den Bürgern reden – ich glaube, das machen Sie auch schon – und damit Vertrauen aufbauen.

Ich weiß nicht, ob es unter Ihren Start-up-Unternehmen auch solche gibt, die sich mit dem Thema Sicherheit beschäftigen. Wir haben heute wahnsinnige Möglichkeiten, Infrastrukturen durch Cyberangriffe lahmzulegen. Das ist in Bezug auf die Daseinsvorsorge natürlich sehr, sehr schwierig. Es gibt bereits aus der Ukraine Beispiele, die wirklich beängstigend sind. Deshalb ist Cybersicherheit von allergrößter Bedeutung.

Die Bundesregierung hat daher die Cyber-Sicherheitsstrategie aktualisiert. Wir sind sehr gerne bereit, mit den Kommunen hierbei zusammenzuarbeiten, sie zu informieren, ihnen unser Wissen zur Verfügung zu stellen. Scheuen Sie sich nicht, wenn Ihnen etwas auffällt, dies dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mitzuteilen. Es ist essentiell, darüber zu informieren, weil sonst ganze Bereiche lahmgelegt werden können. Deshalb ist aus unserer Sicht das Qualitätsmerkmal „IT Security made in Germany“ ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Wir setzen auch mobile Teams ein, um, wenn irgendwo Angriffe passieren, solchen Vorgängen sofort nachzugehen, um daraus auch immer wieder zu lernen.

Nun noch die Frage: Wie kümmern wir uns um die Kommunen? Wenn wir nicht gerade schöne Gesetze wie die, die ich jetzt alle dargestellt habe, erlassen, ist uns auch die finanzielle Ausstattung der Kommunen sehr wichtig. Das ist für Sie von großer Bedeutung, denn handlungsfähige Kommunen sind die Voraussetzung dafür, dass Sie vernünftig arbeiten können, dass Sie zufriedene Kunden haben, dass Sie Kreistage und Stadtparlamente haben, die auch vernünftige Entscheidungen treffen können. Deshalb haben wir Verschiedenes gemacht. Sie wissen, dass wir die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung übernommen haben. Wir werden den Kommunen Anteile beim Thema Eingliederung geben, weil die Eingliederungskosten in den Kommunen massiv steigen. Es gibt den Kommunalinvestitionsförderungsfonds für finanzschwache Kommunen. Es wird natürlich auch Unterstützung im Zusammenhang mit den Flüchtlingen geleistet.

Allerdings muss man sagen, dass der Weg von der Bundesebene zur kommunalen Ebene ein weiter und verschlungener Weg ist, weil die kommunalen Finanzausgleichsgesetze der Länder hoch diversifiziert sind. Wenn wir beispielsweise sagen „Wir geben den Kommunen vier Milliarden Euro“ und addieren, was zum Schluss bei den Kommunen zusammengenommen herauskommt, dann ist wahrscheinlich irgendwie eine Lücke vorhanden. Solche Lücken sind aber auch rechtmäßig. Es ist nicht so, dass man jemandem einen Vorwurf machen kann. Aber die verschlungenen Pfade des kommunalen Finanzausgleichsmechanismus der einzelnen Länder zu verstehen, ist echt schwierig; auch weil dabei unterschiedliche Prinzipien angewandt werden.

Deshalb ist das für den Bund nicht einfach. Wir haben praktisch kaum eine Möglichkeit, Geld den Kommunen direkt zu geben – außer in Bezug auf KdU. Aber zumeist geht alles über Umsatzsteueranteile; und diese Umsatzsteueranteile werden immer irgendwie verrechnet. Wir werden im Zusammenhang mit dem Bund-Länder-Finanzausgleich ab 2020 noch einmal schauen, dass, wenn die Länder so sehr viel mehr bekommen, dies eben auch für die Kommunen einen Wert hat – dass Mittel nicht einfach nur von den Ländern in Anspruch genommen werden und gegebenenfalls auch kommunale Finanzausgleichsgesetze geändert werden. Es sitzen ja immer auch Ländervertreter im Saal. Deshalb hat es auch gar keinen Sinn, sich gegeneinander aufzuwiegeln. Ich glaube nur, dass wir mehr Transparenz brauchen; das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Die Vielfalt unseres Föderalismussystems führt dazu, dass die Gegebenheiten einfach unterschiedlich sind. Aber es muss klar werden, was dabei herauskommt, weil wir sonst Unzufriedenheit erzeugen – weil sonst, wenn wir mit den Kommunen sprechen und denken, dass wir etwas Gutes tun, dann doch etwas ganz anderes passiert als wir dachten. Daran müssen wir noch weiter arbeiten, denn das ist wichtig.

Ich möchte mit zwei Dingen abschließen. Das ist einmal ein Dank. Alle, die auf der kommunalen Ebene arbeiten, haben ganz besonders im Jahr 2015, aber natürlich auch bis in das Jahr 2016 hinein unglaublich viel im Zusammenhang mit der zusätzlichen Aufgabe der Aufnahme von Flüchtlingen getan – ehrenamtlich, hauptamtlich und bis an die Grenze der Belastbarkeit. Ein herzliches Dankeschön dafür. Das war alles andere als selbstverständlich.

Wenn Sie neugierige junge Menschen unter den Flüchtlingen für Ihre kommunalen Unternehmen brauchen, scheuen Sie nicht die Mühe, sie vorzubereiten, sie aufgeschlossen zu machen. In meinem Redemanuskript steht ein Beispiel von Unternehmen aus Dresden, die das tun. Ich glaube, dass das nicht das einzige Beispiel ist. Es lohnt sich, in die Zukunft dieser Menschen, wenn sie denn ein Aufenthaltsrecht bei uns haben, zu investieren.

Insgesamt also ein herzliches Dankeschön. Wir können Gesetze machen, wir können Geld zur Verfügung stellen. Aber daran, dass das Ganze hinterher zu einem qualitätsvollen Leben für die Bürgerinnen und Bürger beiträgt, haben Sie einen wesentlichen Anteil. Deshalb danke ich Ihnen zum Abschluss nochmals für Ihre tägliche Arbeit, die das Leben der Menschen in Deutschland wesentlich mitbestimmt.

Herzlichen Dank für die Einladung.