Rede von Bundeskanzlerin Merkel anlässlich der Inbetriebnahme des Quantencomputers bei IBM in Ehningen am 15. Juni 2021 (Videokonferenz)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Winfried Kretschmann,
sehr geehrte Frau Hoffmeister-Kraut,
sehr geehrte, liebe Anja Karliczek,
sehr geehrter Herr Krishna,
sehr geehrter Herr Jetter,
sehr geehrter Herr Professor Neugebauer,
sehr geehrter Kollege Herr Biadacz,
meine Damen und Herren,

heute enthüllen wir in Ehningen den ersten Quantencomputer in Europa. Wir haben das IBM und der Fraunhofer-Gesellschaft zu verdanken. Ohne Zweifel ist der Quantencomputer ein glänzendes Aushängeschild des Hightech-Standortes Deutschland. Und dass dieses Wunderwerk der Technologie in Baden-Württemberg beheimatet ist, verwundert eigentlich kaum. Das Bundesland gehört schon seit Jahren zu den innovationsstärksten Regionen Europas, wobei hier der Landkreis Böblingen besonders heraussticht. Bereits seit Beginn der Industrialisierung ‑ seit den ersten Dampfmaschinen und Eisenbahnen ‑ scheint sich das Rad des Fortschritts im Südwesten unseres Landes oft ein wenig schneller zu drehen als anderswo. Jedenfalls finden sich hier schon seit langem hervorragende Bedingungen für Wissenschaft und Wirtschaft.

Die Idee, die Effekte der Quantenphysik für Rechner zu nutzen, ist nicht neu. Viele Jahre wurden Möglichkeiten erforscht, diese Idee dann auch Realität werden zu lassen. Quantencomputer können spezifische Berechnungen in nur wenigen Augenblicken durchführen. Herkömmliche Computer würden dafür hunderte, wenn nicht tausende Jahre Rechenzeit brauchen. Mit dem Quantencomputer verbindet sich auch die Hoffnung, Laborversuche simulieren zu können, die ansonsten sehr, sehr aufwendig wären.

Wir stehen aber erst am Anfang dieser neuen Technologie. Doch sie lässt gewaltige disruptive Innovationspotenziale erwarten. Denken wir zum Beispiel daran, dass es gilt, Kommunikation sicher zu gestalten, medizintechnische Durchbrüche zu schaffen oder Logistik und Materialforschung zu optimieren. Als ultraschnelle Parallelrechner können Quantencomputer in verschiedensten Bereichen Leistungsschübe für mehr Wertschöpfung schaffen, insbesondere in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz. Das heißt nichts anderes, als dass Quantencomputing in unserem Bemühen um technologische und digitale Souveränität eine Schlüsselrolle spielen kann ‑ und damit auch für Wachstum und Beschäftigung.

Natürlich sind wir mit solchen Überlegungen nicht allein auf der Welt. Insbesondere die USA und China investieren hohe Summen. Dabei geht es nicht allein um Grundlagenforschung, sondern verstärkt auch um Anwendungsfelder. Wir sind also bereits inmitten eines intensiven Wettbewerbs. Da möchte Deutschland ein wichtiges Wörtchen mitreden ‑ und das tun wir nun auch und gerade mit der Inbetriebnahme des IBM Q System One in Ehningen.

Deutschland gehört in der Forschung zu Quantentechnologien zur Weltspitze. Dort wollen wir auch bleiben. Wir wollen uns die Forschungsergebnisse auch möglichst für wirtschaftliche Anwendungen zunutze machen. Daher werden wir die Investitionen in Quantentechnologien bis 2025 um zusätzliche zwei Milliarden Euro steigern.

Die Bundesregierung hat dafür ein integrierendes Konzept zur Förderung auf den Weg gebracht ‑ integrierend auch deshalb, weil wir zwei Ansätze verfolgen, die beide eng verknüpft sind und sich gegenseitig ergänzen sollen. Zum einen sollen unter einem gemeinsamen Dach bis zu fünf Hubs aufgebaut werden, die jeweils eine Technologieplattform beinhalten und durch Kompetenznetzwerke verbunden sind. Zum anderen ist der Aufbau von jeweils einem Industriekonsortium für Hardware sowie einem für Software und Anwendungen vorgesehen.

Ziel dieses Konsortialansatzes ist es, mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft, darunter auch Startups, quantentechnologische Kompetenzen zu bündeln. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt wird hierbei die Koordinierung übernehmen. Der Fokus soll konsequent auf marktnahen Entwicklungen und Anwendungen liegen. Es geht uns also darum, ein umfassendes Innovationsökosystem aufzubauen, das sich gleichsam zu einer neuen industriellen Basis entwickelt.

Meine Damen und Herren, wir haben hierzulande für den Aufbau wettbewerbsfähiger Strukturen im Quantencomputing hervorragende Voraussetzungen. Sie werden sogar noch viel besser mit der heutigen Inbetriebnahme des Quantencomputers. Ich möchte deshalb IBM und der Fraunhofer-Gesellschaft für ihre zukunftsweisende Arbeit danken ‑ und Ihnen allen für Ihre freundliche Aufmerksamkeit. Ich möchte aber nicht schließen, ohne zu sagen: Wir müssen in all den Bereichen, die ich eben genannt habe, wirklich hart bei der Arbeit bleiben, eben weil der Rest der Welt nicht schläft.