Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim German-Mexican Business Summit am 23. April 2018

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Herr Staatspräsident, lieber Enrique Peña Nieto,
sehr geehrter Herr Castañón,
sehr geehrter Herr Professor Kempf,
meine Damen und Herren,

dass eine Veranstaltung gelungen ist, zeigt sich auch daran, dass man sie wiederholt. Herr Staatspräsident, mir ist es eine ganz besonders große Freude, gemeinsam mit Ihnen wieder ein deutsch-mexikanisches Wirtschaftsforum zu eröffnen. Vor nicht einmal einem Jahr – im Juni letzten Jahres war es – hatten wir schon einmal die Gelegenheit, damals in Mexiko-Stadt, im Museo Interactivo de Economia. Wie auch in dieser Woche auf der Hannover Messe zeigte sich die mexikanische Wirtschaft von ihrer besten Seite. Ich möchte alle mexikanischen Unternehmer begrüßen, vor allem auch die Vertreter der Staaten, die Gouverneure, die so zahlreich gekommen sind. Dies ist für uns eine sehr große Ehre.

Mexiko hat sich mittlerweile zur zwölftgrößten Industrienation der Welt entwickelt und glänzt insbesondere mit einer hochinnovativen Kfz-Branche. Schätzungen zufolge wird sich Mexiko in diesem Jahr mit rund vier Millionen produzierten Pkw zum siebtgrößten Autobauer hocharbeiten; und die Tendenz ist weiter steigend. Ich darf Sie, lieber Herr Staatspräsident, stellvertretend für die vielen Menschen, die dazu beitragen, herzlich beglückwünschen – auch zu den verbesserten Rahmenbedingungen. Mexiko ist ein verlässlicher Investitionspartner. Das ist besonders auch den Reformen zu verdanken, die während Ihrer Amtszeit durchgeführt wurden.

Die deutsche Wirtschaft hat mit ihrem Engagement in Mexiko diese Entwicklung seit vielen Jahrzehnten begleitet. Wer denkt dabei nicht auch an den legendären VW-Käfer? Schon in den 1960er Jahren rollten in Puebla Volkswagen vom Band. – Sie werden heute Nachmittag das Unternehmen in Wolfsburg besuchen. – Aber das Engagement reicht über deutsche Automobilhersteller und zulieferer weit hinaus. Maschinenbau, Chemie und Pharma sind ebenso wie Transport und Logistik weitere Branchenschwerpunkte der deutschen Wirtschaft in Mexiko. Die Tatsache, dass in Ihrem Land rund 2.000 deutsche Unternehmen vertreten sind, dass bislang rund 35 Milliarden US-Doller investiert wurden, zeigt, von welchem Stellenwert diese Kooperation ist. Diese Investitionen machen sich in erster Linie für die 130.000 Menschen bezahlt, die als Mitarbeiter der deutschen Wirtschaft vor Ort in Mexiko tätig sind.

Aber wir wollen nicht nur im Export und in den Direktinvestitionen gut sein, sondern wir wollen auch selbst ein Land sein, das Investoren mit offenen Armen empfängt. Das ist die Bewährungsprobe für den freien Handel. Wenn man irgendwo hinwill, sagt man ja: Ich will gute Bedingungen. Aber ist man bereit, in reziproker Art und Weise auch Unternehmen aus anderen Ländern willkommen zu heißen?

Wir freuen uns, dass sich mexikanische Unternehmen auch hier bei uns in Deutschland, zum Beispiel in der Kfz-Zuliefererindustrie oder im Softwarebereich und bei IT-Dienstleistungen, engagieren. Ich sage allerdings: Hier gibt es noch viel Spielraum. Ich möchte die mexikanische Wirtschaft ermuntern, den Investitionsstandort Deutschland noch mehr für sich zu entdecken. Diese Hannover Messe sollte ein gutes Beispiel dafür sein, dass eine solche Entdeckungsreise stattfinden kann. Es bieten sich nämlich ziemlich viele Möglichkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit: durch Digitalisierung und Industrie 4.0, insbesondere auch bei Energie- und Umwelttechnologien. Es ist gut, dass unsere beiden Länder bereits eine Energiepartnerschaft eint, die wir aber auch noch weiter ausbauen können.

Natürlich ist es das eine, über Hightech zu sprechen, etwas anderes ist es, Hightech auch wirklich zu schaffen und dann auch anwenden zu können. Das ist natürlich eine Frage der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Menschen. Wir haben in Deutschland mit unserem dualen Berufsausbildungssystem seit langer Zeit ein aus unserer Sicht sehr bewährtes Modell zur Sicherung unserer Fachkräftebasis. Wir freuen uns sehr, dass Mexiko dieses Modell in vielen Facetten, natürlich angewandt auf die eigene Situation, übernommen hat. Ich habe mich bei meinem Besuch in Mexiko selbst davon überzeugen können. Das große Interesse Mexikos an den Möglichkeiten einer praxisnahen Ausbildung freut uns sehr. Wir sind auch bereit – das haben wir heute mit der Unterzeichnung der Partnerschaftsabkommen deutlich gemacht –, dieses Thema weiter zu vertiefen. Denn ich habe mir sagen lassen, auch in Mexiko, in einem Land, in dem es ja so viele junge Menschen gibt, ist die Nachfrage nach Fachkräften, nach denen, die wirklich auf den Punkt ausgebildet sind, sehr groß. Nichts ist schlimmer für Investoren, als kein Personal zu finden. Wir haben uns heute zwar im Wesentlichen mit Robotern bzw. mit Cobotern beschäftigt, aber irgendwo müssen doch noch Menschen sein, die über notwendige Fähigkeiten verfügen. Wir haben eben schon darüber gescherzt, was denn Roboter und Maschinen in Zukunft wohl anstelle des Urlaubs machen werden und wie das alles weitergehen wird.

Fachliches Know-how ist und bleibt also wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung. Das gilt für Wirtschaftsnationen wie unsere beiden Länder, die sich die Chancen der Globalisierung ausdrücklich zunutze machen wollen. Wir wissen, dass es in unseren Ländern viele kontroverse Diskussionen über Chancen und Risiken der Globalisierung gibt. Aber in Deutschland ist glücklicherweise die Meinung noch weit verbreitet, dass Globalisierung mehr Chancen als Risiken enthält. Das bedeutet natürlich auch, dass wir bereit sind, uns dem internationalen Wettbewerb zu stellen. Insofern ist das Thema Handel ein zentrales Thema.

Beide Länder – ich habe es gestern schon gesagt – sind dem freien und fairen Handel verpflichtet. Es geht uns jetzt um ein modernisiertes Handelsabkommen. Ich bin sehr froh, dass mit der EU jetzt doch ein Durchbruch erzielt werden konnte. Ich hoffe, die technischen Feinarbeiten – das hört sich so einfach an, kann aber auch jahrelang dauern – gehen jetzt zügig voran. Denn für Unternehmen zählt, dass ein erneuertes Abkommen in Kraft ist, und nicht, ob der Durchbruch im Prinzip geschafft wurde. Wir müssen also weiter ein Auge darauf haben.

Wir verfolgen natürlich auch mit Interesse Ihre NAFTA-Verhandlungen. Wir haben gestern Abend sehr ausführlich darüber diskutiert. Wir wissen, dass Mexiko nach wie vor sehr stark vom amerikanischen Markt abhängig ist. Das erklärt sich auch geografisch. Aber wir sind natürlich daran interessiert, dass Mexiko bei der Diversifizierung ebenfalls erfolgreich ist.

Wir haben auch die Verabschiedung des Handelsabkommens in der Pazifik-Region sehr aufmerksam verfolgt und sind sehr froh, dass es der Europäischen Union gelungen ist, Fortschritte bei den Handelsabkommen mit Japan und mit Singapur zu erreichen. Das sind ebenfalls Projekte, über die jahrelang verhandelt wurde und bei denen wir endlich Durchbrüche verzeichnen konnten.

Wir wissen, dass wir bei all den bilateralen Handelsabkommen auch die Welthandelsorganisation als solche stärken müssen. Dass es so viele bilaterale Handelsabkommen gibt, ist ja letztendlich der Tatsache geschuldet, dass man sich nach 1994 zu keiner großen Handelsrunde mehr international verständigen konnte. Angesichts des jeweiligen technischen Fortschritts allein zwischen zwei Hannover Messen scheint 1994 schon eine Ewigkeit zurückzuliegen. Deshalb müsste es im allgemeinen Interesse sein, auch wenn man heute dafür belächelt wird, zu sagen: Wir brauchen wieder ein multilaterales Handelsabkommen. Denn man sieht ja jetzt an all den Diskussionen, dass etwas ins Wanken geraten ist und dass die Lage sehr schwierig ist. Deshalb geht es darum, ein verlässliches gemeinsames Regelwerk zu schaffen und Mechanismen zur Streitbeilegung zu haben, die von allen akzeptiert werden – mit einem Wort: überall Rechtssicherheit zu erreichen.

Mit der Modernisierung des EU-Mexiko-Abkommens wird es große Fortschritte geben. Für den deutsch-mexikanischen Handel verspreche ich mir weiteren Schwung. Ein Handelsvolumen von 20 Milliarden Euro im letzten Jahr ist schon nicht schlecht. Dahinter steht zum einen ein deutsches Plus bei den Exporten von rund 16 Prozent. Zum anderen sind die mexikanischen Exporte nach Deutschland um 44 Prozent gewachsen. Das ist genau die Richtung, um Schritt für Schritt zu ausgeglichenen Leistungsbilanzen zu kommen, an denen wir durchaus ein Interesse haben.

Ich freue mich über die guten Beziehungen. Ich glaube, unsere Beziehungen haben sich in den letzten Jahren insgesamt sehr intensiviert. Es besteht auch ein hohes Maß an Sympathie gegenüber dem jeweils anderen Land, zwischen unseren Ländern. Da wir von Ludwig Erhard, dem Vater der Sozialen Marktwirtschaft, gelernt haben, dass Wirtschaft immer auch zu 50 Prozent Psychologie ist, ist es gut, dass wir auch als Staats- und Regierungschefs heute hier dabei sein können, um Ihnen ein bisschen psychologischen Antrieb zu geben und Ihnen zu versprechen, dass wir an der Verbesserung der Rahmenbedingungen beständig arbeiten werden.

Herzlichen Dank, lieber Herr Präsident, herzlichen Dank den Gouverneuren und Unternehmern aus Mexiko. Wir wissen, dass die Reise weit ist, aber wenn Sie einmal hier sind, dann können Sie auch sehen, dass Deutschland auch sehr schön ist. Genießen Sie also nicht nur die Messehallen, sondern ein bisschen auch Hannover und vielleicht auch die Umgebung. Deutschland hat viel zu bieten. Sie sind immer herzlich eingeladen.

Herzlichen Dank.