Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim 12. Berliner Abend der deutschen Feuerwehren des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) e. V. am 17. Mai 2017 in Berlin

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Sehr geehrter Herr Präsident Ziebs,
sehr geehrter Herr Bundesminister de Maizière,
sehr geehrter Herr Landesbranddirektor Gräfling,
sehr geehrte Präsidiumsmitglieder,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag
und vor allem: sehr geehrte Vertreter der Feuerwehren,

wer kennt nicht die Redewendung „pünktlich wie die Feuerwehr“? Denn sie ist da, wenn es brennt – im wörtlichen wie inzwischen auch verstärkt in übertragenem Sinne. Ihre Einsatzpalette ist breit: Mal ist ein Brand zu löschen, mal ein Mensch aus einem verunglückten Fahrzeug zu befreien, mal ein Notfallpatient ins Krankenhaus zu bringen. Der Kampf gegen Hochwasser gehört genauso dazu wie technische Hilfeleistung. Nicht zuletzt gilt ihr Augenmerk – auch dafür sei Dank – der Vorsorge, damit es möglichst gar nicht erst zum Notfall kommt.

Den vielfältigen Aufgaben stellen sich rund 1,3 Millionen – ich wiederhole die Zahl: 1,3 Millionen – Angehörige unserer Feuerwehren im ganzen Land. Die meisten davon arbeiten ehrenamtlich. Das ist gute Tradition. Viele örtliche Feuerwehren entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts. Dass wir diese Tradition bis heute erhalten konnten, dafür danke ich Ihnen allen. Es ist ein gutes Stück Deutschland, dass wir eine solche Struktur haben; sie ist ziemlich einzigartig – ich will nicht übertreiben, aber ich glaube, fast einzigartig auf der Welt. Ehrenamtliche Verantwortung bedeutet damals wie heute, sich auf Übungen und Einsätze zusätzlich zum eigentlichen Arbeitsalltag einzulassen und Freizeit und andere Interessen zurückzustellen – immer mit dem Ziel, dem Gemeinwohl zu dienen.

Ob ehren- oder hauptamtlich – die Feuerwehren sind zur Stelle, wenn Not am Mann oder Not an der Frau ist. Sie sind in der Regel die ersten, die am Ort des Geschehens eintreffen und schnell und kompetent Hilfe leisten. Um andere aus Gefahren zu retten, nehmen sie oft selbst Gefahren für sich und ihr Leben in Kauf – das ist nun wirklich alles andere als selbstverständlich. Das ist auch der Grund dafür, dass ich sehr gerne heute zu Ihnen gekommen bin und Ihnen von Herzen Dank sage – natürlich genauso im Namen des Bundesinnenministers und der gesamten Bundesregierung –: Danke für Ihre Arbeit; wir wissen sie zu schätzen. Geben Sie diesen Dank deshalb bitte auch weiter.

Weil diese Arbeit so wertvoll ist, verdient sie natürlich auch Unterstützung vonseiten der Politik. Das gilt auch mit Blick auf die Ausrüstung. Denn Ihre Aufgaben erledigen Sie nicht allein mit gutem Willen, Sie brauchen auch eine entsprechende Ausstattung. Was den Bund anbelangt, so kann man sagen, dass der Bund einen erheblichen Beitrag für eine moderne technische Ausstattung der Feuerwehren leistet. Wir sorgen zum Beispiel dafür, dass den Bundesländern Einsatzfahrzeuge für den Zivil- und Katastrophenschutz zur Verfügung gestellt werden – Herr Ziebs ist auf das entsprechende Programm schon eingegangen. Derzeit sind über 300 neue Löschgruppenfahrzeuge und fast 100 neue Schlauchwagen zur Beschaffung ausgeschrieben. Es werden über 92 Millionen Euro sein, die der Bund in den nächsten Jahren in die Feuerwehrausstattung investiert.

Eine gute Ausstattung ändert aber wenig an den enormen physischen und psychischen Belastungen, die mit Ihren Einsätzen verbunden sind. Sie sind immer wieder – Herr Ziebs hat davon gesprochen – schlimmen Bildern von schwerverletzten Menschen oder von Menschen, die ums Leben gekommen sind, ausgesetzt. Das muss jeder Einzelne erst einmal verkraften. Umso wichtiger ist es, dass wir vonseiten der Politik auch den vielen Außenstehenden deutlich machen, was für eine Verantwortung Sie übernehmen und wie wichtig es ist, dass diejenigen, die nicht betroffen sind, auch ermöglichen, dass der Einsatz ungehindert erfolgen kann.

Ich glaube, man kann sagen, dass der Einsatz der Feuerwehren in der deutschen Bevölkerung nach wie vor ein unglaublich hohes Ansehen genießt. Es gibt aber zunehmend Beispiele, in denen Respekt und Rücksicht ihnen gegenüber einfach abhandengekommen sind – und zwar in einer erschreckenden Weise. Das fängt an mit denen, die unbeteiligt sind, sich aber als Schaulustige an Unfallorten drängeln, alles ganz genau verfolgen wollen und dadurch Einsatzkräfte oft erheblich behindern. Manche lassen sich dazu hinreißen, Rettungskräfte verbal oder gar tätlich zu attackieren. Das heißt, mit Sensationsgier kann man das Leben anderer gefährden; das müssen wir auch ganz deutlich ansprechen. Solches Verhalten ist inakzeptabel. Und deshalb haben wir auch gesetzlich gehandelt.

Der betreffende Bundestagsbeschluss sieht unter anderem Freiheitsstrafen vor, wenn Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste im Einsatz absichtlich behindert oder tätlich angegriffen werden. Denn jede einzelne solcher Taten erschwert nicht allein die Hilfeleistung im konkreten Fall, sondern ist zugleich ein Angriff auf die öffentliche Sicherheit. Wir hoffen, dass die Strafverschärfung nun auch dazu führt, dass das Wissen darum zu mehr Besonnenheit Anlass gibt und dass die Sensibilität der Menschen dadurch wächst. Wir brauchen mehr Bewusstsein dafür, dass die Würde eines Opfers verletzt wird, aber auch die Möglichkeiten eines Retters eingeschränkt werden, wenn so agiert wird, wie ich es beschrieben habe.

Das heißt nichts anderes, als dass wir mehr Akzeptanz gegenüber Einsatzkräften brauchen, die den Dienst der Allgemeinheit zuliebe leisten. Ich glaube, das beginnt ganz früh. Deshalb war ich sehr gerne auch bei der Jugendfeuerwehr im Berliner Wedding zu Besuch. Die Mädchen und Jungen, die dort mitmachen, wissen schon in jungen Jahren sehr viel über den Umgang mit Gefahren. Sie machen sich schlau und kennen sich aus mit dem Löschen von Bränden und Erster Hilfe. Ich finde es wunderbar, wenn schon junge Leute mitbekommen, was Ehrenamt bedeutet. Sie sehen das dann auch als Teil ihres Lebens, sie spüren viel Freude – es macht Freude, mit vereinten Kräften etwas zu bewegen – und sie erkennen, dass derjenige, der etwas gibt, dadurch oft auch für sich und seine Persönlichkeit eine Menge gewinnt. Diese Erfahrungen bleiben erhalten, wenn die jungen Menschen erwachsen werden.

Deshalb ist Nachwuchsarbeit so wichtig. Ich habe mir natürlich auch darstellen lassen, dass das gar nicht so einfach ist, sondern dass man auch in die Schulen gehen und bewusst Kontakte knüpfen muss. Deshalb möchte ich auch noch ein zweites Mal danke sagen – danke dafür, dass Sie sich nicht nur selber einbringen, sondern dass Sie auch immer wieder bei der Jugend schauen, wer sich mit einbringen könnte. Das ist toll.

Der Bund versucht auch hierbei unterstützend tätig zu werden. Es ist eigentlich gar nicht so schwer, Kinder zu begeistern, wenn man einmal mit ihnen ins Gespräch kommt. Der Puppenfilm „Rettet die Retter“ richtet sich bereits an Kindergartenkinder. Ein anderes Projekt ist die Internetseite „Max und Flocke Helferland“, die vor allem Grundschulkinder ansprechen soll.

Viele Jugendfeuerwehren versuchen auch Kinder aus Migrantenfamilien für ihre Arbeit zu begeistern. Dies hilft beiden Seiten und ist auch ein Beitrag zur Integration. Ich kann es deshalb nur begrüßen, dass die Feuerwehren auch Flüchtlinge und Asylsuchende ausbilden und in ihre Arbeit einbinden. Ob das neu erworbene Wissen dann hierzulande zum Einsatz kommt oder vielleicht auch nach der Rückkehr in die eigene Heimat hilfreich ist – in jedem Fall ist das Ausbildungsengagement ein Gewinn für alle Beteiligten.

Die Feuerwehren waren mit die ersten Organisationen, die zur Stelle waren, als im Herbst 2015 so viele Flüchtlinge zu uns kamen. Sie haben geholfen, die Ankommenden mit dem Nötigsten zu versorgen. Wir sind natürlich auch heute unverändert für diesen Einsatz dankbar. Sagen Sie das bitte auch wirklich an alle Kameradinnen und Kameraden weiter.

So können wir also auf verschiedene Tätigkeiten hinweisen. Ich will hier aber nicht nur sagen, was alles gut läuft, sondern auch erwähnen, dass Sie vor ziemlich großen Herausforderungen stehen. Wir erleben einen demografischen Wandel, wir haben es mit einem veränderten Freizeitverhalten zu tun und wir haben es mit Arbeitgebern zu tun, die strenge Anforderungen an ihre Beschäftigten richten. Das heißt, wir müssen schauen, wie wir die Struktur der Feuerwehren im Zeitalter höherer Mobilität in der Berufstätigkeit, im Zeitalter eines sich verändernden Altersaufbaus und auch in einem Zeitalter sich verändernder Familienpflichten erhalten können. Durch zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen und durch die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie verändert sich natürlich auch das Freizeitkontingent aller Beteiligten. Darauf muss man Rücksicht nehmen.

Deshalb versuchen wir das Ehrenamt zu unterstützen, wo wir können: durch Erleichterungen oder Vergünstigungen – etwa im steuerlichen Bereich oder auch bei bestimmten Gebühren. Der Bundesinnenminister verleiht jedes Jahr den Förderpreis „Helfende Hand“ für ehrenamtliche Initiativen im Bevölkerungsschutz. Auch mehrere Projekte von Kreis- und Ortsfeuerwehren wurden in diesem Rahmen bereits ausgezeichnet. Und dadurch wiederum wurden Menschen darauf hingewiesen, was sie tun.

Meine Damen und Herren, als Rettungskräfte und Feuerwehren stehen Sie nicht nur für sich, Sie stehen auch für unseren Staat und unser funktionierendes Gemeinwesen. Das Vertrauen in Sie und in Ihre Arbeit ist hoch. Wir alle wissen, was wir an unseren Feuerwehren haben. Deshalb versuchen wir auch, so hilfreich wie möglich zu sein. Heute ist ja Parlamentarischer Abend: Auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag unterstützen das natürlich. Denn allein als Regierung können wir gar nichts machen, wenn wir keine Mehrheiten im Parlament bekommen. Das will ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen.

Wir sollten die enge Kooperation zwischen den Feuerwehren und der Politik weiter aufrechterhalten. Es mag manchmal auch knirschen, wenn Sie Ihre Vorstellungen vorbringen, aber eines müssen Sie wissen: Sie haben einen festen Platz in unseren Herzen, weil wir alle natürlich gerne sicher leben wollen. Deshalb: Gerade in Zeiten, wie wir sie jetzt haben – mit völlig neuen Bedrohungen –, dürfen Sie davon ausgehen, dass wir einfach dankbar dafür sind, dass es Sie gibt.

Alles Gute Ihnen. Danke dafür, dass ich bei Ihnen sein kann.