Rede von Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen des Besuchs der Stadt Verdun am 29. Mai 2016

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Sehr geehrter Herr Präsident, lieber François Hollande,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Herr Präfekt,
Herr Senator,
sehr geehrte Präsidenten des Regionalrates und des Rates des Départements,
sehr geehrte Abgeordnete und Stadträte,
meine Damen und Herren,
nicht zuletzt: liebe Schülerinnen und Schüler,

Verdun – das ist mehr als der Name Ihrer Stadt. Verdun – das ist auch eine der fürchterlichsten Schlachten, die die Menschheit erlebt hat. Erbittert kämpften hier vor 100 Jahren Franzosen und Deutsche gegeneinander.

Vor diesem Hintergrund ist Ihr freundlicher, freundschaftlicher Empfang für mich als deutsche Bundeskanzlerin alles andere als selbstverständlich – trotz der inzwischen vielen Jahre, in denen sich unsere beiden Nationen in Freundschaft einander verbunden fühlen. Die Einladung von Staatspräsident François Hollande zum gemeinsamen Gedenken in Verdun ist eine große Ehre für mich und für die Menschen in unserem Land. Deshalb möchte ich mich für die vielen herzlichen Gesten und Worte bedanken, mit denen Sie mich begrüßt haben. Es ist schön und alles andere als selbstverständlich, in freundliche Gesichter blicken zu dürfen an einem so geschichts- und symbolträchtigen Ort wie diesem. Auch wenn es viele Jahre her ist, dass so Schreckliches geschehen ist – dass es heute so ist, wie es ist, bedeutet mir viel.

Es gibt in Frankreich wohl kaum eine Familie, die nicht mit dem Grauen des Krieges in Berührung gekommen ist. Das gilt erst recht für diejenigen, die in Verdun beheimatet waren oder sind. Trotz der Evakuierung der Zivilbevölkerung fanden damals 500 Söhne und Töchter dieser Stadt den Tod. So ist ganz sicher auch unter Ihnen hier der eine oder andere, der von einem leidvollen Kapitel in der eigenen Familiengeschichte zu berichten weiß. Selbst in der Landschaft rund um die Stadt hat der Krieg bis heute seine Spuren hinterlassen. Die Erinnerung ist allgegenwärtig. Wir alle sind dazu aufgerufen, Erinnerung auch künftig wachzuhalten. Denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Lehren aus ihr ziehen und eine gute Zukunft gestalten. Daher ist es François Hollande und mir wichtig, gemeinsam mit Schulkindern von hier die Gedenkstätte für die Toten der Stadt zu besuchen.

Nach Verdun kamen 1984 auch Staatspräsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl. Sie gedachten der Toten Hand in Hand. Dieses Bild hat sich tief in das Gedächtnis unserer Nationen eingebrannt. Diese Geste unterstrich die Worte, die die beiden Staatsmänner damals stellvertretend für uns alle gewählt haben: „Wir haben uns versöhnt. Wir haben uns verständigt. Wir sind Freunde geworden.“

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Ihnen, den Leiterinnen und Leitern der Gedenkstätten in und um Verdun sowie dem Organisationsteam um Botschafter Joseph Zimet danke ich für die Vorbereitungen auf den heutigen Tag und auf das Gedenkjahr insgesamt. Sie verbinden ein würdiges Gedenken mit einem heiteren Zusammentreffen gerade auch junger Leute, das uns zukunftsfroh stimmt. Genau dies macht Verdun aus: Der Name steht für die unfassbare Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges wie auch für die Lehren daraus und die deutsch-französische Versöhnung.

Daher halte ich es für ein schönes Zeichen, dass der Adenauer-de-Gaulle-Preis in diesem überaus denkwürdigen Jahr an die Stadt Verdun geht. Mit dieser Auszeichnung würdigen wir besondere Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft. Mir ist es eine Ehre, den Preis heute gemeinsam mit Staatspräsident Hollande überreichen zu dürfen.

Herzlichen Dank.