Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim Empfang der Sternsinger am 7. Januar 2019

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Sehr geehrter Herr Prälat Krämer,
sehr geehrter Herr Pfarrer Bingener
und vor allem Ihr, liebe Sternsinger,

ich freue mich in diesem Jahr ganz besonders, dass Ihr hierhergekommen seid, denn manche hatten einen ziemlich beschwerlichen Weg, weil es nicht überall so aussieht wie in Berlin, sondern in einigen Teilen Deutschlands ja sehr viel geschneit hat. Deshalb danke dafür, dass auch die, die aus Bayern und aus dem Süden Deutschlands kommen, den Weg hierher geschafft haben.

Ich freue mich jedes Jahr, wenn Ihr kommt und damit das neue Jahr sozusagen einläutet und diesem Haus den Segen für die Arbeit gebt. Das sage ich auch im Namen der hier Arbeitenden, auch der beiden Staatsminister, die heute dabei sind, Monika Grütters und Herr Hoppenstedt. Eure Anwesenheit ist immer etwas ganz Besonderes für uns. Denn die Farbigkeit eurer Kostüme, die Musik, die Fröhlichkeit und der Segen – das haben wir nicht alle Tage; und das muss dann für 365 Tage reichen, bis Ihr wiederkommt.

Ihr seid also Segensbringer – und Ihr seid Botschafter. Eure Botschaft ist: „Wir gehören zusammen.“ Das haben wir auch durch das Anfassen miteinander gezeigt. Dass Ihr in diesem Jahr besonders auf die Situation von Kindern mit Behinderung aufmerksam macht, finde ich sehr wichtig. Das betrifft nicht nur ein Projekt in einem Land, sondern das ist etwas ganz Generelles. Ihr habt das ja eben an verschiedenen Beispielen deutlich gemacht. Viele Kinder mit Behinderung könnten so viel machen, wenn man ihnen manchmal mehr helfen und kleine Unterstützungen geben würde. Das ist leider nicht überall möglich.

Die meisten Menschen mit Behinderung leben in Entwicklungsländern. Dort ist es oft schon für die Menschen, die keine Behinderung haben, sehr schwer, überhaupt das Leben zu gestalten, aber dann erst recht das Leben mit Behinderung. Oft reichen auch das Wissen und die Kraft nicht aus. Oft werden diese Menschen auch ausgegrenzt. Wenn man ihnen Hilfen geben kann – Sehhilfen, Hörhilfen, Hilfsmittel wie zum Beispiel Rollstühle –, dann wird vieles schon sehr viel besser.

Für uns in Deutschland ist das zum Teil selbstverständlich. Vielleicht kennt auch Ihr aus der Bekanntschaft oder aus der Schule Menschen, die Behinderungen haben. Aber seien wir einmal ganz ehrlich: Auch wenn wir materiell alles haben, werden Menschen, die ein bisschen anders sind, manchmal auch ganz schön gehänselt und haben es nicht so einfach. Deshalb ist es selbst in einem reichen Land ganz wichtig, dass wir mit Menschen mit Behinderung so umgehen, dass wir ihre Würde immer respektieren und uns einmal in sie hineinversetzen. Auch das ist ja ein Teil Eurer Arbeit.

Aber in den Entwicklungsländern gibt es noch ganz andere Probleme. Kinder mit Behinderung leben oft zu Hause und können nicht in die Schule gehen. Sie werden auch oft in Kinderheimen untergebracht. Man möchte sie aus der Gesellschaft ausgrenzen. Die Eltern schämen sich manchmal, dass sie Kinder haben, die nicht so sind wie die anderen. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass Ihr diese jungen Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Wenn Kinder keine oder nur schlechte Möglichkeiten haben, etwas zu lernen oder sich gut zu entwickeln, wenn sie keine Unterstützung erfahren, wenn sie nicht wissen, was in der Zukunft aus ihnen wird, dann läuft natürlich etwas ganz falsch. Damit dürfen wir uns niemals abfinden, auch wenn die Probleme riesig sind und man gar nicht weiß, wo man zuerst anfangen soll. Viele Länder haben zwar Vereinbarungen unterschrieben – die Vereinten Nationen haben eine Konvention verabschiedet, die sehr viele Länder unterzeichnet haben –, aber die Realität, die Wirklichkeit, das, was man zu Hause erlebt, sieht oft ganz anders aus.

Deshalb setzen wir als Bundesregierung uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderung, gerade auch Kinder, bessere Möglichkeiten haben. Ich sage ganz offen: Wir helfen in anderen Ländern, aber wir haben auch bei uns zu Hause noch viel zu tun. Denn Barrierefreiheit und vieles andere mehr – ich habe auch vom Ausgrenzen gesprochen –, das ist manchmal auch bei uns ein Problem. Das, was wir als Staat tun, ist wichtig und notwendig. Aber es ist gut und wichtig, dass es Euch gibt, weil das, was wir tun können, nicht ausreicht.

Deshalb sammelt Ihr in diesem Jahr Geld, um Kindern mit Behinderung in Peru und in vielen anderen Ländern der Welt zu helfen. Das kann darin bestehen, dass man spezielle medizinische Behandlungen gibt. Das kann darin bestehen, dass ein Schulbesuch ermöglicht wird. Das kann darin bestehen, dass Kinder eine Ausbildung bekommen, die sonst keine Ausbildung bekämen. Deshalb freue ich mich, dass Ihr zwei Reha-Zentren für Kinder und Jugendliche im Amazonasgebiet in Peru unterstützt. Dort herrscht ganz große Armut. Ihr werdet sicherlich darüber gesprochen haben. Dass sich für diese Kinder etwas bewegt, etwas ändern wird, dass sie Hoffnung für ihre Zukunft haben – das ist etwas ganz Schönes zu Beginn des Jahres 2019.

Ihr macht aber mehr. Ihr sammelt nicht nur für diese Projekte. Dass es Euch gibt, und so viele davon, dass es die Betreuer gibt – genau das ist auch die Botschaft an uns alle und an die Menschen, die Ihr besucht: Macht doch auch etwas; jeder kann einen kleinen Beitrag leisten. Ich hoffe, Euch haben sich viele Türen geöffnet und Ihr habt freundliche Menschen getroffen. Denn wir hier in Deutschland sind im Durchschnitt, verglichen mit anderen, doch eben sehr viel besser dran. Auch wer nur ein kleines bisschen hilft, der kann schon einen Beitrag dazu leisten, dass sich woanders das Leben eines Menschen verändert.

Im vergangenen Jahr habt Ihr mit fast 49 Millionen Euro so viel Geld gesammelt wie noch niemals zuvor. Damit konnten viele, viele gute Projekte verwirklicht werden. Ich hoffe natürlich, dass es dieses Jahr wieder so gut wird und dass Ihr mindestens so viel sammelt. Aber wir wollen erst einmal abwarten, bis alles zu Ende ist.

Ich wünsche Euch weiterhin viel Freude. Ich danke Euch, dass Ihr Euch von so jungem Alter – wir haben heute ja auch ganz kleine Könige dabei – bis hinauf fast schon ins Alter von Jugendlichen auf den Weg gemacht habt und auch uns hier im Kanzleramt in Berlin besucht. Damit auch in diesem Jahr wieder etwas zusammenkommt, habe ich natürlich auch eine Spende für Euch. Vielleicht hat auch jemand eine Schatulle, mit der er zu mir kommen könnte. Ich wünsche Euch alles Gute; und ich wünsche auch, dass die Projekte wirklich gut gelingen mögen.