Rede von Bundeskanzlerin Merkel zur Festsitzung am Leibniztag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 6. Juni 2015

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Sehr geehrter Herr Professor Stock,
sehr geehrter Herr Professor Grötschel,
sehr geehrte Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts
und des Berliner Abgeordnetenhauses,
Senatoren, Minister, Abgeordnete,
vor allen Dingen Sie, sehr geehrte Mitglieder Akademie
und liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
meine Damen und Herren,

ich freue mich sehr, heute an dieser Festsitzung teilzunehmen. Die Wurzeln der Berlin-Brandenburgischen Akademie reichen bis in das Jahr 1700 zurück. Damals wurde die Kurfürstlich-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften auf Initiative des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz ins Leben gerufen. Ihm schwebte eine Vereinigung kluger Köpfe vor: „gelehrte Leute, Ingenieurs und Künstler“ – wie es in seiner Denkschrift dazu hieß. Sie sollten in verschiedenen Disziplinen Theorie und Praxis zusammendenken oder – in Leibniz Worten ausgedrückt –: „Man müsste gleich anfangs das Werk samt der Wissenschaft auf den Nutzen richten.“

Diesem Anspruch ihres Vordenkers und ersten Präsidenten folgte die Akademie. Sie ließ sich in ihrer Arbeit von der Frage nach dem Nutzen für die Menschen leiten. Dies war die Grundlage ihrer Erfolge über die Jahrhunderte hinweg. Heute präsentiert sich die Berlin-Brandenburgische Akademie als eine der ältesten und bekanntesten wissenschaftlichen Einrichtungen der Region mit Strahlkraft weit darüber hinaus. Mit ihr sind Namen vieler hervorragender Wissenschaftler verbunden, darunter fast 80 Nobelpreisträger.

Die Wissenschaftslandschaft mag sich stets im Wandel befinden. Immer aber steht auch die Frage nach gegenseitigen Anforderungen von Staat und Wissenschaft im Raum. Ob in Zeiten des preußischen Kurfürsten oder im 21. Jahrhundert – an die Förderung von Wissenschaft und Forschung ist seit jeher auch die Hoffnung auf wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Ertrag geknüpft. Der zu erwartende Ertrag wiederum ist umso größer, je größer die wissenschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit sind. Diese Einsicht untermauerte schon Johann Gottfried Herder, als er sich einer der Preisfragen widmete, die die Akademie zu seiner Zeit regelmäßig stellte. 1780 überzeugte er mit seiner preisgekrönten Abhandlung „Vom Einfluss der Regierungen auf die Wissenschaften und der Wissenschaften auf die Regierung“. Darin hebt er die Rolle der Freiheit hervor und stellt kurz und bündig fest: „Die Regierung, unter der allein Natur, rechtes Maß und Verhältnis stattfindet, ist Freiheit.“

Dass Erkenntnisgewinn und Fortschritt aus Freiheit erwachsen, ist auch an den verschiedenen Kapiteln der Geschichte der Akademie abzulesen. Darin spiegeln sich die historischen Wechselfälle der vergangenen Jahrhunderte wider. Neben glanzvollen Phasen stehen auch jene, in denen Diktaturen die Akademie einengten. Der Rückblick zeigt also das ebenso enge wie ambivalente Verhältnis von Wissenschaft und politischer Wirklichkeit – ein Verhältnis, das der Wissenschaft in guten Zeiten Förderung und Freiheit verhieß, in schlechten Zeiten aber auch Einengung und Drangsal mit sich brachte.

Wir feiern im Herbst dieses Jahres 25 Jahre Deutsche Einheit. Einerseits können wir durchaus stolz sein auf das, was im vergangenen Vierteljahrhundert neu geschaffen und neu aufgebaut wurde. Andererseits dürften wir noch in lebhafter Erinnerung haben, dass alles vor allem in den ersten Jahren nach dem Mauerfall alles andere als einfach war. Die tiefgreifenden Umbrüche erfassten natürlich auch den gesamten ostdeutschen Wissenschaftsbereich.

Gemäß Einigungsvertrag wurde die Akademie der Wissenschaften der DDR als Gelehrtensozietät von den Instituten getrennt. Die Institute konnten dann in den jeweiligen Ländern noch eine Weile bestehen und wurden dann aber umgewandelt oder aufgelöst. Was dann folgte, um die Wissenschaftssozietät der ehemaligen DDR mit dem, was es im Westberliner Teil gab, zusammenzubringen, ist aus meiner Sicht ein Stück vorbildlichster Gestaltung der Deutschen Einheit. Es lohnt sich, dazu den Bericht von Professor Christian Meier nachzulesen, den er im Namen der Planungsgruppe, die selbstverständlich aus ost- und westdeutschen Wissenschaftlern bestand, für eine Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 10. Oktober 1992 gab, und zwar anlässlich der Konstituierung des Wahlgremiums der Berlin-Brandenburgischen Akademie. Ich freue mich sehr, dass Senator Erhardt a.D. heute hier ist, denn er hat damals diesen Prozess wesentlich begleitet.

Symbolisch für die Neuartigkeit des Herangehens steht, dass die Mitgliedschaft in beiden bisherigen Akademien aufgehoben wurde. Selten hat man es gehabt, dass sich sowohl der östliche als auch der westliche Teil sozusagen erst einmal aufhoben, um dann in einer neuen Struktur aufzugehen. Das Wahlgremium war aus Ost und West zusammengesetzt. Eine wichtige Weichenstellung war – und das symbolisierte auch ein bisschen den Stolz einer zukünftigen Hauptstadt –, dass man sagte: Wir beschränken uns nicht auf das Regionalprinzip, sondern wollen darüber hinaus ausstrahlen. Herausgekommen ist eine moderne Akademie mit klaren Strukturen, Klassen, Arbeitsgruppen und der heute schon breit diskutierten Vernetzung – eine Arbeitsakademie, die loslegen konnte.

Im Frühjahr 1993 schließlich konnte die Neukonstituierung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gefeiert werden. Wie wir heute wissen: Es war der Anfang einer neuen Erfolgsgeschichte. Denken wir an die vielen Initiativen und Stellungnahmen der Akademie sowie an ihre wichtige Rolle, die ihr im Rahmen der Nationalen Akademie zukommt. Die Erfolgsgeschichte spiegelt sich in bedeutsamen Forschungsvorhaben wider, insbesondere auf dem Feld der Geisteswissenschaften; und sie zeigt sich mit Blick auf die Mitglieder der Akademie, die für die Exzellenz der Einrichtung stehen.

Lieber Herr Professor Stock, Sie haben wesentlichen Anteil an dieser Erfolgsgeschichte. Seit 2006 stehen Sie an der Spitze der Akademie. Der diesjährige Leibniztag ist der letzte Ihrer Präsidentschaft. Daher findet sich auch keine bessere Gelegenheit für ein Wort des Danks, das Sie wahrlich verdient haben. Sie haben hohe Ansprüche an die Akademie gestellt. Damit haben Sie diese als einen Ort der Vernunft, als Quelle und Forum des Gewinns und Austauschs von Erkenntnis geprägt.

Ihr Wirken beschränkt sich nicht allein auf Berlin und Brandenburg. Als Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften liegt Ihnen sehr daran, Ihre Arbeit in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen und natürlich im Sinne des gesellschaftlichen Fortschritts zu stärken. Das gilt insbesondere für die Geisteswissenschaften. Sie haben wesentlich zur Weiterentwicklung des Akademienprogramms beigetragen, gerade auch mit Blick auf zentrale Anforderungen wie Qualitätssicherung und Exzellenz, Digitalisierung und Nachwuchsförderung. Damit haben Sie auch mitgeholfen, die Förderung durch das Akademienprogramm von Bund und Ländern auf ein verlässliches Fundament zu stellen. Alles in allem ist es also kein Wunder, dass Ihre Erfahrung auch auf europäischer Ebene gefragt ist und Sie deshalb auch die Präsidentschaft der Vereinigung All European Academies innehaben.

In welcher Funktion auch immer: Sie haben stets einen offenen Blick für ratsame Erneuerungsprozesse bewiesen. Beispielhaft ist Ihr Einsatz für die Junge Akademie für exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs – die weltweit erste Einrichtung ihrer Art. Inzwischen gibt es auch eine Global Young Academy, die jungen Forscherinnen und Forschern aus aller Welt Gewicht und Stimme verleiht. Auch bei diesem Projekt hat die Berlin-Brandenburgische Akademie zusammen mit der Leopoldina Pate gestanden. Ich danke Ihnen, lieber Herr Professor Stock, für Ihr so übergroßes Engagement und wissenschaftliches Wirken.

Welche Wege die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in Zukunft einschlägt, welchen Projekten sie sich auf nationaler und internationaler Ebene verschreibt, welche Ziele sie vorrangig verfolgt – all dies wird bald in Ihrer Hand liegen, lieber Herr Professor Grötschel. Mit der Präsidentschaft übernehmen Sie eine ebenso ehrenvolle wie anspruchsvolle Aufgabe. Aber als Mathematiker schreckt Sie ja keine Gleichung mit mehreren Unbekannten. Wegfindungen haben Sie uns auch schon demonstriert. Hoffentlich können wir alle das dann verstehen, was Sie in Ihren Netzwerken tun. Jedenfalls wünsche ich Ihnen für das neue Amt eine glückliche Hand und viel Erfolg.

Eines kann ich Ihnen schon jetzt zusichern: Die Stimme der Wissenschaft findet in der Politik Gehör. Wir sind in vielen Fragen auf die Beratung und Expertise der Wissenschaft angewiesen. Es wäre natürlich schön, wenn es zur Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit einen Königsweg gäbe. Es gibt ihn aber nicht. Daher hat auch der Wissenschaftsrat kürzlich in einem Positionspapier die Notwendigkeit unterstrichen, dass – ich zitiere – „in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik vielfältige Szenarien entwickelt und jeweils angemessene Handlungsoptionen erarbeitet werden.“ Zudem seien diese Szenarien und Handlungsoptionen im Licht neuer Erkenntnisse stets anzupassen. Immer wieder neue Wege zu erschließen, zu beschreiten und dabei möglichst viele mitzunehmen – dafür ist die Politik da. Wie gut ist es dabei, seitens der Wissenschaft einen Kompass an die Hand zu bekommen.

Ein aktuelles Beispiel für wissenschaftliche Politikberatung bietet zum Beispiel der G7-Prozess. Für das morgen beginnende Gipfeltreffen im bayerischen Elmau haben wir uns eine ehrgeizige Tagesordnung gesetzt. Wir befassen uns unter anderem mit dem Schutz der Meere, dem Kampf gegen das Antibiotikaresistenzphänomen und gegen sogenannte vernachlässigte Tropenkrankheiten. Bei solchen Themen ist es ganz offensichtlich: Wollen wir vorankommen, brauchen wir fachliche Expertise. Und deshalb haben wir die internationale Wissenschaft in die deutsche G7-Präsidentschaft gezielt eingebunden. Vor wenigen Wochen haben mir die nationalen Akademien der G7-Staaten auf einem Treffen ihre Stellungnahmen übergeben. Für ihre politische Orientierungshilfe sind wir sehr dankbar.

In meinen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen im Kreis der G7 und aus aller Welt wird mir immer wieder bewusst, wie wichtig die Brückenfunktion der Wissenschaft im Miteinander der Länder und Regionen ist. Für die Wissenschaft selbst ist internationale Zusammenarbeit längst selbstverständlich. Sie gibt der Politik ein Beispiel dafür, dass sich gemeinsame Herausforderungen am besten mit vereinten Kräften bewältigen lassen.

Als eine der führenden Industrienationen haben wir in Deutschland den Anspruch – ja, geradezu eine Verpflichtung –, Globalisierung verantwortungsvoll mitzugestalten. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dabei auch auf ein leistungsfähiges Forschungs- und Innovationssystem bauen zu können. Blicken wir etwa auf Berlin, dann sehen wir hier zum Beispiel zwei von bundesweit elf Exzellenzuniversitäten. Die gesamte Region Berlin-Brandenburg ist ein weltweit herausragender Standort für die Lebenswissenschaften und die Gesundheitswirtschaft. Potsdam brilliert mit seinen geo- und umweltwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen auf dem Telegrafenberg, um nur ein Beispiel zu nennen. Und auch die mathematischen Einrichtungen in der Region sind eine Klasse für sich. Die Standorte Golm und Adlershof, die zahlreichen universitären und außeruniversitären Institute – sie alle machen den großartigen Ruf dieser Wissensregion aus. Dieser Befund ist Teil der positiven Bilanz nach 25 Jahren Deutsche Einheit.

An diesem Gemeinschaftswerk war und ist – bei aller Bescheidenheit – auch der Bund tatkräftig beteiligt. Die Bundesregierung weiß um den Stellenwert und die Zugkraft von Bildung und Wissenschaft, Forschung und Entwicklung als Motor wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts. Das lässt sich auch leicht an unseren Investitionen in diese Bereiche ablesen, die wir zwischen 2005 und 2014 um rund 60 Prozent gesteigert haben. Das haben wir geschafft – trotz Haushaltskonsolidierung und inzwischen auch wegen vorheriger Konsolidierung. Denn weniger Schuldzinsen bedeuten natürlich auch mehr Haushaltsspielräume.

Wir haben uns vorgenommen, dass Staat und Wirtschaft jährlich drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgeben. Mit diesem Ziel stehen wir im internationalen Vergleich gut da. – Allerdings sind wir nicht die Besten; und man erlebt, dass andere auch sehr stark zulegen. – Wir haben, um dieses Ziel zu erreichen, staatlicherseits Initiativen ergriffen und Reformen durchgeführt, die auch auf eine Stärkung der außeruniversitären Forschung zielen. Wir haben etwa den Pakt für Forschung und Innovation bis 2020 verlängert. Den finanziellen Aufwuchs um jährlich drei Prozent trägt der Bund in Zukunft allein. Ich glaube, gerade die Berechenbarkeit über die Jahre hinweg ist inzwischen zu einem Markenzeichen deutscher Wissenschaftsförderung geworden.

Gute Forschung setzt gute Bildung voraus. Insofern sehe ich Forschungs- und Bildungsförderung in einem sehr engen Zusammenhang. Anfang dieses Jahres hat der Bund das BAföG vollständig übernommen. 2016 wollen wir die Leistungen erhöhen. Indem wir die finanzielle Verantwortung allein schultern, entlasten wir die Länder jährlich um rund 1,2 Milliarden Euro. Wir knüpfen daran die Erwartung, dass die Länder freiwerdende Mittel für Bildungsinvestitionen verwenden, denn gerade auch bei Hochschulen besteht erheblicher Finanzierungsbedarf. Aus diesem Grund haben sich Bund und Länder auch darauf verständigt, den Hochschulpakt aufzustocken und zu verlängern. Damit können wir die Studienangebote deutlich ausweiten.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass ein lange geplantes Projekt endlich gelungen ist, nämlich die Änderung des Artikels 91b Grundgesetz, die der Bund-Länder-Kooperation neue Perspektiven eröffnet. Bisher konnte der Bund allenfalls befristete Projekte an Hochschulen fördern. Nun ist in bestimmten Bereichen auch ein langfristiges Engagement möglich, wenn dies von überregionaler Bedeutung ist. Für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist diese Strukturänderung dringend notwendig gewesen.

Alles in allem tragen unsere Bemühungen reichlich Früchte. Die Zahl der Studierenden bewegt sich auf Rekordniveau. Der hohe Zustrom an Studienanfängern hält weiter an. Und auch in den MINT-Fächern sehen wir erfreulich hohe Zuwächse. Auch international genießt Deutschland einen guten Ruf. Wir liegen auf Platz drei der beliebtesten Zielländer von Studierenden. Der Anteil ausländischer Wissenschaftler an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist gewachsen. Und immer mehr Spitzenwissenschaftler aus aller Welt arbeiten und forschen in unserem Land.

Bei aller Freude über solche Erfolge sollten wir aber im Blick behalten, dass sie immer nur Momentaufnahmen sind. Wir befinden uns in einem globalen Innovationswettbewerb – wer sich da selbstzufrieden zurücklehnt, läuft schnell Gefahr, zurückzufallen. Das Rad der Forschung dreht sich unaufhörlich weiter. Daher müssen wir unser Profil als Wissenschaftsstandort ständig schärfen. Dazu gehört unter anderem, die Exzellenzinitiative weiterzuentwickeln. – Herzlichen Dank für Ihre Hinweise. – Derzeit wird darüber zwischen Bund und Ländern verhandelt. Wichtig ist vor allem, das fortzuführen, was wir für die Förderung exzellenter Spitzenforschung an Hochschulen bisher erreicht haben.

Im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe und die demografische Entwicklung vor Augen wollen wir Nachwuchswissenschaftlern hierzulande gute Perspektiven bieten. Dazu gehören auch vernünftige Karrierewege in der Wissenschaft. Daher haben wir uns Korrekturen am sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetz vorgenommen, um Fehlentwicklungen bei befristeten Arbeitsverhältnissen gegensteuern zu können. Zudem haben wir grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, die Hochschulen durch ein Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu unterstützen.

Hinzukommen muss aber auch, dass die zuständigen Länder die Grundfinanzierung ihrer Hochschulen dauerhaft anheben, so wie es der Wissenschaftsrat empfiehlt. Auch deshalb werde ich weiter betonen, dass die Qualität von Bildung, Wissenschaft und Forschung mit darüber entscheidet, inwieweit wir Antworten auf Fragen unserer Zeit finden, inwieweit wir technologische Trends setzen oder mit ihnen mithalten und inwieweit wir Produkte, Verfahren und Leistungen anbieten können, die weltweit gefragt sind. Unsere Innovationsfähigkeit entscheidet – nicht mehr und nicht weniger – über Wohlstand, über Lebensqualität und über Fortschritt.

In diesem Zusammenhang sprechen wir derzeit viel über Digitalisierung, die noch ungeahnte Entwicklungspotenziale bietet. Industrie 4.0 ist dabei nur ein wichtiges Stichwort. Die Digitalisierung wird unsere gesamte Gesellschaft verändern. Am Beispiel des digitalen Wandels zeigt sich auch, dass auf Anhieb oft gar nicht absehbar ist, welchen Nutzen wissenschaftliche Arbeit mit sich bringen kann. Als sich Gottfried Wilhelm Leibniz Gedanken über ein duales Zahlensystem machte, lag die Erfindung eines Computers noch in relativ weiter Ferne. Doch mit der Reduktion auf Null und Eins war die spätere Entwicklung digitaler Technologien vorgezeichnet, die zurzeit unser Leben revolutionieren. Ich weiß nicht, ob Leibniz das geahnt hat; das werden Sie vielleicht besser herausfinden als ich.

Immerhin gewann die Wissenschaft mehr und mehr an Bedeutung – auch und gerade wegen Leibniz. Der preußische König Friedrich der Große nannte ihn anerkennend „eine Akademie für sich“. In der Tat verkörperte Leibniz Tugenden, die Wissenschaftsakademien bis heute auszeichnen: das Zusammenführen verschiedener Disziplinen und das Zusammendenken verschiedener Ansätze; die Besinnung auf den praktischen Nutzen, ohne aber den Sinn für unabhängiges und ergebnisoffenes Forschen zu verlieren. Ich hoffe, Sie sind nicht traurig, dass Sie 200 sein müssen für das, was damals vom König mit Blick auf eine Person als „eine Akademie für sich“ bezeichnet wurde.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften versteht jedenfalls ihre Möglichkeiten und Freiheiten verantwortungsvoll zu nutzen – sei es in der interdisziplinären Forschung, sei es in ihrem wissenschafts- und gesellschaftspolitischen Wirken. Damit darf ich sagen: Sie dienen dem Fortschritt und dem Gemeinwohl. Und dafür möchte ich einfach danke sagen. Meine guten Wünsche begleiten Sie, lieber Herr Professor Stock und lieber Herr Professor Grötschel, sie begleiten die Mitglieder sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Akademie.

Herzlichen Dank.