Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des deutsch-kasachischen Wirtschaftsforums

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Exzellenzen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich darf im Namen unserer ganzen Delegation sagen, dass wir uns sehr freuen, heute hier in Astana in Kasachstan zu Gast zu sein. Wir bedanken uns für den herzlichen Empfang.

Unsere Delegation besteht aus Vertretern der Regierung, aus allen Fraktionen des Parlaments, der Wirtschaft in einer beachtlichen Delegationsstärke und dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Es sind heute also viele Bereiche der deutschen Gesellschaft in Kasachstan vertreten, um unsere Beziehungen, wie Sie es eben auch gesagt haben, weiterzuentwickeln und einen Startschuss für noch mehr Dynamik zu geben.

Unsere Reise findet im „Jahr Deutschlands in Kasachstan“ statt. Wir hoffen, dass viele Menschen in Kasachstan mehr über Deutschland erfahren können. Ich kann auch bestätigen, dass wir immer sehr gute Beziehungen hatten, was die deutsche Minderheit in Kasachstan anbelangt, und dies auch fortentwickeln wollen.

Wir haben ein Projekt im Auge, eine deutsch-kasachische Universität, das aus meiner Sicht ein Symbolprojekt werden kann. Ich möchte mich beim Parlament dafür bedanken, dass es die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen hat. Ich habe eben mit dem Ministerpräsidenten darüber gesprochen, dass wir jetzt sehr schnell die notwendigen Umsetzungen angehen können. So können wir mit dem neuen Gebäude symbolhaft auch für unsere Partnerschaft im Umweltbereich deutlich machen, was man mit Umweltschutz und Energieeffizienz heute alles bewegen kann.

Natürlich ist ein Kernbestandteil der deutsch-kasachischen Beziehungen die Partnerschaft im Bereich der Wirtschaft. Die Tatsache, dass heute so viele und auch wichtige Vertreter der deutschen Wirtschaft an diesem Forum teilnehmen, zeigt, dass wir auf diesem Weg auch große Chancen und Hoffnungen sehen. Dass heute Dokumente mit einem Auftragswert in Höhe von rund zwei Milliarden Euro unterzeichnet werden, ist ein guter Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung.

Kasachstan ist für uns das wirtschaftliche Kraftzentrum Zentralasiens und für Deutschland mit großem Abstand der wichtigste Wirtschaftspartner in der Region. Der Handel mit Kasachstan – das muss man sich noch einmal vor Augen führen – steht für 90 Prozent des deutschen Handelsvolumens mit der Region und für 75 Prozent der deutschen Exporte nach Zentralasien. Aber das allein reich natürlich noch nicht, sondern wir können das quantitativ sehr wohl weiterentwickeln.

Ich stimme auch zu, dass sich die kasachische und die deutsche Wirtschaft ergänzen. Sie können voneinander profitieren. Für unsere Energieversorgungssicherheit ist der Bezug von Erdöl aus Kasachstan immer wichtiger geworden. Kasachstan ist inzwischen viertwichtigster Erdöllieferant Deutschlands. Umgekehrt können deutsche Unternehmen natürlich einen sehr wertvollen Beitrag für die Modernisierung Kasachstans leisten. Die kasachische Regierung hat sich ja für die kommenden Jahre weitreichende Ziele gesteckt.

Wir unterstützen Ihr Bestreben nach einer Diversifizierung der kasachischen Wirtschaft und nach dem Ausbau der kasachischen Infrastruktur. Wir unterstützen auch das Bestreben, einen Schwerpunkt auf die Entwicklung von kleineren und mittelständischen Unternehmen zu legen. Wir haben hiermit in Deutschland sehr gute Erfahrungen gemacht, auch was die Krisenfestigkeit von Wirtschaftsstrukturen anbelangt. Hierüber können wir in einen umfassenden Erfahrungsaustausch eintreten.

Ich darf für die deutsche Wirtschaft – die Anwesenheit von Herrn Mangold und der anderen deutschen Wirtschaftsvertreter unterstreicht das noch einmal – sagen: Die deutsche Wirtschaft ist sehr daran interessiert, bei der Umsetzung dieser wichtigen und zukunftsweisenden Initiativen, die Sie bis 2015 ausformuliert haben, einen gewichtigen Beitrag zu leisten. Deutsche Unternehmen verfügen gerade in Schlüsselbereichen des kasachischen Modernisierungsprogramms über ausgezeichnetes Know-how und auch große internationale Erfahrung. Das gilt zum Beispiel für die Bereiche Energieeffizienz und Petrochemie, für die Energieindustrie insgesamt, für den Maschinenbau, den Telekommunikationsbereich, die Agrarindustrie und die Bauwirtschaft.

Wichtigste Voraussetzungen für ein größeres Engagement deutscher Unternehmen in Kasachstan sind verlässliche Rahmenbedingungen und natürlich eine solide Basis gegenseitigen Vertrauens. Ich denke, unser heutiger Besuch hier und unsere Gespräche werden genau dazu beitragen. Es ist – das muss man bei allem, das man noch mehr machen kann, doch sagen – heute schon zwischen vielen kasachischen und deutschen Unternehmen eine enge und vertrauensvolle Partnerschaft entstanden. Genau darauf wollen wir aufbauen. Umso wichtiger ist es natürlich, auch in schwierigen Zeiten zusammenzustehen.

Die deutsche Wirtschaft und die kasachische Wirtschaft wurden im vergangenen Jahr von der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise schwer getroffen. Leider muss man sagen: Auch die Zahlen unseres Wirtschaftsaustauschs spiegeln das wider. Das Handelsvolumen ging im vergangenen Jahr um fast 40 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro zurück. Aber es gibt sehr gute Aussichten darauf – sowohl, wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland anschaut, als auch, wenn man sich die Rohstoffpreisentwicklung anschaut, als auch, wenn man über das Wirtschaftswachstum in Kasachstan in den ersten sechs Monaten dieses Jahres spricht –, dass wir aus diesem Tal schnell wieder herauskommen werden und dann Anlauf holen können, um unsere Beziehungen weiterzuentwickeln.

Auch einige kasachische Banken hatten Schwierigkeiten. Deutsche Gläubiger und auch der deutsche Staat mussten bei der Bewältigung dieser Folgen finanzielle Belastungen hinnehmen. Ich glaube, deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir uns auf die vollständige Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen zur Restrukturierung der betroffenen Banken verlassen können und dass wir dabei auch die Unterstützung des kasachischen Staates spüren. Wir werden dann nämlich wieder in der Lage sein, auch die Exportkreditgarantien auszustellen, die für die Entwicklung unseres gegenseitigen Handelsvolumens wichtig sind. Deshalb habe ich auch bereits in meinem ersten Gespräch mit dem Ministerpräsidenten darauf hingewiesen, dass wir das wollen, dass wir in die Zukunft blicken und die Vergangenheit sozusagen hinter uns lassen müssen. Dies können wir aber natürlich auch nur auf der Basis tun, dass bei uns die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass wir so handeln können.

Meine Damen und Herren, über unsere wirtschaftlichen Beziehungen hinaus ist Kasachstan ein wichtiger Freund und Partner Deutschlands. Wir haben eine Vielzahl gemeinsamer Herausforderungen zu bewältigen. Das gilt gerade für das Jahr 2010, in dem Kasachstan den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa innehat. Deutschland hat die Kandidatur Kasachstans um den OSZE-Vorsitz von Anfang an unterstützt – Herr Präsident, wir haben oft darüber gesprochen. Ich glaube, dass der OSZE-Vorsitz Kasachstan eine hervorragende Gelegenheit gibt, deutlich zu machen, dass es die Werte Freiheit, Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte sind, die unserer Gemeinschaft, der Gemeinschaft der OSZE, auch im 21. Jahrhundert Sinn und Notwendigkeit verleihen. Wir wollen uns für die Verwirklichung dieser Werte im Raum der OSZE und natürlich auch ganz besonders im zentralasiatischen Raum einsetzen.

Meine Damen und Herren, Deutschland und Kasachstan stellen in ihren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen ihre Partnerschaft und Nähe immer wieder unter Beweis. Der heutige Besuch ist ein Teil davon, das „Jahr Deutschlands in Kasachstan“ ein anderer. Auch in diesem Rahmen wird es noch etliche Ereignisse geben, die auch den Menschen in Kasachstan zeigen werden, welche kulturelle Vielfalt es in Deutschland gibt.

Ich hoffe und bin angesichts der beeindruckenden Teilnehmerzahl überzeugt davon, dass auch das heutige Wirtschaftsforum dazu beitragen wird, deutsche und kasachische Unternehmer noch enger zusammenzubringen und aus den Unterzeichnungen, die wir schon heute tätigen können, für die Zukunft noch sehr viel mehr zu machen. Ich freue mich auf die Gespräche im Laufe des Nachmittags, die wir dann auch auf der politischen Ebene führen werden, und denke, der heutige Tag kann ein guter Tag auch für die zukünftigen deutsch-kasachischen Beziehungen sein. Herzlichen Dank.