Rede von Bundeskanzlerin Merkel zur Eröffnung des 11. Integrationsgipfels am 2. März 2020 in Berlin

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Lieber Bundesinnenminister Horst Seehofer,
liebe Annette Widmann-Mauz, die Du die ganze organisatorische Arbeit mit Deinem Stab gemacht hast,
lieber Kanzleramtsminister Helge Braun
und Sie alle, die Sie heute an diesem Integrationsgipfel teilnehmen,

ich begrüße Sie ganz herzlich. Es ist der 11. Integrationsgipfel. Ich möchte dieses Mal ganz besonders Herrn Minister Mendicino begrüßen. A warm welcome to you. You arrived from Canada. Sie sind als Minister für Einwanderung, Flüchtlinge und Staatsbürgerschaft der erste ausländische Gast bei einem solchen Integrationsgipfel. Das deutet schon darauf hin, dass wir heute ein ganz besonderes Hauptthema haben. Deshalb begrüße ich auch Sozial- und Arbeitsminister Heil und ebenso Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Nach unserer heutigen Sitzordnung sitzen Vertreter der Migrationsverbände zwischen den Ministern. Deshalb muss sich mein Auge an diese neue Konstellation erst gewöhnen.

Obwohl wir ein Hauptthema haben, stehen wir alle natürlich unter dem Eindruck des Anschlags von Hanau am 19. Februar. Ich möchte deshalb zu Beginn der Veranstaltung auch an die Menschen erinnern, die Opfer rechtsextremer, rassistischer und islamfeindlicher Gewalt oder islamfeindlichen Hasses wurden. Ich darf allen sagen, dass wir mit den Familien und Angehörigen trauern und dass wir natürlich sehr bedrückt sind, dass es bisher nicht gelungen ist, solche Taten zu stoppen, sondern dass es eine ganze Reihe von Dingen gab, die uns sehr, sehr umtreiben.

In einem Vorgespräch mit Migrantenverbänden – Annette Widmann-Mauz hatte eingeladen; Horst Seehofer war auch dabei – haben wir heute gesagt, dass wir noch mehr tun müssen, weil wir mit den Ergebnissen, die wir haben, natürlich überhaupt nicht zufrieden sein können. Jeder Mensch, der in diesem Lande lebt, muss sich sicher fühlen können und muss in seiner Würde akzeptiert werden. Das gibt uns auch das Grundgesetz auf. Sicherheit ist die Voraussetzung dafür, dass man in seiner Würde überhaupt akzeptiert wird.

Wir haben leider gelernt, dass Worte auch zu Taten werden können und daraus schreckliche Gewalt erwachsen kann. Das heißt, wir müssen weit vor der Anwendung von Gewalt aufmerksam sein – es geht um unsere Diskussionskultur, um die Wortwahl, um das gesellschaftliche Klima. Heute sitzen hier Vertreter aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen, die ich alle begrüße – von Wohlfahrtsverbänden bis zu Wirtschaftsverbänden –, und die uns dabei helfen können. Politik hat eine zentrale Verantwortung, aber die Gesellschaft ist viel, viel umfassender. Letztlich geht es um unser Selbstverständnis.

Gestern ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Deutschland in Kraft getreten. Wir haben uns lange mit der Frage der Einwanderung beschäftigt und gesagt: Ja, wir haben in verschiedener Form Einwanderung, aber wir wollen jetzt auch ganz bewusst auf Menschen setzen, deren fachliche Kompetenz wir brauchen. Das haben Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik gemeinsam gesagt; und das unterscheidet unsere heutige Betrachtungsweise doch sehr von der Betrachtungsweise in der Zeit zu Anfang der 60er Jahre, als, wie sie genannt wurden, Gastarbeiter zu uns kamen. Schon in diesem Wort hat sich ausgedrückt, dass wir dachten: Na ja, sie kommen; und dann gehen sie auch wieder. Wir haben positive Entwicklungen erkannt, aber auch die Aufgaben, die für die zweite, dritte und vierte Generation erwachsen sind. Wir wissen, dass Integration keine Sache nur einer Generation ist. Aber wir wissen inzwischen auch, dass es nicht nur um Integration geht, sondern dass es auch darum geht, miteinander zu leben. Es gibt nicht immer das „Wir“ und das „Ihr“, wie es Annette Widmann-Mauz heute gesagt hat, sondern wir sind eine Gesellschaft. Das ist der zentrale Satz.

Deshalb wollen wir heute nicht nur darüber sprechen, was wir im Bereich der Vorintegration tun können, sondern wir wollen auch ein bisschen von Ihren Erfahrungen profitieren, Herr Mendicino. Deshalb danke ich für die Idee, Herrn Mendicino hierher einzuladen.

Ich freue mich auf die Diskussion und darauf, miteinander verschiedene Fragen durchzugehen, zum Beispiel: Was ist wichtig für jemanden, der in unsere Gesellschaft kommt; was sollte er wissen, bevor er überhaupt ankommt? Das wird eine spannende Diskussion, die wir allerdings ein bisschen dadurch verändern, dass wir uns zu Beginn hier in diesem Kreis von drei Vertretern der Migrantenverbände zum gesellschaftlichen Klima berichten lassen, was wir in der Vorveranstaltung mit den Migrantenverbänden besprochen haben, sodass wir eine Brücke schlagen. Dann kommen wir zu unserem zentralen Punkt.

So weit von meiner Seite die Einführung.